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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 17.11.2008
Aktenzeichen: VII-Verg 52/08
Rechtsgebiete: GWB, VOL/A, KrW-/AbfG


Vorschriften:

GWB § 97 Abs. 7
GWB § 128
VOL/A § 16 Nr. 1
KrW-/AbfG § 5 Abs. 4
KrW-/AbfG § 44
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin wird unter Zurückweisung der sofortigen Beschwerde der Antragstellerin der Beschluss der Vergabekammer bei der Bezirksregierung Düsseldorf vom 15. August 2008 (VK - 24/2008-B) aufgehoben und wird der Nachprüfungsantrag abgelehnt.

Die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer, die der Antragsgegnerin in diesem Verfahren entstandenen Aufwendungen und die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden der Antragstellerin auferlegt.

Streitwert für das Beschwerdeverfahren: bis 170.000 Euro

Gründe:

I. Die Antragsgegnerin schrieb mit EG-weiter Bekanntmachung vom Februar 2008 die thermische Verwertung des in ihren Klärwerken (Klärwerke Nord und Süd) als Abfall anfallenden Rechenguts im offenen Verfahren aus. Gemäß der Auftragsbeschreibung sollte der Auftragnehmer erbringen:

Abtransport vom Klärwerk, Aufbereitung und thermische Verwertung, Einholung der Genehmigung und Dokumentation.

Die Antragstellerin forderte die Verdingungsunterlagen an und rügte unter dem 4.4.2008, die Ausschreibung ziele auf eine abfallrechtlich unzulässige Entsorgungsleistung ab. Das Rechengut könne wegen seines hohen Wasseranteils nicht thermisch verwertet, sondern nur beseitigt werden. Mit ihrer Nichtabhilfeentscheidung wies die Antragsgegnerin darauf hin, dass der Ausschreibung zufolge das Wasser im Wege vorheriger Aufbereitung dem Rechengut entzogen werden solle, womit das aufbereitete Rechengut die abfallrechtlichen Anforderungen an eine thermische Verwertung erfüllen werde. Ein Angebot gab die Antragstellerin nicht ab. Sofern die Antragsgegnerin das Rechengut selbst aufbereitet (trocknet), ist sie jedoch daran interessiert, es zu beseitigen oder in anderer Form als durch thermische Behandlung zu verwerten. Auch ist die Antragstellerin bereit, Transportleistungen zu erbringen, wenn diese gesondert ausgeschrieben würden.

Mit dem Nachprüfungsantrag strebte die Antragstellerin die Verpflichtung der Antragsgegnerin an, die Ausschreibung aufzuheben. Hilfsweise wollte sie ihr untersagt sehen, auf der Grundlage der gegebenen Ausschreibung einen Zuschlag zu erteilen. Die Antragstellerin wiederholte die mit der Rüge vorgebrachte Beanstandung. Sie hielt für die abfallrechtliche Einordnung und die Entsorgung den Zeitpunkt der Bereitstellung des Rechenguts zur Aufbereitung für maßgebend. Zu diesem Zeitpunkt, d.h. vor einer Aufbereitung (Trocknung), komme wegen des hohen Wasseranteils indes keine thermische Verwertung, sondern nur eine Beseitigung in Betracht, mit der Folge, dass die Antragsgegnerin die Ausschreibung aufzuheben und diese bei fortbestehender Vergabeabsicht umzustellen habe.

Die Antragsgegnerin ist dem Nachprüfungsbegehren entgegengetreten. Im Verfahren haben die Verfahrensbeteiligten außerdem über die Antragsbefugnis der Antragstellerin und die Einhaltung der Rügeobliegenheit gestritten.

Die Vergabekammer hat dem Nachprüfungsantrag teilweise stattgegeben. Sie hat der Antragsgegnerin untersagt, vor einer Klärung der abfallrechtlichen Zulässigkeit einer thermischen Verwertung hinsichtlich des im Klärwerk Süd anfallenden Rechenguts einen Zuschlag zu erteilen und einen Zuschlag gegebenenfalls gänzlich zu unterlassen. Wegen des Rechenguts aus dem Klärwerk Nord hat die Vergabekammer jedoch ein Rechtsschutzbedürfnis verneint und den Nachprüfungsantrag verworfen. Auf die Gründe der Entscheidung wird verwiesen.

