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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 22.12.2005
Aktenzeichen: VI-Kart 8/05 (V)
Rechtsgebiete: SGB V, GWB, GKG, ZPO


Vorschriften:

SGB V § 69
GWB § 71 Abs. 2 Satz 2
GWB § 78 Satz 1
GKG § 12 a Abs. 1 Satz 2 c
ZPO § 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

I. Der Beschwerdeführerin werden, nachdem sie ihre Beschwerde gegen den Beschluss des Bundeskartellamts vom 23. März 2005, Az.: B10-109/04, zurückgenommen hat, die Kosten des Beschwerdeverfahrens sowie die notwendigen Auslagen des Beschwerdegegners auferlegt.

II. Der Wert des Beschwerdeverfahrens beträgt 12 Mio. EUR.

Gründe: I. Die börsennotierte Beteiligte zu 1 gehört zu den führenden Krankenhauskonzernen in Deutschland. Sie ist nach eigenen Angaben mit 30 Kliniken in acht Bundesländern vertreten. In B. betreibt sie das Klinikum F./O.. Die Beteiligte zu 2 betreibt das einzige Krankenhaus in E.. Alleiniger Gesellschafter ist die Beteiligte zu 3. Zur Sicherung der Zukunft der Beteiligten zu 2 beauftragte die Stadtverordnetenversammlung der Beteiligten zu 3 die Verwaltung im April 2003, ein Interessenkundgebungsverfahrens zur Veräußerung der Geschäftsanteile der Beteiligten zu 2. einzuleiten. Den Zuschlag für den Erwerb erhielt die Beteiligte zu 1. Zum Abschluss eines notariellen Kaufvertrag kam es zwischen den Beteiligten am 30. Juni 2004 (UR-Nr. 941/2004 des Notars B.). Das Bundeskartellamt untersagte das mit Schreiben vom 9. August 2004 angemeldete Zusammenschlussvorhaben durch Beschluss vom 23. März 2005, weil es auf dem Markt für Krankenhausleistungen in F./O. (Postleitzahlenbereiche F.t/O., S. und E.) zu einer Verstärkung einer einzelmarktbeherrschenden Stellung des Klinikums F./O. und damit der Beteiligten zu 1. insgesamt führe (§ 36 Abs. 1 GWB). Gegen die Untersagungsverfügung wandte sich die Beteiligte zu 1 mit der form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Beschwerde, weil ihrer Meinung nach die Vorschriften über die Fusionskontrolle wegen der öffentlich-rechtlichen Rahmenordnung für das Gesundheitswesen hinsichtlich der Krankenhausplanung und der abschließenden Regelung in § 69 SGB V nicht anwendbar seien. Nachdem die Beteiligte zu 3 mit Schreiben vom 1. Juli 2005 den Rücktritt von dem notariellen Kaufvertrag vom 30. Juni 2004 erklärt hat, kündigte die Beteiligte zu 1 folgende Anträge an:

