Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 13.12.2006
Aktenzeichen: VI-U (Kart) 39/06
Rechtsgebiete:


Vorschriften:

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

I. Auf die Berufung der Antragsgegnerin wird das am 24. August 2006 verkündete Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Antrag der Antragstellerin auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird abgelehnt.

II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

III. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 250.000,- € festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin gehört zum R.-Konzern und betreibt unter der Bezeichnung "P." bundesweit rund 50 Fachmärkte für Unterhaltungselektronik. Die Antragsgegnerin bietet die Liveübertragung der Fußball-Bundesligaspiele im Bezahlfernsehen (A. TV) an. Sie stellt ihr Programm dabei sowohl den Kabelkunden als auch den Fernsehzuschauern mit Satellitenempfang zur Verfügung. An der Vermarktung von Abonnements an Fernsehzuschauer mit Kabelanschluss ist die Antragstellerin von Beginn an beteiligt. Demgegenüber hat die Antragsgegnerin den Vertrieb ihrer Abonnementverträge an Zuschauer mit Satellitenanschluss für die Anfangsphase von Ende Juli bis Ende September 2006 exklusiv an den M.-Konzern (M.-Markt, S.) vergeben und es abgelehnt, auch die Antragstellerin vor Oktober 2006 als Vertriebspartner einzuschalten.

Die Antragstellerin hält dieses Vorgehen für eine kartellrechtswidrige Diskriminierung. Sie nimmt die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Verfügung auf "Belieferung" in Anspruch. Mit ihrem - letztlich zur Entscheidung gestellten - Verfügungsantrag verlangt sie die Verpflichtung der Antragsgegnerin, ihr mit sofortiger Wirkung einen Vertrag auf Provisionsbasis als Fachhandelspartner für den Vertrieb von A.-Abonnements an Endkunden mit Satellitenempfang zu angemessenen marktüblichen Bedingungen anzubieten.

Das Landgericht hat dem Verfügungsantrag stattgegeben. Dagegen richtet sich die Antragsgegnerin mit ihrer Berufung. Sie ist der Ansicht, dass der Antrag bereits mangels hinreichender Bestimmtheit abzulehnen gewesen sei. Außerdem, so meint sie, seien die besonderen Voraussetzungen für den Erlass einer Leistungsverfügung weder dargelegt und glaubhaft gemacht noch tatsächlich erfüllt. Schließlich stellt sie auch einen kartellrechtlichen "Belieferungsanspruch" der Antragstellerin in Abrede.

Die Antragstellerin verteidigt das angefochtene Urteil und tritt dem Vorbringen der Berufung im Einzelnen entgegen.

II.

Die zulässige Beschwerde hat Erfolg. Das Landgericht hat die beantragte einstweilige Verfügung zu Unrecht erlassen.

A. Dabei kann es auf sich beruhen, ob - wofür Vieles spricht - das Verfügungsbegehren auf Belieferung zu "angemessenen marktüblichen" Konditionen nicht bereits der erforderlichen Bestimmtheit (vgl. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) entbehrte. Jedenfalls musste der Verfügungsantrag der Antragstellerin aber deshalb abgelehnt werden, weil die besonderen Voraussetzungen für den Erlass der nachgesuchten Leistungsverfügung nicht vorgelegen haben.