Dagegen haben beide Verfahrensbeteiligten sofortige Beschwerde erhoben, die Antragstellerin wegen der teilweisen Verwerfung des Nachprüfungsantrags (Klärwerk Nord), die Antragsgegnerin, soweit ihr eine Zuschlagserteilung untersagt worden ist (Klärwerk Süd). Die Beteiligten vertiefen und ergänzen ihren erstinstanzlichen Vortrag.

Die Antragstellerin beantragt,

unter Aufhebung des Beschlusses der Vergabekammer der Antragsgegnerin auch hinsichtlich der Rechengut-Abfallmengen des Klärwerks Nord zu untersagen, vor Klärung der abfallrechtlichen Zulässigkeit der ausgeschriebenen Leistung einen Zuschlag zu erteilen bzw. einen Zuschlag gegebenenfalls zu unterlassen, und die Antragsgegnerin im Fall der abfallrechtlichen Zulässigkeit der ausgeschriebenen Leistung zu verpflichten, das Vergabeverfahren von der Aufforderung zur Angebotsabgabe an zu wiederholen,

sowie

die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin zurückzuweisen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses den Nachprüfungsantrag abzulehnen,

hilfsweise,

unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses die Sache zur erneuten Entscheidung an die Vergabekammer zurückzuverweisen,

und

die sofortige Beschwerde der Antragstellerin zurückzuweisen.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze und die Anlagen Bezug genommen.

II. Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin hat Erfolg. Das Rechtsmittel der Antragstellerin ist hingegen unbegründet. Der Nachprüfungsantrag ist unzulässig, jedenfalls aber unbegründet.

1. Die Antragstellerin ist nicht befugt, einen Nachprüfungsantrag zu stellen (§ 107 Abs. 2 GWB). Antragsbefugt ist nur ein Unternehmen, das ein Interesse am (ausgeschriebenen) Auftrag hat und eine Verletzung in seinen Rechten nach § 97 Abs. 7 GWB durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht. Dabei ist darzulegen, dass dem Unternehmen durch die behauptete Verletzung der Vergabevorschriften ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht.

Die Antragstellerin hat eigener Erklärung zufolge kein Interesse am ausgeschriebenen Auftrag. Ausgeschrieben ist die thermische Verwertung des als Abfall einzustufenden Rechenguts aus Klärwerken. Diese Leistung will oder kann die Antragstellerin indes nicht erbringen. Sie will die Abfälle stattdessen beseitigen oder durch eine andere als eine thermische Verwertung entsorgen. Auch zeigt sie in dem Zusammenhang Interesse, bestimmte, aber nicht gesondert ausgeschriebene Transportleistungen zu erbringen. Bei alledem will sie die entstehenden Abfälle ebenso wenig aufbereiten (trocknen), wie es durch die Ausschreibungsbedingungen gefordert ist, sondern möchte dies von der Antragsgegnerin vorgenommen sehen. Auch betrachtet die Antragstellerin das Einholen einer gegebenenfalls erforderlichen öffentlich-rechtlichen Genehmigung nicht als eine Aufgabe des Auftragnehmers, obwohl dies zur ausgeschriebenen Leistung gehört. Sie will die öffentlich-rechtliche Zulässigkeit einer thermischen Verwertung vielmehr im Vorhinein durch die Antragsgegnerin geklärt haben. Nach den Vorstellungen der Antragstellerin soll die Ausschreibung einen anderen Gegenstand und Zuschnitt haben. Es soll nicht um eine thermische Verwertung, sondern um eine Entsorgung durch Beseitigen oder eine andersartige Verwertung gehen. Eine Aufbereitung des Rechenguts durch den Auftragnehmer soll entfallen. Eine Genehmigung soll vom Auftragnehmer nicht eingeholt werden, womit außerdem die der Ausschreibung zugrunde gelegte Risikoverteilung geändert wird, und schließlich sollen auch Transportleistungen aus dem Auftrag herausgelöst und gesondert vergeben werden. Damit will die Antragstellerin den Inhalt des Auftrags in nahezu jeder Beziehung verändert haben, um darauf ein passendes Angebot abzugeben. Der Auftrag, den die Antragstellerin im Auge hat, ist ein anderer als der, der ausgeschrieben worden ist. Sie will nur auf eine veränderte Ausschreibung bieten.

