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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 07.02.2007
Aktenzeichen: VI-U (Kart) 3/06
Rechtsgebiete: BGB, GWB, AEG, EIBV, EBO, EGBGB, RabattG


Vorschriften:

BGB § 134
BGB § 275 Abs. 1
BGB § 275 Abs. 2
BGB § 275 Abs. 3
BGB § 307 Abs. 1
BGB § 307 Abs. 2 Nr. 1
BGB § 315 Abs. 1
BGB § 326 Abs. 1
BGB § 389
BGB § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1
GWB § 19 Abs. 2 Nr. 1
GWB § 20
GWB § 20 Abs. 1
AEG § 4 Abs. 1 a.F.
AEG § 9 Abs. 1 a.F.
AEG § 26 Nr. 7 a.F.
AEG § 26 Abs. 1 Nr. 6
AEG § 26 Abs. 1 Nr. 7 a.F.
EIBV § 3 Abs. 1 Nr. 3 a.F.
EIBV § 3 Abs. 1 Nr. 8 a.F.
EIBV §§ 5 ff. a.F.
EIBV § 5 Abs. 1
EIBV § 5 Abs. 3 Satz 2 a.F.
EIBV § 6
EIBV § 6 Abs. 1 a.F.
EIBV § 6 Abs. 2
EIBV § 6 Abs. 2 Nr. 6 a.F.
EIBV § 6 Abs. 4 a.F.
EIBV § 7 a.F.
EIBV § 7 Abs. 1 Nr. 2 a.F.
EIBV § 7 Abs. 2 Nr. 1 a.F.
EIBV § 7 Abs. 2 Nr. 2 a.F.
EIBV § 7 Abs. 3 a.F.
EBO § 2 Abs. 1
EBO § 16 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2
EGBGB Art. 229 § 5 Satz 2
RabattG § 7
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

I.

Die Berufung der Klägerin und Widerbeklagten gegen das am 15. Dezember 2005 verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Duisburg - 21 O 119/04 - wird zurückgewiesen.

II.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Klägerin und Widerbeklagten auferlegt.

III.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin und Widerbeklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte und Widerklägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV.

Wert des Berufungsverfahrens: 608.354,68 €.

Gründe:

I.

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Zahlung restlicher Trassennutzungsentgelte für den Zeitraum März 2001 bis Juli 2004 in Anspruch, während die Beklagte von der Klägerin widerklagend die Rückzahlung zu viel gezahlter Nutzungsentgelte für das Jahr 2000 mit Ausnahme des Monats November verlangt.

Die Klägerin ist ein nach dem Bestimmungen des Allgemeinen Eisenbahngesetzes (nachfolgend: AEG) zugelassenes Eisenbahninfrastrukturunternehmen. Sie unterhält nahezu das gesamte bundesdeutsche Eisenbahnschienennetz. Sie ist ein Konzernunternehmen der D. AG. Ein Schwestergesellschaft von ihr ist die R. D. AG, die Eisenbahnverkehrsleistungen im Güterverkehr erbringt.

Die Beklagte ist ein nach den Bestimmungen des AEG zugelassenes Eisenbahnverkehrsunternehmen.

Am 27.01./03.02.2000 schlossen die Parteien einen Vertrag über die Nutzung der Schieneninfrastruktur der Beklagten. Gemäß § 4 Nr. 1 des Vertrages in Verbindung mit Ziff. 7 (1) der Allgemeinen Bedingungen über die Nutzung der Eisenbahninfrastruktur der D. AG (ABN) ist Grundlage für die Berechnung des Entgelts für die Streckennutzung die jeweils gültige Trassenpreisliste. Bis zum 31. März 2001 galt das Trassenpreissystem 1998 (nachfolgend: TPS 98). Zum 1. April 2001 wurde es durch das Trassenpreissystem TPS 01 ersetzt. Das TPS sah zwei verschiedene Tarife, den "InfraCard-Tarif" und den "Vario-Tarif", vor. Beim "InfraCard-Tarif" musste der Nutzer der Eisenbahninfrastruktur einen festen jährlichen Grundpreis pro Streckenkilometer sowie zusätzlich einen Betrag pro gefahrenen Zugkilometer zahlen. Im Schienengüterverkehr schwankte der jährliche Grundpreis je nach Streckenkategorie (K1 bis K6) zwischen 4.700 DM und 49.000 DM pro Streckenkilometer. Darüber hinaus musste die "InfraCard" für den Schienengüterverkehr für eine "Mindestnetzgröße" von wenigstens 250 km erworben werden. Der Kilometerpreis richtete sich nach der Belastungsklasse der in Anspruch genommenen Eisenbahnstrecke (B I bis B III). Zusätzlich zu dem jährlichen Grundpreis fiel ein von der tatsächlichen Streckennutzung abhängiger Preis pro gefahrener Kilometer an, der - abhängig von der Belastungsklasse - zwischen 3,38 DM und 2,50 DM lag. Der "Vario-Tarif" sah dagegen allein die Zahlung eines Nutzungsentgelts pro gefahrenen Zugkilometer vor, dessen Höhe sich zum einen nach der Streckenkategorie und zum anderen nach der Belastungsklasse richtete. Der Streckenkilometerpreis lag je nach Belastungsklasse (B I bis B III) und unabhängig davon, ob es sich um Güter-, Fern- oder Nahverkehr handelte, z.B. in der Streckenkategorie K 1 zwischen 15,49 DM und 14,61 DM und in der Streckenkategorie K 2 zwischen 14,42 DM und 13,54 DM.

Der "InfraCard-Tarif" zeichnete sich dadurch aus, dass das Nutzungsentgelt mit steigender Inanspruchnahme des Schienennetzes sank und ab einer gewissen Inanspruchnahme deutlich unter dem Nutzungsentgelt lag, welches sich nach dem "Vario-Tarif" ergab. Der "InfraCard-Tarif" konnte wegen des hohen Grundpreises allein von den zum Konzern der Beklagten gehörenden Schienenverkehrsunternehmen in Anspruch genommen werden. Hierzu gehörte auch der größte Wettbewerber der Klägerin, die D. C. AG, jetzt R. D. AG, die zum damaligen Zeitpunkt den Markt für Güterverkehrsleistungen mit einem Marktanteil von etwa 90 % beherrschte. Nur die Konzernunternehmen der Beklagten verfügten über eine hinreichende Zugzahl, um die Preisvorteile des "InfraCard-Tarifs" auszunutzen. Selbst in den Monaten mit hohem Verkehrsaufkommen hat die Klägerin im Zeitraum vom 1. Mai 1998 bis 31. März 2001 keine Strecke mit mehr als vier Zugdurchquerungen täglich genutzt. Die degressive Ausgestaltung des TPS 98 führte dazu, dass die D. C. AG durchschnittlich ein wesentlich geringeres Entgelt pro gefahrenen Streckenkilometer an die Beklagte entrichten musste als die Klägerin. Die D. C. AG konnte daher ihr Leistungen gegenüber Dritten auf der Grundlage einer günstigeren Kostenstruktur anbieten.

Der TPS 01 sieht hingegen einen einstufigen, fahrleistungsunabhängigen, linearen Tarif vor, der erheblich unter dem Vario-Tarif des TPS 98 liegt und allen Eisenbahnverkehrsunternehmen den Netzzugang zu gleichen Preisen gewährt.

Wegen weiterer Einzelheiten des Infrastrukturnutzungsvertrages vom 27.01./03.02.2000 sowie des Inhalts des TPS 01 wird auf die Anlagen K1 und K39 zur Klageschrift vom 2. September 2004 Bezug genommen.

