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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 08.08.2007
Aktenzeichen: VI-Kart 8/07 (V)
Rechtsgebiete: GG, GWB


Vorschriften:

GG Art. 19 Abs. 4
GWB § 41 Abs. 1 Satz 1
GWB § 41 Abs. 2
GWB § 60
GWB § 63 Abs. 1 Satz 1
GWB § 64 Abs. 3 Satz 1
GWB § 65 Abs. 3 Satz 3
1. Das gesetzliche Vollzugsverbot des § 41 Abs. 1 GWB gilt auch für kartellbehördlich untersagte Zusammenschlussvorhaben, solange und soweit die Untersagungsentscheidung im Beschwerdeverfahren Bestand hat.

2. § 41 Abs. 2 GWB enthält für die Freistellung vom gesetzlichen Vollzugsverbot eine abschließende Spezialregelung, weshalb weder die Kartellbehörde nach § 60 GWB noch das Beschwerdegericht gemäß §§ 64 Abs. 3 Satz 1, 60 GWB den Zusammenschlussbeteiligten eine Befreiung vom Vollzugsverbot durch einstweilige Anordnung erteilen können.

3. Ein Dispens vom Vollzugsverbot kann ebenso wenig über einen Antrag nach § 65 Abs. 3 Satz 3 GWB erreicht werden.

4. Dem Gebot effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) ist dadurch Genüge getan, dass die Zusammenschlussbeteiligten die Ablehnung ihres Antrags nach § 41 Abs. 2 GWB auf Freistellung vom Vollzugsverbot gemäß § 63 Abs. 1 Satz 1 GWB mit der Beschwerde anfechten können und das Beschwerdegericht in jenem Verfahren analog § 64 Abs. 3 Satz 1 GWB auch die zur Gewährleistung eines wirksamen Rechtsschutzes notwendigen einstweiligen Anordnungen treffen kann.

5. An eine Befreiung vom Vollzugsverbot durch einstweilige Anordnung des Beschwerdegerichts sind materiell-rechtlich in jedem Falle die gleichen Anforderungen zu stellen, wie sie im Beschwerdeverfahren gegen eine ablehnende Behördenentscheidung nach § 41 Abs. 2 GWB gelten würden.


Tenor:

I. Die Anträge der Beteiligten zu 1. und zu 5. auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, den vom Bundeskartellamt mit Beschluss vom 11. April 2007 (B 3 - 33101 - Fa - 578/06) untersagten Zusammenschluss vollziehen zu dürfen, werden verworfen.

II. Die Beteiligten zu 1. und zu 5. haben dem Bundeskartellamt die im einstweiligen Rechtsschutzverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu erstatten.

III. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

IV. Der Beschwerdewert wird auf 30 Mio. Euro festgesetzt (§ 39 Abs. 2 GKG); davon entfällt auf jedes der insgesamt 2 Rechtsmittel ein Teilbetrag von 15 Mio. Euro.

Gründe:

I.

Die Beteiligte zu 1. (folgend: P.) - ein schweizerisches Unternehmen - beabsichtigt, von der Beteiligten zu 5. (folgend: G. S.) - einem dänischen Unternehmen - sämtliche Geschäftsanteile an den Beteiligten zu 2. bis zu 4. zu erwerben und hierdurch die Unternehmen der G. R.-Gruppe (folgend: G. R.) zu übernehmen. Sowohl P. als auch R. produzieren und vertreiben Hörgeräte. Forschung und Entwicklung sowie der Vertrieb der Geräte erfolgen in beiden Unternehmen - wie dies im Übrigen auch branchenüblich ist - weltweit. Dementsprechend liefern sowohl P. als auch G. R. ihre Hörgeräte unter anderem nach D.. G. R. erzielt dort ... % seines weltweiten Hörgeräteumsatzes. Die zur Herstellung der Hörgeräte erforderlichen Betriebsstätten unterhält P. in der S., K., C. und V.. G. R. verfügt über Produktionsstätten in den U., D. und C.. Außerdem unterhält das Unternehmen seit 2005 im Konzern eine Produktionsstätte in D..

Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Bundeskartellamt das Zusammenschlussvorhaben gemäß § 36 Abs. 1 GWB untersagt, weil die Fusion die Entstehung eines marktbeherrschenden Oligopols, bestehend aus der marktführenden Beigeladenen (folgend: S.), den Zusammenschlussbeteiligten und dem Wettbewerber O., erwarten lasse. Das Vorhaben könne auch nicht unter der von den Beteiligten (u.a.) angebotenen (Veräußerungs-)Auflage freigegeben werden. Das unternehmerische Potential von G. R. liege - so hat das Amt ausgeführt - vor allem im Patentportfolio und dem technischen Know-how des Unternehmens sowie in den weltweiten Produktionskapazitäten. Vor diesem Hintergrund lasse sich durch die Veräußerungsauflage zwar ein Marktanteilszuwachs von P. in D. verhindern. Gleichwohl profitiere P. aber trotz der Veräußerung des deutschen Konzernteils fusionsbedingt von dem beschriebenen wettbewerblichen Potential des Zielunternehmens. Dieser Zuwachs reiche aus, um die Entstehung eines marktbeherrschenden Oligopols zu begründen. Die mit der Veräußerungszusage verbundene Stärkung eines kleinen Konkurrenten gleiche die Stärkung von P. nicht aus.

Hiergegen wenden sich die Beteiligten zu 1. und zu 5. mit ihrer Beschwerde. Die Beklagte zu 1. meint, dass die angefochtene Untersagungsverfügung schon deshalb rechtswidrig sei, weil das Zusammenschlussvorhaben durch Ablauf der Monatsfrist des § 40 Abs. 1 Satz 1 GWB bereits im Oktober 2006 kraft Gesetzes freigegeben gewesen sei. Außerdem wenden sie sich in zahlreichen Punkten und mit umfangreichen Ausführungen gegen die wettbewerbliche Beurteilung des Amtes und dessen Ansicht, dass die Fusion in vollem Umfang untersagt werden müsse, weil die nationalen und die internationalen Aktivitäten von G. R. nicht zu trennen seien. Die Beteiligten machen hierzu unter Vorlage eines Rechtsgutachtens auch geltend, dass das vom Amt ausgesprochene Komplettverbot sowohl gegen das völkerrechtliche Nichteinmischungsgebot als auch gegen den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit staatlicher Grundrechtseingriffe verstoße. Jedenfalls unter den angebotenen Auflagen, die die Inlandswirkungen der Fusion auf ein Minimum reduzieren, müsse das Zusammenschlussvorhaben freigegeben werden.

