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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 22.10.2009
Aktenzeichen: VII-Verg 25/09
Rechtsgebiete: GWB, VOL/A


Vorschriften:

GWB § 97 Abs. 3 a.F.
GWB § 107 Abs. 3 Satz 1 a.F.
GWB § 118 Abs. 1 Satz 3
VOL/A § 5 Nr. 1 Satz 1
VOL/A § 5 Nr. 1 Satz 2
VOL/A § 8 Nr. 3 Abs. 3
VOL/A § 8 Nr. 3 Abs. 4
VOL/A § 8 a Nr. 2 Abs. 2 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der Vergabekammer bei der Bezirksregierung Köln vom 10. Juni 2009 (VK VOL 9/2009) wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich des Verfahrens nach § 118 Abs. 1 Satz 3 GWB werden der Antragstellerin auferlegt. Streitwert für das Beschwerdeverfahren: bis 70.000 Euro

Gründe:

I. Der Antragsgegner schrieb zunächst im nichtoffenen Verfahren, dann im offenen Verfahren und schließlich im Verhandlungsverfahren, dies Anfang Juli 2008, die Ausstattung der Klinik für Gastroenterologie u.a. mit Endoskopiegeräten sowie mit einer Vielzahl anderer, medizinischen Zwecken dienender Geräte aus. Eine losweise Vergabe war nicht vorgesehen.

Position 1.50 der Leistungsbeschreibung betrifft die Lieferung eines Video-Endoskopsystems, wobei vorgegeben worden war:

Ballonsystem aus Silikongummi und/oder PU (latexfrei).

Gemäß Positionen 4.10 und 4.20 der Leistungsbeschreibung sollten außerdem insgesamt drei Video-Ultraschall-Gastroskope geliefert werden. Die Beschallung sollte über einen wassergefüllten Ballon erfolgen. Hinsichtlich des Ballonmaterials waren keine Erfordernisse (insbesondere Latexfreiheit) genannt.

Die Antragstellerin beteiligte sich an der Ausschreibung. Sie konnte im Gegensatz zur Beigeladenen allerdings kein Video-Endoskopsystem mit latexfreiem Ballon, wohl aber Video-Ultraschall-Gastroskope ausschreibungskonform anbieten. Der Antragsgegner schloss ihr Angebot unter anderem deswegen von der Wertung aus.

Im dagegen gerichteten Nachprüfungsverfahren haben die Verfahrensbeteiligten insbesondere über die Zulässigkeit der unterbliebenen Losaufteilung und einer produktorientierten Ausschreibung gestritten. Die Antragstellerin hat geltend gemacht, durch das Absehen von einer Losaufteilung und die Vorgabe eines latexfreien Ballonmaterials beim Video-Endoskopsystem habe der Antragsgegner den Wettbewerb, namentlich ihre chancengleiche Beteiligung an der Ausschreibung, verhindert. Die Antragstellerin hat begehrt, dem Antragsgegner zu untersagen, der Beigeladenen den Zuschlag zu erteilen, und angestrebt, dass das Vergabeverfahren aufgehoben, jedenfalls aber die Angebotswertung unter Berücksichtigung ihres Angebots wiederholt wird. Die Vergabekammer hat den Nachprüfungsantrag abschlägig beschieden. Auf die Gründe ihrer Entscheidung wird verwiesen.

Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Antragstellerin, mit der sie ihr Begehren weiter verfolgt.

Die Antragstellerin beantragt,

den angefochtenen Beschluss aufzuheben,

dem Antragsgegner zu untersagen, im gegenwärtigen Vergabeverfahren einen Zuschlag zu erteilen,

hilfsweise, andere geeignete Maßnahmen zu treffen.

Der Antragsgegner und die Beigeladene beantragen,

die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.

Der Antragsgegner und die Beigeladene verteidigen die Entscheidung der Vergabekammer.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze und die Anlagen Bezug genommen. Die Vergabeakten und die Verfahrensakten der Vergabekammer waren beigezogen.

II. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

Der Nachprüfungsantrag ist von der Vergabekammer mit Recht zurückgewiesen worden. Er ist unbegründet.

1. a) Was die in der Leistungsbeschreibung vorgegebene Latexfreiheit des Ballons zum Video-Endoskopsystem anbelangt (Position 1.50), scheitert der Nachprüfungsantrag allerdings nicht an einer Nichtbeachtung der Rügeobliegenheit nach § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB (a.F.). Das Verhandlungsverfahren, welches die Grundlage für die Vergabeentscheidung bilden soll, ist vom Antragsgegner erst durch Mitteilung vom 1.7.2008 eingeleitet worden. Vorher war nicht zu erkennen, dass am Erfordernis eines latexfreien Ballonsystems festgehalten werden sollte. Diese vom Antragsgegner weiterhin gestellte Anforderung hat die Antragstellerin unter dem 3.7.2008 unverzüglich gerügt.

b) Die auf eine insoweit ungerechtfertigte Leistungsanforderung abzielende Beanstandung der Antragstellerin ist in der Sache jedoch unbegründet.

aa) Nach § 8 a Nr. 2 Abs. 2 Satz 1 VOL/A darf der öffentliche Auftraggeber in Form von Leistungs- oder Funktionsanforderungen technische Anforderungen an die Lieferung oder Dienstleistung stellen (hier "Ballonsystem latexfrei" in Position 1.50 der Leistungsbeschreibung). Nur darf er ein Angebot, das unter anderem einer nationalen Norm, mit der eine europäische Norm umgesetzt wird, oder einer europäischen technischen Zulassung entspricht, nicht zurückweisen, wenn die darin oder in entsprechenden Normungen vorgenommenen technischen Spezifikationen die von ihm geforderten Leistungs- oder Funktionsanforderungen betreffen. Jedoch hat der Bieter nach Satz 2 dieser Vorschrift mit geeigneten Mitteln nachzuweisen, dass die der Norm entsprechende Ware oder Dienstleistung den Leistungs- oder Funktionsanforderungen des Auftraggebers entspricht. Die wiedergegebenen Bestimmungen der VOL/A stimmen mit den Regelungen in Art. 23 Abs. 5 der Richtlinie 2004/18/EG überein. Danach erhält die Antragstellerin mit dem von ihr angebotenen Video-Endoskopsystem, welches einen latexhaltigen Ballon verwendet, im vorliegenden Fall indes keinen Zugang zum Vergabeverfahren. Das von ihr offerierte System verfügt ihrer hier als richtig zu unterstellenden Behauptung zufolge zwar über eine Zulassung nach der sog. Medizinprodukterichtlinie (Richtlinie 93/42/EWG des Rates über Medizinprodukte vom 14.6.1993 in der Fassung der Richtlinie 2007/47/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5.9.2007 zur Änderung der Richtlinie 93/42/EWG, ABl. EG Nr. L 247 v. 21.9.2007, S. 21 ff.) und nach dem deutschen Gesetz über Medizinprodukte einschließlich einer CE-Zertifizierung. Die Zertifizierung betrifft auch die vom Antragsgegner gestellte Leistungsanforderung. Doch entspricht das Angebot der Antragstellerin mit latexhaltigem Ballonsystem nicht der vom Antragsgegner gestellten Anforderung, wonach solche Systeme gerade nicht zur Verwendung kommen sollen, sondern das Ballonsystem latexfrei sein soll. Dies steht fest und bedarf keines weiteren Nachweises. Latexhaltige Systeme sind geeignet, bei untersuchten Patienten, welche dazu neigen, allergische Reaktionen hervorzurufen, die - wie allgemeinkundig ist - von Fall zu Fall medizinisch sehr ernst zu nehmen sein können. Derartige Komplikationen, noch dazu bei ihrer Art nach lediglich diagnostischen Zwecken dienenden Eingriffen, möchte der Antragsgegner durch die Wahl des Ballonmaterials schon im Ansatz vermeiden. Die dahingehende Entscheidung des Antragsgegners ist kraft des dem öffentlichen Auftraggeber hinsichtlich des Beschaffungsgegenstands zustehenden Bestimmungsrechts hinzunehmen. Der Gegenstand der Beschaffung unterliegt der freien Bestimmung des öffentlichen Auftraggebers. Er hat in den Verdingungsunterlagen festzulegen, welche Eigenschaften und Beschaffenheitsmerkmale die Lieferung oder Dienstleistung aufweisen soll. Dagegen können Bieter nicht mit Erfolg beanspruchen, dem Auftraggeber eine andere Leistung mit anderen Merkmalen und Eigenschaften, als von ihm festgelegt worden ist, anzudienen. Geschieht dies trotzdem - so im Streitfall, in dem die Antragstellerin ein Video-Endoskopsystem mit latexhaltigem statt latexfreiem Material angeboten hat - nimmt das Angebot Änderungen an den Verdingungsunterlagen vor (§ 21 Nr. 1 Abs. 4 VOL/A). Infolgedessen ist es von der Wertung auszunehmen (§ 25 Nr. 1 Abs. 1 d VOL/A). Dies ist richtigerweise mit dem Angebot der Antragstellerin geschehen, zumal es auch als Nebenangebot nicht gewertet werden kann. Denn es ist versäumt worden, spezifische inhaltliche Mindestanforderungen für (zugelassene) Nebenangebote aufzustellen (vgl. dazu u.a. EuGH, Urt. v. 16.10.2003 - C-421/01, Traunfellner, NZBau 2004, 279 Rn. 27; BayObLG, Beschl. v. 22.6.2004 - Verg 13/04, NZBau 2004, 626, 627). Stattdessen ist in den Vorbemerkungen zur Leistungsbeschreibung in allgemeiner Form lediglich darauf verwiesen worden, Mindestanforderungen an ein Nebenangebot seien "die in der Leistungsbeschreibung erwähnten Leistungskriterien."