Nach teilweiser Rücknahme der Klage in Höhe von 3.528,92 € (Rechnungen Nr. 8, 35 und 36) hat die Klägerin die Beklagte in erster Instanz unter Bezugnahme auf die zu den Akten gereichten Rechnungen Nr. 1-7 (Anlagen K3-K9) und Nr. 9-34 (Anlagen K11-36) auf Zahlung von 542.471,94 € in Anspruch genommen.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagten zu verurteilen, an sie 542.471,94 € nebst Zinsen in Höhe von 3 % über dem Basiszinssatz zu zahlen und zwar aus 10.987,14 € seit dem 1. Januar 2002, aus 172,70 € seit dem 17. März 2002, aus 786,40 € seit dem 18. Juli 2002, aus 1.890,80 € seit dem 30. Januar 2003, aus 284,69 € seit dem 4. Februar 2003, aus 971,81 € seit dem 9. Februar 2003, aus 684,40 € seit dem 16. Februar 2003, aus 742,40 € seit dem 11. Mai 2003, aus 564,67 € seit dem 7. Juni 2003, aus 69,60 € seit dem 24. Juli 2003, aus 6.459,48 € seit dem 4. August 2003, aus 30,35 € seit dem 4. August 2003, aus 522,00 € seit dem 5. August 2003, aus 70.103,24 € seit dem 6. September 2003, aus 1.032,40 € seit dem 8. September 2003, aus 51.563,98 € seit dem 5. Oktober 2003, aus 290,00 € seit dem 10. Oktober 2003, aus 59.504,53 € seit dem 6. November 2003, aus 696,00 € seit dem 22. November 2003, aus 57.460,00 € seit dem 7. Dezember 2003, aus 730,80 € seit dem 2. Januar 2004, aus 76.255,65 € seit dem 4. Januar 2004, aus 928,00 € seit dem 18. Januar 2004, aus 46.783,36 € seit dem 5. Februar 2004, aus 348,00 € seit dem 31. Januar 2004, aus 11.152,73 € seit dem 7. März 2004, aus 4.433,91 € seit dem 3. April 2004, aus 19.188,35 € seit dem 6. Mai 2004, aus 58,00 € seit dem 31. Mai 2004, aus 51.187,93 € seit dem 5. Juni 2004 und aus 64.275,73 € seit dem 4. Juli 2004 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Im Wege der Widerklage hat sie beantragt,

die Klägerin zu verurteilen, an sie 95.763,46 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszins seit dem 26. September 2001 zu zahlen;

hilfsweise,

die Klägerin zu verurteilen, an sie weitere 504.427,56 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszins seit dem 26. September 2001 zu zahlen, soweit ihre Widerklageforderungen nicht durch Aufrechnung gegen die Klageforderung erloschen sind.

Das Landgericht hat durch Urteil vom 15. Dezember 2005 die Klage abgewiesen und die Klägerin auf die Widerklage unter Zurückweisung der Widerklage im übrigen zur Zahlung von 93.087,70 € nebst Zinsen verurteilt. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, der Klägerin stehe auf Grund des geschlossenen Infrastrukturnutzungsvertrages lediglich in Höhe von 515.266,98 € ein Vergütungsanspruch gegen die Beklagte zu, der jedoch durch wirksame Aufrechnung mit einem Anspruch der Beklagten aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB auf Erstattung überzahlter Nutzungsentgelte für das Jahr 2000 in Höhe von insgesamt 600.191,02 € erloschen sei. In Höhe von 27.205,00 € sei die Klage nicht begründet. Die Kläger habe weder Anspruch auf die in den Rechnungen Nr. 4, 7, 9, 12, 18, 20, 24, 26, 28 und 32 abgerechnete Vergütung für Kurzfrist- und Änderungsbestellungen (13.748,71 €), noch könne sie die Kosten für die Einholung der in der Rechnung Nr. 5 abgerechneten Ausnahmegenehmigung (284,69 €) und das restliche Trassennutzungsentgelt für die am 24.12.2002 in E. unterbrochene Fahrt beanspruchen (Rechnung Nr. 6, 971,81 €). Gleiches gelte für das in der Rechnung Nr. 14 abgerechnete restliche Trassennutzungsentgelt für Juni 2003 (5.298,52 €) und März 2001 (Rechnung Nr. 1, 10.987,14 €). Der teils zur Aufrechnung gestellte und teils widerklagend geltend gemachte Rückzahlungsanspruch der Beklagten sei in Höhe von 600.191,02 € aus ungerechtfertigter Bereicherung gerechtfertigt, weil das bis zum 31. März 2001 geltende TPS 98 gegen § 20 Abs. 1 GWB verstosse und daher nichtig sei. Die Beklagte werde durch das Preissystem TPS 98 auf dem Markt für Schienenverkehrsleistungen unbillig behindert, weil in der Struktur des Tarifsystems eine einseitige und ohne sachlichen Grund erfolgende Bevorzugung von Konzernunternehmen der Klägerin angelegt sei. Die Klägerin habe der Beklagte ohne sachliche Rechtfertigung ein durchschnittlich deutlich höheres Entgelt pro gefahrenen Zugkilometer abverlangt, als es die Tochterunternehmen der D. B. AG zu entrichten hätten. Die Höhe des Rückzahlungsanspruchs der Klägerin berechne sich aus der Differenz des Netznutzungsentgelts, das die Beklagte bei Anwendung der TPS 01 hätte zahlen müssen, zu dem tatsächlich gezahlten Entgelt.

Gegen dieses Urteils wendet sich die Klägerin mit der form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung, mit der sie ihr erstinstanzliches Klageziel in vollem Umfang weiterverfolgt.

Die Klägerin beantragt,

das am 15. Dezember 2006 verkündete Urteil des Landgerichts Duisburg (Az. 21 O 119/04) abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an sie 542.471,94 € nebst Zinsen in Höhe von 3 % über dem Basiszinssatz zu zahlen, und zwar aus 10.987,14 € seit dem 1. Januar 2002, aus 172,70 € seit dem 17. März 2002, aus 786,40 € seit dem 18. Juli 2002, aus 1.890,80 € seit dem 30. Januar 2003, aus 284,69 € seit dem 4. Februar 2003, aus 971,81 € seit dem 9. Februar 2003, aus 684,40 € seit dem 16. Februar 2003, aus 742,40 € seit dem 11. Mai 2003, aus 564,67 € seit dem 7. Juni 2003, aus 69,60 € seit dem 24. Juli 2003, aus 6.459,48 € seit dem 4. August 2003, aus 30,35 € seit dem 4. August 2003, aus 522,00 € seit dem 5. August 2003, aus 70.103,24 € seit dem 6. September 2003, aus 1.032,40 € seit dem 8. September 2003, aus 51.563,98 € seit dem 5. Oktober 2003, aus 290,00 € seit dem 10. Oktober 2003, aus 59.504,53 € seit dem 6. November 2003, aus 696,00 € seit dem 22. November 2003, aus 57.460,00 € seit dem 7. Dezember 2003, aus 730,80 € seit dem 2. Januar 2004, aus 76.255,65 € seit dem 4. Januar 2004, aus 928,00 € seit dem 18. Januar 2004, aus 46.783,36 € seit dem 5. Februar 2004, aus 348,00 € seit dem 31. Januar 2004, aus 11.152,73 € seit dem 7. März 2004, aus 4.433,91 € seit dem 3. April 2004, aus 19.188,35 € seit dem 6. Mai 2004, aus 58,00 € seit dem 31. Mai 2004, aus 51.187,93 € seit dem 5. Juni 2004 und aus 64.275,73 € seit dem 4. Juli 2004 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

II.

Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet.

Zu Recht hat das Landgericht die auf Zahlung von insgesamt 542.471,94 € gerichtete Klage abgewiesen und der Widerklage in Höhe von 93.087,70 € nebst Zinsen stattgegeben. Die Berufungsangriffe der Klägerin bleiben allesamt ohne Erfolg.

Zur Klage:

Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Zahlung von 542.471,94 € nicht zu. Der lediglich in Höhe von 515.266,98 € gerechtfertigte Vergütungsanspruch ist durch wirksame Aufrechnung gemäß § 389 BGB in voller Höhe erloschen.

1.

Über den vom Landgericht in Höhe von 515.266,98 € zuerkannten Vergütungsanspruch hinaus kann die Klägerin von der Beklagten Zahlung weiterer 27.205,00 € nicht beanspruchen. Sie hat weder Anspruch auf eine Zusatzbepreisung für Kurzfrist- und Änderungsbestellungen (siehe unter a.), noch kann sie die Kosten für die Einholung der in der Rechnung Nr. 5 abgerechneten Ausnahmegenehmigung (siehe unter b.) und das volle Trassennutzungsentgelt für die am 24.12.2002 in E. unterbrochene Fahrt beanspruchen (siehe unter c.). Darüber hinaus hat das Landgericht zu Recht das in der Rechnung Nr. 14 abgerechnete Trassennutzungsentgelt für Juni 2003 nur in Höhe von 1.160,96 € (siehe unter d.) und das Trassennutzungsentgelt für März 2001 (Rechnung Nr. 1) nur insoweit anerkannt, als die Abrechnung auf der Grundlage des Trassenpreissystems TPS 01 gerechtfertigt ist (siehe unter e.).

a.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung von 13.748,71 € für die in den Rechnungen Nr. 4, 7, 9, 12, 16, 18, 20, 24, 26, 28 und 32 abgerechneten und von der Beklagten unstreitig getätigten Kurzfrist- und Änderungsbestellungen.

Ein solcher Anspruch folgt nicht aus § 4 Nr. 1 des zwischen den Partein geschlossenen Infrastrukturnutzungsvertrages vom 27.01./03.02.2000 in Verbindung mit Ziff. 5.6. des Trassenpreissystems TPS 2001 (nachfolgend: TPS 01).

