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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 29.10.2008
Aktenzeichen: VII-Verg 35/08
Rechtsgebiete: GWB, VgV, BGB


Vorschriften:

GWB § 98 Nr. 6
GWB §§ 104 ff.
GWB § 128 Abs. 3
GWB § 128 Abs. 4
VgV § 13
BGB § 138
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die sofortigen Beschwerden der Antragsgegnerin zu 1 und der Beigeladenen (Antragsgegnerin zu 2) wird unter Zurückweisung der Anschlussbeschwerde des Antragstellers der Beschluss der Vergabekammer bei der Bezirksregierung Münster vom 6. Mai 2008 (VK 4/08) aufgehoben und wird der Nachprüfungsantrag abgelehnt.

Die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer, die der Antragsgegnerin und der Beigeladenen in diesem Verfahren entstandenen Aufwendungen und die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden dem Antragsteller auferlegt.

Die Zuziehung eines anwaltlichen Bevollmächtigten war für die Antragsgegnerin und die Beigeladene im Verfahren vor der Vergabekammer notwendig.

Gründe:

I. Die Antragsgegnerin will zur Förderung der Wirtschaft und Steigerung der Attraktivität ihres Stadtteils ..., und zwar im Wesentlichen auf einem ehemals stadteigenen Grundstück, ein Einzelhandelskaufhaus errichten lassen. Zu den Unternehmen, die sich an einem Erwerb des Grundstücks interessiert zeigten und Entwicklungskonzepte vorlegten, gehörten die H... (für die E...-Gruppe, im Folgenden nur noch H...) und die S... (für die K...-Gruppe), die später gegen die Beigeladene ausgewechselt wurde. Im Juni 2006 sprach sich der Rat der Stadt für die Planung der S... aus. Durch notariellen Vertrag vom 9.8.2007 verkaufte die Antragsgegnerin das betroffene Grundstück an die Beigeladene. Im März 2008 rügte der Antragsteller die Vorgehensweise der Antragsgegnerin als vergaberechtswidrig und brachte einen Nachprüfungsantrag an. Im Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer haben die Verfahrensbeteiligten über die Antragsbefugnis des Antragstellers, eine Verwirkung des Nachprüfungsrechts sowie über die Wirksamkeit des notariellen Vertrages und die Ordnungsmäßigkeit des Vergabeverfahrens gestritten. Mit dem angefochtenen Beschluss gab die Vergabekammer dem Nachprüfungsantrag im Wesentlichen statt und stellte die Unwirksamkeit des notariellen Vertrages vom 9.8.2007 fest. Ferner untersagte sie der Antragsgegnerin, auf der Grundlage des bisherigen Vergabeverfahrens einen Zuschlag zu erteilen oder einen Vertrag oder städtebauliche Verträge abzuschließen, ohne zuvor ein EU-weites Vergabeverfahren nach dem vierten Teil des GWB durchgeführt zu haben.

Dagegen haben die Antragsgegnerin und die Beigeladene sofortige Beschwerde eingelegt. Der Antragsteller hat Anschlussbeschwerde erhoben.

Die Antragsgegnerin und die Beigeladene beantragen,

unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen.

Der Antragsteller beantragt,

die sofortigen Beschwerden zurückzuweisen,

sowie im Wege der Anschlussbeschwerde,

der Beigeladenen aufzugeben, es zu unterlassen, im Zusammenhang mit der Errichtung eines K...-Verbrauchermarkts am Standort ... in ... einen Generalunternehmer oder einen anderen Bauunternehmer mit der Durchführung von Bauleistungen zu beauftragen, ohne zuvor ein europaweites Vergabeverfahren nach den Vorschriften des vierten Teils des GWB durchgeführt zu haben;

hilfsweise, und zwar für den Fall einer Abweisung des vorstehenden Antrags,

festzustellen, dass die Beigeladene als Baukonzessionär im Sinne des § 98 Nr. 6 GWB verpflichtet ist, vor der Beauftragung eines Generalunternehmers oder anderer Bauunternehmer mit der Durchführung von Bauleistungen im Zusammenhang mit der Errichtung eines K...-Verbrauchermarkts am Standort ... in ... ein europaweites Vergabeverfahren nach den Vorschriften des vierten Teils des GWB durchzuführen.

Die Antragsgegnerin und die Beigeladene beantragen,

die Anschlussbeschwerde zurückzuweisen.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze und auf die mit diesen vorgelegten Anlagen sowie auf die zu Informationszwecken beigezogenen Vergabeakten und die Verfahrensakte der Vergabekammer Bezug genommen.

II. Die sofortigen Beschwerden der Antragsgegnerin und der Beigeladenen sind begründet. Die Anschlussbeschwerde des Antragstellers hat keinen Erfolg.

Die zwischen den Verfahrensbeteiligten umstrittene Frage, ob der Grundstücksverkauf als öffentlicher Bauauftrag in Gestalt einer Baukonzession dem Vergaberechtsregime des vierten Teils des GWB untersteht, kann unbeantwortet bleiben. Denn der Antragsteller ist jedenfalls nicht befugt, einen Nachprüfungsantrag zu stellen (§ 107 Abs. 2 GWB). Unabhängig davon ist der notarielle Vertrag vom 9.8.2007 ebenso wenig rechtsunwirksam, so dass auch aus diesem Grund ein Nachprüfungsverfahren unstatthaft ist.