bb) Allerdings darf die Beschreibung technischer Merkmale grundsätzlich nicht die Wirkung haben, dass bestimmte Unternehmen oder Produkte bevorzugt (begünstigt) oder ausgeschlossen werden (vgl. § 8 Nr. 3 Abs. 4, § 8 a Nr. 5 Satz 1 VOL/A). Eine solche Wirkung wird von der Antragstellerin beanstandet, indem sie vorträgt, aufgrund der Forderung eines latexfreien Ballonsystems werde der Wettbewerb ausgeschaltet, indirekt die Beigeladene bevorzugt und sie, die Antragstellerin, selbst diskriminiert. Die von einer Beschreibung technischer Merkmale ausgehenden wettbewerbsfeindlichen Auswirkungen sind indes zu tolerieren, wenn die gewählte Beschreibung durch die Art der zu vergebenden Leistung oder - anders ausgedrückt - durch den Auftragsgegenstand gerechtfertigt ist (§ 8 Nr. 3 Abs. 4 i.V.m. Abs. 3, § 8 a Nr. 5 Satz 1 VOL/A).

Im vorliegenden Fall ist der Leistungsbeschreibung "Ballonsystem latexfrei" eine sachliche Rechtfertigung nicht abzusprechen. Insoweit bedarf es objektiver, in der Sache selbst liegender Gründe, die sich zum Beispiel aus der besonderen Aufgabenstellung, aus technischen oder gestalterischen Anforderungen oder auch aus der Nutzung der Sache ergeben können. Allerdings genügt, dass sich die Forderung besonderer Merkmale, bezogen auf die Art der zu vergebenden Leistung, (nur) rechtfertigen lässt, mithin sachlich vertretbar ist und auf nachvollziehbaren Überlegungen beruht, womit dem Umstand Rechnung zu tragen ist, dass in die (auch) kaufmännische Entscheidung des Auftraggebers, welche Leistung mit welchen Merkmalen nachgefragt und ausgeschrieben werden soll, in der Regel eine Vielzahl von Erwägungen einfließt, die sich etwa daraus ergeben können, dass sich die auf dem Markt angebotenen Leistungen trotz grundsätzlicher Gleichartigkeit regelmäßig in einer Reihe von Eigenschaften unterscheiden. Eine Differenzierung nach solchen Kriterien, soweit sie auf die Art der zu vergebenden Leistung bezogen sind, kann dem Auftraggeber nicht verwehrt werden. Nach welchen sachbezogenen Kriterien er seine Beschaffungsentscheidung auszurichten hat, ist ihm wegen seines insoweit bestehenden Bestimmungsrechts im Nachprüfungsverfahren nicht vorzuschreiben (vgl. Senat, Beschl. v. 14.3.2001 - Verg 32/00, BA 12). Von diesem Vorverständnis ausgehend ist die Anforderung "Ballonsystem latexfrei" beim Video-Endoskopsystem durch die Art der zu vergebenden Leistung gerechtfertigt und hinzunehmen.