In Ziff. 5.6. TPS 01 ist zwar vorgesehen, dass jeder Änderungswunsch des Kunden nach Annahme des Trassenangebotes durch die Klägerin mit pauschal 80,00 € und jede Kurzfristbestellung, die unter drei Stunden vor der bestellten Abfahrt eingeht, mit pauschal 50,00 € zu vergüten ist. Auch steht zwischen den Parteien nicht im Streit, dass die Beklagte die in den genannten Rechnungen abgerechneten Kurzfrist- und Änderungsbestellungen vorgenommen hat. Gleichwohl kann die Klägerin die hierfür abgerechneten Zusatzentgelte nicht beanspruchen. Die einseitig von der Klägerin gemäß § 315 Abs. 1 BGB festgelegten Entgelte verstoßen gegen das in § 20 Abs. 1 GWB geregelte Verbot unbilliger Behinderung und sind daher gemäß § 134 BGB nichtig.

aa.

Die Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 GWB sind erfüllt. Die auf dem Markt für die Überlassung von Schieneninfrastruktur marktbeherrschende Klägerin behindert die Beklagte durch das bei Kurzfrist- und Änderungsbestellungen anfallende Zusatzentgelt auf dem Markt für Schienengüterverkehrsleistungen in unbilliger Weise.

(1)

Die Klägerin ist Normadressatin des § 20 Abs. 1 GWB. Sie ist auf dem in räumlicher Hinsicht auf das Bundesgebiet beschränkten Markt der Nutzungsüberlassung von Eisenbahninfrastruktureinrichtungen, auf dem sich Eisenbahninfrastrukturunternehmen als Anbieter und Eisenbahnverkehrsunternehmen als Nachfrager gegenüberstehen, gemäß § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB marktbeherrschend. Nach dem unstreitigen Vorbringen der Parteien unterhält die Klägerin nahezu das gesamte bundesdeutsche Eisenbahnschienennetz.

(2)

Durch die in Rede stehenden Zusatzentgelte für Kurzfrist- und Änderungsbestellungen wird die Beklagte im Wettbewerb mit der R. D. AG und damit in einem gleichartigen Unternehmen üblicherweise zugänglichen Geschäftsverkehr beeinträchtigt.

(a)

Die Beklagte und die R. D. AG sind gleichartige Unternehmen im Sinne von § 20 Abs. 1 GWB.

Weder die Tatsache, dass die Klägerin und die R. D. AG als Schwesterunternehmen demselben Konzern angehören, noch das unterschiedlich große Nachfragepotential der Beklagten und der R. D. AG stehen der Annahme gleichartiger Unternehmen entgegen.

Nach § 20 Abs. 1 GWB darf ein marktbeherrschendes Unternehmen ein anderes Unternehmen gegenüber gleichartigen Unternehmen nicht ohne sachlich gerechtfertigen Grund unmittelbar oder mittelbar unterschiedlich behandeln. Das Erfordernis der Gleichartigkeit bedeutet, dass die unterschiedliche Behandlung durch den Normadressaten im Verhältnis zu einem anderen (fremden) Unternehmen vorliegen muss. In der Regel ist daher der Anwendungsbereich der Kartellvorschrift nicht eröffnet, wenn die Ungleichbehandlung im Verhältnis zu einem Unternehmen erfolgt, das zum selben Konzern wie das marktbeherrschende Unternehmen gehört. Diese Unternehmen bilden durch ihr Konzernzugehörigkeit eine wirtschaftliche Einheit mit dem Normadressaten und können daher grundsätzlich nicht als gleichartige Unternehmen angesehen werden (Schultz in Langen/Bunte, Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, Bd. 1, 10. Aufl., § 20 Rn. 112 m.w.Nachw.). Nach der Rechtsprechung des Senates ist von diesem Grundsatz aber eine Ausnahme zuzulassen, wenn eine ausdrückliche gesetzliche Verpflichtung besteht, verbundene und fremde Unternehmen gleich zu behandeln (Senat, Urteil vom 19. März 2003, Umdruck Seite 13 f., WuW/E DE-R 1184, 1185 - Infra-Card Tarif). Ein solcher Ausnahmefall liegt hier vor. Wie der Senat bereits in seiner oben genannten Entscheidung ausgeführt hat, folgt aus der gesetzlichen Verpflichtung der Eisenbahninfrastrukturunternehmen, ihre Infrastruktureinrichtungen jedem Eisenbahnverkehrsunternehmen diskriminierungsfrei zu überlassen, dass nicht nur die Bevorzugung irgendeines fremden Unternehmens, sondern in gleicher Weise auch die Begünstigung eines konzerneigenen Eisenbahnverkehrsunternehmens ausgeschlossen ist. Diese gesetzliche Verpflichtung kommt in den Regelungen der §§ 26 Abs. 1 Nr. 6 und 7 AEG a.F. i.V.m. §§ 3 Abs. 1 Nr. 3 und 8 EIBV a.F. zum Ausdruck. Sie findet aber auch Niederschlag in § 9 Abs. 1 AEG a.F.. Nach dieser Vorschrift haben öffentliche Eisenbahnen, die - wie die Beklagte - sowohl Eisenbahnverkehrsdienstleistungen erbringen als auch eine Eisenbahninfrastruktur betreiben, in ihrer Rechnungsführung beide Bereiche zu trennen (Satz 1) und ist eine Quersubventionierung ausdrücklich verboten (Satz 2). Der Senat hält an dieser Rechtsprechung fest, zumal die Beklagte in diesem Zusammenhang keine neuen, vom Senat bisher nicht berücksichtigten Gesichtspunkte vorgetragen hat.

Die Gleichartigkeit beider Unternehmen scheitert auch nicht daran, dass die Beklagte im Verhältnis zur R. D. AG über ein viel geringeres Nachfragepotential verfügt. Unternehmen sind gleichartig, wenn sie in dem jeweiligen Geschäftsverkehr eine im wesentliche gleiche unternehmerische Tätigkeit und wirtschaftliche Funktion ausüben. Maßgebend kommt es dabei auf das Verhältnis der zu vergleichenden Unternehmen zur Marktgegenseite des Geschäftsverkehrs an. Im Rahmen der gebotenen nur verhältnismäßig groben Sichtung reicht für die Gleichartigkeit regelmäßig die Ausübung der für eine bestimmte Wirtschaftsstufe (Produktion, Großhandel, Einzelhandel) typischen unternehmerischen Tätigkeit und wirtschaftlichen Funktion im Hinblick auf eine bestimmte Art von Waren oder gewerblichen Leistungen aus. Auf die sonstigen Modalitäten wie beispielsweise Rechtsform des Unternehmens, ihre Absatzstruktur und Abnahmeleistung oder Unternehmensgröße kommt es nicht an. Im allgemeinen sind solche Unternehmen gleichartig, die als Anbieter oder Nachfrager einer bestimmten Art von Waren oder Dienstleistungen auf derselben Wirtschaftsstufe agieren (z.B. als Hersteller, Großhändler, Einzelhändler, gewerblicher Verbraucher). Nach Maßgabe dieser Voraussetzungen handelt es sich bei der Beklagten und der R. D. AG um gleichartige Unternehmen. Beide Unternehmen sind auf derselben Marktstufe als Anbieter von Schienenverkehrsleistungen tätig und fragen in dieser Funktion bei der Beklagten die Überlassung der Eisenbahninfrastruktur nach. Dies reicht für die Bejahung der Gleichartigkeit aus. Auf das unterschiedliche Nachfragepotential kommt es nicht an.

(b)

Das der Vergütungsabrede der Parteien zugrundeliegende Trassenpreissystem TPS 01 bewirkt hinsichtlich der in Ziff. 5.6. vorgesehenen Zusatzentgelte auch eine Behinderung der Beklagten in diesem Geschäftsverkehr.

Unter einer Behinderung im Sinne von § 20 Abs. 1 GWB ist jede Beeinträchtigung der Wettbewerbsmöglichkeiten eines anderen Unternehmens zu verstehen. Jedoch stellt nicht bereits jeder wirtschaftliche Nachteil, der einem anderen Unternehmen zugefügt wird, eine Behinderung in diesem Sinne dar. Es muss sich vielmehr um eine Beeinträchtigung der Möglichkeiten im Wettbewerb mit anderen Unternehmen handeln, die Chance zu Geschäftsabschlüssen mit Dritten muss also beeinträchtigt sein. Die bloße Eignung einer Maßnahme zur Behinderung oder der erfolglose Versuch reichen nicht aus, vielmehr muss die Beeinträchtigung tatsächlich eingetreten sein (Schultz in Langen/Bunte, aaO., § 20 Rn. 117 f.; Loewenheim in Loewenheim/ Meessen/Riesenkampff, GWB, Bd. 2, § 20 Rn. 67).