Unter Bezugnahme auf ihre Beschwerdeangriffe begehren die Beteiligten zu 1. und 5. vorab den Erlass einer einstweiligen Anordnung dahin, dass der untersagte Zusammenschluss vollzogen werden darf. Sie beantragen,

ihnen zu gestatten, den mit Beschluss des Bundeskartellamtes vom 11. April 2007 zur Gesch.-Nr. B 3 - 33101 - Fa - 578/06 untersagten Zusammenschluss zu vollziehen,

hilfsweise,

ihnen zu gestatten, den mit Beschluss des Bundeskartellamtes vom 11. April 2007 zur Gesch.-Nr. B 3 - 33101 - Fa - 578/06 untersagten Zusammenschluss mit Ausnahme des Erwerbs der Anteile an G. R. GmbH H. (davon wiederum ausgenommen G. R. A/B, S.) und der A. H. S. Inc., einschließlich der von diesen abhängigen Unternehmen, zu vollziehen.

Zur Eilbedürftigkeit machen sie im Wesentlichen geltend: Sowohl bei P. als auch bei G. S. handele es sich um börsennotierte Unternehmen, und die Finanzmärkte verlangten schnelle Klarheit, ob das Zusammenschlussvorhaben durchgeführt werde oder nicht. Die Aktie von G. S. habe infolge der Abmahnung und anschließenden Untersagungsentscheidung des Amtes bereits erheblich an Wert verloren. Außerdem sei ungewiss, ob die Kaufpreisfinanzierung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Fusionskontrollverfahrens aufrechterhalten werden könne; in jedem Falle sei eine Verlängerung der Finanzierungszusage mit erheblichen Mehrkosten verbunden. Der hohe Innovationswettbewerb auf dem Hörgerätemarkt zwinge überdies dazu, den Zusammenschluss zeitnah durchzuführen. Andernfalls könne G. R. nur zu deutlich schlechteren Konditionen an einen anderen Erwerber veräußert werden. Hinzu komme die zunehmende Verunsicherung der G.-Mitarbeiter über ihre berufliche Zukunft, in deren Folge bereits zahlreiche Mitarbeiter in Schlüsselpositionen das Unternehmen verlassen hätten. Verunsichert seien ebenso die Kunden von G. R.; viele hielten bereits jetzt mit Bestellungen zurück. Aufgrund dieser gesamten Sachzwänge sei im Erwerbsvertrag eine Vollzugsfrist bis zum 15. August 2007 vorgesehen, die allenfalls um wenige Wochen verlängert werden könne.

Das Bundeskartellamt beantragt,

die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung kostenpflichtig zu verwerfen,

hilfsweise,

sie kostenpflichtig zurückzuweisen.

Es hält das Rechtsschutzbegehren für unstatthaft, weil der Gesetzgeber die Zusammenschlussbeteiligten in § 41 Abs. 2 GWB darauf verweise, beim Amt um eine Befreiung vom Vollzugsverbot nachzusuchen. Außerdem könne die einstweilige Gestattung der Fusion nur unter engen Voraussetzungen in Betracht kommen, weil sie im Ergebnis auf eine Vorwegnahme der Hauptsache gerichtet sei. Wie vom Kammergericht zur Rechtslage vor Einführung des § 41 Abs. 2 GWB judiziert, sei erforderlich, dass die Untersagungsentscheidung unter schweren formellen Mängeln leide und den Zusammenschlussbeteiligten ohne die vorläufige Freigabe der Fusion ein irreparabler Schaden drohe. Beides sei vorliegend nicht der Fall. Die von der Beschwerde erhobenen materiell-rechtlichen Einwände zu den wettbewerblichen Auswirkungen des Zusammenschlussvorhaben und zum völkerrechtlichen Nichteinmischungsgebot seien einer Beurteilung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren ohnehin entzogen, weil die insoweit aufgeworfenen schwierigen wettbewerblichen bzw. rechtsgrundsätzlichen Fragen nur in einem Hauptsacheverfahren geklärt werden könnten.

Im Übrigen sei - wozu das Amt umfangreich vorträgt - die Untersagung in der Sache auch zu Recht erfolgt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den angefochtenen Beschluss sowie auf die Schriftsätze der Verfahrensbeteiligten nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die Anträge auf Gestattung der Vollziehung des Zusammenschlussvorhabens im einstweiligen Rechtsschutzverfahren haben weder mit dem Haupt- noch mit dem Hilfsantrag Erfolg.

A. Beide Anträge sind - wie das Bundeskartellamt zutreffend geltend macht - unzulässig.

1. Nach geltendem Recht kann die Befreiung vom gesetzlichen Vollzugsverbot nur im Verfahren nach § 41 Abs. 2 GWB - und nicht durch einstweilige Anordnung im Beschwerdeverfahren gegen die kartellbehördliche Untersagungsentscheidung oder mittels (Wieder-)Herstellung der aufschiebenden Wirkung der Untersagungsbeschwerde - erteilt werden.

a) Mit der zum 1. Januar 1998 in Kraft getretenen 6. GWB-Novelle hat der Gesetzgeber die Frage, unter welchen Voraussetzungen die Zusammenschlussbeteiligten vor einer Fusionsfreigabe vom gesetzlichen Vollzugsverbot (§ 40 Abs. 1 Satz 1 GWB, §§ 24 a Abs. 4 Satz 1, 24 Abs. 2 Satz 4 GWB a.F.) befreit werden können, neu geregelt. Nach der bis dahin geltenden Rechtslage war der Kartellbehörde in § 56 Nr. 3 GWB a.F. das Recht eingeräumt, bis zu einer Entscheidung über die Freigabe eines angemeldeten Zusammenschlussvorhabens einstweilige Anordnungen zum Zwecke der Regelung eines einstweiligen Zustandes zu treffen. Die Befugnis zum Erlass einstweiliger Anordnungen umfasste dabei nach der Rechtsprechung des Kammergerichts auch die Möglichkeit, die Zusammenschlussbeteiligten vom Vollzugsverbot zu befreien und ihnen einstweilen den Vollzug eines angemeldeten, aber noch nicht bestandskräftig freigegebenen Fusionsvorhabens zu gestatten (KG, WuW/E OLG 2419, 2420 - Synthetischer Kautschuk II; WuW/E OLG 2571, 2572 - Gaslöschanlagen). Die Kompetenz der Kartellbehörde zur Befreiung vom Vollzugsverbot war allerdings zeitlich begrenzt. Wie sich aus § 63 Abs. 3 GWB a.F. ergab, wonach § 56 GWB a.F. entsprechend für das Verfahren vor dem Beschwerdegericht galt, ging mit Einlegung der Beschwerde die Befugnis zum Erlass einstweiliger Anordnungen von der Kartellbehörde auf das Beschwerdegericht über. Jenes war fortan bis zum rechtskräftigen Abschluss des Fusionskontrollverfahrens (vgl. § 75 Abs. 5 Satz 2 GWB a.F.) für den Erlass einstweiliger Anordnungen ausschließlich zuständig.

b) Diese Gesetzeslage ist im Bereich der Fusionskontrolle mit der 6. GWB-Novelle grundlegend umgestaltet worden.

