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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 05.05.2009
Aktenzeichen: VII-Verg 14/09
Rechtsgebiete: GWB, VOF, VgV


Vorschriften:

GWB § 118 Abs. 1 S. 3
GWB § 118 Abs. 2
VOF § 11 Abs. 4 lit. e
VOF § 13 Abs. 2 lit. h
VOF § 16 Abs. 2
VgV § 13
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Der Antrag der Antragstellerin auf Verlängerung der aufschiebenden Wirkung ihrer sofortigen Beschwerde gegen den Beschluss der 3. Vergabekammer des Bundes vom 06. April 2009 (VK 3-49/09) wird zurückgewiesen.

Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, dem Senat unverzüglich eine etwaige Auftragsvergabe mitzuteilen.

Die Antragstellerin mag bis zum 29. Mai 2009 mitteilen, ob und mit welchen Anträgen das Beschwerdeverfahren fortgeführt werden soll.

Gründe:

Der Antrag der Antragstellerin auf Verlängerung der aufschiebenden Wirkung ihrer sofortigen Beschwerde nach § 118 Abs. 1 S. 3, Abs. 2 GWB ist zurückzuweisen, denn ihr Nachprüfungsantrag und damit ihre sofortige Beschwerde hat voraussichtlich keinen Erfolg.

1.

Allerdings spricht vieles dafür, dass die Antragsgegnerin es vergaberechtswidrig unterlassen hat, die von ihr angewendete Bewertungsmatrix (Unterkriterien und deren Gewichtung) den Bietern gemäß § 16 Abs. 2 VOF rechtzeitig bekannt zu geben (vgl. zuletzt Beschluss des Senats vom 20.11.2008 - VII-Verg 37/08 - unter Hinweis auf die Rechtsprechung des EuGH, zuletzt Urteil vom 24.01.2008 - Lianakis, VergabeR 2008, 496). Einer näheren Erörterung bedarf dies jedoch nicht.

2.

Der unter 1. angeführte - mögliche - Vergaberechtsfehler der Antragsgegnerin führt aber letztlich nicht zu einer Rechtsverletzung der Antragstellerin. Da die Bewertungsmatrix nach § 16 Abs. 2 VOF erst mit der Aufforderung zur Teilnahme an der Verhandlung bekannt zu geben war, wäre allenfalls dieser Abschnitt des Vergabeverfahrens zu wiederholen. Die Antragsgegnerin hat die Antragstellerin jedoch zu Recht von diesem Abschnitt ausgeschlossen, so dass ihr auch bei erneuertem Verhandlungsverfahren keine zweite Chance zustünde.

a) Zwar führt die unterbliebene oder fehlerhafte Bekanntmachung der Zuschlagskriterien grundsätzlich dazu, dass - bei Fortdauer der Vergabeabsicht - das Vergabeverfahren ab dem Zeitpunkt zu wiederholen ist, zu dem die Zuschlagskriterien vollständig hätten bekannt gemacht werden müssen.

Das ist beim Offenen Verfahren die Versendung der Vergabeunterlagen (vgl. § 25a Nr. 1 VOB/A bzw. VOL/A), was zur Folge hat, dass aus diesem Grunde die Bieter etwaige Mängel ihres Angebots bei der gebotenen Wiederholung vermeiden können und dadurch eine zweite Chance erhalten.

Beim Verhandlungsverfahren mit vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb ist damit im Allgemeinen lediglich das Verhandlungsverfahren, nicht das vorgeschaltete Verfahren über den Teilnahmewettbewerb zu wiederholen (vgl. bereits Senat, Beschluss vom 09.04.2008 - VII-Verg 2/08). Das bedeutet, dass Bewerber, die bereits im ersten Verfahrensstadium zu Recht ausgeschlossen worden sind, nicht wegen etwaiger Fehler im folgenden Vergabeabschnitt eine zweite Chance erhalten. Aus der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 26. September 2006 (NZBau 2006, 800) ergibt sich nichts anderes; ein an sich auszuschließender Bieter konnte den gebotenen Ausschluss aller anderen Bieter nur deshalb erfolgreich rügen, weil er dadurch eine zweite Chance in einem erneuerten Vergabeverfahren erhielt, was aber in diesem Falle für den zu Recht ausgeschlossenen Bewerber gerade nicht gilt.

