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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 16.02.2006
Aktenzeichen: VII-Verg 6/06
Rechtsgebiete: GWB


Vorschriften:

GWB §§ 97 ff.
GWB § 100 Abs. 2
GWB § 100 Abs. 2 a)
GWB §§ 104 ff.
GWB § 107 Abs. 2
GWB § 118 Abs. 1 S. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Der Antrag der Antragstellerin, die aufschiebende Wirkung ihrer sofortigen Beschwerde gegen den Beschluss der 3. Vergabekammer des Bundes vom 17. Januar 2006 zu verlängern, wird abgelehnt.

Die Antragstellerin wird aufgefordert, dem Senat binnen zwei Wochen mitzuteilen, ob und mit welchen Anträgen sie ihre Beschwerde weiterverfolgt.

Gründe:

I.

Die Antragsgegnerin führt derzeit ein Verfahren zur Vergabe von Bauleistungen zur Grundinstandsetzung und Verbesserung der Start- und Landebahn des NATO-Flughafens R. unter der Vergabenummer 24B05 durch.

Diese Baumaßnahme war zuvor Gegenstand der öffentlichen Ausschreibung zur Vergabenummer 145B05, an der sich die Antragstellerin durch Abgabe eines Angebotes beteiligt hatte. Die Antragsgegnerin hob die Ausschreibung auf, nachdem sie festgestellt hatte, dass kein Angebot den Anforderungen der Wertung entsprach.

Sie veröffentlichte sodann einen Aufruf zu einem öffentlichen Teilnahmewettbewerb vor beschränkter Ausschreibung zur Vergabe der genannten Bauleistungen. Die Antragstellerin reichte keinen Teilnahmeantrag ein, rügte aber mit Schreiben vom 29. November 2005 die Durchführung einer beschränkten Ausschreibung und forderte die Antragstellerin zur Ausschreibung in einem offenen Verfahren einschließlich europaweiter Bekanntmachung auf. Nachdem die Antragsgegnerin die Rüge mit der Begründung zurückgewiesen hat, der 4. Teil des GWB finde keine Anwendung, hat die Antragstellerin das vorliegende Nachprüfungsverfahren angestrengt.

Die Vergabekammer hat den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin abgelehnt. Sie hat im wesentlichen darauf abgestellt, dass das Vergaberechtsregime der §§ 97 ff. GWB nicht eröffnet sei, da die Voraussetzungen des § 100 Abs. 2 a) GWB vorlägen.

Dagegen wendet sich die Antragstellerin mit der sofortigen Beschwerde, mit der sie die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und die Durchführung eines offenen Verfahrens mit europaweiter Bekanntmachung erstrebt. Sie macht geltend, dass die Bereichsausnahme des § 100 Abs. 2 GWB keine Anwendung finde.

II.

Der Antrag der Antragstellerin, die aufschiebende Wirkung ihrer sofortigen Beschwerde bis zur Beschwerdeentscheidung gemäß § 118 Abs. 1 S. 3 GWB zu verlängern, ist unbegründet. Das Rechtsmittel der Antragstellerin hat nach der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung voraussichtlich keinen Erfolg.

Dabei kann dahinstehen, ob das streitbefangene Ausschreibungsverfahren dem Vergaberechtsregime unterliegt und unter dem Gesichtspunkt, dass hier eine Ausnahme nach § 100 Abs. 2 lit.a GWB gegeben sein könne, überhaupt einer Nachprüfung durch die Vergabekammer und den Vergabesenat unterworfen ist.

Das Nachprüfungsbegehren der Antragstellerin wäre im Falle seiner Statthaftigkeit jedenfalls als unzulässig zu verwerfen, denn die Wahl des Vergabeverfahrens durch die Antragsgegnerin kann von der Antragstellerin mangels Antragsbefugnis (§ 107 Abs. 2 GWB) nicht zum Gegenstand des Nachprüfungsverfahrens gemacht werden.

Die in § 107 Abs. 2 GWB normierte Antragsbefugnis ist eine Ausformung des Rechtsschutzinteresses, das als allgemeine Verfahrensvoraussetzung in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen ist.