Durch die Ausschreibung einer thermischen Verwertung kann die Antragstellerin ebenso wenig in ihren Rechten verletzt sein. Was ausgeschrieben wird, unterliegt dem einseitigen Bestimmungsrecht des Auftraggebers. Der Auftraggeber bestimmt nach seinen Bedürfnissen und Vorstellungen den Gegenstand und Inhalt der Beschaffung. Dagegen ist weder im Vergabeverfahren noch im Nachprüfungsverfahren für die am Auftrag interessierten Unternehmen Raum, eigene, insbesondere abändernde Vorstellungen hinsichtlich des Gegenstandes der Beschaffung anzubringen oder erst recht gegen den Auftraggeber durchzusetzen (genauso: OLG Koblenz, Beschl. v. 5.12.2002 - 1 Verg 2/02, NZBau 2002, 699, 703). Hätte die Antragstellerin ein Angebot abgegeben, dem abweichende Ausschreibungsbedingungen zugrunde lagen, wären die Verdingungsunterlagen abgeändert worden (§ 21 Nr. 1 Abs. 4 VOL/A), mit der Folge, dass das Angebot auszuschließen gewesen wäre (§ 25 Nr. 1 Abs. 1 d VOL/A).

Daneben kann auf sich beruhen, ob der Nachprüfungsantrag auch deswegen unzulässig ist, weil die Antragstellerin die Rügeobliegenheit nicht beachtet hat (§ 107 Abs. 3 S. 1 GWB).

2. Der Nachprüfungsantrag ist in jedem Fall unbegründet.

a) Das Bestimmungsrecht hinsichtlich des Beschaffungsgegenstandes setzt sich auch in der Sache durch, denn es ist allein eine Angelegenheit der Antragsgegnerin als der Auftraggeberin, die Leistung, welche beschafft werden soll, ihrer Art und ihrem Umfang nach festzulegen. Im Streitfall hat die Antragsgegnerin entschieden, dass Rechenabfälle am Ende eines aus mehreren Schritten bestehenden Entsorgungsprozesses thermisch verwertet werden sollen. Zuvor soll das Rechengut für eine thermische Verwertung aufbereitet werden. Daneben sind Transportdienstleistungen zu erbringen. Die Beschaffungsentscheidung, Rechengut - wie in den Ausschreibungsbedingungen vorgesehen - nach einer Vorbehandlung thermisch verwerten zu lassen, ist vergaberechtlich hinzunehmen.

b) Eine andere rechtliche Beurteilung kann nur veranlasst sein, wenn die Antragsgegnerin eine aus rechtlichen Gründen unmögliche, objektiv nicht erfüllbare Leistung ausgeschrieben hätte (vgl. BGH, Beschl. v. 26.9.2006 - X ZB 14/06, VergabeR 2007, 59, 66 Rn. 45; OLG München, Beschl. v. 28.7.2008 - Verg 12/08), oder sie - um im Sinne des § 16 Nr. 1 VOL/A eine Vergabereife herzustellen - verpflichtet gewesen wäre, eine gegebenenfalls erforderliche öffentlich-rechtliche Genehmigung für die von ihr geplante Entsorgung herbeizuführen oder - wie die Vergabekammer entschieden hat - insoweit wenigstens die öffentlich-rechtliche Zulässigkeit zu klären. Dergleichen ist jedoch zu verneinen.

aa) Es spricht weder abfallrechtlich noch vergaberechtlich etwas gegen die in der Ausschreibung vorgesehene Entsorgungskette. Eine Verwertung von Abfällen hat Vorrang vor einer Entsorgung durch Beseitigung (§ 5 Abs. 2 KrW-/AbfG). Zwar scheidet ein Vorrang aus, wenn eine Beseitigung die umweltverträglichere Lösung darstellt (§ 5 Abs. 5 KrW-/AbfG). Der diesbezügliche Vortrag der Antragstellerin ist aber ohne tatsächliche Substanz und deswegen prozessual unbeachtlich. Andererseits bestimmt § 5 Abs. 4 KrW-/AbfG:

Die Pflicht zur Verwertung von Abfällen ist einzuhalten, soweit dies technisch möglich und wirtschaftlich zumutbar ist, insbesondere für einen gewonnenen Stoff oder gewonnene Energie ein Markt vorhanden ist oder geschaffen werden kann. Die Verwertung von Abfällen ist auch dann technisch möglich, wenn hierzu eine Vorbehandlung erforderlich ist.