Ähnliches gilt, wenn der Bewerber oder Bieter zu Recht vom Auftraggeber auch für ein etwaig zu erneuerndes Vergabeverfahren ausgeschlossen worden ist oder zwingend von ihm auszuschließen wäre (vgl. Beschlüsse des Senats vom 09.04.2008 - VII-Verg 2/08 - und vom 27.07.2006 - VII-Verg 23/06).

b) Die Antragsgegnerin hat die Antragstellerin zu Recht nach § 11 Abs. 4 lit. e) VOF (= Art. 45 Abs. 2 lit. g) VKR) ausgeschlossen. Die Antragsstellerin hat in erheblichem Maße falsche Erklärungen zu Fragen der Antragsgegnerin nach einer Weitervergabe von Leistungen an Drittunternehmen, zu der letztere nach § 13 Abs. 2 lit. h) VOF (= Art. 48 Abs. II lit. i) VKR) berechtigt war, abgegeben. Dabei hat sie auch nicht ihren Ermessensspielraum überschritten.

Bereits in dem Bewerbungsbogen hatte die Antragsgegnerin unter "Nachweis der fachlichen Eignung gem. § 13 (2) h VOF (Auftragsanteil für den der Bewerber möglicherweise einen Unterauftrag erteilt) entsprechende Nachweise verlangt. Die Antragstellerin hat den Bewerbungsbogen insoweit mit "entfällt" ausgefüllt. Das mochte, so jedenfalls die Erklärung der Antragstellerin, ihrer damaligen Absicht entsprochen haben, weil sie damals nur eigenes Personal einzusetzen plante. Das entband sie aber in der Folgezeit nicht davon, bei geänderter Planung auf den Einsatz von Drittunternehmen deutlich hinzuweisen. Stattdessen hat die Antragstellerin indes bei ihrem Angebot durch das Organigramm, bei dem unter ihrer Firma für diesen Auftrag die Verantwortungs- und Hierarchiestruktur dargestellt und die Aufgaben bestimmten und benannten Mitarbeitern zugewiesen worden ist, den Eindruck erweckt, als handele es sich bei den maßgeblichen Mitarbeitern um eigene Angestellte. Das galt um so mehr, als sich die Antragstellerin als großes und mitarbeiterstarkes Unternehmen präsentiert hatte. Dass für die Antragsgegnerin die Personen des Projektteams von besonderer Wichtigkeit waren, ergab sich bereits aus der Aufforderung zur Angebotsabgabe, wonach im Verhandlungstermin die Anwesenheit der Mitglieder des Projektteams erwartet wurde. Im Einladungsschreiben wurde zudem die persönliche Vorstellung des Projektleiters, des Bauleiters Baugrube, Rohbau/Sichtbeton, Ausbau, Fassade, des Verantwortlichen für Ausschreibungen und Vergabe sowie des Koordinators als gesonderter Tagesordnungspunkt aufgeführt, ersichtlich auch im Hinblick auf die nachfolgenden Erörterungen zur Terminssteuerung, Qualitätssicherung, Ausschreibung und Vergabe. Im Verhandlungstermin gab zudem ein "freier Mitarbeiter" der Antragstellerin in der Teilnahmeliste als Unternehmen, für das er tätig war, das der Antragstellerin an. Erst auf Nachfrage der Antragsgegnerin stellte sich heraus, dass von den 14 in der "Vorstellung der Mitarbeiter" genannten Personen sieben "freie Mitarbeiter" waren, von denen zumindest drei eigene Büros unterhielten und ein weiterer in leitender Position in einem anderen Büro tätig war. Unter diesen Umständen teilt der Senat die Auffassung der Vergabekammer, die Antragstellerin habe den weitgehenden Einsatz von Drittunternehmen verschleiert. Das ist um so gewichtiger, als es sich ersichtlich nicht nur um Personen, die von der Antragstellerin lediglich aus sozialversicherungs- und steuerrechtlichen Gründen als "freie Mitarbeiter" beschäftigt wurden, sondern auch um "echte Nachunternehmer" mit eigenen Büros und eigenem Kundenkreis handelte.