1. Antragsteller eines Nachprüfungsantrags kann nur der potentielle Auftragnehmer sein. Sonstige, insbesondere lediglich mittelbar am Auftrag interessierte Unternehmen (z.B. Subunternehmer, Planer, Projektentwickler oder Berater), aber auch einzelne Mitglieder einer Bietergemeinschaft sind kraft eigenen Rechts nicht antragsbefugt (vgl. Senat, Beschl. v. 18.6.2008 - VII-Verg 23/08 BA 9 f. m.w.N.; Beschl. v. 14.5.2008 - VII-Verg 27/08, VergabeR 2008, 661, 663; Beschl. v. 30.4.2008 - VII-Verg 23/08, VergabeR 2008, 835, 839 f.). Solche Unternehmen können bei Vorliegen eines schutzwürdigen Eigeninteresses einen Nachprüfungsantrag zulässig nur in Verfahrensstandschaft für das am Auftrag interessierte Unternehmen anbringen (vgl. dazu Senat, Beschl. v. 18.6.2008 - VII-Verg 23/08 BA 10 m.w.N.; Beschl. v. 30.3.2005 - VII-Verg 191/03 BA 4). Demnach kann einen Nachprüfungsantrag mit Erfolg nur stellen, wer darlegt, sich bei ordnungsgemäßer Vergabe um den fraglichen Auftrag beworben zu haben und willens gewesen zu sein, die jeweils einzugehenden Verträge - im Fall einer so genannten Investorenauswahl insbesondere einen Grundstückskaufvertrag nebst Bauverpflichtung - im eigenen Namen mit dem öffentlichen Auftraggeber abzuschließen. Davon kann in der Person des Antragstellers freilich nicht gesprochen werden.

Der Antragsteller ist im Vergabeverfahren nicht als ein am Auftrag interessiertes Unternehmen hervorgetreten. Ausweislich der von der Beigeladenen in Fotokopie vorgelegten Unterlagen hat er mit dem Bieter H... einen Architektenvertrag über Planungsleistungen geschlossen, die von H... nach Maßgabe der HOAI vergütet werden sollten (Anlage Bf. 7). Der Vertrag ist wenigstens teilweise auch durchgeführt worden. So hat der Antragsteller Pläne überarbeitet (Anlage Bf. 8) und hat diese in Sitzungen der Stadtratsfraktionen vorgestellt (Anlage Bf. 9). Unterdessen ist - dafür sprechen die Unterlagen - zu keinem Zeitpunkt der Antragsteller, sondern stets nur die H... als Bieter gegenüber der Antragsgegnerin aufgetreten, was sich aus deren Schreiben an die Antragsgegnerin vom 15.7.2007 (Anlage Bf. 11), vom 22.9.2005 (Anl. Bf. 10) sowie aus dem Angebotsschreiben vom 6.2.2006 (Anlage Bf. 12) ergibt. Der Antragsteller hat danach wie ein Subunternehmer lediglich als beauftragter Architekt für die H... gehandelt. Dagegen hat zwischen ihm und H... ebenso wenig eine Bietergemeinschaft bestanden. Der Umstand, dass das vom Antragsteller betriebene "Architekturbüro P..." im Angebotsschreiben der H... mehrfach namentlich erwähnt worden ist, rechtfertigt keine abweichende Beurteilung. Der Antragsteller ist dadurch, etwa als Bieter, zu keiner eigenständigen Stellung neben H... gelangt, was auf der Grundlage des abgeschlossenen Architektenvertrages auch vollkommen irreal erscheinen müsste. Der Antragsteller hat nicht in Konkurrenz zur H... gestanden. Sonst wäre dadurch überdies gegen das Gebot des Geheimwettbewerbs verstoßen worden. Dem Antragsteller war die aus seiner Feder stammende Planung der H... bekannt.

Zwar hat der EuGH (NZBau 2005, 111 Rn. 40) darauf hingewiesen, dass der Antragsteller eine formale Bieter- oder Bewerbereigenschaft nicht haben muss. Die diesbezüglichen Ausführungen betreffen jedoch eine Fallgestaltung, in der dem Antragsteller die Vergabeabsicht des Auftraggebers nicht bekannt war und er sich am Vergabeverfahren von vornherein nicht beteiligen konnte. Vor diesem Hintergrund sind die Gründe der Entscheidung des EuGH auszulegen. Auch wenn die Antworten auf Vorlagefragen abstrakt sind, sind sie mit Blick auf das sich im konkreten Fall stellende Rechtsproblem zu verstehen (vgl. EuGH EuZW 2008, 274 Rn. 26). Dementsprechend ist ein Unternehmen, dem - wie hier - die Vergabeabsicht der Vergabestelle und die Umstände zuverlässig bekannt waren, ohne die Abgabe eines Angebots oder zumindest einer Interessensbekundung nur dann antragsbefugt, wenn es geltend machen kann, durch die - von ihm als vergaberechtswidrig angesehenen - Bedingungen des Vergabeverfahrens von einem förmlichen Angebot oder einem Teilnahmeantrag abgehalten worden zu sein (vgl. Senat, Beschl. v. 18.6.2008 - VII-Verg 23/08 BA 11 f. m.w.N.). Dies ist hier nicht der Fall. Angesichts dessen bedarf es keiner Vorlage der Sache an den EuGH. Der Senat weicht auch nicht von der Entscheidung des Brandenburgischen OLG vom 13.3.2008 (Verg W 4/08) ab. Diese betraf eine Fallgestaltung, bei der dem Antragsteller das Vergabeverfahren unbekannt geblieben war.