1. Die Antragstellerin begehrt den Erlass einer auf Befriedigung gerichteten einstweiligen Verfügung. Eine solche Leistungsverfügung ist - weil sie zu einer im Gesetz nicht vorgesehen Vorwegnahme der Hauptsache führt - nur in eng begrenzten Ausnahmefällen zulässig. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats (vgl. WuW/E DE-R 619, 774 und 847; Urt. v. 25.4.03 - U (Kart) 1/03; Urt. v. 29.12.04 -U (Kart) 41/04, Urt. v. 26.1.2005 - VI-U(Kart) 32/04; Beschl. v. 27.3.2006 - VI-W(Kart) 2/06) und anderer Oberlandesgerichte (OLG Karlsruhe, WuW/E OLG 2319; OLG Saarbrücken, WuW/E OLG 2573; OLG Koblenz, WuW/E OLG 3893; KG, WuW/E OLG 4628; OLG Köln, NJW 1994, 56) genügt es nicht, dass ohne den Erlass der einstweiligen Verfügung die Verwirklichung eines Anspruchs des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (§ 935 ZPO) oder der nachgesuchte einstweilige Rechtsschutz erforderlich ist, um wesentliche Nachteile abzuwenden (§ 940 ZPO). Eine Leistungsverfügung kommt vielmehr nur bei einer bestehenden oder zumindest drohenden Notlage des Antragstellers in Betracht. Dieser muss so dringend auf die sofortige Erfüllung seines Anspruchs angewiesen sein oder ihm müssen so erhebliche wirtschaftliche Nachteile drohen, daß ihm weder ein Zuwarten bei der Durchsetzung seines Anspruchs noch eine Verweisung auf die spätere Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen zuzumuten ist. Dem Interesse der antragstellenden Partei an einer Gewährung effektiven Rechtsschutzes durch Erlass einer Leistungsverfügung ist dabei das schutzwürdige Interesse der verfügungsbeklagten Partei gegenüberzustellen, nicht in einem mit nur eingeschränkten Erkenntnismöglichkeiten ausgestatteten summarischen Verfahren zu einer Erfüllung des geltend gemachten Anspruchs angehalten zu werden. In die erforderliche Abwägung der beiderseitigen Belange sind ferner die Erfolgsaussichten des Verfügungsantrags einzubeziehen. Ist die Rechtslage eindeutig und lässt sich die Berechtigung des verfolgten Anspruchs zweifelsfrei feststellen, so ist der Antragsgegner weniger schutzbedürftig und es überwiegt im Zweifel das Interesse des Antragstellers daran, dass ihm der Anspruch bereits im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zuerkannt wird. Die dargestellten Beurteilungskriterien stehen dabei in einer Wechselbeziehung zueinander. Ist die Berechtigung des geltend gemachten Anspruchs eindeutig und/ oder liefe die Versagung einer Leistungsverfügung mehr oder weniger auf eine endgültige Rechtsverweigerung hinaus, so sind geringere Anforderungen an die wirtschaftliche Notlage zu stellen. Umgekehrt ist die Schwelle für die zu fordernde Notlage höher anzusetzen, sofern die Rechtslage zu Gunsten des Antragstellers nicht völlig zweifelsfrei und/oder eine spätere Geltendmachung von Schadensersatz zumutbar ist. Bei alledem trägt der Antragsteller eines Verfügungsverfahrens für das Vorliegen der die Annahme eines Verfügungsgrundes tragenden Tatsachen die Last der Darlegung und Glaubhaftmachung.

2. Mit Recht macht die Berufung geltend, dass die Antragstellerin im landgerichtlichen Verfahren eine Notlage in dem beschriebenen Sinne weder nachvollziehbar dargelegt noch glaubhaft gemacht hat. Die Antragstellerin hat sich auf die pauschale - und von der Antragsgegnerin überdies substantiiert bestrittene - Behauptung beschränkt, dass die ganz überwiegende Zahl der Abonnementverträge in der Anfangsphase der Vermarktung abgeschlossen werden und sie folglich von der Vermarktung praktisch ausgeschlossen werde, falls sie nicht auch die A.-Abonnements an Satellitenkunden von Beginn an verkaufen könne. Glaubhaft gemacht hat sie ihren Sachvortrag indes nicht. Schon deswegen hätte das Landgericht den Erlass der begehrten Leistungsverfügung ablehnen müssen. Darüber hinaus ist dem Vorbringen der Antragstellerin nicht ansatzweise zu entnehmen, dass die Weigerungshaltung der Antragsgegnerin sie überhaupt in eine Notlage bringt. Vor dem Hintergrund, dass vorliegend alleine die Vermarktung der A.-Abonnements an Satellitenkunden - auf die nur 38 % aller Fernsehhaushalte entfällt - streitbefangen ist und es überdies ausschließlich um die 2-monatige Anfangsphase der Vermarktung von A.-Abonnements geht, hätte die Antragstellerin im Einzelnen darlegen müssen, dass ihrem Geschäftsbetrieb als Händler von Unterhaltungselektronik durch die Weigerungshaltung der Antragstellerin derart schwerwiegende und nicht wieder gutzumachende Nachteile entstehen, dass sie zumutbarer Weise weder auf das Klageverfahren noch auf die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen verwiesen werden kann. Dazu fehlt jedweder Sachvortrag.

Der Umstand, dass das Landgericht die Sach- und Rechtslage mit den Parteien in der mündlichen Verhandlung ausführlich erörtert hat, rechtfertigt - entgegen der Ansicht der Antragstellerin - keine geringeren Anforderungen an den Verfügungsgrund. Er hat insbesondere nicht zur Konsequenz, dass eine Leistungsverfügung ohne das Vorliegen einer Notlage in dem vorbeschriebenen Sinne erlassen werden darf.

B. Auf die von der Berufung vorgebrachten beachtlichen Erwägungen gegen die vom Landgericht vorgenommene sachliche Marktabgrenzung und seine darauf basierende Annahme einer marktbeherrschenden Stellung der Antragsgegnerin kommt es für die Entscheidung des Prozesses nach alledem nicht mehr an.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

Zurück