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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 14.09.2009
Aktenzeichen: VII-Verg 20/09
Rechtsgebiete: VwKostG, GebOSt, BImAG, GKG, GWB


Vorschriften:

VwKostG § 8 Abs. 1 Nr. 2
VwKostG § 8 Abs. 3
GebOSt § 5 Abs. 4
BImAG § 1
GKG § 2
GKG § 66 Abs. 8
GWB § 128 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss der Vergabekammer bei der Bezirksregierung Münster vom 30. April 2009 (VK 4/09) aufgehoben, soweit darin über die Kosten des Verfahrens entschieden worden ist.

Die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer werden der Beigeladenen auferlegt.

Die Gebühr für das Verfahren vor der Vergabekammer wird anderweit auf 1.325 Euro festgesetzt.

Gerichtskosten werden im Beschwerdeverfahren nicht erhoben. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet nicht statt.

Gründe:

I. Die Vergabekammer hat dem Nachprüfungsantrag der Antragstellerin stattgegeben und mit dem im Kostenpunkt angefochtenen Beschluss die von ihr in Höhe von 2.650 Euro festgesetzten Kosten dem Antragsgegner und der Beigeladenen als Gesamtschuldnern auferlegt. Dagegen geht der Antragsgegner mit der sofortigen Beschwerde vor. Er beruft sich auf Kostenfreiheit nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 Verwaltungskostengesetz (VwKostG). Die Beigeladene hat zur Sache nicht Stellung genommen, aber verlangt, dass sie wegen desjenigen Teils der Gebühren, hinsichtlich dessen der Antragsgegner gegebenenfalls von einer Zahlung befreit sei, als Kostenschuldner nicht in Anspruch genommen werden dürfe.

Wegen der Einzelheiten des Sachstands wird auf die Schriftsätze Bezug genommen.

II. Die sofortige Beschwerde ist begründet.

Der Antragsgegner genießt im Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer Kostenfreiheit nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 VwKostG (in Verbindung mit § 128 Abs. 1 Satz 2 GWB).

1. Der Senat hat von Amts wegen eine Änderung des Rubrums vorgenommen. Während die Vergabekammer den Landesbetrieb Straßenbau NRW als Antragsgegner geführt hat, ist richtiger Antragsgegner das Land Nordrhein-Westfalen, vertreten durch das Ministerium für Bauen und Verkehr, dieses vertreten durch die Geschäftsführung des Landesbetriebs Straßenbau NRW. Dies folgt daraus:

Nach dem durch Art. 10 des Zweiten Gesetzes zur Modernisierung von Regierung und Verwaltung in Nordrhein-Westfalen vom 9.5.2000 (GV NRW 462) in das Landesorganisationsgesetz (LOG NRW) eingefügten § 14 a sind Landesbetriebe rechtlich unselbständige, (lediglich) organisatorisch abgesonderte Teile der Landesverwaltung. Der Landesbetrieb Straßenbau NRW nimmt für das Land Nordrhein-Westfalen die hoheitlichen Aufgaben des Straßenbaulastträgers bei Landesstraßen (§ 43 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Straßen- und Wegegesetz - StrWG NRW) sowie kraft Bundesauftragsverwaltung bei Bundesfernstraßen wahr (Art. 90 Abs. 2, Art. 85 GG in Verbindung mit § 1 Abs. 2 Verordnung zur Durchführung des Bundesfernstraßengesetzes). Als rechtlich unselbständige, nur organisatorisch ausgegliederte Verwaltungseinheit ist der Landesbetrieb Straßenbau NRW (anders als vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit, vgl. § 5 Ausführungsgesetz VwGO NRW und anders als der Bau- und Liegenschaftsbetrieb NRW in Vergabenachprüfungsverfahren, vgl. § 1 Bau- und Liegenschaftsbetriebsgesetz - BLBG: teilrechtsfähiges Sondervermögen mit eigener Wirtschafts- und Rechnungsführung; vgl. dazu auch OLG Düsseldorf, Beschl. v. 8.9.2004 - VII-Verg 38/04, VergabeR 2005, 107) in Vergabenachprüfungsverfahren nicht beteiligungsfähig, sondern steht als Teil der Landesverwaltung weiterhin in der Rechtsträgerschaft des Landes Nordrhein-Westfalen, das als Antragsgegner am Vergabenachprüfungsverfahren beteiligt ist. Antragsgegner des Nachprüfungsverfahrens ist der Auftraggeber (§ 109 Satz 1 GWB). Auftraggeber der vom Landesbetrieb Straßenbau abzuschließenden Beschaffungsverträge ist das Land Nordrhein-Westfalen. Wegen des Prinzips des landeseigenen Vollzugs von Bundesgesetzen (Art 83, 84 GG) gilt dies auch für jenen Teil des Aufgabenbereichs des Landesbetriebs Straßenbau, der die Straßenbaulast bei Bundesfernstraßen betrifft.