1. Der Beschluss des Bundeskartellamtes vom 23. März 2005, Az.: B 10-109/04, wird aufgehoben.

2. Hilfsweise:

Es wird festgestellt, dass die Untersagung des in Ziff. 1 des Beschlusses des Bundeskartellamtes vom 23. März 2005, Az.: B 10-109/04, genannten Vorhabens der Beteiligten zu 1., sämtliche Geschäftsanteile der Beteiligten zu 2. von der Beteiligten zu 3. zu erwerben, unzulässig, jedenfalls unbegründet war. Das Bundeskartellamt beantragt, die Beschwerde der Beteiligten zu 1 gegen den Beschluss des Bundeskartellamtes vom 23. März 2005, Az.: B 10-109/04, zurückzuweisen. Mit Schriftsatz vom 6. Oktober 2005 hat die Beteiligte zu 1 die Beschwerde zurückgenommen. II. Nachdem die Beteiligte zu 1 ihre Beschwerde gegen den Untersagungsbeschluss des Bundeskartellamts zurückgenommen hat, ist nach Maßgabe des § 78 Satz 1 GWB unter Billigkeitsgesichtspunkten über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu befinden. Hiernach sind der Beteiligten zu 1 die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Beschwerdegegner entstanden notwendigen Auslagen aufzuerlegen, denn die Beschwerde hätte ohne ihre Rücknahme aller Voraussicht nach als unzulässig verworfen werden müssen. Unter diesen Umständen entspricht es aber der Billigkeit, sämtliche durch die Rechtmitteleinlegung verursachten Kosten der Beteiligten zu 1 aufzuerlegen. 1. Der Hauptantrag, war unzulässig, weil sich die angefochtene Verfügung zwischenzeitlich in der Hauptsache erledigt hatte. Der angemeldete Erwerb der Beteiligten zu 2 durch die Beteiligte zu 1 auf der Grundlage des notariellen Vertrages vom 30.06.20004 (UR-Nr. 941/2004 des Notars B.) war nicht mehr möglich. Die Beteiligte zu 3 hatte von ihrem in § 3 Abs. 5 des Vertrages eingeräumten Rücktrittsrecht Gebrauch gemacht und mit Schreiben vom 01.07.2005 den Rücktritt von dem Vertrag mit der Beteiligten zu 1 erklärt. Auf diese Weise hatten die Zusammenschlussbeteiligten von dem Zusammenschlussvorhaben, so wie es beim Bundeskartellamt angemeldet worden war, endgültig Abstand genommen. 2. Die Beschwerde war aber auch bezüglich des Hilfsantrags unzulässig, weil der Beteiligten zu 1 kein berechtigtes Interesse an der beantragten Feststellung zur Seite stand (§ 71 Abs. 2 Satz 2 GWB). Für das nach § 71 Abs. 2 Satz 2 GWB erforderliche Feststellungsinteresse genügt grundsätzlich jedes nach Lage des Falles anzuerkennende schutzwürdige Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art. Allerdings konnte die Beteiligte zu 1 ein solches Interesse weder aus dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr herleiten noch mit einer unklaren Rechtslage begründen. a. Ein Feststellungsinteresse wegen Wiederholungsgefahr ist anzuerkennen, wenn der Betroffene für den bevorstehenden Fall einer Wiederholung seiner Rechtshandlung erfahren möchte, von welcher Rechtsauffassung die beteiligte Behörde nach Meinung des Gerichts dann auszugehen haben wird. Die Wiederholung der Rechtshandlung muss sich aber konkret abzeichnen, eine vage Möglichkeit reicht insoweit nicht aus (KG WuW/E OLG 5497, 5502 - Fortsetzungsfeststellungsinteresse; KG WuW/E OLG 3213, 3215 f. - Zum bösen Wolf; Kollmorgen in Langen/Bunte, Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, Bd. 1, 9. Aufl., § 71 Rn. 37). Es ist erforderlich, dass das beabsichtigte Zusammenschlussvorhaben zumindest die Schwelle der Anmeldefähigkeit erreicht hat (KG WuW/E OLG 5497, 5502 - Fortsetzungsfeststellungsinteresse; Huber in Frankfurter Kommentar zum GWB, § 24 a, Anm. 14 f.), die eine grundsätzliche Einigung der am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen voraussetzt (Mestmäcker/Veelken in Immenga/Mestmäcker, GWB, 3. Aufl., § 39 Rn. 7) . Eine bevorstehenden Wiederholung der Rechtshandlung der Anmeldung hätte hier aber nicht angenommen werden können, weil zu diesem Zeitpunkt völlig offen war, an wen die Beteiligte zu 3 sämtliche Geschäftsanteile der Beteiligten zu 2 veräußern wird. Die Beteiligte zu 3 hatte sich bereits um andere Kaufinteressenten bemüht, denn sie hatte in der Zeitschrift "f & w", Ausgabe 03/2005, ein neues Interessenkundgebungsverfahren für den Erwerb der Beteiligten zu 2 ausgeschrieben. Zwar hat auch die Beteiligte zu 1 mit Schreiben vom 07.06.2005 einen Teilnahmeantrag gestellt. Allerdings bestand zu diesem Zeitpunkt allenfalls eine vage Möglichkeit, erneut eine Einigung mit der Beteiligten zu 3 zu erzielen, weil ihr die Beteiligte zu 3 unter dem 23.06.2005 mitgeteilt hatte, dass ihr Antrag gemäß Beschlussfassung des Arbeitskreises vom 22.06.2005 auf Grund des laufenden Kartellverwaltungsverfahrens als ruhend betrachtet wird. b. Das