Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 22.06.2006
Aktenzeichen: VII-Verg 2/06
Rechtsgebiete: VOL/A, GWB


Vorschriften:

VOL/A § 2 Nr. 1
VOL/A § 2 Nr. 1 Abs. 2
VOL/A § 7 Nr. 6
VOL/A § 8 Nr. 1 Abs. 3
VOL/A § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. f)
VOL/A § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. f)
VOL/A § 25 Nr. 2 Abs. 2
VOL/A § 25 Nr. 2 Abs. 3
VOL/A § 30
GWB § 97 Abs. 7
GWB § 126
GWB § 124 Abs. 1
GWB § 126 Satz 1
GWB § 128 Abs. 3 Satz 1
GWB § 128 Abs. 3 Satz 2
GWB § 128 Abs. 4 Satz 1
GWB § 128 Abs. 4 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss der Vergabekammer vom 20. Dezember 2005, VK 2-124/04, aufgehoben, soweit der Feststellungsantrag bezüglich des Loses 81 zurückgewiesen worden ist.

Es wird festgestellt, dass der Antragsteller im Ausschreibungsverfahren Berufsvorbereitende Maßnahmen (BvBneu), Los 81, in seinen Rechten verletzt worden ist, weil die Angebote des Beigeladenen zu 2 und der Bietergemeinschaft, bestehend aus der Beigeladenen zu 1 und der Wirtschafts- und Sprachenschule R. W. GmbH, nicht von der Wertung ausgeschlossen worden sind.

Im übrigen wird der Feststellungsantrag zurückgewiesen.

Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer zu 4/5 zu tragen. Die Antragsgegnerin und der Beigeladene zu 2 haben die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer zu 1/5 als Gesamtschuldner zu tragen.

Der Antragsteller hat die ihm im Verfahren vor der Vergabekammer entstandenen Aufwendungen zu 4/5 und die der Antragsgegnerin in diesem Verfahren entstandenen Aufwendungen zu 4/5 zu tragen. Ferner hat der Antragsteller die den Beigeladenen zu 1 u. 4 im Verfahren der Vergabekammer entstandenen Aufwendungen voll zu tragen. Die Antragsgegnerin und der Beigeladene zu 2 haben die Aufwendungen des Antragstellers in Höhe von je 1/10 zu tragen. Die der Antragsgegnerin und den Beigeladenen zu 2, 3 und 5 im Verfahren vor der Vergabekammer entstandenen Aufwendungen tragen diese selbst.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens haben der Antragsteller zu 3/4, die Antragsgegnerin und der Beigeladene zu 2 zu je 1/8 zu tragen.

Der Antragsteller hat die den Beigeladenen zu 1 und 4 im Beschwerdeverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten in vollem Umfang und die außergerichtlichen Kosten der Antragsgegnerin in Höhe von 3/4 zu tragen. Die dem Antragsteller im Beschwerdeverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten haben die Antragsgegnerin und der Beigeladene zu 2 zu je 1/8 zu tragen. Der Beigeladene zu 2 trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.

Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten war für den Antragsteller und die Beigeladenen zu 1, 2 und 4 im Verfahren vor der Vergabekammer notwendig.

Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren beträgt bis zum 23. März 2005 bis zu 80.000 €, danach bis zu 44.000 €

Gründe:

A.

Die Antragsgegnerin schrieb am 7. April 2004 durch Bekanntmachung im Bundesausschreibungsblatt sowie im Internet bundesweit die Vergabe "Abschluss von Verträgen über die Konzeption und Durchführung von Berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen (BvB)" öffentlich aus. Zeitgleich führte die Antragsgegnerin bundesweit die Beschaffung im Wege der freihändigen Vergabe durch. Zielgruppe der Maßnahme waren ca. 700.000 Jugendliche und junge Erwachsene ohne berufliche Erstausbildung, die die allgemeine Schulpflicht erfüllt und das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hatten.

Die 1. Vergabekammer des Bundes gab in einem anderen von einer anderen Antragstellerin initiierten Nachprüfungsverfahren (VK 1- 42/04) dem Nachprüfungsantrag statt, weil jene Bieterin von der Antragsgegnerin zu Unrecht gemäß § 7 Nr. 6 VOL/A vom Bieterwettbewerb ausgeschlossen worden war.