Zwar hat die Antragstellerin, obwohl sie sich nicht an dem Teilnahmewettbewerb beteiligt hat, ihr Interesse an dem Auftrag in prozessual ausreichender Weise durch die Abgabe des Angebots in dem vorangegangenen Vergabeverfahren, die Rüge einer nach ihrer Meinung falschen Vergabeart und die Einleitung des Nachprüfungsverfahrens bekundet (§ 107 Abs. 2 S. 1 GWB).

Sie hat aber nicht dargelegt, dass ihr durch die behauptete Rechtsverletzung ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht (§ 107 Abs. 2 S. 2 GWB).

Sinn und Zweck dieser in Übereinstimmung mit Art. 1 Abs. 3 S. 1 der Rechtsmittelrichtlinie 89/665/EWG vom 21.12.1989 (Abl. L 395/33) stehenden weiteren Berechtigungsvoraussetzung ist zu verhindern, dass ein Bieter, der auch bei ordnungsgemäß durchgeführtem Vergabeverfahren keinerlei Aussicht auf Berücksichtigung seines Angebotes und Erteilung des Zuschlags gehabt hätte, ein - investitionshemmendes - Nachprüfungsverfahren einleiten kann (BT-Drucks. 13/9340, S. 40, Nr. 22). Damit wird zugleich dem Bestreben des Gesetzgebers Rechnung getragen, mit den Verfahrensregeln einen Ausgleich zwischen dem Anspruch des Unternehmers auf effizienten Rechtsschutz und dem Interesse des öffentlichen Auftraggebers an der Vermeidung von Investitionshindernissen zu schaffen (BT-Drucks. 13/9340, S. 12).

Der in der Vorschrift verwandte Schadensbegriff muss demnach unter dem Gesichtspunkt des Primärrechtsschutzes betrachtet und ausgelegt werden. Der Schaden kann nur darin bestehen, dass durch den beanstandeten Vergaberechtsverstoß die Aussichten der antragstellenden Partei auf den Zuschlag zumindest verschlechtert worden sein können (Boesen, Vergaberecht, 1. Aufl. 2000, § 107 Rdnr. 51 ff.; Dreher, in: Immenga/Mestmäcker, Kommentar zum GWB, 3. Aufl. 2001, § 107 Rdnr. 19, Byok, in : Byok/Jaeger, Kommentar zum Vergaberecht, 2. Aufl. 2005, § 107 Rdnr. 974; Senat, Beschluss vom 28.02.2002 - Verg 40/01, NZBau 2003, 173, 174; Beschluss vom 08.09.2004 - Verg 38/04, NZBau 2004, 688). Entscheidend für die Antragsbefugnis ist mithin die Eignung des jeweils gerügten Vergaberechtsverstoßes, eine solche Beeinträchtigung der Zuschlagschancen begründen zu können. Für die Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags ist daher erforderlich aber auch ausreichend, dass der Antragsteller schlüssig behauptet, dass und welche vergaberechtlichen Vorschriften verletzt worden sein sollen und dass er ohne die Rechtsverletzung eine Chance auf Erteilung des Zuschlags hätte, so dass der behauptete eingetretene oder drohende Schaden auf die Verletzung vergaberechtlicher Vorschriften zurückzuführen ist (BGH, VergabeR 2004, 473, 476).

Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall nicht vor.

Es ist weder von der Antragstellerin dargelegt noch sonst ersichtlich, inwieweit durch die Wahl der beschränkten Ausschreibung mit Teilnahmewettbewerb anstelle des von der Antragstellerin reklamierten offenen Verfahrens mit europaweiter Bekanntmachung ihre Leistungs- und Angebotsmöglichkeiten eingeschränkt oder negativ beeinflusst worden sein könnten.

Die Antragstellerin, die an dem streitgegenständlichen Vergabeverfahren nicht teilgenommen hat, kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, ihr drohe infolge der gewählten Verfahrensart bereits dadurch ein Schaden, dass sie sich gegen eine Nichteinbeziehung in den Bieterkreis - unbeschadet der beschwerlicheren und riskanteren Möglichkeit des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes - nicht effektiv zur Wehr setzen könne, während sie im offenen Verfahren stets ein Angebot abgeben könne.