aa) Festgehalten hat der Gesetzgeber - entgegen der Auffassung der Beschwerde - daran, dass auch ein von der Kartellbehörde untersagter Zusammenschluss nicht vollzogen werden darf. Zwar ist die entsprechende Bestimmung in § 24 Abs. 2 Satz 4 GWB a.F. im Rahmen der 6. GWB-Novelle ersatzlos entfallen. Statt dessen bestimmt § 41 Abs. 1 Satz 1 GWB, dass der Vollzug einer Fusion vor Ablauf der Monatsfrist des § 40 Abs. 1 Satz 1 GWB und vor dem Ende der Vier-Monats-Frist des § 40 Abs. 2 Satz 2 GWB, die das Kartellgesetz zur Durchführung des Hauptprüfverfahrens zur Verfügung stellt, und nach deren Ablauf jeweils eine gesetzliche Freigabefiktion eintritt (§ 40 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 GWB), verboten ist. Daraus ist jedoch nicht zu folgern, dass ein von der Kartellbehörde untersagter Zusammenschluss in Abkehr von der bisherigen Rechtslage nunmehr soll vollzogen werden dürfen. Die Gesetzesbegründung zur 6. GWB-Novelle enthält keinen Hinweis auf einen dahingehenden Willen des Gesetzgebers. Sie betont im Gegenteil das Prinzip der präventiven Fusionskontrolle als einen das gesamte Recht der Zusammenschlusskontrolle beherrschenden Grundsatz und bezeichnet das Vollzugsverbot ausdrücklich als die notwendige Folge dieser Prävention (BT-Drucksache 13/9720, Abschnitt I Ziffer 3. h), Abschnitt II zu § 41, abgedr. in WuW-Sonderheft 1998 Seiten 79, 105). Damit wäre es unvereinbar anzunehmen, dass das gesetzliche Vollzugsverbot lediglich bis zum Ablauf der vom Gesetz eingeräumten Prüffristen, nicht aber für den Fall gelten soll, dass die Kartellbehörde das Zusammenschlussvorhaben untersagt hat. Dies gilt jedenfalls solange und soweit die Untersagungsentscheidung im Beschwerdeverfahren Bestand hat (vgl. Mestmäcker/Veelken in Immenga/Mestmäcker, GWB Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen, 3. Aufl., § 41 a.a.O. Rdnr. 10; Ruppelt, in Langen/Bunte, Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, Band 1, 10. Aufl., § 41 Rdnr. 1; Rieger in Frankfurter Kommentar, GWB 2005 § 41 Rdnr. 25/26; Riesenkampff/Lehr in Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, Kartellrecht, Band 2, § 41 Rdnr. 2; siehe auch Bechtold, GWB Kartellgesetz, 4. Aufl., § 41 Rdnr. 8).

Aus dem Umstand, dass das Kartellgesetz vor der 6. GWB-Novelle das Vollzugsverbot für von der Kartellbehörde untersagte Zusammenschlüsse in § 24 Abs. 2 Satz 4 GWB a.F. und für anmeldepflichtige Fusionen in § 24 a Abs. 4 Satz 1 GWB a.F. regelte und der Gesetzgeber durch die Bestimmung des § 41 Abs. 1 Satz 1 GWB erklärtermaßen alleine die Vorschrift des § 24 a Abs. 4 GWB a.F. übernehmen wollte (BT-Drucksache 13/9720, a.a.O.), lassen sich - anders als die Beschwerde meint - keine gegenteiligen Schlüsse ziehen. Die doppelte Rechtsgrundlage des Vollzugsverbots beruhte auf der damals geltenden Zweiteilung der Fusionskontrolle in anmelde- und anzeigepflichtige Zusammenschlüsse (§§ 24 a Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 GWB a.F.) einerseits und den nur anzeigepflichtigen Fusionen (§ 23 Abs. 1 Satz 1 GWB a.F.) andererseits. Für die anmeldepflichtigen Zusammenschlüsse, die bereits damals der präventiven Fusionskontrolle unterworfen waren, galt das Vollzugsverbot aus § 24 a Abs. 4 Satz 1 GWB a.F., während für bloß anzeigepflichtige Vorhaben, die der nachträglichen Zusammenschlusskontrolle unterstellt waren, die Regelung in § 24 Abs. 2 Satz 4 GWB a.F. Anwendung fand. Nach der Rechtsprechung des Kammergerichts normierte § 24 a Abs. 4 Satz 1 GWB a.F. dabei ein gegenüber § 24 Abs. 2 Satz 4 GWB a.F. eigenständiges Vollzugsverbot, das nur durch die kartellbehördliche Freigabe des Vorhabens oder das Verstreichen der in der Vorschrift genannten Fristen in Fortfall geraten konnte, und das im Falle einer behördlichen Untersagungsentscheidung fortgalt und nicht durch § 24 Abs. 2 Satz 4 GWB a.F. ersetzt wurde (KG, WuW/E OLG 2571, 2572 - Gaslöschanlagen). Vor dem Hintergrund dieser Judikatur war die Entscheidung des Gesetzgebers der 6. GWB-Novelle, mit der Umstellung auf eine ausschließlich präventive Zusammenschlusskontrolle die Vorschrift des § 24 Abs. 2 Satz 4 GWB a.F. ersatzlos zu streichen und alleine den Regelungsgehalt des § 24 a Abs. 4 Satz 1 GWB a.F. zu übernehmen, konsequent. Einen gesetzgeberischen Regelungswillen, in Abkehr von der bisherigen Rechtslage kartellbehördlich untersagte Fusionsvorhaben fortan vom gesetzlichen Vollzugsverbot auszunehmen, kann daraus nicht abgeleitet werden.

Das gilt umso mehr, als es das erklärte Ziel des Gesetzgebers war, mit der 6. GWB-Novelle die präventive Zusammenschlusskontrolle in Anpassung an das europäische Recht, insbesondere an die Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen vom 21. Dezember 1989 (FKVO), auszuweiten (vgl. BT-Drucksache 13/9720, Abschnitt I Ziffer 3. h), abgedr. in WuW-Sonderheft 1998 Seiten 79) und das europäische Recht in Art. 7 Abs. 1 der genannten Verordnung ausdrücklich bestimmte, dass ein kontrollpflichtiger Zusammenschluss weder vor der Anmeldung noch solange vollzogen werden darf, bis er durch eine Entscheidung der Kommission für vereinbar mit dem Gemeinsamen Markt erklärt - d.h. freigegeben - worden ist. Diese europäische Rechtslage, die das Vollzugsverbot ausdrücklich auch auf den Fall erstreckt, dass ein Zusammenschlussvorhaben kartellbehördlich untersagt worden ist, gilt gemäß Art. 7 Abs. 1 der neuen Fusionskontrollverordnung (Verordnung (EG) Nr. 139/2004 vom 20.1.2004) - der die dargestellte Regelung unverändert übernommen hat - bis heute fort.