Vorstehend ist bereits ausgeführt worden, dass der Antragsgegner mit der Wahl eines latexfreien Ballonsystems anderenfalls möglichen allergischen Reaktionen bei endoskopisch untersuchten Patienten bereits im Ansatz vorbeugen und solche, um bei Untersuchungen jedes dahingehende Risiko zu vermeiden, ausschließen will. Dagegen ist nichts einzuwenden, vielmehr ist eine solche Motivation sogar billigenswert. Dabei kommt es nicht darauf an, ob ein latexhaltiges Ballonmaterial aufgrund gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis allergische Reaktionen hervorrufen wird, mit welcher Häufigkeit solche Reaktionen bei Untersuchungen zu erwarten sind und wie häufig Untersuchungen mit dem Video-Endoskopsystem überhaupt stattfinden. Allein die hier aufgrund vertretbarer wissenschaftlicher Meinung gegebene Möglichkeit, dass solche Reaktionen ausgelöst werden können und nicht völlig unwahrscheinlich sind, lässt eine Bestimmung des Antragsgegners, die derartige Komplikationen bei Untersuchungen auszuschließen sucht, vertretbar und daher untadelig erscheinen. Wenn dies umgekehrt dazu führt, dass der Wettbewerb verengt oder unter Umständen sogar ausgeschaltet wird, muss dies hingenommen werden.

Hingegen steht im Streitfall nicht einmal fest, dass die Festlegung des Antragsgegners auf ein latexfreies Ballonsystem die von der Antragstellerin beklagten wettbewerbsschädlichen Auswirkungen überhaupt hat, d.h. namentlich dazu führt, dass nur die Beigeladene ein Angebot, welches ausschreibungskonform war, abgeben konnte. Dies ist vom Antragsgegner und von der Beigeladenen in Abrede gestellt worden, wobei die Beigeladene zusätzlich und unbestritten darauf hingewiesen hat, dass die auf dem Medizingerätemarkt tätigen Unternehmen ihre Leistungsfähigkeit üblicherweise durch Vorlieferanten sicherstellen. Dass sie auch unter Einbeziehung von Vorlieferanten nicht in der Lage gewesen sei, ein Video-Endoskopsystem gemäß der Leistungsbeschreibung anzubieten, hat die Antragstellerin weder vorgetragen noch unter Beweis gestellt, wobei die Beweisfälligkeit zu ihren Lasten geht. Mit seiner Auffassung setzt sich der Senat im Übrigen in keinen Widerspruch zu den tragenden Gründen der Entscheidung des OLG Celle vom 22.5.2008 (13 Verg 1/08). Nach den vom OLG Celle zugrunde gelegten Rechtssätzen wäre die das Ballonmaterial betreffende Festlegung ebenfalls zu billigen gewesen.

Ob das Angebot der Antragstellerin auch wegen einer Abweichung von der unter Positionen 4.10 und 4.20 festgelegten Leistungsbeschreibung von der Wertung auszuschließen ist, kann im Übrigen dahingestellt bleiben.