2. Die Länder sind nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 VwKostG von der Zahlung der Gebühren für Amtshandlungen befreit, es sei denn, sie sind berechtigt, die Gebühren Dritten aufzuerlegen (§ 8 Abs. 2 VwKostG). Dazu ist der Antragsgegner aus Rechtsgründen im Streitfall jedoch nicht befugt.

3. Ausgehend von diesem Befund muss die Ausnahmebestimmung des § 8 Abs. 3 VwKostG, wonach Gebührenfreiheit nach Absatz 1 nicht für Sondervermögen oder Bundesbetrieben im Sinne des Art. 110 Abs. 1 GG gleichgeartete Einrichtungen der Länder besteht, im Streitfall an sich nicht erörtert werden. Antragsgegner des Nachprüfungsverfahrens ist das Land Nordrhein-Westfalen, nicht jedoch der Landesbetrieb Straßenbau, der - möglicherweise, aber unmaßgeblich - einem Sondervermögen oder Bundesbetrieb gleichzuerachten ist. Es kann demnach offenbleiben, ob in kostenrechtlicher Hinsicht dennoch auf den Landesbetrieb Straßenbau abzustellen ist, weil dieser das Vergabeverfahren betrieben und für das Land gehandelt hat.

Gleichwohl: Der Landesbetrieb Straßenbau NRW ist keine einem Sondervermögen oder Bundesbetrieb im Sinne des Art. 110 Abs. 1 GG gleichartige Einrichtung. Dies ist vom Bundesverwaltungsgericht in Bezug auf den Landesbetrieb Straßen und Verkehr Rheinland Pfalz für den Anwendungsbereich des § 5 Abs. 4 Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr (GebOSt) entschieden worden (BVerwG, Beschl. v. 29.8.2007 - 9 C 2.07). § 5 Abs. 4 GebOSt ist mit dem hier anzuwendenden § 8 Abs. 3 VwKostG wortlautidentisch.

a) Danach ist in Anlehnung an die Begriffsbestimmung in Nr. 1.1 der Allgemeinen Verwaltungsvorschriften zur Bundeshaushaltsordnung (VV-BHO) vom 14.3.2001 (GMBl. S. 307) für Bundesbetriebe kennzeichnend, dass sie erwerbswirtschaftlich ausgerichtet sind (BVerwG a.a.O. Rn. 13 ff.). Dies trifft auf den Landesbetrieb Straßenbau NRW allerdings genauso wenig zu wie auf den Landesbetrieb Straßen und Verkehr Rheinland Pfalz. Als erwerbswirtschaftlich tätig ist anzusehen, wer sich auf einem einschlägigen, abgegrenzten Markt im Wettbewerb als Anbieter von entgeltlichen Waren oder Dienstleistungen betätigt, um dadurch Einkünfte zu erzielen, wobei eine Gewinnerzielung damit weder verbunden noch angestrebt sein muss.