bb) Modifiziert hat der Gesetzgeber indes die Möglichkeit von Zwischenentscheidungen in der Fusionskontrolle. Zwar hat er in §§ 60, 64 Abs. 3, 76 Abs. 5 Satz 2 GWB an dem Grundsatz festgehalten, dass die Kartellbehörde für die Dauer des behördlichen Verfahrens zum Erlass von einstweiligen Anordnungen berechtigt ist und diese Befugnis mit Einlegung der Beschwerde auf das Beschwerdegericht übergeht, das sodann bis zum rechtskräftigen Abschluss des gerichtlichen Verfahrens für den Erlass einstweiliger Anordnungen ausschließlich zuständig ist. Das Verfahren zur Erlangung einer Befreiung vom Vollzugsverbot ist in § 41 Abs. 2 GWB aber gesondert geregelt worden. Die genannte Bestimmung sieht in Satz 1 vor, dass das Bundeskartellamt auf Antrag Befreiungen vom Vollzugsverbot erteilen kann, wenn die beteiligten Unternehmen hierfür wichtige Gründe geltend machen, insbesondere um schweren Schaden von einem beteiligten Unternehmen oder von Dritten abzuwenden; sie stellt in Satz 2 außerdem klar, dass die Befreiung jederzeit, auch vor der Anmeldung, erteilt werden kann. Der Gesetzgeber hat damit die Freistellung vom Vollzugsverbot in mehrfacher Hinsicht abweichend von den durch §§ 60, 64 Abs. 3 Satz 1 GWB ansonsten vorgesehenen einstweiligen Regelungsmöglichkeiten ausgestaltet. Dies betrifft zunächst die verfahrensmäßige Ausgestaltung. Der Dispens vom Vollzugsverbot ist in einem gesonderten Antragsverfahren bei der Kartellbehörde und nicht im Wege einstweiligen Rechtsschutzes geltend zu machen. Das Antragsverfahren nach § 41 Abs. 2 GWB weist darüber hinaus materiell-rechtliche Besonderheiten auf. § 41 Abs. 2 GWB knüpft bereits nach seinem Wortlaut ("wichtige Gründe") die Befreiung vom Vollzugsverbot an strengere Voraussetzungen, als sie § 60 GWB für den Erlass einstweiliger Anordnungen der Kartellbehörde vorsieht. Er bestimmt überdies - ebenfalls abweichend von § 60 GWB -, dass die Kartellbehörde die Befreiung vom Vollzugsverbot nicht nur im Rahmen des eigenen behördlichen Verfahrens, sondern "jederzeit" - also auch noch während des Beschwerdeverfahrens gegen seine Untersagungsverfügung und des Verfahrens der Rechtsbeschwerde bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über das angemeldete Zusammenschlussvorhaben - erteilen kann (zweifelnd: Mestmäcker/Veelken, a.a.O. Rdnr. 24, die § 41 Abs. 2 GWB zwar ebenfalls bis zum rechtskräftigen Abschluss des Fusionskontrollverfahrens für anwendbar halten, aber aus dem allgemeinen Verhältnis von Kartellbehörde und Beschwerdegericht sowie mit Rücksicht auf die in Bezug auf die Rechtmäßigkeit der angegriffenen Untersagungsentscheidung zu treffende Prognoseentscheidung annehmen, dass - entgegen dem Wortlaut des § 41 Abs. 2 GWB - mit Beschwerdeeinlegung nicht mehr die Kartellbehörde, sondern in entsprechender Anwendung von § 64 Abs. 3 Satz 1 GWB das Beschwerdegericht die Entscheidung nach § 41 Abs. 2 GWB zu treffen habe).

c) Aus der dargestellten Normlage kann nur geschlossen werden, dass § 41 Abs. 2 GWB für die Freistellung vom Vollzugsverbot eine abschließende Spezialregelung enthält. Dass § 60 Nr. 1 GWB die Kartellbehörde ermächtigt, einstweilige Anordnungen bis zur endgültigen Entscheidung der Kartellbehörde über die Freigabe oder Untersagung des Fusionsvorhabens im Hauptprüfverfahren nach § 40 Abs. 2 GWB zu treffen, steht dem nicht entgegen. Die Vorschrift bezieht sich bei einer an Sinn und Zweck orientierten Gesetzesauslegung auf diejenigen einstweiligen Anordnungen in der Fusionskontrolle, die nicht auf die Befreiung vom Vollzugsverbot, sondern auf die anderen Regelungsziele (z.B. Anordnungen zur Sicherung des Vollzugsverbots; Anordnungen mit dem Ziel, eine etwaige spätere Entflechtung der fusionierten Unternehmen möglich zu halten) gerichtet sind.

aa) § 41 Abs. 2 GWB schließt es mithin aus, dass die Kartellbehörde selbst den Zusammenschlussbeteiligten außerhalb des dort vorgesehenen Antragsverfahrens eine Befreiung vom Vollzugsverbots unter Rückgriff auf die allgemeinen Bestimmungen des Kartellgesetzes über den Erlass einstweiliger Anordnungen in § 60 GWB erteilt (ebenso: Mestmäcker/Veelken, a.a.O.; Rieger, a.a.O. Rdnr. 31, 64; vgl. auch Bechtold, a.a.O. § 60 Rdnr. 8 a.E.).

bb) In gleicher Weise ist auch das Beschwerdegericht gehindert, einem Zusammenschlussbeteiligten, der keinen Antrag nach § 41 Abs. 2 GWB verfolgt, sondern sich mit der Beschwerde gegen die kartellbehördliche Untersagungsentscheidung wendet, eine Befreiung vom Vollzugsverbot durch einstweilige Anordnung zu erteilen. § 64 Abs. 3 Satz 1 GWB, der alleine § 60 GWB und nicht auch § 41 Abs. 2 GWB für in der Beschwerdeinstanz entsprechend anwendbar erklärt, räumt dem Beschwerdegericht nämlich ausschließlich diejenigen Befugnisse zum Erlass einer einstweiligen Anordnung ein, die auch der Kartellbehörde zustehen. Die Freistellung vom gesetzlichen Vollzugsverbot zählt nicht hierzu. Sie ist weder in § 60 GWB genannt noch kann sie überhaupt durch einstweilige Anordnung erteilt, sondern muss gemäß § 41 Abs. 2 GWB in einem besonderen Antragsverfahren bei der Kartellbehörde geltend gemacht werden.