Im Hinblick darauf gab die Antragsgegnerin die freihändige Vergabe auf und schrieb den Großteil auch dieser Maßnahmen nunmehr unter dem 28. Mai 2004 öffentlich aus ("BvBneu 2"). Die Ausschreibung war in Lose (Lose 200-305) unterteilt. Die ursprüngliche öffentliche Ausschreibung führte sie unter Verlängerung der Frist zur Angebotsabgabe unter der Bezeichnung "BvB neu" fort. Sie umfasste die Lose 1 bis 199.

Der Antragsteller und die Beigeladenen zu 1 bis 5 gaben Angebote für die Lose 79 (Beigeladene zu 1), 81 (Beigeladener zu 2), 326 (Beigeladener zu 3), 343 (Beigeladener zu 4) und 349 (Beigeladener zu 5) des Regionalzentrums B. /B. innerhalb der Angebotsfrist ab. Die Beigeladene zu 1 wurde am 14. Mai 2004 in das Handelsregister des Amtsgerichts N. unter HRB 6215 eingetragen. Ihr Geschäftsführer ist zugleich Vorstandsvorsitzender des Beigeladenen zu 2. Die Beigeladene zu 1 und die Wirtschafts- und Sprachenschule R. W. GmbH gründeten eine Bietergemeinschaft. Diese gab ebenfalls ein Angebot zum Los 81 ab. Der Geschäftsführer der Beigeladenen zu 1 unterzeichnete sowohl das Angebot der Bietergemeinschaft als auch - in seiner Eigenschaft als Vorsitzender - das Angebot des Beigeladenen zu 2. Beide Angebote gelangten in die Wertung.

Mit Schreiben vom 5. Juli (Los 81), 7. Juli (Los 349), 8. Juli (Los 79 und Los 326) sowie 9. Juli 2004 (Los 343) informierte die Antragsgegnerin den Antragsteller darüber, dass sie beabsichtige, den Zuschlag für das Los 79 der Beigeladenen zu 1, für das Los 81 des Beigeladenen zu 2, für das Los 326 dem Beigeladenen zu 3, für das Los 343 dem Beigeladenen zu 4 und für das Los 349 dem Beigeladenen zu 5 zu erteilen.

Der Antragsteller rügte durch seinen Verfahrensbevollmächtigten die angekündigten Zuschlagsentscheidungen mit Schreiben vom 15. Juli 2004 als vergaberechtswidrig.

Auf Antrag des Antragstellers vom 14. Juli 2004 wurde von der Vergabekammer ein Nachprüfungsverfahren unter dem Aktenzeichen VK 2-124/04 eingeleitet. Mit dem Nachprüfungsantrag begehrte der Antragsteller die Untersagung der Erteilung des Zuschlags an die Beigeladenen sowie die Verpflichtung der Antragsgegnerin, den Zuschlag ihm, dem Antragsteller, zu erteilen. Hilfsweise beantragte der Antragsteller die Feststellung einer Rechtsverletzung.

Mit Telefaxschreiben vom 1. September 2004 teilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit, dass die Ausschreibung der Lose aufgehoben werde. Als Aufhebungsgrund nannte sie, dass die Vergabekammer des Bundes in einer Entscheidung vom 26. August 2004, VK 1-105/04, ein in § 4 Abs. 2 des Vertragsentwurfs enthaltenes Wagnis als nach § 8 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A unzulässig angesehen habe. Auch könne mit Blick auf die noch anhängigen Nachprüfungsverfahren nicht sichergestellt werden, dass die Bildungsmaßnahmen zu einem in fachlicher Hinsicht sinnvollen Termin beginnen könnten. Die Bildungsmaßnahmen der Lose 81, 79, 326, 343 und 349 vergab die Antragsgegnerin im Wege des freihändigen Verfahrens an die Beigeladenen.

Nachdem der Antragteller den Nachprüfungsantrag hinsichtlich der Lose 326 und 349 zurückgenommen hat, hat die Vergabekammer mit dem angefochtenen Beschluss vom 20. Dezember 2005, VK 2-124/04, das Nachprüfungsverfahren eingestellt und den Feststellungsantrag hinsichtlich der Lose 79, 81 und 343 zurückgewiesen.