Die Pflicht zur Abfallverwertung ist weitgehend und entsprechend dem Ziel des Gesetzes für Ausweitungen dieser Form der Entsorgung offen gehalten. Zur Vermeidung einer Beseitigung sieht das Gesetz im zweiten Satz der Vorschrift eine Verwertung ausdrücklich auch in solchen Fällen vor, in denen - wie hier - der Abfall für eine Verwertung zunächst erst noch vorbereitet werden muss. Bezogen auf den vorliegenden Fall verbietet sich bei diesem Befund zu fordern, dass Rechenabfälle - mögen sie in dem Zustand, den sie im Zeitpunkt ihres objektiven Anfalls aufweisen, an sich auch einer Beseitigung zuzuführen sein - kraft der Bestimmung des Abfallerzeugers nicht vorbehandelt werden dürfen, um auf diese Weise einer Entsorgung durch Verwertung zugänglich gemacht zu werden.

Vergaberechtlich ist der öffentliche Auftraggeber an einer dahingehenden, auf das Endziel einer Verwertung gerichteten Ausschreibung jedenfalls nicht gehindert. Wollte man dies anders sehen, hätten öffentliche Auftraggeber in der Lage der Antragsgegnerin eine solche Entsorgung in zwei Schritten auszuschreiben, nämlich ein Mal als eine Maßnahme der Abfallbeseitigung (Behandlung) und ein weiteres Mal als eine solche zur (thermischen) Verwertung. Das Vergaberecht hat dem Auftraggeber nach Möglichkeit indes diejenigen Instrumentarien an die Hand zu geben und zu belassen, die unter Wahrung der vergaberechtlichen Prinzipien des Wettbewerbs, der Gleichbehandlung und der Transparenz sowie ihrer konkreten Ausgestaltung durch die Vertrags- und Verdingungsordnungen gestatten, die zum Zweck einer öffentlichen Aufgabenerfüllung erforderlichen Lieferungen und Dienstleistungen auf einfachst und raschest mögliche Art zu beschaffen. Die Ausschreibung ist danach auf keine aus rechtlichen Gründen unmögliche Leistung gerichtet.

bb) Die Antragsgegnerin ist zur Herstellung einer Vergabereife ebenso wenig verpflichtet, eine öffentlich-rechtlich gegebenenfalls erforderliche Genehmigung einzuholen oder die öffentlich-rechtliche Zulässigkeit des von ihr vorgesehenen Entsorgungsweges vorab - im konkreten Fall im Benehmen mit der Bezirksregierung Düsseldorf - zu klären. Die Vorschrift des § 16 Nr. 1 VOL/A ist eine bieterschützende Norm (Senat, Beschl. v. 14.2.2001 - Verg 14/00; die möglicherweise anders zu verstehende Entscheidung des KG, Beschl. v. 22.8.2001 - KartVerg 3/01, NZBau 2002, 402, 403 f., bezieht sich lediglich auf den Fall nicht zur Verfügung stehender Finanzierungsmittel).

Die Antragsgegnerin hat die Zulässigkeit einer thermischen Verwertung von Rechenabfällen aus ihren Klärwerken - wie außer Streit steht - unter Zuziehung ihres Umweltamts und anwaltlicher Beratung sowie durch einen (beanstandungsfreien) Probebetrieb nach allen Richtungen geklärt. Die Einholung einer Ex-ante-Genehmigung ist abfallrechtlich nicht geboten. Dagegen hat die Antragstellerin nichts Erhebliches vorgebracht. Ob die zuständige Bezirksregierung Düsseldorf gegen die vorgesehene Art der Entsorgung durch eine Anordnung im Einzelfall nach § 44KrW-/AbfGg einschreiten wird, ist offen und muss - wie die Antragsgegnerin mit Recht geltend macht - nicht antizipiert werden. In Fällen der vorliegenden Art, in denen die Vorbereitung einer Ausschreibung mehrschichtige Prüfungen, insbesondere solche abfallrechtlicher Art erfordert, genügt der öffentliche Auftrageber vielmehr seiner Verpflichtung, die Vergabereife herzustellen, wenn er die Zulässigkeit des Beschaffungsvorhabens unter allen bei der Vorbereitung (oder gegebenenfalls auch später) erkennbaren Gesichtspunkten überprüft und dem Prüfungsergebnis angemessen Rechnung getragen hat. Sonderrechtliche Fragen, namentlich solche abfallrechtlicher Art, deren Beantwortung nicht von einer vorherigen öffentlich-rechtlichen Genehmigung abhängig ist, müssen von ihm zuvor nicht im Benehmen mit der zuständigen Fachbehörde geklärt werden. Gegen diese Grundsätze hat die Antragsgegnerin nicht verstoßen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 128 GWB sowie auf einer entsprechenden Anwendung der §§ 91, 97 ZPO.

Ende der Entscheidung

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