Der Landesbetrieb Straßenbau NRW ist nicht erwerbswirtschaftlich ausgerichtet. Er nimmt nicht durch ein Angebot von Waren oder Dienstleistungen gegen Entgelt am Marktgeschehen teil, sondern erfüllt als untere Straßenbaubehörde die mit der Straßenbaulast bei Landesstraßen und Bundesfernstraßen im Land Nordrhein-Westfalen verbundenen hoheitlichen Aufgaben (s.o. unter 1.). Er ist ausschließlich Nachfrager auf Märkten u.a. für Straßen- und Tiefbauleistungen, Ingenieurbauwerke und Planungsleistungen. Die Rechtslage kann nur anders zu beurteilen sein, wenn der Landesbetrieb Straßenbau dafür, dass Straßen - und dann noch im Wettbewerb mit konkurrierenden Anbietern - für bestimmte Benutzungen zur Verfügung gestellt werden, von den Benutzen Entgelte (eine Maut) erhöbe. Dies ist indes nicht der Fall. Von der Aufgabenstellung her ist beim Landesbetrieb Straßenbau NRW deswegen schon eine Kostendeckung im Ansatz undenkbar. Er ist als Nachfrager auf den einschlägigen Märkten nur für die Beschaffungsaufgaben zuständig und hat dementsprechend nur Ausgaben. Der Umstand, dass auch der Landesbetrieb Straßenbau NRW bei seiner Aufgabenerfüllung aus der Erwerbswirtschaft bekannte betriebliche Steuerungsinstrumente anwenden mag, ist für sich allein genommen nicht geeignet, die Annahme einer erwerbswirtschaftlichen Betätigung zu begründen (so auch BVerwG a.a.O. Rn. 14).

b) Der Landesbetrieb Straßenbau ist auch keinem Sondervermögen des Bundes gleichartig. Sondervermögen werden durch Ausgliederung und sachenrechtliche Übertragung von Vermögensbestandteilen (z.B. von Grundstücken) auf einen anderen Rechtsträger geschaffen. Auch das trifft auf den Landesbetrieb Straßenbau nicht zu (anders als im Fall des Bau- und Liegenschaftsbetriebs NRW oder der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben, vgl. § 1 BImAG sowie BGH, Beschl. v. 19.2.2009 - V ZR 172/08). Die Einrichtung des Landesbetriebs Straßenbau NRW berührt nicht die eigentumsrechtliche Zuordnung der Straßen (im Ergebnis ebenso: BVerwG a.a.O. Rn. 21).

Der Beschluss des OLG Hamm vom 15.9.2008 (23 W 254/07), mit dem eine Kostenbefreiung des Landesbetriebs Straßenbau NRW nach § 2 GKG verneint worden ist, ist für den Streitfall nicht aussagekräftig. Er bezieht sich auf die in gerichtlichen Verfahren geltende Kostenfreiheit. Hier geht es jedoch um Kostenfreiheit im vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer, die in § 128 Abs. 1 GWB durch Verweisung auf das VwKostG spezialgesetzlich geregelt ist.

4. Die unterlegene Beigeladene ist zu den Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer - soweit der Antragsgegner von der Kostentragung kraft Gesetzes befreit ist - nicht heranzuziehen (ebenso: OLG Rostock, Beschl. v. 22.10.2002 - 17 Verg 7/02; OLG Jena, Beschl. v. 4.4.2003 - 6 Verg 4/03, NJOZ 2003, 2335, 2337; Byok/Jaeger, Komm. zum Vergaberecht, § 128 GWB Rn. 1422; Bechtold/Otting, GWB, 5. Aufl., § 128 GWB Rn. 7). Wenn die Vergabekammer den Kostenwiderstreit erkennt, kann sie ihm durch eine entsprechende Ermäßigung der Gebühren Rechnung tragen. Anderenfalls kann die von der Vergabekammer vorgenommene Gebührenfestsetzung auf Beschwerde vom Beschwerdegericht korrigiert werden. Von dieser Möglichkeit hat der Senat Gebrauch gemacht.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 66 Abs. 8 GKG.

Ende der Entscheidung

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