Das im TPS 01 geregelte Zusatzentgelt für Kurzfrist- und Änderungsbestellungen beeinträchtigt die Wettbewerbschancen der Beklagten gegenüber anderen Anbietern von Schienengüterverkehrsleistungen, namentlich gegenüber der Schwestergesellschaft der Klägerin, der R. D. AG, die nach dem unstreitigen Vortrag der Parteien auf diesem Markt marktbeherrschend ist. Die Beklagte und alle übrigen Wettbewerber der R. D. AG betreiben in erster Linie sog. Ad-hoc-Verkehr. Dieser zeichnet sich durch kurzfristige Bestellungen ihrer Kunden aus, die zum Teil erst wenige Stunden vor der geplanten Fahrt erfolgen. Dies bedeutet, dass die Beklagte (und alle übrigen Wettbewerber der R. D. AG) in der Mehrzahl der Fälle die Zugtrassen erst kurzfristig bei der Klägerin bestellen können oder bereits bestellte Trassen nachträglich wieder stornieren und durch andere mit der Konsequenz ersetzen müssen, dass sie in der Mehrzahl der Fälle für die Inanspruchnahme einer Zugtrasse zu dem sich aus Ziff. 3 und 4 TPS 01 ergebenden Trassenpreis eine Pauschale von 80,00 € bzw. 50,00 € zu entrichten haben. Die R. D. AG führt nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag der Beklagten demgegenüber verhältnismäßig wenig Ad-hoc-Verkehre durch, so dass sie von den Zusatzentgelten weitaus geringer und - wie die Beklagte unbeanstandet vorgetragen hat - im Ergebnis nicht spürbar betroffen ist. Dies hat zur Folge, dass die Beklagte für die Inanspruchnahme derselben Infrastruktureinrichtungen der Klägerin durchschnittlich ein deutlich höheres Entgelt zu zahlen hat, als die zum Konzern der Klägerin gehörende Eisenbahnverkehrsunternehmen. Der R. D. AG ist es daher im Vergleich zur Beklagten und allen anderen Wettbewerbern möglich, ihre Leistungen gegenüber Dritten auf der Grundlage einer günstigeren Kostenstruktur anzubieten, zumal die Trassenpreise einen erheblichen Teil der Kosten für die Erbringung von Schienengüterverkehrsleistungen ausmachen.

(3)

Die Behinderung der Beklagten auf dem Markt für schienengebundene Güterverkehrsleistungen durch die in Ziff. 5.6. TPS 01 vorgesehenen Zusatzentgelte für Kurzfrist- und Änderungsbestellungen ist auch unbillig.

Ob gleichartige Unternehmen im Wettbewerb unbillig behindert werden, ist auf der Grundlage einer Interessenabwägung unter Berücksichtigung der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Zielsetzung des Kartellgesetzes zu entscheiden. In diesem Rahmen sind zum einen die Interessen des behindernden Normadressaten zu berücksichtigen, wobei grundsätzlich alle Belange in die Bewertung einbezogen werden müssen, soweit sie nicht auf einen gesetzeswidrigen Zweck gerichtet sind oder sonst gegen gesetzliche Vorschriften oder Zielsetzungen verstoßen. In die Abwägung einzustellen ist zum anderen das Interesse des behinderten Unternehmens an einer von machtbedingten Beeinträchtigungen möglichst freien wettbewerblichen Betätigung. Bei der Würdigung der beiderseitigen Interessen ist zu berücksichtigen, dass auch einem marktbeherrschenden Unternehmen ein unternehmerischer Freiraum zusteht. Jenes wird deshalb durch das Verbot des § 20 Abs. 1 GWB im Grundsatz nicht gehindert, seine geschäftliche Tätigkeit und sein Absatzsystem nach eigenem Ermessen so zu gestalten, wie es dies für wirtschaftlich sinnvoll und richtig hält (BGH WuW/E BGH 2953, 2964 - Gasdurchleitung; Markert in Immenga/Mestmäcker, GWB, 3. Aufl., § 20 Rn. 141). Ein Unternehmen mit besonderer Marktmacht unterliegt im Vergleich zu anderen Unternehmen allerdings engeren Schranken in seiner Betätigungsfreiheit. Aus der Verpflichtung des marktmächtigen Unternehmens, auf die wettbewerbliche Betätigungsfreiheit Dritter und auf die im Allgemeininteresse liegende Freiheit des Wettbewerbs Rücksicht zu nehmen, folgt, dass die Behinderung gleichartiger Unternehmen im Wettbewerb nur dann sachlich gerechtfertigt ist, wenn sie objektiv sachgemäß und angemessen ist. Dementsprechend ist eine differenzierende Preisgestaltung nur zulässig, wenn sie nach Ausmaß und Höhe durch hinreichende Gründe gerechtfertigt ist (Schultz in Langen/Bunte, aaO., § 20 Rn. 184 m.w.Nachw.).

Die somit vorzunehmende Interessenabwägung führt zu dem Ergebnis, dass die festgestellte Behinderung der Beklagten durch die nach Ziff. 5.6. TPS 01 anfallenden Zusatzentgelte für Kurzfrist- und Änderungsbestellungen unbillig ist. Ein berechtigtes Interesse der Klägerin an der Erhebung der in Rede stehenden Zusatzentgelte besteht nicht, da es den Entgelten bereits dem Grunde nach an einer sachlichen Rechtfertigung fehlt.

(a)

Ein Verstoß gegen geltendes Eisenbahnrecht liegt entgegen dem Vorbringen der Beklagten allerdings nicht vor. Die für Kurzfrist- und Änderungsbestellungen anfallenden Zusatzentgelte sind als - grundsätzlich zulässige - Zuschläge auf das Trassennutzungsentgelt im Sinne von § 6 Abs. 2 EIBV anzusehen.

Nach § 5 Abs. 1 Eisenbahninfrastruktur-Benutzerverordnung vom 17.12.1997 (EIBV a.F.) können Eisenbahninfrastrukturunternehmen die Entgelte ihrer Eisenbahninfrastruktur frei gestalten, soweit sich aus dieser Verordnung nichts anderes ergibt. Die Bemessungskriterien für das Entgelt sind in § 6 EIBV geregelt. Nach § 6 Abs. 1 EIBV a.F. bestehen Entgelte für die Zugtrassen aus Entgelten für bestimmte Verkehrsleistungen sowie Zu- und Abschlägen. § 6 Abs. 2 EIBV a.F. bestimmt welche Umstände bei der Berechnung von Zu- und Abschlägen berücksichtigt werden können. In § 6 Abs. 4 EIBV ist geregelt, dass die Entgelte für Zugtrassen, sonstige Anlagen und Einrichtungen sowie für besondere Leistungen gesondert zu berechnen sind.

Anders als die Klägerin meint, handelt es sich bei ihren Leistungen, die durch Kurzfristbestellungen ihrer Kunden und Änderungen bereits bestellter Zugtrassen veranlasst werden, nicht um besondere Leistungen im Sinne von § 6 Abs. 4 EIBV a.F.. Sie gehören vielmehr zu den Leistungen, die durch das Entgelt für die Bereitstellung der Zugtrasse mitabgegolten werden (§ 6 Abs. 1 EIBV a.F.). Die Zuweisung der Fahrwegkapazität an die einzelnen Eisenbahnverkehrsunternehmen ist wesentlicher Bestandteil der vertraglich geschuldeten Bereitstellung von Zugtrassen. Zur Zuweisung der Zugtrassen gehört aber nicht nur die Entgegennahme der einzelnen, ggflls. auch kurzfristig eingehenden Bestellungen durch die einzelnen Eisenbahnverkehrsunternehmen, sondern auch die Änderungen bereits bestellter Zugtrassen sowie die Koordination sämtlicher Bestellungen und ihre Zusammenfassung in einem Fahrplan. Alles andere würde zu einer künstlichen Aufspaltung der vertraglich geschuldeten Zuweisung von Fahrwegskapazität führen. Für ein solches Verständnis sprechen im übrigen auch die von der Klägerin selbst gewählten Formulierungen im Infrastrukturnutzungsvertrag. In der Anl. 3 zum Vertrag hat die Klägerin ihr Leistungen zusammengestellt und in Abgrenzung zu weiteren zusätzlichen Leistungen unter Ziff. 6 ausgeführt, dass hierzu auch die Leistungen der Betriebsführung während der Besetzungszeit der Betriebsstellen und die Fahrplanerstellung im üblichen Umfang gehören. Das in Ziff. 5.6. TPS 01 geregelte Zusatzentgelt für Kurzfrist- und Änderungsbestellungen trägt unter Ziff. 5 die Überschrift "Zu- und Abschläge (Sonderfaktoren)".