Dagegen wendet sich die sofortige Beschwerde des Antragstellers, mit der er ursprünglich nur noch Feststellungsanträge hinsichtlich der Lose 79, 81 und 343 verfolgte. Nach Erörterung der Sach- und Rechtslage in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat der Antragsteller die sofortige Beschwerde hinsichtlich der Entscheidung der Vergabekammer zu den Losen 79 und 343 zurückgenommen.

Der Antragsteller beantragt nunmehr,

den Beschluss der 2. Vergabekammer des Bundes vom 20. Dezember 2005, VK 2-115/04, aufzuheben und festzustellen, dass er, der Antragsteller, im Ausschreibungsverfahren "Berufsvorbereitende Maßnahme (BvB neu), Los 81, durch die Antragsgegnerin in seinen Bieterrechten gemäß § 97 Abs. 7 GWB verletzt worden sei.

Die Antragsgegnerin und der Beigeladene zu 2 beantragen,

die sofortige Beschwerde des Antragstellers zurückzuweisen.

Sie verteidigen den angegriffenen Beschluss der Vergabekammer.

Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Verfahrensbeteiligten wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze Bezug genommen.

B.

I.

Soweit der Antragsteller die sofortige Beschwerde hinsichtlich der Lose 79 und 343 in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat zurückgenommen hat (§ 516 Abs. 3 ZPO analog), ist die Entscheidung der Vergabekammer in Bestandskraft erwachsen.

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers hinsichtlich des Loses 81 ist zulässig. Der Antragsteller ist durch die seinen Nachprüfungsantrag hinsichtlich des Loses 81 zurückweisende Entscheidung der Vergabekammer beschwert. Die zulässige Beschwerde hat teilweise Erfolg.

Der mit der Beschwerde weiterverfolgte Feststellungsantrag ist zulässig (vgl. Senat, Beschl. v. 23. März 2005, VII-Verg 77/04, Umdruck S.11,12). Das erforderliche Interesse des Antragstellers an der Feststellung der geltend gemachten Rechtsverletzungen folgt aus dem Zweck der Vorbereitung eines Schadensersatzbegehrens nach § 126 GWB und der Bindungswirkung einer getroffenen Feststellung für einen Schadensersatzprozess nach § 124 Abs. 1 GWB. Der Antragsteller hat auch unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr ein Interesse an den begehrten Feststellungen.

II.

Das Feststellungsbegehren des Antragstellers ist nur zum Teil begründet. Der Antragsteller wurde durch das Unterbleiben eines Ausschlusses der zum Los 81 eingereichten Angebote des Beigeladenen zu 2 und der Bietergemeinschaft, bestehend aus der Beigeladenen zu 1 und der Wirtschafts- und Sprachenschule R. W. GmbH, in seinen Bieterrechten nach § 97 Abs. 7 GWB verletzt. Das weitergehende Feststellungsbegehren des Antragstellers ist jedoch unbegründet.

1. Die Angebote des Beigeladenen zu 2 und der Bietergemeinschaft waren wegen unlauterer Verhaltensweisen gemäß § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. f) i.V.m. § 2 Nr.1 Abs. 2 VOL/A von der Wertung auszuschließen. Der Beigeladene zu 2 hätte den Zuschlag auf sein Angebot nicht erhalten dürfen.

§ 2 Nr. 1 VOL/A bestimmt, dass der öffentliche Auftraggeber seine Leistungen in der Regel im Wettbewerb zu vergeben hat (Abs. 1) und wettbewerbsbeschränkende sowie unlautere Verhaltensweisen zu bekämpfen sind (Abs. 2). § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. f) VOL/A ordnet ergänzend an, dass die Angebote derjenigen Bieter, die in Bezug auf die konkret in Rede stehende Vergabe eine unzulässige, wettbewerbsbeschränkende Abrede getroffen haben, ausgeschlossen werden müssen. Der Begriff der wettbewerbsbeschränkenden Abrede im Sinne von § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. f) VOL/A ist dabei mit Blick auf den - das gesamte Vergabeverfahren beherrschenden - Wettbewerbsgrundsatz (§ 97 Abs. 1 GWB; § 2 Nr. 1 VOL/A 2. Abschnitt) weit auszulegen. Er ist nicht auf gesetzwidriges Verhalten beschränkt, sondern umfasst alle sonstigen Absprachen und Verhaltensweisen eines Bieters, die mit dem vergaberechtlichen Wettbewerbsgebot unvereinbar sind (vgl. Senat, Beschl. v. 16. September 2004, VII-Verg 52/03; Kulartz in Daub/Eberstein, Kommentar zur VOL/A, 5. Aufl., § 25 Rn. 22 m.w.N.; Noch in Müller-Wrede, Verdingungsordnung für Leistungen VOL/A, § 25 Rn. 33; zur Parallelvorschrift des § 25 Nr. 1 lit. c) VOB/A: Kratzenberg in Ingenstau/Korbion, VOB Kommentar, 14. Aufl., A § 25 Nr. 1 Rn. 36).