(1) Dafür, dass dem Gesetzgeber bei der Fassung des § 64 Abs. 3 Satz 1 GWB insoweit ein redaktionelles Versehen unterlaufen ist und der Wortlaut der Vorschrift den gesetzgeberischen Willen nur unvollständig wiedergibt, fehlt jedweder Anhaltspunkt. Dagegen spricht vielmehr, dass § 41 Abs. 2 Satz 2 GWB ausdrücklich die Möglichkeit eröffnet, bei der Kartellbehörde auch über das behördliche Verfahren hinaus bis zum rechtskräftigen Abschluss des Fusionskontrollverfahrens ("jederzeit") eine Befreiung vom gesetzlichen Vollzugsverbot zu erhalten. Nichts deutet darauf hin, dass der Gesetzgeber den Zusammenschlussbeteiligten die Möglichkeit eröffnen wollte, sich nach freiem Belieben statt im Rahmen eines Antragsverfahrens nach § 41 Abs. 2 GWB im Beschwerdeverfahren gegen die kartellbehördliche Untersagungsentscheidung durch einstweilige Anordnung des Beschwerdegerichts vom Vollzugsverbot befreien zu lassen.

(2) Eine dahingehende Anordnungsbefugnis des Beschwerdegerichts ist auch nicht unter Rechtsschutzgesichtspunkten geboten. Dem in Art. 19 Abs. 4 GG verbürgten Recht auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz ist dadurch Genüge getan, dass die Zusammenschlussbeteiligten die Ablehnung ihres Antrags nach § 41 Abs. 2 GWB auf Freistellung vom Vollzugsverbot gemäß § 63 Abs. 1 Satz 1 GWB mit der Beschwerde anfechten können und das Beschwerdegericht in jenem Verfahren analog § 64 Abs. 3 Satz 1 GWB auch die zur Gewährleistung eines wirksamen Rechtsschutzes notwendigen einstweiligen Anordnungen treffen kann (vgl. Rieger, a.a.O. Rdnr. 63; Mestmäcker/Veelken, a.a.O. Rdnr. 31; Kollmorgen in Langen/Bunte, Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, Band 1, 10. Aufl., § 64 Rdnr. 6).

Die von den Zusammenschlussbeteiligten dagegen vorgebrachten Einwände greifen nicht durch.

(2.1) Die Beschwerde hat im Verhandlungstermin des Senats die Ansicht vertreten, dass den Zusammenschlussbeteiligten in Fällen der vorliegenden Art effektiver Rechtsschutz verweigert werde, weil nicht zu erwarten sei, dass sich die Kartellbehörde im Verfahren nach § 41 Abs. 2 GWB objektiv und ergebnisoffen mit den Einwänden gegen die Rechtmäßigkeit ihrer Untersagungsentscheidung auseinandersetze und die Beschwerdemöglichkeit gegen die Ablehnung des Freistellungsantrags angesichts der üblichen Dauer von Beschwerdeverfahren im Fusionskontrollrecht keinen wirksamen gerichtlichen Schutz bieten könne. Das gelte in besonderem Maße dann, wenn - wie hier - die kartellbehördliche Untersagungsentscheidung schon nach dem Ergebnis einer bloß summarischen Prüfung rechtswidrig sei. Dem ist aus mehreren Gründen nicht zu folgen.

Zum einen entbehrt der Vorwurf, die Kartellbehörde werde sich im Verfahren nach § 41 Abs. 2 GWB vorgebrachten Argumenten gegen die Rechtmäßigkeit ihrer Untersagungsentscheidung verschließen und bei der Prüfung, ob eine Befreiung vom Vollzugsverbot zu erteilen ist, sogar eine greifbare Rechtswidrigkeit ignorieren, jedweder Grundlage. Er unterstellt pflichtwidriges Verwaltungshandeln, für das jedweder Anhaltspunkt fehlt.

Nicht zutreffend ist ebenso der Vorhalt an den Senat, den Zusammenschlussbeteiligten werde angesichts der gewöhnlichen Dauer von Beschwerdeverfahren im Bereich der Zusammenschlusskontrolle effektiver Rechtsschutz vorenthalten, wenn man sie auf die Möglichkeit verweise, die Ablehnung eines Dispensantrags nach § 41 Abs. 2 GWB gerichtlich anzufechten. Die Beschwerde lässt bei ihrer Argumentation außer Betracht, dass die Kartellbehörde, die sich im Prüfverfahren mit dem Zusammenschlussvorhaben und den dazu vorgebrachten Argumenten der Fusionsbeteiligten bereits eingehend befasst hat, einen Antrag nach § 41 Abs. 2 GWB in aller Regel binnen einiger Wochen bescheiden und auch ein daran anschließendes Beschwerdeverfahren nach §§ 63 Abs. 1 Satz 1, 41 Abs. 2 GWB innerhalb weniger Monate durchgeführt werden kann, sofern dies zur Sicherstellung eines effektiven Rechtsschutzes erforderlich ist. Das belegt der vorliegende Fall. Hätte P. ihre Antragsschrift an den Senat vom 4. Mai 2007 als Antrag nach § 41 Abs. 2 GWB an das Bundeskartellamt gerichtet, wäre - wie die umfassende Antragserwiderung des Amtes vom 29. Juni 2007 zeigt - hierüber spätestens im Laufe des Juni 2007 entschieden worden. Über eine dagegen unverzüglich eingelegte und begründete Beschwerde hätte der Senat - ebenso wie über die zur Entscheidung stehenden Anträge - sodann zeitnah im August oder September 2007 verhandeln und entscheiden können. Vor diesem Hintergrund ist der Vorwurf an den Senat, er verweigere den Zusammenschlussbeteiligten unter Verstoß gegen Verfassungsrecht (Art. 19 Abs. 4 GG) einen wirksamen gerichtlichen Schutz, wenn er sie auf das Antragsverfahren nach § 41 Abs. 2 GWB verweise, in jeder Beziehung unberechtigt.

(2.2) Nicht stichhaltig ist gleichermaßen der Einwand, dass der im Rahmen des Verfahrens nach §§ 41 Abs. 2, 63 Abs. 1 Satz 1 GWB zu erlangende Rechtsschutz deshalb unzulänglich sei, weil die Vorschrift ("um ... schweren Schaden .. abzuwenden") eine Befreiung vom Vollzugsverbot alleine unter dem Gesichtspunkt der unbilligen Härte gestatte und eine Rechtmäßigkeitskontrolle der kartellbehördlichen Untersagungsentscheidung nicht stattfinden könne. Die Beschwerde übersieht bei ihrer Schlussfolgerung, dass die Befreiung vom Vollzugsverbot im pflichtgemäßen Ermessen der Kartellbehörde steht. Bei der Ermessensausübung hat diese die Individualinteressen der Fusionsbeteiligten gegen das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung des Vollzugsverbots abzuwägen und in diesem Zusammenhang auch den voraussichtlichen Ausgang des Fusionskontrollverfahrens zu prognostizieren (Mestmäcker/Veelken, a.a.O. Rdnr. 27; Riesenkampff/Lehr, a.a.O. Rdnr. 8; Bechtold, a.a.O. § 41 Rdnr. 7). Ebenso hat das Beschwerdegericht in einem anschließenden Beschwerdeverfahren nach §§ 63 Abs. 1 Satz 1, 41 Abs. 2 GWB zu überprüfen, ob die Kartellbehörde ihr Ermessen fehlerfrei - d.h. (auch) unter Berücksichtigung der erwähnten Prognose mit vertretbarem Ergebnis - ausgeübt hat.