Handelt es sich somit bei den Zusatzentgelten für Kurzfrist- und Änderungsbestellungen um einen Zuschlag auf das Entgelt für die Bereitstellung der Zugtrassen, steht der Erhebung dieser Zusatzentgelte nicht § 6 Abs. 2 EIBV a.F. entgegen. Die genannte Vorschrift enthält keine abschließende Aufzählung der Faktoren, die bei der Berechnung von Zu- und Abschlägen berücksichtigt werden können. Dies ergibt sich zum einen aus dem Wortlaut des Verordnungstext selbst, der nur "insbesondere" auf die nachfolgend unter Nr. 1-6 aufgezählten Umstände verweist, und aus der Verordnungsbegründung. Dort heißt es, dass Zuschläge auch auf anderen Berechnungskriterien beruhen können, sofern die Erhebung diskriminierungsfrei erfolgt (BR-Drs. 804/97, S. 24; vgl. Bl. 298 GA). Keinerlei Anhaltspunkte finden sich hingegen für die von der Beklagten geltend gemachte Ansicht, die Berechnung von Zu- und Abschlägen könne nur auf Umstände gestützt werden, die lediglich die Durchführung der Fahrt und deren Auswirkungen betreffen, nicht hingegen solche, die - wie hier - im Vorfeld der durchzuführenden Fahrt liegen.

(b)

Für die erhobenen Entgelte für Kurzfrist- und Änderungsbestellungen fehlt jedoch bereits dem Grund nach eine sachliche Rechtfertigung, weshalb sie die Beklagte im Wettbewerb mit anderen Schienengüterverkehrsunternehmen unbillig behindern. Die Klägerin hat nicht substantiiert dargetan, dass ihr durch die Kurzfrist- und Änderungsbestellungen ein zusätzlicher Mehraufwand entsteht, der nicht schon mit dem übrigen Trassennutzungsentgelt abgegolten wird. Zwar liegt die Darlegungs- und Beweislast grundsätzlich bei demjenigen, der die Rechte aus § 20 Abs. 1 GWB geltend macht. Das gilt auch für das normative Merkmal der unbilligen Behinderung (Schultz in Langen/Bunte, aaO., § 20 Rn. 203; Markert in Immenga/Mestmäcker, GWB, 3. Aufl., § 20 Rn. 233 jeweils m.w.Nachw.). Jedoch ist der Behindernde ausnahmsweise dann darlegungs- und beweispflichtig dafür, dass die von ihm verursachte Behinderung nicht unbillig ist, soweit es sich um Tatumstände handelt, die in seinem Geschäftsbereich außerhalb des Wirkungskreises des Behinderten liegen und deren Aufklärung ihm ohne weiteres möglich und zumutbar ist (BGH WuW/E BGH 3079, 3084 - Stromeinspeisung II; Markert in Immenga/Mestmäcker, aaO., § 20 Rn. 233 a.E.). Eine solche Ausnahme liegt hier vor, da die Beklagte keine Kenntnis von der Personal- und Kostenstruktur der Klägerin hat, es der Klägerin jedoch ohne weiteres möglich und zumutbar ist, zu Umstände innerhalb ihres Geschäftsbetriebes vorzutragen. Die Beklagte hat bestritten, dass durch eine drei Stunden vor der bestellten Abfahrtszeit eingehende Bestellung im Vergleich zu einer zeitlich früher eingehenden Bestellung ein zusätzlicher Arbeits- und demzufolge Personalaufwand bei der Klägerin entsteht. Auch hat sie in Abrede gestellt, dass durch die nachträgliche Änderung einer bereits bestellten Zugtrasse zusätzlich Personalkosten anfallen, um den bereits abgestimmten Fahrplan wieder zu ändern. In Anbetracht dieses Bestreitens war die Klägerin gehalten, ihren pauschalen Vortrag weiter zu substantiiert und im einzelnen darzulegen, welcher konkrete Mehraufwand ihr dadurch entsteht, dass eine Bestellung erst drei Stunden und weniger vor Fahrtantritt erfolgt bzw. eine bereits getätigte Bestellung nachträglich geändert wird. Dies hat sie aber nicht getan. Anders als bei den Kurzfristbestellungen liegt es zwar bei den Änderungsbestellungen auf der Hand, dass zusätzliche Arbeitsschritte des für die Trassenzuweisung zuständigen Personals der Klägerin erforderlich sind, um die ursprüngliche Bestellung zu stornieren und eine neue entgegenzunehmen. Dass der Klägerin hierdurch aber im Vergleich zu den ohne die Änderungsbestellungen anfallenden Personalkosten zusätzliche (nennenswerte) Mehrkosten entstehen, weil die "Umbuchungen" nicht vom ohnehin vorgehaltenen Personal miterledigt werden können, ergibt sich aus dem Vortrag der Klägerin nicht.

Aber selbst wenn die Klägerin einen Mehraufwand dem Grunde nach hätte darlegen und beweisen können, hätte sie die geltend gemachten Entgelte für die Kurzfrist- und Änderungsbestellungen nicht beanspruchen können. Da die marktbeherrschende Klägerin die Entgelte einseitig gemäß § 315 Abs. 1 BGB in der Preisliste festgelegt hat, hätte sie darlegen müssen, dass die Entgelte der Höhe nach billigem Ermessen entsprechen. Auch hierzu fehlt indes jeglicher Vortrag der Klägerin.

bb.

Die Beklagte ist nicht gemäß § 7 Abs. 4 der Allgemeinen Bedingungen für die Nutzung der Eisenbahninfrastruktur der D. N. AG (ABN) damit ausgeschlossen, sich auf die Kartellnichtigkeit von Ziff. 5.6 TPS 01 zu berufen. Es bedarf insoweit keiner Entscheidung, ob die Klausel überhaupt einen wirksam vereinbarten Einwendungsverzicht enthält und die Voraussetzungen der Klausel im einzelnen erfüllt sind. Jedenfalls wäre von einem etwaigen Einwendungsverzicht durch Unterlassen rechtzeitiger Einwendungen gegen die jeweilige Rechnung nicht der hier geltend gemachte Einwand der Kartellnichtigkeit gemäß § 134 BGB i.V.m. § 20 Abs. 1 GWB erfasst, da gesetzliche Verbote und die an den Verstoß geknüpfte Nichtigkeitsfolge nicht zur Disposition der Parteien stehen.

b.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Erstattung der gemäß Rechnung Nr. 5 abgerechneten Kosten von 284,69 €, die die Klägerin für die Einholung einer Ausnahmegenehmigung für die von der Beklagten bestellte Zugtrasse R. - B. verauslagt hat.

Die Klägerin ist nicht gemäß § 6 Abs. 4 EIBV a.F. berechtigt, der Beklagten die Kosten für die erteilte Ausnahmegenehmigung zusätzlich zu dem berechneten Trassennutzungsentgelt gesondert zu berechnen. Die Einholung der Ausnahmegenehmigung stellt keine gesonderte Leistung im Sinne dieser Vorschrift dar. Vielmehr handelt es sich bei der Einholung der kostenpflichtigen Ausnahmegenehmigung um eine Leistung der Klägerin, die mit dem Entgelt für die Zugtrasse abzugelten ist, weil durch die Ausnahmegenehmigung erst die Betriebssicherheit der Strecke gewährleistet ist. Nach Anlage 3 Ziff. 1 des Vertrages gehört zu den Leistungen der Klägerin die Bereitstellung der für die Zugfahrten erforderlichen Strecken-, Bahnhofs-, Überholungs- und Kreuzungsgleise. Aus § 4 Abs. 1 AEG a.F. folgt, dass die genannte Eisenbahninfrastruktur in betriebssicherem Zustand zu halten und dem Eisenbahnunternehmen in diesem Zustand zur Nutzung zur Verfügung zu stellen ist. Die Anforderungen an die Betriebssicherheit einer Strecke sind gemäß § 2 Abs. 1 Eisenbahn-Bau und Betriebsordnung (EBO) erfüllt, wenn die Bahnanlage den in der EBO enthaltenen Anforderungen genügt. Nach § 16 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EBO erforderte die Nutzung der Strecke R. - B. durch einen Reisezug entweder die - hier nicht vorhandene - Ausstattung mit Zugfunkeinrichtungen oder die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung. Entschließt sich die Klägerin - so wie hier -, die Strecke nicht technisch entsprechend den Vorgaben auszustatten und ist eine Nutzung der Strecke nur nach Erteilung einer Ausnahmegenehmigung zulässig, so gehören die Kosten für die Genehmigung zu den allgemeinen Betriebskosten der Klägerin, die nicht gesondert neben dem Trassennutzungsentgelt verlangt werden können.