Die zum Los 81 eingereichten Angebote des Beigeladenen zu 2 und der Bietergemeinschaft, bestehend aus der Beigeladenen zu 1 und der Wirtschafts- und Sprachenschule R. W. GmbH, waren von der Wertung auszuschliessen, weil der Beigeladene zu 2 und die Bietergemeinschaft das alle Bieter verpflichtende Gebot des vertraulichen Umgangs mit den in den Angeboten enthaltenen Preisen und geforderten Erklärungen verletzt und sie infolgedessen eine unzulässige wettbewerbsbeschränkende Abrede getroffen haben. Eine Grundvoraussetzung jeder Auftragsvergabe ist die Sicherstellung eines geheimen Wettbewerbs zwischen den beteiligten Bietern (vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 16.9.2003; VergabeR 2003, 690; Thüringer OLG, Beschl. v. 19.4.2004, 6 Verg 3/ 04, VergabeR 2004, 521). Nur dann, wenn jeder Bieter die ausgeschriebene Leistung in Unkenntnis der konkurrierenden Angebote, Angebotsgrundlagen und Angebotskalkulationen anbietet, kommt überhaupt echter Wettbewerb zustande. Das Zustandekommen einer wettbewerbsbeschränkenden Abrede setzt nicht die ausdrückliche Verständigung zwischen zwei Unternehmen in einem Vergabeverfahren darüber, wer welche Leistung zu welchem Preis anbietet, voraus. Sie ist vielmehr schon dann verwirklicht, wenn ein Angebot in Kenntnis der Bedingungen eines Konkurrenzangebotes erstellt wird. Diese Kenntnis war auf Grund der Personenidentität des Geschäftsführers der Beigeladenen zu 1 und des Vorstandsvorsitzenden der Beigeladenen zu 2 vorhanden.

Der Beigeladene zu 2 und die Bietergemeinschaft haben die von ihnen eingereichten Angebote wettbewerbswidrig in Kenntnis des Angebots des jeweils anderen abgegeben. Dies ergibt sich schon daraus, dass beide Angebote von Herrn Dieter Grundmann, dem Geschäftsführer der Beigeladenen zu 1 und dem Vorstandsvorsitzenden der Beigeladenen zu 2, unterzeichnet worden sind. Ausweislich des in der Vergabeakte befindlichen Angebots der Bietergemeinschaft war der Beigeladenen zu 1 von der Wirtschafts- und Sprachenschule R. W. GmbH schriftliche Vollmacht (§ 167 Abs. 1 BGB) erteilt worden, die Bietergemeinschaft in dem Vergabeverfahren zum Los 81 zu vertreten. Dem Geschäftsführer der Beigeladenen zu 1, war ausweislich der Vollmachtserklärung (Bl. 75 des Angebots der Bietergemeinschaft) ausdrücklich die Befugnis erteilt worden, das Preisangebot und die übrigen Angebotsunterlagen zu unterschreiben sowie den Vertrag mit der Agentur für Arbeit rechtsverbindlich abzuschliessen. Dieser Umstand gebietet den Schluss, dass die Vertraulichkeit gebrochen war und die Beigeladene zu 2 und die Bietergemeinschaft die Angebote in Kenntnis des jeweils anderen Angebots erstellt haben. Nehmen zwei konkurrierende Bieter mit jeweils bekannten Angeboten an einer Ausschreibung teil, stellt dies in der Regel eine unzulässige wettbewerbsbeschränkende Abrede dar, die den zwingenden Ausschluss dieser Bieter zur Folge hat (vgl. Thüringer OLG, Beschl. v. 19.04.2004 - 6 Verg 3/04, VergabeR 2004, 520). Davon ist auch im Streitfall nicht abzusehen. Dies war Gegenstand der Erörterung im Senatstermin.

