Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 22.06.2005
Aktenzeichen: VI-W (Kart) 5/05
Rechtsgebiete: GVG, ZPO, ArbGG


Vorschriften:

GVG § 17 a Abs. 3
GVG § 17 a Abs. 4 Satz 3
ZPO § 13
ZPO § 29
ZPO § 38 Abs. 1
ZPO § 281 Abs. 2 Satz 4
ZPO § 567 Abs. 1
ZPO § 569
ArbGG § 2 Abs. 1 Nr. 3 a)
ArbGG § 2 Abs. 1 Nr. 3 b)
ArbGG § 5 Abs. 1 Satz 2 2.Alternative
ArbGG § 46 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten wird der Beschluss der 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Dortmund vom 24. März 2005 abgeändert und der Rechtstreit an das Arbeitsgericht Bayreuth verwiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden der Klägerin auferlegt.

Beschwerdewert: 2.500,- EUR

Gründe:

I. Die Klägerin klagt Lizenz- und Marketinggebühren aus einem Franchisevertrag vom 12.03.2003 ein, dessen Gegenstand der mobile Vertrieb von PCs, Zubehör und Software ist (P. Franchisevertrag für den Betriebstypen M. in der Fassung Februar 2003). Auf den Inhalt dieses Vertrages Anlage K1 zur Klageschrift (Bl.9 GA) wird Bezug genommen. Der Beklagte verteidigt sich dagegen, indem er die Nichtigkeit dieses Vertrages, u.a. wegen Verstoßes gegen kartellrechtliche Bestimmungen, geltend macht, sich auf eine wirksame Kündigung des Vertrages beruft, den Anspruch auch der Höhe nach bestreitet und eine Hilfsaufrechnung erklärt. Außerdem begehrt er im Wege der Widerklage Auskünfte. Prozessual hat der Beklagte die örtliche Zuständigkeit des zunächst angerufenen LG Bielefeld bestritten, indem er sich auf die Unwirksamkeit der getroffenen Gerichtsstandvereinbarung berufen hat. Außerdem hat er geltend gemacht, dass der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten nicht gegeben sei, vielmehr die Arbeitsgerichte zuständig seien. Das ursprünglich angerufene LG Bielefeld hat auf einen Hilfsantrag der Klägerin mit Beschluss vom 29. September 2004 den Rechtsstreit an das Landgericht Dortmund - Kammer für Handelssachen - als Kartellkammer verwiesen. Auf die Fragen der örtlichen Zuständigkeit (Gerichtsstandvereinbarung oder Wohnsitz des Beklagten) und des Rechtsweges (ordentliche Gerichte oder Arbeitsgerichte) ist es in diesem Beschluss nicht eingegangen. Die 2. Kammer für Handelssachen des LG Dortmund hat durch den angefochtenen Beschluss vom 24. März 2005, dem Beklagten zugestellt am 29.04.05, den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für zulässig erklärt. Dagegen richtet sich die am 20.04.05 eingegangene sofortige Beschwerde des Beklagten, der das Landgericht nicht abgeholfen hat. II. Die gemäß §§ 17 a Abs. 3 und 4 Satz 3 GVG, 567 Abs.1, 569 ZPO zulässige Beschwerde hat Erfolg. Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist die Zuständigkeit der Arbeitsgerichtsbarkeit gegeben. Da das ArbG Bayreuth für den Wohnsitz des Beklagten zuständig ist, ist der Rechtstreit an dieses Gericht zu verweisen. 1. Die Zuständigkeit des LG Dortmund ergibt sich nicht bereits aus dem Verweisungsbeschluss des LG Bielefeld. Aus dessen Begründung geht hervor, dass das LG Bielefeld nur die Frage geprüft hat, ob eine kartellrechtliche Streitigkeit vorliegt, für die bei Bejahung der Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte und der Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung das LG Dortmund anstelle des LG Bielefeld zuständig ist. Die Bindungswirkung des § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO reicht jedoch nur so weit, wie das verweisende Gericht überhaupt eine Prüfung vorgenommen hat (vgl.: BGH NJW 75, 450 und NJW-RR 98, 1219; Zöller-Greger, ZPO, 25.Aufl. Rn. 16 a zu § 281). Ob das LG Bielefeld richtigerweise vor einer Verweisung an das LG Dortmund auch die Rechtswegfrage hätte klären müssen (vgl. § 17 a Abs. 3 Satz 2 GVG), ist insofern ohne Belang. 2. Die damit erforderliche Prüfung, welcher Rechtsweg gegeben ist, ergibt, dass gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 a) und b) i.V. mit § 5 Abs. 1 Satz 2 2.Alternative ArbGG die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte zu bejahen ist. Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 a) und b) ArbGG sind die Arbeitsgerichte ausschließlich zuständig für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten aus einem Arbeitsverhältnis und über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Arbeitsverhältnisses. Nach § 5 Abs.1 Satz 2 2.Alternative ArbGG gelten als Arbeitnehmer auch Personen, die wegen ihrer wirtschaftlichen Unselbständigkeit als arbeitnehmerähnliche Personen anzusehen sind. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (z.B.: NJW 96, 3293, NJW 97, 1724, NJW 97, 2404, NJW 97, 2973, NJW 2001, 1373 und 1374), der sich der Bundesgerichtshof angeschlossen hat (BGHZ 140, 11, 20f. = NZA 99, 53 und BGH 152, 213, 217), gehören zu diesem Personenkreis Personen, die zwar selbständig, aber vom Vertragspartner wirtschaftlich abhängig und einem Arbeitnehmer vergleichbar schutzbedürftig sind. Das Arbeitsgerichtsgesetz bestimmt nicht selbst, wer arbeitnehmerähnliche Person ist. Es setzt den Begriff als bekannt voraus. Arbeitnehmerähnliche Personen sind Selbständige. Sie unterscheiden sich von Arbeitnehmern durch den Grad der persönlichen Abhängigkeit. Arbeitnehmerähnliche Personen sind - in der Regel wegen ihrer fehlenden oder gegenüber Arbeitnehmern geringeren Weisungsgebundenheit, oft auch wegen fehlender oder geringerer Eingliederung in eine betriebliche Organisation - in wesentlich geringerem Maße persönlich abhängig als Arbeitnehmer. An die Stelle der persönlichen Abhängigkeit tritt das Merkmal der wirtschaftlichen Abhängigkeit bzw. wirtschaftlichen Unselbständigkeit. Wesentlich ist, dass der wirtschaftlich Abhängige seiner gesamten sozialen Stellung nach einem Arbeitnehmer vergleichbar schutzbedürftig ist. Ob dies der Fall ist, ist unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalles festzustellen (vgl. BAG und BGH a.a.O.). Arbeitnehmerähnliche Personen können auch Franchisenehmer sein (so BGHZ 140, 11, 20f. = NZA 99, 53 für den Fall Eismann). a. Der Beklagte ist gegenüber der Klägerin wirtschaftlich unselbständig und abhängig. Die konkrete Vertragsgestaltung eröffnet keine nennenswerten eigenen unternehmerischen Erwerbschancen und läuft eher auf eine Scheinselbständigkeit hinaus. Obwohl dem Beklagten als Franchisenehmer das volle Risiko des Geschäftsbetriebs auferlegt ist, erhält er nur minimale Möglichkeiten eigenständigen unternehmerischen Handelns. aa. Der Franchisenehmer hat keinen wesentlichen Entscheidungsspielraum beim Einkauf der Waren. Er darf die für den Verkauf vorgesehene Ware grundsätzlich nur von den von der Klägerin benannten Lieferanten zu den von der Klägerin mit den Lieferanten ausgehandelten Preisen beziehen (Nr. 5 Abs. 1 a des Franchisevertrages). Fremdware darf nicht mehr als 20% des Gesamtumsatzes ausmachen (Nr. 5 Abs. 4). Auch in diesem geringen Umfang bedarf der Fremdbezug der Zustimmung der Klägerin (Nr.5 Abs. 1 b). Die Konditionen für den Bezug der von der Klägerin zentral eingekauften Produkte sind von dieser in Anlage C zum Vertrag detailliert vorgegeben. Die Preisgestaltung seitens der Klägerin wird für den Franchisenehmer bewusst im Unklaren gelassen, sodass ihm eine Überprüfung auf Angemessenheit und damit eine Einflussnahme auf diese Preisgestaltung von vornherein unmöglich ist. Der Franchisenehmer hat nur das Recht, die Preisliste der Klägerin einzusehen (Nr. 5 Abs.3 i.V. mit Anlage D). Woraus sich diese Preise ergeben, erfährt der Franchisenehmer nicht. Wie sich aus der Präambel (Abs. 3) zu dem Franchisevertrag ergibt, erhält die Klägerin von den Lieferanten und den Dienstleistern, bei denen der Franchisenehmer Umsätze tätigt, Umsatzprovisionen wie Rückvergütungen und Bonifikationen in unbekannter Höhe. Da der Franchisenehmer ausdrücklich auf Auskunftsansprüche hinsichtlich dieser Provisionen verzichten muss (Abs. 3 letzter Satz der Präambel), ist es ihm unmöglich, die tatsächlichen Einkaufspreise in Erfahrung zu bringen. bb. Der Franchisenehmer hat auch keinen wesentlichen Einfluss auf seine Verkaufspreise. Wie der Beklagte durch Vorlage von Werbematerial (Anlage B 11, Bl. 395 f) belegt hat, wirbt die Klägerin für die von den Franchisenehmern abzusetzenden Produkte unter Angabe von Preisen. Auch wenn der Leser bei genauem Studium der Anzeigen erfährt, dass