Die Klägerin ist auch nicht gemäß § 5 Abs. 3 Satz 2 EIBV a.F. berechtigt, der Beklagten die Kosten für die Ausnahmegenehmigung gesondert aufzuerlegen. Verursacht nach dieser Vorschrift eine Verkehrsleistung - hier die Nutzung der Strecke R. - B. mit einem Reisezug - gegenüber anderen Verkehrsleistungen - Nutzung derselben Strecke durch einen Güterzug - erhöhte Kosten, dann dürfen diese Kosten bei der Ermittlung der für die Berechnung der Entgelte maßgeblichen Kriterien nur für diese Verkehrsleistung berücksichtigt werden. Dies bedeutet aber entgegen der Auffassung der Klägerin nicht, dass die durch die Einholung der erforderlichen Ausnahmegenehmigung verursachten Kosten in voller Höhe einem einzelnen Nutzer aufzuerlegen sind. Die Kosten sind vielmehr in das Entgelt für die Nutzung der Strecke mit einem Reisezug einzurechnen. Etwas anderes könnte vorliegend allenfalls dann gelten, wenn allein die Beklagte die in Rede stehende Zugtrasse mit einem Reisezug befahren hat und deshalb allein für sie die Ausnahmegenehmigung eingeholt werden musste. Dies war aber nicht der Fall. Nach dem unstreitigen Vortrag der Parteien hat außer der Beklagten auch die E. GmbH die Strecke R. - B. mit einem Reisezug befahren.

c.

Die Klägerin hat für die von der Beklagten für den 24.12.2002 bestellte Zugtrasse T. - E. lediglich Anspruch auf ein Trassennutzungsentgelt für den Streckenteil T. - A.. Den Teilbetrag für die Strecke A. - E. (971,81 € , Rechnung Nr. 6) kann sie für den 24.12.2002 von der Beklagten nicht beanspruchen.

Die Vergütungspflicht der Beklagten für diese Teilstrecke ist gemäß § 326 Abs. 1 BGB - diese Vorschrift ist gemäß Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB auf den vorliegenden Vertrag anwendbar - entfallen. Nach § 326 Abs. 1 BGB entfällt bei gegenseitigen Verträgen der Anspruch auf die Gegenleistung, wenn der Schuldner nach § 275 Abs. 1 - 3 BGB nicht zu leisten braucht. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Die vertragliche Verpflichtung der Klägerin, der Beklagten am 24.12.2002 die Zugtrasse von T. nach E. zur Nutzung zur Verfügung zu stellen, war teilweise, nämlich für die Teilstrecke A. - E., gemäß § 275 Abs. 1 BGB infolge von Witterungseinflüssen unmöglich geworden. Nach dem unstreitigen Vorbringen der Parteien konnte dieser Teil der Zugstrecke infolge eines Wintereinbruchs - und damit unverschuldet - nicht genutzt werden, weil er nicht mehr in einem betriebssicheren Zustand war.

Die Klägerin kann sich in diesem Zusammenhang nicht mit Erfolg auf Ziff. 4 Abs. 2 ABN berufen. Insoweit kann dahin stehen, ob diese Klausel überhaupt so zu verstehen ist, dass Abweichungen vom vereinbarten Fahrplan aufgrund von Witterungseinflüssen zu Lasten und Gefahr des im Einzelfall davon beeinträchtigten Eisenbahnverkehrsunternehmens geht, so wie die Klägerin offenbar meint. Jedenfalls wäre bei einem solchen Verständnis von Ziff. 4 Abs. 2 Satz 2 ABN die Klausel wegen Verstoßes gegen § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam. Die einseitige Auferlegung des Nutzungsrisikos auf das Eisenbahnverkehrsunternehmen weicht wesentlich von dem in § 326 Abs. 1 BGB enthaltenen Grundgedanken ab, wonach bei unverschuldeter Unmöglichkeit beide Vertragsparteien von ihren Leistungen frei werden (vgl. Heinrichs in Palandt, aaO., § 326 Rn. 6, BGH NJW 1982, 181).

d.

Hinsichtlich des in der Rechnung Nr. 14 abgerechneten Trassennutzungsentgelts für Juni 2003 steht der Klägerin lediglich noch ein Restbetrag in Höhe von 1.160,96 € zu. In Höhe von 5.298,52 € ist die Restforderung der Klägerin durch wirksame Aufrechnung der Beklagten mit einer Gegenforderung erloschen (§ 389 BGB).

aa.

Allerdings war zum Zeitpunkt der vorprozessual erklärten Aufrechnung und auch zum Zeitpunkt der in der Klageerwiderung erneut erklärten Aufrechnung (Bl. 45 GA) die Aufrechnung wegen Verstoßes gegen das in Ziff. 7 Abs. 8 ABN vertraglich vereinbarte Aufrechnungsverbot unwirksam.

Nach dieser Klausel kann das Eisenbahnverkehrsunternehmen nur dann gegen Forderungen der Klägerin aufrechnen, wenn seine Forderungen unbestritten oder rechtskräftig festgestellt sind. Diese Klausel ist rechtlich unbedenklich und verstößt nicht gegen § 307 Abs. 1 BGB (BGH NJW 2002, 2779 m.w.Nachw.). Die Forderungen, mit denen die Beklagte vorprozessual und wiederholt in der Klageerwiderung aufgerechnet hat, waren weder unbestritten noch rechtskräftig festgestellt, so dass zu diesem Zeitpunkt keine Ausnahme vom Aufrechnungsverbot vorlag.

bb.

Die Beklagte hat die Aufrechnung jedoch wirksam nach Wegfall der Voraussetzungen des vertraglich vereinbarten Aufrechnungsverbotes wiederholt.

Nachdem das Landgericht über die zur Aufrechnung gestellten Forderungen Beweis erhoben und damit ihre Entscheidungsreife herbeigeführt hat, konnte die Beklagte trotz des Aufrechnungsverbotes in Ziff. 7 Abs. 4 ABN wirksam aufrechnen.

Unter Beachtung der Grundsätze von Treu und Glauben ist es geboten, das vertraglich vereinbarte Aufrechnungsverbot unbeachtet zu lassen, wenn die zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung zwar nicht unbestritten oder rechtskräftig festgestellt, jedoch entscheidungsreif ist (BGH WM 1978, 620, 621; BGH NJW 2002, 2779; OLG Düsseldorf NJW-RR 1997, 758). Eine solche Situation ist hier im Verlauf des erstinstanzlichen Verfahrens eingetreten. Die hier in Rede stehenden Schadensersatzforderungen der Beklagten sind durch die erstinstanzlich durchgeführte Beweisaufnahme entscheidungsreif geworden, so dass ab diesem Zeitpunkt das Aufrechnungsverbot in Ziff. 7 Abs. 4 ABN nicht mehr zum Zuge kommt.

Die Beklagte hat nach Eintritt der Entscheidungsreife der zur Aufrechnung gestellten Forderungen die Aufrechnung erneut erklärt. Die Aufrechnungserklärung braucht nicht ausdrücklich abgegeben zu werden; es genügt die klare Erkennbarkeit des entsprechenden Willens auf Seiten des Aufrechnenden (OLG Brandenburg NJW-RR 2000, 1620; Grüneberg in Palandt, aaO., § 388 Rn. 1 jeweils m.w.Nachw.) Ein solcher Aufrechnungswille der Beklagten ist darin zu sehen, dass sie nach Schluss der Beweisaufnahme - und damit nach Eintritt der Entscheidungsreife der zur Aufrechnung gestellten Forderungen und Wegfall des vertraglich vereinbarten Aufrechnungsverbotes - an dem eingangs gestellten Antrag zur Klage und Widerklage festgehalten hat. Hiermit hat sie zum Ausdruck gebracht, dass sie an ihrer Aufrechnung festhält und aus diesem Grund einen Ausgleich der Restforderung gemäß Rechnung Nr. 14 verweigert.

Da sich die Klägerin gegen die zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung der Beklagten weder dem Grunde noch der Höhe nach mit der Berufung gewandt hat, führt die Aufrechnung in Höhe von 5.298,52 € zum Erlöschen der sich aus der Rechnung Nr. 14 ergebenden Restforderung.

e.

Das Landgericht hat ferner zu Recht einen Anspruch der Klägerin auf Zahlung restlicher 10.987,14 € Trassennutzungsentgelt für März 2001 (Rechnung Nr. 1) verneint.

Die Klägerin hat lediglich einen Vergütungsanspruch in Höhe des Betrages, der sich auf der Grundlage des TPS 01 für die Bereitstellung der abgerechneten Zugtrassen ergibt. Dieser Anspruch ist durch Zahlung des geschuldeten Betrages durch Erfüllung (§ 362 BGB) erloschen.

Die Klägerin war nicht befugt, ihre Leistungen nach dem TPS 98 abzurechnen. Dieses Trassenpreissystem verstößt gegen das Verbot unbilliger Behinderung (§ 20 GWB) und ist gemäß § 134 BGB nichtig. Die in Rede stehende Vergütungsabrede diskriminiert die Beklagte in kartellrechtlich unzulässiger Weise, weil sie für die Nutzung der Eisenbahninfrastruktur der Klägerin ein (deutlich) höheres Entgelt pro gefahrenen Streckenkilometer zu zahlen hatte als die R. D. AG für dieselbe Leistung, ohne dass die Ungleichbehandlung durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt ist.

aa.