2. Aus Vorstehendem folgt, dass die Antragsgegnerin dem Antragsteller nach § 13 VgV auch keine Bieterinformation zukommen lassen musste. Der Antragsteller hat sich der Antragsgegnerin gegenüber nicht als Interessent am Auftrag zu erkennen gegeben. Auch aus der Sicht der Antragsgegnerin handelte er steht als Beauftragter der H.... Für eine Sittenwidrigkeit des notariellen Kauvertrags vom 9.8.2007 nach § 138 BGB sind im Übrigen zureichende Anhaltspunkte nicht hervorgetreten. Infolgedessen ist der Kaufvertrag wirksam und eine Nachprüfung in einem Verfahren nach den §§ 104 ff. GWB ausgeschlossen. Selbst wenn man dies mit Blick auf § 138 BGB anders sehen wollte, scheitert die Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags am Fehlen der Antragsbefugnis. Eine Vorlage der Sache an den Bundesgerichtshof ist bei der gegebenen Sach- und Rechtslage nicht angezeigt.

3. Auch für den mit der Anschlussbeschwerde verfolgten Nachprüfungsantrag ist der Antragsteller nicht antragsbefugt. Er hat zu keinem Zeitpunkt ein ernsthaft zu nennendes Interesse an der Ausführung von Bauleistungen zu erkennen gegeben.

Davon abgesehen sind die gestellten Anträge wegen ihres vorbeugenden Charakters unzulässig. Ein Nachprüfungsverfahren kann nicht schon mit Erfolg eingeleitet werden, wenn die Gefahr besteht, der öffentliche Auftraggeber, der auch ein Baukonzessionär sein kann (§ 98 Nr. 6 GWB), werde einen öffentlichen Auftrag ohne ein nach dem vierten Teil des GWB vorgeschriebenes Vergabeverfahren vergeben. Die Zulässigkeit eines Nachprüfungsantrags setzt ein materiell schon begonnenes Vergabeverfahren voraus (vgl. BayObLG, Beschl. v. 22.1.2002 - Verg 18/01, NZBau 2002, 397; Senat, Beschl. v. 11.2.2002 - Verg 43/01, NZBau 2003, 55; OLG Rostock, Beschl. v. 5.2.2003 - 17 Verg 14/02, NZBau 2003, 457). Dies erfordert einerseits einen internen Beschaffungsentschluss des öffentlichen Auftraggebers, andererseits aber auch schon eine externe Umsetzung jener Entscheidung, die darin bestehen muss, dass der Auftraggeber in einer Weise, die geeignet ist, nach außen wahrgenommen zu werden, bestimmte Maßnahmen ergreift, um das leistende Unternehmen mit dem Ziel eines Vertragsschlusses zu ermitteln und auszuwählen (vgl. BayObLG, Beschl. v. 22.1.2002 - Verg 18/01, NZBau 2002, 397, 398; Beschl. v. 27.2.2003 - Verg 25/02, VergabeR 2003, 669, 670 f.; Beschl. v. 28.5.2003 - Verg 7/03, VergabeR 2003, 563, 564; OLG Brandenburg, Beschl. v. 18.12.2003 - Verg W 8/03, VergabeR 2004, 773, 774; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 20.6.2001 - Verg 3/01, NZBau 2001, 696, 698; Beschl. v. 11.3.2002 - Verg 43/01, NZBau 2003, 55; Beschl. v. 12.1.2004 - VII-Verg 71/03, NZBau 2004, 343; OLG Rostock, Beschl. v. 5.2.2003 - 17 Verg 14/02, NZBau 2003, 457, 458; Thüringer OLG, Beschl. v. 14.10.2003 - 6 Verg 5/03, VergabeR 2004, 113, 118). Jedenfalls an Letztgenanntem fehlt es im vorliegenden Fall. Der Antragsteller hat insofern lediglich unbestimmte "Aktivitäten" der Beigeladenen behauptet, die in keiner Weise verifiziert werden können und demzufolge keine Veranlassung zu der Annahme geben, das Vergabeverfahren habe bereits begonnen.

Die Entscheidungen über die Kosten und Aufwendungen beruhen auf § 128 Abs. 3 und 4 GWB sowie auf einer entsprechenden Anwendung der §§ 91, 97 ZPO.

Ende der Entscheidung

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