2. Die Beschwerde nimmt ferner zu Unrecht einen Verstoß gegen das Gebot zu losweiser Auftragsvergabe an. Die Antragstellerin ist kein kleines oder mittelständisches Unternehmen, sondern deutsche Niederlassung eines weltweit operierenden Konzerns. Sie stuft sich infolgedessen selbst nicht als ein kleines oder mittleres Unternehmen ein und ist bei dem von ihr vorgetragenen unternehmensbezogenen Jahresumsatz von etwa 130 Millionen Euro auch als solches nicht anzusehen (so auch Otting in Bechtold, GWB, 5. Aufl. § 97 GWB Rn. 19 m.w.N.). Die Antragstellerin ist demzufolge von der in § 97 Abs. 3 GWB (a.F.) normierten rechtlichen Verpflichtung des öffentlichen Auftraggebers zur Losvergabe sowie von der konkretisierenden Bestimmung in § 5 Nr. 1 Satz 1 VOL/A nicht geschützt. Zwar sind die Regeln über die Losvergabe auch als eine Ausprägung des vergaberechtlichen Wettbewerbs- und Wirtschaftlichkeitsgebots zu verstehen (§ 97 Abs. 1 und 5 GWB; bgl. Senat, Beschl. v. 11.7.2007 - VII-Verg 10/07). Ungeachtet der offen zu lassenden Frage, ob demnach auch einem nicht mittelständischen Unternehmen aus den vergaberechtlichen Prinzipien des Wettbewerbs und der Wirtschaftlichkeit der Auftragsvergabe ein Anspruch auf eine Losaufteilung zugestanden werden kann, ist ein dahingehender Anspruch jedenfalls aber zu verneinen, wenn auch nach den §§ 97 Abs. 3 GWB (a.F.), 5 Nr. 1 Satz 1 VOL/A eine Losvergabe nicht beansprucht werden kann. So liegt der Fall hier. Die Entscheidung des Antragsgegners, die hier zu untersuchende Ausschreibung nicht nach Losen aufzuteilen, ist nicht zu beanstanden.

a) § 5 Nr. 1 Satz 1 VOL/A unterstellt die losweise Vergabe trotz des in § 97 Abs. 3 GWB (a.F.) errichteten grundsätzlichen Gebots zu einer Losaufteilung dem (durch das Erfordernis des Mittelstandsschutzes geleiteten) Ermessen des öffentlichen Auftraggebers ("zweckmäßig"). Bei der Abwägung der für und gegen eine Losvergabe sprechenden Gesichtspunkte darf sich der Auftraggeber für eine Gesamtvergabe entscheiden, wenn dafür anerkennenswerte, und überwiegende Gründe festzustellen sind. Solche Gründe können vielgestaltiger, insbesondere wirtschaftlicher oder technischer Natur sein. Sie rechtfertigen einen Verzicht auf eine Losaufteilung, wenn die damit für den Auftraggeber verbundenen Nachteile bei vertretbarer prognostischer, d.h. auf den Zeitraum der Auftragsausführung bezogener, Sicht überwiegen (vgl. auch Senat, Beschl. v. 11.7.2007 - VII-Verg 10/07 m.w.N.). Demgegenüber dient eine Losvergabe nicht dem Zweck, mit der Ausschreibung einen bestimmten Markt, erst recht bestimmte Anbieter, zu bedienen. Vorderstes Ziel des Vergaberechts ist, dem öffentlichen Auftraggeber zur Deckung seines Bedarfs einen wirtschaftlichen und rationellen Einkauf zu ermöglichen (so auch die 1. Vergabekammer des Bundes, Beschl. v. 8.1.2004 - VK 1 - 117/03, BA 11).