Wie bereits ausgeführt, ist die Klägerin Normadressatin des § 20 GWB. Zudem handelt es sich bei der Beklagten und der R. D. AG um gleichartige Unternehmen im Sinne der genannten Vorschrift.

bb.

Das der Vergütungsabrede der Parteien für März 2001 zugrundeliegende Trassenpreissystem TPS 98 führt zu einer unbilligen Behinderung der Beklagten im Wettbewerb zur R. D. AG auf dem Markt für Schienenverkehrsleistungen.

(1)

Unter einer Behinderung im Sinne von § 20 Abs. 1 GWB ist jede Beeinträchtigung der Wettbewerbsmöglichkeiten eines anderen Unternehmens zu verstehen. Jedoch stellt nicht bereits jeder wirtschaftlicher Nachteil, der einem anderen Unternehmen zugefügt wird, eine Behinderung in diesem Sinne dar. Es muss sich vielmehr um eine Beeinträchtigung der Möglichkeiten im Wettbewerb mit anderen Unternehmen handeln, die Chance zu Geschäftsabschlüssen mit Dritten muss also beeinträchtigt sind. Die bloße Eignung einer Maßnahme zur Behinderung oder der erfolglose Versucht reichen nicht aus, vielmehr muss die Beeinträchtigung tatsächlich eingetreten sein (Schultz in Langen/Bunte, aaO., § 20 Rn. 117 f.; Loewenheim in Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, GWB, Bd. 2, § 20 Rn. 67).

Die Preisgestaltung des Trassenpreissystems TPS 98 beeinträchtigte die Wettbewerbschancen der Beklagten gegenüber anderen Anbietern von Schienenverkehrsleistungen, namentlich gegenüber der R. D. AG. Sie musste für die Inanspruchnahme derselben Infrastruktureinrichtungen der Klägerin durchschnittlich ein deutlich höheres Entgelt zahlen als die zum Konzern der Klägerin gehörenden Eisenbahnverkehrsunternehmen. Hierdurch war sie in ihrer Preisgestaltung für das Angebot von Schienengüterverkehrsleistungen gegenüber Dritten im Vergleich zur R. D. AG erheblich eingeschränkt. Letztere war durch die Inanspruchnahme des Infra-Card Tarifs in der Lage, ihre Kosten für die Nutzung der Netzinfrastruktur der Klägerin zu minimieren, während der Beklagten (und alle übrigen Güterverkehrsunternehmen, die nicht zum Konzern der Klägerin gehören) diese Möglichkeit aufgrund ihres geringeren Nachfragevolumens aus wirtschaftlichen Gründen faktisch verschlossen war. Der R. D. AG war es daher möglich, ihre Leistungen gegenüber Dritten auf der Grundlage einer günstigeren Kostenstruktur anzubieten, da die Trassenpreise einen erheblichen Teil der Kosten für die Erbringung von Schienengüterverkehrsleistungen ausmachen.

Ohne Erfolg macht die Klägerin geltend, eine Behinderung der Beklagten im Wettbewerb hätte nur dann festgestellt werden können, wenn die Beklagte konkret anhand der von ihr gefahrenen Strecken dargelegt hätte, dass sie im streitgegenständlichen Zeitraum tatsächlich höhere Nutzungsentgelte als die R. D. AG gezahlt hat. Eine nähere Darlegung war nicht erforderlich, weil - unstreitig - allein die Konzernunternehmen der Klägerin in einem Umfang von mindestens einem Drittel der von ihr gefahrenen Zugkilometer von dem degressiven Preissystem des "InfraCard-Tarifs" profitierten, während die Beklagte (und alle anderen Güterverkehrsunternehmen) aufgrund ihrer viel geringeren Nachfrage keine Möglichkeit hatte, die Vorteile des "InfraCard-Tarifs" im Vergleich zum "Vario-Tarifs" für sich zu nutzen.

(2)

Die durch das Trassenpreissystem TPS 98 bewirkte Behinderung der Beklagten im Wettbewerb mit anderen Unternehmen auf dem nationalen Markt für schienengebundene Güterverkehrsleistungen ist auch unbillig.

Ob gleichartige Unternehmen im Wettbewerb unbillig behindert werden, ist auf der Grundlage einer Interessenabwägung unter Berücksichtigung der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Zielsetzung des Kartellgesetzes zu entscheiden. In diesem Rahmen sind zum einen die Interessen des behindernden Normadressaten zu berücksichtigen, wobei grundsätzlich alle Belange in die Bewertung einbezogen werden müssen, soweit sie nicht auf einen gesetzeswidrigen Zweck gerichtet sind oder sonst gegen gesetzliche Vorschriften oder Zielsetzungen verstoßen. In die Abwägung einzustellen ist zum anderen das Interesse des behinderten Unternehmens an einer von machtbedingten Beeinträchtigungen möglichst freien wettbewerblichen Betätigung. Bei der Würdigung der beiderseitigen Interessen ist zu berücksichtigen, dass auch einem marktbeherrschenden Unternehmen ein unternehmerischer Freiraum zusteht. Jenes wird deshalb durch das Verbot des § 20 Abs. 1 GWB im Grundsatz nicht gehindert, seine geschäftliche Tätigkeit und sein Absatzsystem nach eigenem Ermessen so zu gestalten, wie es dies für wirtschaftlich sinnvoll und richtig hält (BGH WuW/E BGH 2953, 2964 - Gasdurchleitung; Schultz in Langen/Bunte, aaO., § 20 Rn. ). Ein Unternehmen mit besonderer Marktmacht unterliegt im Vergleich zu anderen Unternehmen allerdings engeren Schranken in seiner Betätigungsfreiheit. Aus der Verpflichtung des marktmächtigen Unternehmens, auf die wettbewerbliche Betätigungsfreiheit Dritter und auf die im Allgemeininteresse liegende Freiheit des Wettbewerbs Rücksicht zu nehmen, folgt, dass die Behinderung gleichartiger Unternehmen im Wettbewerb nur dann sachlich gerechtfertigt ist, wenn sie objektiv sachgemäß und angemessen ist. Dementsprechend ist eine differenzierende Preisgestaltung nur zulässig, wenn sie nach Ausmaß und Höhe durch hinreichende Gründe gerechtfertigt ist (Schultz in Langen/Bunte, aaO., § 20 Rn. 184 m.w.Nachw.).

Die somit vorzunehmende Interessenabwägung führt zu dem Ergebnis, dass die festgestellte Behinderung der Beklagten durch das Trassenpreissystem TPS 98 unbillig ist. Die in Rede stehende Preisdifferenzierung ist mit den gemäß § 26 Nr. 7 AEG a.F. in Verbindung mit §§ 5 ff. EIBV a.F. festgelegten Grundsätzen zur Bemessung des Entgeltes für die Benutzung einer Eisenbahninfrastruktur nicht verein- bar. Das von der Klägerin dargelegte Interesse an der Entgeltdifferenzierung nach "Vario-" und "InfraCard-Tarif" verstößt deshalb gegen die gesetzgeberische Werteentscheidung und darf bei der Abwägung keine Berücksichtigung finden.

(a)

Die Klägerin gewährt ihren Schwestergesellschaften durch den "InfraCard-Tarif" gegenüber dem "Vario-Tarif" einen streckenbezogenen Mengennachlass im Sinne von § 7 Abs. 3 EIBV a.F. gewährt hat.

(aa)

Der "InfraCard-Tarif" regelt im Verhältnis zu dem im "Vario-Tarif" vorgesehenen Entgelt für die Überlassung der Zugtrassen keine Zu- und Abschläge im Sinne von § 6 Abs. 1 und 2 EIBV a.F.. Nach § 6 Abs. 2 Nr. 6 EIBV a.F. kann zwar die Auslastung einzelner Strecken bei der Berücksichtigung von Zu- und Abschlägen berücksichtigt werden. Jedoch bedeutet dies, dass das Eisenbahninfrastrukturunternehmen Zugtrassen, die insgesamt stark ausgelastet sind, zu höheren, und Strecken, die insgesamt wenig ausgelastet sind, zu niedrigeren Trassenpreisen anzubieten hat. Anknüpfungspunkt ist die Auslastung der Zugtrasse insgesamt, d.h. der Umfang der Inanspruchnahme der jeweiligen Zugtrasse durch sämtliche Nutzer. Knüpft die Gewährung vergünstigter Trassenpreise aber - so wie hier beim "InfraCard-Tarif" - an den Umfang der Nutzung durch das einzelne Schienenverkehrsunternehmen an, enthält § 7 EIBV a.F. eine speziellere Regelung. Dort sind ausdrücklich zwei Preisnachlässe geregelt, die an die Art des konkreten Nutzungsverhältnisses anknüpfen. § 7 Abs. 2 Nr. 1 EIBV a.F. verhält sich über den streckenbezogenen Mengennachlass; in § 7 Abs. 2 Nr. 2 EIBV a.F. ist ein zeitbezogener Entgeltnachlass geregelt.