cc) Ein Dispens vom Vollzugsverbot kann ebenso wenig über einen Antrag nach § 65 Abs. 3 Satz 3 GWB verfolgt werden, die aufschiebende Wirkung der Beschwerde gegen die kartellbehördliche Untersagungsentscheidung anzuordnen. Dem stehen die erörterten Zulässigkeitsbedenken gleichermaßen entgegen. Überdies ist jener Rechtsbehelf zur Erreichung des in Rede stehenden Rechtsschutzziels ohnehin nicht geeignet. Ein angeordneter Suspensiveffekt der Untersagungsbeschwerde ist ohne Einfluss auf das gesetzliche Vollzugsverbot (vgl. Karsten Schmidt in Immenga/Mestmäcker, GWB Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen, 3. Aufl., § 64 Rdnr. 8; Birmanns in Frankfurter Kommentar, § 64 GWB 2005 Rdnr. 42), weil § 40 Abs. 1 GWB - wie ausgeführt - die Vollziehung eines kontrollpflichtigen und kartellbehördlich untersagten Zusammenschlussvorhabens solange verbietet, wie die Untersagungsverfügung Bestand hat.

2. Nach den vorstehend dargelegten Rechtsgrundsätzen sind die Anträge der Beteiligten, ihnen im Wege der einstweiligen Anordnung den Vollzug des angemeldeten Zusammenschlussvorhabens zu gestatten, unzulässig. Nach geltendem Recht können die Zusammenschlussbeteiligten eine Befreiung vom Vollzugsverbot ausschließlich in dem dafür vorgesehenen Verfahren nach § 41 Abs. 2 GWB geltend machen. Der nachgesuchte Dispens kann demgegenüber nicht - wie beantragt - außerhalb dieses Verfahrens im Verfahren gegen die kartellbehördliche Untersagungsentscheidung durch einstweilige Anordnung des Beschwerdegerichts nach §§ 64 Abs. 3, 60 GWB oder durch den Antrag nach § 65 Abs. 3 Satz 3 GWB auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde verfolgt werden. Er kann mangels Regelungslücke auch nicht auf eine analoge Anwendung der genannten Rechtsvorschriften gestützt werden.

Dem steht nicht entgegen, dass der Senat einstweilige Anordnungen in Bezug auf die Vollziehung des Zusammenschlussvorhabens nach § 65 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 und 3, Satz 3, §§ 64 Abs. 3, 60 Nr. 3 GWB für den Fall zugelassen hat, dass sich ein beigeladenes Unternehmen mit seiner Beschwerde gegen die kartellbehördliche Fusionsfreigabe wendet (WuW/E DE-R 665 - NetCologne; WuW/E DE-R 681, 682 -Trienekens). Jenen Sachverhalten lag nämlich eine gänzlich andere Fallkonstellation zugrunde. Bei der Drittbeschwerde des Beigeladenen geht es nicht um eine Befreiung vom gesetzlichen Vollzugsverbot, sondern im Gegenteil um die vorläufige Beseitigung der Befugnis der Fusionsbeteiligten, einen von der Kartellbehörde freigegebenen Zusammenschluss sofort vollziehen zu dürfen. Außerdem fehlt es in jenen Fällen - anders als bei der Freistellung vom Vollzugsverbot - an einer die Vorschriften zum Erlass einstweiliger Anordnungen verdrängenden Spezialregelung, wie sie § 41 Abs. 2 GWB enthält.

B. Der Gesichtspunkt der Verfahrensökonomie rechtfertigt es - entgegen der Ansicht von G. R. - nicht, dem Beschwerdegericht außerhalb des dafür vorgesehenen Verfahrens nach § 41 Abs. 2 GWB die Befugnis zuzugestehen, eine Freistellung vom Vollzugsverbot durch einstweilige Anordnung nach §§ 64 Abs. 3 Satz 1, 60 GWB und/oder analog § 65 Abs. 3 Satz 3 GWB im Beschwerdeverfahren gegen die Fusionsuntersagung auszusprechen. Denn damit würde nicht nur die Einhaltung des vom Gesetzgeber vorgesehenen Antragsverfahrens nach § 41 Abs. 2 GWB letztlich in das freie Belieben der zusammenschlussbeteiligten Parteien gestellt, sondern auch (und vor allem) der gesetzlich vorgesehene Entscheidungsmaßstab des Beschwerdegerichts verändert. Während das Gericht im Beschwerdeverfahren gegen eine ablehnende Entscheidung nach § 41 Abs. 2 GWB auf die Überprüfung beschränkt ist, ob die Kartellbehörde ihr Entscheidungsermessen pflichtgemäß ausgeübt hat, würde es bei Erlass einer einstweiligen Anordnung auf Freistellung vom Vollzugsverbot eine eigene Ermessensentscheidung treffen.

C. Wollte man entgegen den dargestellten - und nach Auffassung des Senats zwingenden - Erwägungen gleichwohl die Befugnis des Beschwerdegerichts bejahen, die Zusammenschlussbeteiligten durch einstweilige Anordnung vom Vollzugsverbot zu befreien, wären an eine dahingehende Freistellungsentscheidung des Beschwerdegerichts materiell-rechtlich in jedem Falle die gleichen Anforderungen zu stellen, wie sie im Beschwerdeverfahren gegen eine ablehnende Behördenentscheidung nach § 41 Abs. 2 GWB gelten würden. Diese sind im Entscheidungsfall indes nicht erfüllt.

1. a) Die Befreiung vom Vollzugsverbot stellt eine Ausnahme vom Grundsatz der präventiven Fusionskontrolle dar und läuft überdies dem in § 41 Abs. 1 GWB zum Ausdruck gekommenen Willen des Gesetzgebers zuwider, auch eine nur zeitweilige Entstehung oder Verstärkung marktbeherrschender Stellungen zu verhindern sowie die Schwierigkeiten der Entflechtung vollzogener Zusammenschlüsse zu verhindern. Aus diesem Grund muss die Befreiungsmöglichkeit des § 41 Abs. 2 GWB auf besondere Ausnahmesituationen beschränkt bleiben. Nachteile, die sich üblicherweise aus dem gesetzlichen Vollzugsverbot ergeben, rechtfertigen deshalb in keinem Fall die einstweilige Gestattung zum Vollzug des Zusammenschlusses. Zweck der Befreiung ist es vielmehr alleine, schwere Schäden für die Fusionsbeteiligten oder Dritte abzuwenden, die für die Dauer des fusionsrechtlichen Prüfverfahrens drohen und auf andere Weise nicht zu vermeiden sind (vgl. Mestmäcker/Veelken, a.a.O. Rdnr. 27; Rieger, a.a.O. Rdnr. 49; Ruppelt, a.a.O. Rdnr. 4; Riesenkampff/Lehr, a.a.O. Rdnr. 7). Die Begründung zum Regierungsentwurf der 6. GWB-Novelle nennt als Beispiele einer die Befreiung vom Vollzugsverbot rechtfertigenden Ausnahmesituation zum einen die Sanierungsfusion - also den Fall, dass ohne die Befreiung vom Vollzugsverbot der Zusammenbruch eines Unternehmens und dessen Ausscheiden aus dem Markt droht - und zum anderen den Auslandszusammenschluss, bei dem die nach § 39 Abs. 3 GWB erforderlichen Angaben unvollständig sind und der Anmeldende bei der Anmeldung glaubhaft macht, dass er aufgrund der für die Fusion geltenden ausländischen Rechtsvorschriften oder sonstiger Umstände daran gehindert ist, die erforderlichen Angaben vor dem Vollzug des Zusammenschlusses zu machen (BT-Drucksache 13/9720, Abschnitt II zu § 41, abgedr. in WuW-Sonderheft 1998 Seite 105).