Der unterbliebene Ausschluss der Angebote verletzt den Antragsteller in seinen Rechten, denn er hätte ohne diesen Rechtsverstoß eine echte Chance auf den Zuschlag im Sinne des § 126 Satz 1 GWB gehabt. Eine echte Chance im Sinne dieser Vorschritt hat jedenfalls derjenige, dessen Angebot so in die engere Wahl gelangt, dass der öffentliche Auftraggeber es ohne Verstoß gegen Vergabevorschriften, d. h. insbesondere ermessensfehlerfrei, hätte bezuschlagen können (vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 30.01.2003 - I-5 U 13/02, NZBau 2003, 459, 461). Dies ist im Entscheidungsfall nicht zu verneinen. Zwar lag das Angebot eines weiteren Bieters vor, welcher von der Vergabestelle bislang besser (mit einer höheren Wertungspunktzahl) bewertet worden war als das Angebot des Antragstellers. Jedoch war die Angebotswertung - wären die genannten Angebote vergaberechtsgemäß von der Wertung ausgeschlossen worden - teilweise zu wiederholen. Dabei stellte sich nicht nur die Frage der Leistungsfähigkeit des weiteren Bieters, der sich in den Vergabeverfahren "BvB neu" und "BvB neu 2" auf mehrere Lose beworben und zum Teil auch den Zuschlag erhalten hatte. Ebenso wenig mußte die erneute Angebotswertung dasselbe Ergebnis haben wie die aufzuhebende Wertung. Dem insoweit anzubringenden Ermessen der Vergabestelle hat der Senat nicht vorzugreifen.

2. Der Antragsteller ist jedoch nicht dadurch in Bieterrechten verletzt worden, weil das Angebot des Beigeladenen zu 2 nicht nach § 7 Nr. 6 VOL/A von der Wertung ausgeschlossen worden ist. Der Anwendungsbereich der Norm ist für den Beigeladenen zu 2 nicht eröffnet. Beim Beigeladenen zu 2 handelt es sich nicht um eine öffentliche Einrichtung im Sinne von § 7 Nr. 6 VOL/A. Als eingetragener gemeinnütziger Verein ist er ein Rechtssubjekt des privaten Rechts. Infolge der Mitgliedschaft einiger Kommunen steht der Beigeladene zu 2 nicht in öffentlicher Trägerschaft. Der bloße Umstand, dass dem Beigeladenen nach dem Vortrag des Antragstellers öffentliche Fördermittel zugewandt wurden, verleiht ihm nicht die Rechtsstellung einer öffentlichen Einrichtung. Dies setzte eine erweiternde Auslegung der Norm voraus. Als Ausnahmevorschrift ist § 7 Nr. 6 VOL/A indes eng auszulegen und einer Analogie nicht fähig.

3. Soweit der Feststellungsantrag darauf gerichtet ist festzustellen, dass der Antragsteller einen Anspruch darauf hatte, das Angebot des Beigeladenen zu 2 wegen eines unangemessen niedrigen Preises von der Wertung auszunehmen war, ist er unbegründet.

Das Angebot des Beigeladenen zu 2 war auf der dritten Wertungsstufe nicht gemäß § 25 Nr. 2 Abs. 2 und 3 VOL/A von der Wertung auszuschliessen. § 25 Nr. 2 Abs. 2 VOL/A sieht vor, dass das Preisangebot vom Auftraggeber zu überprüfen ist, wenn es im Verhältnis zur Leistung ungewöhnlich niedrig erscheint. Nach § 25 Nr. 2 Abs. 3 VOL/A darf auf ein Angebot, dessen Preis in einem offenbaren Missverhältnis zu der angebotenen Leistung steht, der Zuschlag nicht erteilt werden. Die Vorschrift soll in erster Linie den Auftraggeber davor schützen, einen Auftragnehmer zu beauftragen, der die Leistung nicht bzw. nicht ordnungsgemäß erbringen kann. Ob § 25 Nr. 2 Abs. 3 VOL/A einen bieterschützenden Charakter aufweist, kann im Streitfall offen bleiben.