(bb)

Gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 1 EIBV a.F. liegt ein streckenbezogener Mengennachlass vor, wenn der Entgeltnachlass "auf der Grundlage der Zahl der vergebenen Zugtrassen in Zugkilometern auf einer bestimmten Strecke während eines Kalenderjahres oder einer Fahrplanperiode" gewährt wird.

Der "InfraCard-Tarif" beinhaltet einen solchen streckenbezogenen Mengennachlass. Er bewirkt, dass sich das Nutzungsentgelt pro Zugkilometer mit zunehmender Zahl der Zugtrassen, die ein Eisenbahnverkehrsunternehmen auf einer bestimmten Strecke pro Tag in Anspruch nimmt, vermindert. Diese Verminderung des Nutzungsentgelts tritt im Preisgefüge des "InfraCard-Tarifs" selbst ein, weil sich der vom Nutzer zu zahlende Grundpreis auf die jeweilige Zahl der genutzten Zugtrassen verteilt mit der Folge, dass sich mit steigender Trassenzahl das Entgelt pro Zugkilometer vermindert. Die Reduzierung des Nutzungsentgelts tritt auch im Verhältnis zu den nach dem "Vario-Tarif" zu zahlenden Entgelten ein. Der nach dem "Vario-Tarif" zu entrichtende feste Kilometerpreis wird ab einer bestimmten Zahl der auf einer bestimmten Strecke täglich genutzten Zugtrassen (und sodann mit steigender Zugtrassenzahl zunehmend) unterschritten.

Ohne Erfolg macht die Klägerin geltend, der "InfraCard-Tarif" sei kein Mengennachlass im Sinne von § 7 Abs. 2 Nr. 1 EIBV a.F., weil auf das Begriffsverständnis des (früheren) § 7 RabattG zurückzugreifen sei, wonach ein Entgeltnachlass notwendig den Bezug zu einem Grundentgelt bzw. allgemein festgelegten Entgelt voraussetze, der hier aber nicht gegeben sei.

Der Senat hat sich bereits in seiner Entscheidung vom 19. März 2003 (Az. U(Kart) 20/02) umfassend mit dem Begriff des streckenbezogenen Mengennachlasses befasst und ihn eigenständig ohne Bezugnahme auf die Terminologie des (früheren) Rabattgesetzes ausgelegt. An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest. Die Klägerin hat in diesem Zusammenhang keinerlei Gesichtspunkte vorgetragen, die der Senat nicht bereits in der genannten Entscheidung berücksichtigt hat.

(b)

Handelt es sich somit bei dem "InfraCard-Tarif" des TPS 98 um einen streckenbezogenen Mengennachlass im Sinne von § 7 Abs. 1 Nr. 2 EIBV a.F., genügt er nicht den Anforderungen des § 7 Abs. 3 EIBV a.F..

Danach sind streckenbezogene Mengennachlässe nur dann zulässig, wenn das Eisenbahninfrastrukturunternehmen im Einzelfall durch das Testat eines Wirtschaftsprüfers oder einer Wirtschaftsprüfergesellschaft nachweisen kann, dass durch die Vergabe einer bestimmten Anzahl von Zugtrassen an ein Eisenbahnverkehrsunternehmen geringere Kosten entstehen, als durch die Einzelvergabe derselben Zugtrassen an mehrere Eisenbahnverkehrsunternehmen. Dabei darf der streckenbezogene Mengennachlass die nachgewiesene Kostenminderung nicht überschreiten.

Die Klägerin hat aber weder dargelegt noch durch eine entsprechendes Testat nachgewiesen, dass ihr durch die gebündelte Überlassung mehrerer Zugtrassen an ein Eisenbahnverkehrsunternehmen geringere Kosten entstehen, als wenn sie die Zugtrassen einzeln vergibt.

cc.

Die Kartellnichtigkeit der vertraglichen Vergütungsabrede hat gemäß § 12 des Vertrag über die Nutzung der Schieneninfrastruktur zur Folge, dass an die Stelle der unwirksamen Preisliste TPS 98 das kartellrechtlich unbedenkliche Trassenpreissystem TPS 01 tritt und auf dessen Grundlage die Entgeltberechnung gemäß § 4 Nr. 1 des Vertrages i.V.m. Ziff. 6 (1) ABN zu erfolgen hat.

Die Vertragsparteien haben in § 12 des Vertrages vereinbart, dass anstelle einer unwirksamen Regelung der Vertrag so zu ergänzen oder auszulegen ist, dass die von den Vertragspartnern angestrebten Ziele möglichst erreicht werden. Hätten die Vertragsparteien bei Abschluss des Vertrages die Unwirksamkeit des Trassenpreissystems TPS 98 bedacht, so hätte die Klägerin in Ausübung ihres nach § 4 Nr. 1 des Vertrages i.V.m. Ziff. 7 Abs. 1 ABN eingeräumten Leistungsbestimmungsrechts (§ 315 Abs. 1 BGB) ein kartellrechtlich unbedenkliches Preissystem zur Grundlage der Entgeltberechnung für die Nutzung ihrer Infrastruktur gemacht. Ein solches Preissystem stellt das Trassenpreissystem TPS 01 dar. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass das linear ausgestaltete Trassenpreissystem TPS 01 den Anforderungen genügt.

Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Klägerin bei Kenntnis der Tatsache, dass das Trassenpreissystem TPS 98 kartellrechtswidrig und damit unwirksam ist, diese Preisliste durch das vorangegangene Trassenpreissystem TPS 94 ersetzt hätte. Um eine wirksame Entgeltvereinbarung herbeizuführen, hätte die Beklagte das unwirksame Preissystem durch eine wirksames, d.h. durch ein kartellrechtlich bedenkenfreies Trassenpreissystem ersetzt. Dass das Trassenpreissystem TPS 94 diesen Anforderungen genügt, hat die Klägerin jedoch nicht substantiiert dargetan. Hierzu hätte aber Anlass bestanden, weil nach dem eigenen Vortrag der Klägerin die Beklagte nach dem TPS 94 sogar ein noch erheblich höheres Entgelte als nach dem TPS 98 zahlen müsste und auch das TPS 94 keinen fahrleistungsunabhängigen, linearen Tarif, sondern unter bestimmten Voraussetzungen einen Mengennachlass vorsah.

Da die Klägerin auf der Grundlage des TPS 01 unstreitig über den bereits von der Beklagten erhaltenen Betrag kein weiteres Nutzungsentgelt für März 2001 beanspruchen kann, hat das Landgericht zu Recht einen weitergehenden Zahlungsanspruch verneint.

2.

Der somit insgesamt auf Zahlung von 515.266,98 € gerichtete Zahlungsanspruch der Klägerin ist durch wirksame Aufrechnung gemäß § 389 BGB erloschen.

Der Beklagten stand in Höhe von 608.354,68 € aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB ein aufrechenbarer Anspruch auf Rückzahlung von Infrastrukturnutzungsentgelten gegen die Klägern zu, die sie im Jahr 2000 mit Ausnahme des Monats November auf der Berechnungsgrundlage des TPS 98 an die Klägerin gezahlt hat. In dieser Höhe sind die Zahlungen der Beklagten ohne Rechtsgrund erfolgt. Wie bereits ausgeführt, ist das Trassenpreissystem TPS 98 kartellrechtswidrig und durch das TPS 01 zu ersetzen. Unstreitig ergibt sich danach ein überzahlter Betrag in Höhe von 608.354,68 €.

Zur Widerklage:

Aus den oben genannten Gründen ergibt sich, dass auch der Widerklage in Höhe des zuerkannten Betrages von 93.087,70 € (608.354,68 € - 515.266,98 € = 93.087,70 €) zu Recht stattgegeben worden ist.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Anordnungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruhen auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

IV.

Die Revision wird nicht zugelassen. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 BGB) noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs (§ 543 Abs. 2 Nr. 2 BGB).

Der Senat hat sich bereits in seiner Entscheidung vom 19. März 2003 (WuW/E DE-R 1184 - Infra-Card Tarif) mit der Wirksamkeit des TPS 98 befasst und die Revision gegen seine Entscheidung nicht zugelassen. Die hiergegen erhobene Nichtzulassungsbeschwerde hatte keinen Erfolg. Dass nunmehr abweichend von der damaligen Entscheidung Anlass für die Zulassung der Revision besteht, ist weder dargetan noch sonst ersichtlich.

Ende der Entscheidung

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