b) Im Streitfall kann es bei der Frage einer Losaufteilung nicht allein um die Frage gehen, ob eine Bildung von Teillosen beim Video-Endoskopsystem (Position 1.50 der Leistungsbeschreibung) und den Video-Ultraschall-Gastroskopen (Positionen 4.10 und 4.20) zweckmäßig hätte sein können. Die Fragestellung hierauf zu begrenzen hieße, die Ausschreibung und den Wettbewerb auf das Leistungsvermögen der Antragstellerin zuzuschneiden, die dann jedenfalls auf ein Los "Video-Ultraschall-Gastroskope" hätte bieten können. Dies ist indes nicht der Zweck einer Losaufteilung. Entsprechend der Vielzahl der ausgeschriebenen Geräte wäre bei einer Losaufteilung vielmehr eine entsprechend hohe Anzahl von Losen vorzusehen gewesen, so z.B. für Video-Gastroskope, Video-Endoskopsystem, Wasserflaschen- und Abtropfbehältersysteme, Video-Koloskope, Video-Duodenoskope, Choledochoskop, Endo-Kamerasystem, Video-Ultraschall-Gastroskope, Ultraschallgerät, DVD-Recorder und Endoskopreinigungsautomaten sowie für verschiedenartiges technisches Zubehör und Computerhardware. Bei einer danach möglichen Aufteilung in mehr als ein Dutzend Lose liegt auch bei denkbaren Zusammenfassungen die Gefahr einer unwirtschaftlichen Zersplitterung der Auftragsvergabe nahe. Einer solchen Zersplitterung darf der Auftraggeber nach § 5 Nr. 1 Satz 2 VOL/A durch eine Gesamtvergabe entgegen wirken. Denn abgesehen davon, dass die Beschaffungsvorgänge dann ein jeder für sich koordiniert, abgewickelt und abgerechnet werden müssen, was zusätzliche Fehlerquellen erzeugt, bringt eine auf zahlreiche Lose aufgeteilte Vergabe darüber hinaus erfahrungsgemäß vom Auftraggeber kaum beherrschbare Verzögerungen bei der Auftragsausführung, namentlich bei den einzelnen Lieferungen und Installationen, mit sich, die durch eine Gesamtvergabe eher abgewendet werden können. Hinzu kommt, dass bei einer Gesamtvergabe im Streitfall mit einer Lieferung der medizinischen Geräte durch einen einzigen Hersteller gerechnet werden konnte, was - wie der ärztliche Direktor der Klinik für Gastroenterologie des Antragsgegners, ..., im Senatstermin nachvollziehbar erläutert hat - bei vorausschauender Sicht geeignet war, den Antragsgegner treffende Erschwernisse bei den Installationen, bei der räumlichen Aufstellung sowie beim Raumbedarf und bei der Wartung sowie bei Schulungen von Ärzten und Pflegepersonal auszuräumen. Bei alledem handelt es sich um beachtliche, vertretbare und genügende Gründe, welche die für eine Losvergabe sprechenden Gesichtspunkte überwiegen. Der Gesichtspunkt, dass eine Losaufteilung der Antragstellerin hätte ermöglichen können, sich mit einem chancenreichen Angebot an der Ausschreibung zu beteiligen, hat dabei auszuscheiden.

c) Die Gründe für eine Gesamtvergabe sind vom Antragsgegner in den Vergabeakten zwar nicht in der Weise, wie sie soeben dargestellt worden sind, vollumfänglich dokumentiert und vermerkt worden (§ 30 VOL/A). Es ist lediglich auf die Komplexität der Beschaffungsmaterie und auf einen bei einer Losausschreibung anfallenden personellen sowie materiellen Mehraufwand verwiesen, damit aber immerhin deutlich gemacht worden, dass nach Einschätzung des Antragsgegners die für eine Gesamtvergabe sprechenden Argumente schwerer wiegen. Die Gründe sind vom Antragsgegner im Nachprüfungsverfahren näher erläutert worden. Sie ergeben sich auch aus der Natur der Sache. Dahingehende Ergänzungen der Dokumentation sind nach der Rechtsprechung des Senats jedenfalls dann zuzulassen, wenn dadurch die Rechtsstellung des Antragstellers im Vergabeverfahren, insbesondere seine Chance auf einen Zuschlag, nicht ursächlich beeinträchtigt wird. In Bezug auf die Antragstellerin ist eine solche Beeinträchtigung zu verneinen. Die Antragstellerin hat keine beachtlichen Gründe für eine Losvergabe vorgebracht, noch sind sonst erhebliche Gründe dafür zu erkennen, dass eine Gesamtvergabe hinter einer Losaufteilung zurückzustehen hat, und dass sie, die Antragstellerin, im Fall einer Losvergabe bessere Chancen gehabt hätte, mit einem Angebot zum Zuge zu kommen.