die Preisangaben unverbindlich sind, bewirken die Preisvorgaben doch, dass es für den Franchisenehmer faktisch nicht mehr möglich ist, seinerseits höhere Preise zu verlangen. cc. Die kaufmännische Organisation seines Geschäfts ist dem Franchisenehmer weitgehend vorgegeben. Nach Anlage B des Franchisevertrages unter "Mobiltelefon" ist z.B. bestimmt, dass der Franchisenehmer an jedem Werktag von 09:00 bis 18:00 Uhr jederzeit erreichbar sein muss. Er hat in dieser Zeit sein Mobiltelefon eingeschaltet zu haben und jedes Gespräch nach 2-maligem Klingeln anzunehmen (unter "Erreichbarkeit"). Auch im Übrigen ist in der Anlage B, auf deren Einzelheiten Bezug genommen wird, dem Franchisenehmer bis ins kleinste Details vorgeschrieben, wie er sich in seinem geschäftlichen Tagesablauf zu verhalten hat. Der Umfang der Anweisungen geht weit über das hinaus, was zur Aufrechterhaltung eines jeden Franchisesystems erforderlich ist. dd. Nach Nr.7 des Franchisevertrages muss der Franchisenehmer gegenüber der Klägerin sämtliche betriebswirtschaftlichen Daten offen legen. Nach Abs. 1 hat er monatlich betriebswirtschaftliche Auswertungen, Inventurlisten und Aufstellungen über die verkauften Artikel vorzulegen. Nach Abs. 4 hat die Klägerin das Recht, jederzeit auch ohne Anmeldung alle betrieblichen und steuerlichen Unterlagen des Franchisenehmers einzusehen. Da der Franchisenehmer hiernach der Klägerin sämtliche betrieblichen Daten offen legen muss, hat er auch unabhängig von der Preisgestaltung keinen kaufmännischen Verhandlungsspielraum gegenüber der Klägerin. Infolge der Offenlegung kann der Franchisenehmer sich keinen aus günstigem Geschäftsverlauf ergebenden finanziellen Spielraum schaffen, der nicht sogleich der Klägerin bekannt wird und ihr Gelegenheit gibt, auf eine Beteiligung an diesen Vorteilen hinzuwirken. ee. Nach Nr. 4 Abs. 4 - 6 des Franchisevertrages ist selbst die ohnehin auf die eigene Region beschränkte Werbemöglichkeit des Franchisenehmers von einer vorherigen Genehmigung jeder einzelnen Werbemaßnahme durch die Klägerin abhängig. b. Der Beklagte ist gegenüber der Klägerin auch in einer dem Verhältnis von Arbeitnehmer zum Arbeitsgeber vergleichbaren Weise schutzbedürftig. aa. Hier ist zunächst auf die bereits unter a. dargelegte weitgehende Abhängigkeit in seiner wirtschaftlichen Tätigkeit zu verweisen. bb. Der Beklagte hat darüber hinaus faktisch keine Möglichkeit, sich anderweitige Einkünfte zu verschaffen. Nach Nr. 1 Abs. 6 des Franchisevertrages ist es dem Franchisenehmer nicht gestattet, ohne Zustimmung der Klägerin selbst oder durch Dritte ein anderes Unternehmen zu betreiben oder sich daran zu beteiligen. Die in Satz 2 vorgesehene Ausnahme bezieht sich nur auf Beteiligungen im Rahmen der ordentlichen Vermögensverwaltung, betrifft also keine anderweitige operative Unternehmensbeteiligung. Eine anderweitige unselbständige Tätigkeit ist dem Franchisenehmer schon deshalb nicht möglich, weil die Klägerin einen vollen Arbeitseinsatz für ihr Franchisesystem erwartet. 3. Sind hiernach die Arbeitsgerichte zur Entscheidung des Rechtsstreits berufen, so ist gemäß § 46 Abs. 2 ArbGG i.V. mit § 13 ZPO die Zuständigkeit des ArbG Bayreuth als des für den Wohnsitz des Beklagten zuständigen Gerichts gegeben. Da die Klägerin kein anderes Arbeitsgericht - hilfsweise - benannt hat, ist schon deshalb an das vom Senat hiermit bestimmte ArbG Bayreuth zu verweisen. Im Übrigen wäre auch keine anderweitige örtliche Zuständigkeit gegeben. Da der Beklagte seine Tätigkeit nicht am Unternehmenssitz der Klägerin oder von diesem Sitz aus ausüben sollte, ist kein anderweitiger Gerichtsstand des Erfüllungsorts nach § 29 ZPO gegeben. Es kann nach dem bisherigen Vortrag der Klägerin auch nicht sicher festgestellt werden, ob die Gerichtsstandsvereinbarung der Parteien vom 12.03.03 in Nr. 16 Abs. 2 des Franchisevertrages gemäß § 38 Abs. 1 ZPO wirksam ist. III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO (vgl. hierzu: BGH WM 1993, 1554). Die Voraussetzungen für eine Zulassung der weiteren Beschwerde gemäß § 17 a Abs. 4 Satz 5 GVG liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

Zurück