b) Das Gesetz räumt der Kartellbehörde in § 41 Abs. 2 GWB bei der Entscheidung, ob die von ihr festgestellten gewichtigen Gründe zu einem Dispens vom Vollzugsverbot führen oder nicht, überdies Ermessen ein. Unter Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes hat die Behörde die von den Fusionsbeteiligten geltend gemachten Individualinteressen mit dem öffentlichen Interesse an der Aufrechterhaltung des gesetzlichen Vollzugsverbots gegeneinander abzuwägen (Mestmäcker/Veelken, a.a.O. Rdnr. 27 m.w.N.). Das Beschwerdegericht ist in diesem Zusammenhang auf die Überprüfung beschränkt, ob die Kartellbehörde ihr Ermessen pflichtgemäß ausgeübt hat, d.h. die Behörde von dem ihr zustehenden Ermessen überhaupt Gebrauch gemacht (sog. Ermessensnichtgebrauch) und die gesetzlichen Zielvorstellungen beachtet sowie alle für die Ermessensausübung maßgebenden Gesichtspunkte hinreichend in ihre Erwägungen einbezogen hat (sog. Ermessensfehlgebrauch). Stellt es Ermessensfehler fest, hat es die Sache zur Neubescheidung an die Kartellbehörde zurückzugeben; eine eigene Ermessensentscheidung ist dem Beschwerdegericht verwehrt. Etwas anderes gilt nur dann, wenn aufgrund der besonderen Umstände des Falles alleine eine Entscheidung ermessensfehlerfrei ist. Ausschließlich bei einer solchen Ermessensreduzierung auf Null darf das Beschwerdegericht die Kartellbehörde zum Erlass dieser - rechtlich einzig fehlerfreien - Entscheidung verpflichten (vgl. allgemein: Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl., § 114 Rdnr. 4 bis 6 m.w.N.) oder selbst die Befreiung aussprechen. Im Ergebnis kann das Beschwerdegericht im Verfahren nach §§ 63, 41 Abs. 2 GWB deshalb nur in eng begrenzten Ausnahmefällen eine Befreiung vom Vollzugsverbot erteilen, und zwar dann, wenn gewichtige Gründe im Sinne der genannten Vorschrift vorliegen und darüber hinaus die Belange der Zusammenschlussbeteiligten das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung des gesetzlichen Vollzugsverbots in einem Maße überwiegen, dass der Dispens vom Vollzugsverbot die einzig ermessensfehlerfrei Entscheidung darstellt.

c) Dieselben Voraussetzungen müssen gelten, wenn man das Beschwerdegericht aus verfahrensökonomischen Erwägungen für befugt halten wollte, einen Dispens vom Vollzugsverbot statt im Beschwerdeverfahren nach §§ 63, 41 Abs. 2 GWB durch einstweilige Anordnung im Rechtsmittelverfahren gegen die kartellbehördliche Untersagungsentscheidung zu erteilen.

2. An dem danach anzulegenden strengen Maßstab gemessen rechtfertigen die von der Beschwerde vorgetragenen Gründe eine Befreiung vom Vollzugsverbot nicht.

Das gilt zunächst für die Mehrkosten, die mit einer Verlängerung der Kaufpreisfinanzierungszusage und der Finanzierung der fusionsbedingt erforderlich werdenden Aktienkapitalerhöhung über Mitte August 2007 hinaus verbunden sind. Es handelt sich - wie das Amt mit Recht geltend macht - um wirtschaftliche Nachteile, die sich üblicherweise aus dem gesetzlichen Vollzugsverbot ergeben und die das Gesetz den Zusammenschlussbeteiligten im System der präventiven Fusionskontrolle zum Schutz des Wettbewerbs aufbürdet. Dass P. insoweit außergewöhnliche und im Ergebnis nicht mehr zumutbare Schäden drohen, die aus Rechtsgründen zu einer Befreiung vom Vollzugsverbot zwingen, ist nicht ersichtlich und wird auch von der Beschwerde nicht geltend gemacht. Ebenso wenig ist nachvollziehbar dargelegt und belegt, dass für P. eine Finanzierung des Kaufpreises nach September 2007 überhaupt ausgeschlossen ist.

Unzumutbare Nachteile lassen sich gleichermaßen nicht in Bezug auf die reklamierte Abwanderung von Mitarbeitern in Schlüsselunternehmen, gegen die G. R. durch entsprechende vertragliche Vereinbarungen ohnehin selbst hätte Vorsorge treffen können (vgl. KG, WuW/E OLG 2571, 2572 - Gaslöschanlagen), und die Kaufzurückhaltung von Kunden des Zielunternehmens feststellen. Zu beiden Aspekten zeigt die Beschwerde weder Besonderheiten des vorliegenden Untersagungsfalles noch außergewöhnliche irreparable Schäden auf, die eine Befreiung vom Vollzugsverbot rechtlich unumgänglich machen.

Auch der Hinweis, P. müsse ohne einen Dispens vom Vollzugsverbot die eigenen Forschungs-, Entwicklungs- und Herstellungsprozesse bis auf weiteres auf einer "stand-alone"-Basis weiterentwickeln und sich im Wettbewerb (auch) gegenüber G. R. durch eigene Entwicklungen abheben, rechtfertigt es nicht, den Beteiligten die Vollziehung des Fusionsvorhabens einstweilen zu gestatten. Es ist typische Konsequenz des gesetzlichen Vollzugsverbots und aus diesem Grunde von den Zusammenschlussbeteiligten hinzunehmen, dass bis zu einer bestandskräftigen Fusionsfreigabe die Unternehmen und ihre wettbewerblichen Aktivitäten nicht zusammengeführt und infolge dessen auch fusionsbedingt erstrebte Synergieeffekte nicht realisiert werden können.