Jedenfalls ist ein offenbares Missverhältnis zwischen dem Angebotspreis des Beigeladenen zu 2 und der Leistung nicht feststellbar. Der Angebotspreis überschritt die von der Antragsgegnerin festgelegte Bandbreite von 320 € bis 380 €. Er lag sogar über dem Angebotspreis des Antragstellers.

Die Vergabestelle hat deswegen mit Recht von einer Prüfung der Auskömmlichkeit nach § 25 Nr. 2 Abs. 2 VOL/A abgesehen.

4. Das Begehren des Antragstellers, eine Rechtsverletzung infolge der Angebotswertung festzustellen, ist unbegründet. Beanstandungen an der Bewertung des Angebots können, da der Vergabestelle insoweit ein Ermessensspielraum eröffnet ist, mit Erfolg nur auf Ermessensfehler gestützt werden.

Hinsichtlich der Beanstandungen des Antragstellers zur Einhaltung des Beurteilungsmaßstabes und zu der den Wertungsvorgang betreffenden Organisation der Prüfergruppen kann auf die Ausführungen des Senats im Beschluss vom 27. Juli 2005, VII-Verg 108/04, Beschlussumdruck Seite 6 und 7, verwiesen werden. Bezüglich der Wertungsfehler, die in den Wertungsbereichen B.2.2.1 und B.2.6. erfolgt sein sollen, ist auf die entsprechenden Ausführungen des Senats in der Entscheidung vom 23. März 2006 in dem Vergabenachprüfungsverfahren VII-Verg 68/04, Seite 11 unten bis Seite 14, Bezug zu nehmen, an dem der Beigeladene zu 4 beteiligt war. Die tabellarischen Ausführungen des Antragstellers belegen keinen Wertungsmangel. Insoweit ist auf die Gründe des Senatsbeschlusses im Verfahren VII-Verg 68/04 zu verweisen. Darin ist begründet worden, dass die Vergabestelle das ihr zustehende Ermessen fehlerfrei und mit einem hinzunehmenden Ergebnis ausgeübt hat.

5. Der Feststellungsantrag ist unbegründet, soweit der Antragsteller geltend macht, die Vergabestelle habe die aus § 30 VOL/A folgende Pflicht zur Dokumentation verletzt, indem sie bei der Vergabe von nur zwei Wertungspunkten lediglich stichwortartig - und ohne eine darüber hinausgehende Begründung - darauf verwiesen habe, sein Angebotskonzept habe den Anforderungen entsprochen. Eine unterlassene Dokumentation weiterer Gründe für die Vergabe von zwei Wertungspunkten ist nicht ursächlich für eine Rechtsverletzung des Antragstellers. Ein Bieter kann den Nachprüfungsantrag nur dann auf das Fehlen einer zureichenden Dokumentation stützen, wenn der Mangel sich gerade auch auf seine Rechtsstellung im Vergabeverfahren nachteilig ausgewirkt hat (vgl. Senat, Beschl. v. 17.3.2004, VII-Verg 1/04, VergabeR 2004, 513, 514). Zu einer ausführlichen Dokumentation der Bewertung ist die Vergabestelle jedoch nur insoweit verpflichtet, als ohne eine solche die Bieter gehindert wären, ihre Rechte im Nachprüfungsverfahren geltend zu machen. Durch das Unterlassen einer detaillierteren Begründung für die Vergabe von nur zwei Wertungspunkten ist der Antragsteller sowohl im erstinstanzlichen Nachprüfungsverfahren und als auch im Beschwerdeverfahren nicht kausal gehindert gewesen darzulegen, sein Konzept habe in bestimmten Wertungsbereichen drei Wertungspunkte verdient.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung der §§ 128 Abs. 3 Satz 1 und 2, Abs. 4 Satz 1 und 2 GWB sowie aus den §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 1, 97 Abs. 1, 101 Abs. 1, 2. Hs. ZPO, § 516 Abs. 3 ZPO analog.

Die Festsetzung des Gegenstandswerts für das Beschwerdeverfahren folgt aus § 50 Abs. 2 GKG i.V.m. § 3 Abs. 6 VgV (5 % des Bruttoauftragswertes x 2 Jahre) analog.

Ende der Entscheidung

Zurück