Für die Antragsgegnerin waren die Personen, die bei dem fraglichen Auftrag eingesetzt werden sollten, ersichtlich von besonderem Gewicht. Sie waren in dem Angebot vorzustellen und sollten in dem Verhandlungstermin präsentiert werden. Angesichts der vorgesehenen Arbeiten waren diese Anforderungen auch nachvollziehbar.

Dass die Verhältnisse auf Nachfragen der Antragsgegnerin schließlich richtig gestellt worden sind, änderte nichts mehr daran, dass das Vertrauen aufgrund der unvollständigen Angaben der Antragstellerin erschüttert war.

Aufgrund des Verhaltens der Antragstellerin konnte die Antragsgegnerin ohne Ermessensüberschreitung zu dem Ergebnis kommen, dass eine langfristige Zusammenarbeit, die eines uneingeschränkten Vertrauens in die Integrität und die Sach- und Fachkunde des Auftragnehmers bedurfte, erheblichen Zweifeln begegnete, zumal es der Antragstellerin es - aus welchen Gründen auch immer - nicht möglich war, das Projektteam vollständig im Verhandlungstermin persönlich vorzustellen.

Entgegen der Auffassung der Antragstellerin ist unerheblich, dass der Antragsgegnerin aufgrund der Durchführung früherer Aufträge die Verhältnisse bekannt gewesen sein sollen. Dem steht bereits die naheliegende Möglichkeit einer Änderung der Verhältnisse entgegen.

Die Antragsgegnerin hat ihr Ermessen auch rechtzeitig dahingehend ausgeübt, die Antragstellerin vom Vergabeverfahren auszuschließen. Nachdem im Verhandlungsverfahren erstmals Anhaltspunkte für einen Ausschlussgrund aufgetreten waren, durfte die Antragsgegnerin wieder in eine Überprüfung der Zuverlässigkeit der Antragstellerin eintreten. Daraus, dass die Antragsgegnerin in ihrer Mitteilung nach § 13 VgV nur eine fehlende Wirtschaftlichkeit des Angebots ansprach und den Ausschlussgrund des § 11 Abs. 4 lit. e) VOF erstmals im Verfahren vor der Vergabekammer geltend machte, konnte die Antragstellerin nicht schließen, die Antragsgegnerin habe von ihrem Ermessen in der Richtung Gebrauch gemacht, dass sie von einem Ausschluss absehe. Aufgrund der Nachfragen im Verhandlungstermin musste die Antragstellerin vielmehr selbst davon ausgehen, dass die Antragsgegnerin ihre bisherigen Angaben als unzureichend und irritierend ansah und ihr Verhalten nicht ohne Weiteres hinnehmen würde. Die Erwähnung des Ausschlussgrundes oder zumindest dessen Vorbehalt bereits in der Mitteilung gemäß § 13 VgV wäre zwar wünschenswert gewesen, doch konnte die Antragstellerin aufgrund der genannten Umstände nicht annehmen, die Antragsgegnerin werde darauf nicht mehr zurückkommen. Ein etwaiges Vertrauen der Antragstellerin darauf war nicht schützenswert, zumal es nach Auffassung der Antragsgegnerin aufgrund der schlechten Bewertung des Angebots nicht mehr auf einen Ausschluss ankam und die Erwähnung allein der fehlenden Wirtschaftlichkeit des Angebots auch der Gesichtswahrung der Antragstellerin diente.

Ende der Entscheidung

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