3. Die Beanstandungen der Antragstellerin gebieten ebenso wenig, das Vergabeverfahren so weit zurückzuversetzen (z.B. bis zum Stand einer erneuten Aufforderung zur Angebotsabgabe), dass sie, die Antragstellerin, die Gelegenheit zur Vorlage eines erneuerten Angebots mit der Chance auf einen Zuschlag erhält.

a) Das Angebot der Beigeladenen ist - wie die Vergabekammer mit Recht entschieden hat - nicht von der Wertung auszuschließen. Das Angebot der Beigeladenen ist ausschreibungskonform. Beim abgefragten Video-Endoskopsystem (Position 1.50 der Leistungsbeschreibung) hat sie einen latexfreien Ballon angeboten. Bei den Video-Ultraschall-Gastroskopen (Positionen 4.10 und 4.20 der Leistungsbeschreibung) hat sie ein solches Ballonsystem zwar nicht offeriert. Doch war dies ausweislich der Leistungsbeschreibung hier auch nicht gefordert.

b) Die Antragstellerin kann ebenso wenig mit Erfolg bemängeln, der Antragsgegner habe nach Aufhebung des vorangehenden offenen Verfahrens das Verhandlungsverfahren vergaberechtswidrig eingeleitet und durchgeführt. Die Antragstellerin ist tatsächlich zu den Verhandlungen zugezogen worden. Durch das Übergehen zum Verhandlungsverfahren hat sie keine Rechtsverletzung erlitten. Sie hat zum Verhandlungsverfahren zudem ein Angebot abgegeben, das vom Antragsgegner gewertet, aber wegen der Abweichung von den Verdingungsunterlagen ausgeschlossen worden ist (siehe oben unter 1.b)aa)).

c) Die von der Antragstellerin am Vergabeverfahren im Übrigen angebrachten Bemängelungen sind unerheblich.

Zu den bekannt gegebenen Zuschlagskriterien hatte der Antragsgegner nicht notwendig eine Bewertungsmatrix zu erstellen. Die Leistungsbeschreibung bürdete Bietern nicht feststellbar ungewöhnliche Wagnisse auf (§ 8 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A, Anlage Bf 18). Mit den geforderten Lieferzeiten hat sich die Antragstellerin ausdrücklich einverstanden erklärt. Die in den Verdingungsunterlagen angekündigte Vertragsgestaltung ist nicht intransparent. Durch eine unterbliebene europaweite Ausschreibung von Serviceverträgen ist die Antragstellerin nicht in Bieterrechten verletzt. Sie ist insoweit jedenfalls am Vergabeverfahren beteiligt worden. Der Überprüfung hat der Senat insoweit das für die Annahme von Rechtsverletzungen unzureichende Beschwerdevorbringen zugrunde gelegt, das keine Bezugnahme auf früheren und erhellenden, insbesondere auf einen Vortrag im Verfahren vor der Vergabekammer, enthält. Eine weitergehende amtswegige Prüfung war in Ermangelung zureichender und von der Antragstellerin vorgetragener tatsächlicher Anknüpfungspunkte auch unter dem Gebot der im Beschwerdeverfahren herrschenden Untersuchungsmaxime nicht veranlasst.

Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 97 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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