Feststellungsinteresse hätte sich auch nicht mit dem Hinweis auf eine unklare Rechtslage begründen lassen. Unabhängig von dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr reicht es für ein Feststellungsinteresse grundsätzlich auch aus, dass die Rechtslage unklar ist und der Betroffene seinem weiteren Verhalten die begehrte Feststellung zugrundelegen will. Dies setzt voraus, dass die Feststellung geeignet ist, den Beteiligten eine verlässliche Beurteilungsgrundlage für künftige Entscheidungen zu verschaffen (KG WuW/E OLG 5497, 5503 - Fortsetzungsfeststellungsinteresse; KG WuW/E OLG 3213, 3216 - Zum bösen Wolf - m.w.Nachw.). Dies ist der Fall, wenn künftig gleiche tatsächliche Verhältnisse herrschen sowie gleiche Tatbestandsvoraussetzungen gelten werden und wenn es um dieselben Personen gehen wird. Maßgebend ist dabei, ob die Unterschiede, die zwischen dem früheren und dem zukünftigen Sacherhalt bestehen, für die Kartellbehörde voraussichtlich eine unterschiedliche Behandlung nahe legen werden. Ist dies nicht der Fall, ist vielmehr zu erwarten, dass die Behörde den zukünftigen Fall nach denselben Kriterien und mit demselben Ergebnis beurteilen wird wie die entschiedene Fallkonstellation, hinsichtlich deren Erledigung eingetreten ist, ist das besondere Feststellungsinteresse zu bejahen (BGH WuW/E DE-R 919, 922 f. - Stellenmarkt für Deutschland II; OLG Düsseldorf WuW/E DE-R 1435, 1438 - Agrana/Atys). Die begehrte Feststellung der materiellen Rechtswidrigkeit der Untersagung hätte der Beteiligten zu 1 nicht die gewünschte Klärung der Rechtslage mit verbindlicher Wirkung für die Zukunft verschafft. Die Feststellungsentscheidung hat keine Präjudizwirkung dergestalt, dass der künftige Erwerb eines Krankenhauses durch die Beteiligte zu 1 in dem vom Bundeskartellamt angenommenen relevanten Markt kartellrechtlich unbedenklich ist. An dem angemeldeten und einem zukünftigen Zusammenschlussvorhaben werden aller Voraussicht schon nicht dieselben Unternehmen beteiligt sein. Entgegen den Ausführungen der Beteiligten zu 1 hätte auch nicht davon ausgegangen werden können, dass das Bundeskartellamt jeden anderen zukünftigen Erwerb eines Krankenhauses in dem angenommenen relevanten Markt untersagen wird, weil es einen Marktanteil der Beteiligten zu 1. von 54,6 % und eine überragende Marktstellung gegenüber den Wettbewerbern festgestellt hat. Für die Entscheidung des Feststellungsantrages komme es ausschließlich auf die Sachlage bei Eintritt des erledigenden Ereignisses - vorliegend also im Zeitpunkt der endgültigen Aufgabe des ursprünglichen Fusionsvorhabens im Juli 2005 - an. Dementsprechend hat sich die rechtliche Prüfung auf die Frage zu beschränken, ob das Bundeskartellamt den angemeldeten Zusammenschluss nach den damaligen tatsächlichen Verhältnissen zu Unrecht untersagt hat. Für die Beurteilung eine künftigen Zusammenschlussvorhabens im kartellbehördlichen Verfahren ist demgegenüber die Tatsachenlage im Entscheidungszeitpunkt, d.h. bei Erlass der (neuen) Fusionskontrollentscheidung durch das Bundeskartellamt, maßgebend. Es sprach indes nicht dafür, dass die ermittelten Marktverhältnisse und deren rechtliche Beurteilung ohne weiteres als verbindlich auch für alle zukünftigen Zusammenschlussvorhaben in dem relevanten Markt gelten sollen. Die Gegebenheiten des Marktes sind schon ihrer Natur nach veränderbar. Jedes weitere Zusammenschlussvorhaben kann deshalb nur dann verlässlich beurteilt werden, wenn konkret auf die aktuellen Umstände des Einzelfalles abgestellt wird. Dass zukünftig die gleichen tatsächlichen Marktverhältnisse herrschen werden wie im Zeitpunkt der Erledigung des ursprünglichen Fusionsvorhabens Anfang Juli 2005, ist überdies schon deshalb zweifelhaft, weil durch die angestrebte Veräußerung des K. E. an einen Dritten Bewegung in den Markt kommen wird. III. Der Streitwert für die Beschwerde war auf 12 Mio. EUR festzusetzen. Gemäß § 12 a Abs. 1 Satz 2 GKG i.V.m. § 3 ZPO bemisst sich im Verfahren über Beschwerden gegen Verfügungen der Kartellbehörde der Beschwerdewert nach dem wirtschaftlichen Interesse, welches die beschwerdeführende Partei mit ihrem Rechtsmittel verfolgt. Das wirtschaftliche Interesse eines Unternehmens an einem Zusammenschluss durch Anteilserwerb schlägt sich in der Regel im Kaufpreis der zu erwerbenden Anteile nieder (vgl. BGH Wuw/E BGH 1804, KG WuW/E OLG 4243, 4246 - Morris-Rothmanns; Bracher in Frankfurter Kommentar, GSB 1999, § 78 Rn. 41; Senat Beschluss 13. Juli 2005, Az. VI-Kart 25/04(V), Umdruck Seite 3). Diesen hat die Beschwerdeführerin mit 12 Mio. EUR angegeben.

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