Die Antragsgegnerin hat es nicht in der Hand, durch die Wahl des Verfahrens der Antragstellerin den nach §§ 104 ff. GWB vorgesehenen Rechtsschutz abzuschneiden und sie dadurch faktisch an der Abgabe eines Angebotes zu hindern. Maßgeblich ist insoweit nicht die von der Antragsgegnerin gewählte Verfahrensart, sondern allein die objektive Rechtslage. Die Entscheidung, die Antragstellerin im Falle ihrer Beteiligung am Teilnahmewettbewerb nicht in den Bieterkreis einzubeziehen, könnte diese - die Richtigkeit ihres im Hinblick auf die Geltung des Vergaberechtsregimes vertretenen Rechtsstandpunktes insoweit unterstellt - zum Gegenstand eines vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren machen.

Dass die Antragstellerin nicht in den Bieterkreis einbezogen ist, ist demnach nicht auf die tatsächlich gewählte Verfahrensart und eine damit einhergehende Verkürzung der Rechtschutzmöglichkeiten zurückzuführen, sondern beruht allein darauf, dass die Antragstellerin von der Beteiligung an dem Teilnahmewettbewerb abgesehen hat.

Dass sich die Zuschlagschancen erhöht hätten, wenn die Antragstellerin in einem offenen Verfahren von vornherein ein Angebot hätte unterbreiten und sich nicht zuvor an einem Teilnahmewettbewerb hätte beteiligen müssen, legt die Antragstellerin nicht dar und ist auch nicht ersichtlich.

Soweit sie geltend macht, es habe vor dem Hintergrund, dass die Parteien sich in einer Auseinandersetzung über die Kündigung eines früheren Auftrags befänden, begründeter Anlass zur Sorge bestanden, dass ihr Teilnahmeantrag nicht unvoreingenommen bewertet werde, besteht kein Zusammenhang mit dem gerügten Rechtsverstoß. Ob die in einer anderen Angelegenheit geführte Auseinandersetzung die Antragsgegnerin beeinflusst, ist von der Wahl des Verfahrens unabhängig.

Auch führte die infolge der Wahl der Verfahrensart durch die Antragsgegnerin unterbliebene europaweite Ausschreibung nicht dazu, dass die Antragstellerin keine Kenntnis von der Durchführung des Vergabeverfahrens erlangte und dadurch faktisch an der Teilnahme gehindert war.

Schließlich kann die Antragstellerin auch nicht damit gehört werden, eine Beteiligung an dem tatsächlich durchgeführten Verfahren sei ihr nicht zumutbar gewesen, weil die Antragsgegnerin bereits durch die Wahl der falschen Verfahrensart zum Ausdruck gebracht habe, dass sie nicht gewillt sei, die Vorschriften des 4. Teils des GWB zu beachten. Der allgemeine Hinweis auf die fehlende Rechtstreue der Antragsgegnerin enthebt sie nicht von der Obliegenheit, im einzelnen darzulegen, inwieweit der gerügte Vergaberechtsverstoß ihre Chancen auf einen Zuschlag eingeschränkt hat. Dieses folgt schon aus dem Charakter des Vergabenachprüfungsverfahrens, das gerade nicht im Sinne einer allgemeinen Rechtsmäßigkeitskontrolle darauf angelegt ist, alle denkbaren Vergaberechtsverstöße aufzuspüren und abzustellen.

Es wird im übrigen weder vorgetragen noch ist ersichtlich, dass die Antragstellerin im Falle eines offenen Verfahrens mit europaweiter Bekanntmachung, das unter Umständen sogar zu einer Erweiterung des Bieterkreises geführt hätte, ein anderes, aussichtsreicheres Angebot abgeben könnte als ihr dies im Rahmen des tatsächlich durchgeführten Verfahrens möglich ist.

Der gerügte Verfahrensverstoß ist somit ungeeignet, die Zuschlagschancen der Antragstellerin negativ zu beeinflussen und ihre Antragsbefugnis zu begründen.

III.

Eine Kostenentscheidung ist im Verfahren nach § 118 Abs. 1 S. 3 GWB nicht veranlasst.

Ende der Entscheidung

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