Der als Folge der kartellbehördlichen Untersagungsentscheidung eingetretene erhebliche Kursverlust der G. S.-Aktie als solcher vermag einen Dispens vom Vollzugsverbot ebenfalls nicht zu begründen. Unwidersprochen macht das Amt hierzu geltend, dass es sich um typische Reaktionen des Aktienmarktes auf - einstweilen enttäuschte - Fusionserwartungen handelt, die weder den Bestand des Unternehmens gefährden noch die Gefahr einer Unternehmensinsolvenz begründen. Nach heutigem Stand ist vielmehr davon auszugehen, dass sich der Aktienkurs von G. S. erholen wird, falls die angegriffene Untersagungsverfügung im Beschwerdeverfahren aufgehoben werden sollte. Entgegenstehende Anhaltspunkte zeigt auch die Beschwerde nicht auf.

Die Freistellung vom Vollzugsverbot ist auch nicht deshalb zu erteilen, weil - wie die Beschwerde reklamiert - G. S. dem hohen Innovationswettbewerb auf dem Hörgerätemarkt nicht mehr gewachsen sei, weshalb der Verkauf an P. nur in naher Zukunft erfolgen könne und das Unternehmen ohne Befreiung vom Vollzugsverbot an einen anderen Erwerber zu einem weitaus niedrigeren Kaufpreis veräußert werden müsse. Dabei kann es auf sich beruhen, ob der geltend gemachte Schaden der Fusionsbeteiligten - der auf Seiten von P. in dem endgültigen Verlust der Chance zum Erwerb des Zielunternehmens und auf Seiten von G. R. in einer nicht näher konkretisierten Kaufpreisdifferenz läge - einen Dispens vom Vollzugsverbot rechtfertigen kann. Zwar hat das Kammergericht derartige Vermögensschäden für ausreichend erachtet (WuW/E OLG 2419, 2421 - Synthetischer Kautschuk II). Jener Entscheidungsfall wies indes die Besonderheit auf, dass die kartellbehördliche Untersagungsentscheidung in einem vorausgegangenen Beschwerdeverfahren vom Gericht bereits aufgehoben worden war. In einer solchen besonderen Fallkonstellation mag man erwägen können, geringere Anforderungen an den drohenden Schaden zu stellen als in Fällen der vorliegenden Art, in denen das Beschwerdegericht die Rechtmäßigkeit der kartellbehördlichen Untersagungsentscheidung noch nicht in einem Hauptsacheverfahren abschließend beurteilt hat. Letztlich bedarf diese Frage allerdings keiner abschließenden Prüfung und Entscheidung. Denn schon der gedankliche Ausgangspunkt, mit dem die Beteiligten den drohenden Vermögensschaden begründen, ist nicht stichhaltig. Er beruht auf der Annahme, dass das Zielunternehmen G. R. aufgrund des hohen Innovationswettbewerbs auf dem Hörgerätemarkt nur zeitnah innerhalb der nächsten Monate von P. erworben werden könne. Eine überzeugende und belastbare Begründung für diese Prämisse bleibt die Beschwerde allerdings schuldig. Sie führt insoweit lediglich an, dass G. R. den Marktteilnehmern und Investoren mit Bekanntgabe der Fusionspläne signalisiert habe, Maßnahmen zur "Rettung der Marke" ergriffen zu haben, und dass es mit diesem Signal unvereinbar sei, den Vollzug des Zusammenschlussvorhabens bis zu einer rechtskräftigen Freigabe aufzuschieben. Es ist indes weder nachvollziehbar dargetan noch belegt, dass und aus welchen Gründen die Marktteilnehmer und Investoren auf einem kurzfristigen, aber mit dem Risiko einer späteren Entflechtung verbundenen Vollzug des Zusammenschlussvorhabens bestehen und sich nicht damit zufrieden geben sollen, dass P. trotz der Untersagungsverfügung des Amtes an seinen Fusionsabsichten festhält und bereit ist, das Vorhaben im Rechtsweg zu erstreiten. Ebenso wenig ist dargelegt, welche konkreten unzumutbaren Schäden G. R. seitens der Marktteilnehmer und Investoren zu befürchten haben soll, wenn der untersagte Zusammenschluss nicht vorab vollzogen wird, und dass diese Schäden nicht anders als durch eine Befreiung vom Vollzugsverbot vermieden werden können.

Eine Befreiung vom Vollzugsverbot kann schließlich nicht aus der im Erwerbsvertrag vereinbarten Vollzugsfrist hergeleitet werden, die am 15. August 2007 endet. Die vereinbarte Vollzugsfrist ist - wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt - nicht das Ergebnis objektiver und von den Parteien nicht beeinflussbarer Sachzwänge, sondern beruht maßgeblich aus der autonom getroffenen Entscheidung der Zusammenschlussbeteiligten, die Fusion nur innerhalb eines knapp bemessenen Zeitrahmens durchführen wollen. Es bedarf keiner näheren Darlegung, dass sich hieraus nicht die Notwendigkeit ergeben kann, eine Befreiung vom gesetzlichen Vollzugsverbot zu erteilen. Andernfalls hätten es nämlich die Zusammenschlussbeteiligten in der Hand, durch Vereinbarung knapper Vollzugsfristen selbst die Voraussetzungen für einen Dispens vom Vollzugsverbot zu schaffen.

D. Im Ergebnis fehlt es damit bereits an gewichtigen Gründen im Sinne von § 41 Abs. 2 GWB. Das zur Entscheidung stehende Begehren auf Befreiung vom gesetzlichen Vollzugsverbot wäre deshalb selbst dann abzulehnen, wenn man mit Stimmen in der Literatur (vgl. Mestmäcker/Veelken, a.a.O. Rdnr. 24) von dem Erfordernis einer Ermessensreduzierung auf Null absehen und das Beschwerdegericht für befugt halten wollte, analog § 64 Abs. 3 Satz 1 GWB anstelle der Kartellbehörde die Entscheidung nach § 41 Abs. 2 GWB zu treffen.

III.

Die Kostenentscheidung ergeht gemäß § 78 Satz 1 GWB.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Die Beteiligten haben als unterlegene Partei allerdings dem Bundeskartellamt die im vorliegenden einstweiligen Rechtsschutzverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu erstatten.

Die Beigeladene hat ihr außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen, weil sie weder eigene Sachanträge gestellt noch das Verfahren durch schriftsätzlichen Vortrag gefördert hat.

IV.

Der Senat hat die Rechtsbeschwerde gemäß § 74 Abs. 2 GWB zugelassen. Die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen die Fusionsbeteiligten im Beschwerdeverfahren gegen eine kartellbehördliche Untersagungsverfügung eine Befreiung vom Vollzugsverbot des § 41 Abs. 1 GWB erwirken können, ohne das Verfahren nach § 41 Abs. 2 GWB zu betreiben, hat rechtsgrundsätzliche Bedeutung und ist höchstrichterlich noch nicht geklärt.

Ende der Entscheidung

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