Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 12.01.2009
Aktenzeichen: VII-Verg 67/08
Rechtsgebiete: GWB, BauGB


Vorschriften:

GWB § 72
GWB § 98 Nr. 2
GWB § 111
GWB § 120 Abs. 2
BauGB § 124
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Das Gesuch der Antragstellerin auf weitergehende Akteneinsicht wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Weitergehende Akteneinsicht steht der Antragstellerin nach § 120 Abs. 2 i.V.m. §§ 72, 111 GWB unter Berücksichtigung der Maßstäbe, wie sie der Europäische Gerichtshof in seiner Entscheidung vom 14.02.2008 (C-450/06) und der Senat mit Beschluss vom 28.12.2007 (VII-Verg 40/07) entwickelt haben, nicht zu. Der Senat hat dabei in die fraglichen Aktenbestandteile, soweit sie ihm zur Verfügung standen, Einblick genommen (vgl. EuGH, a.a.O.).

1.

Die Bestandteile der Akten der Antragsgegnerin zu 2., in die die Antragstellerin bisher keinen Einblick hat nehmen können, enthalten Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse. Sie enthalten die internen Vorstellungen der Antragsgegnerin zu 2. über eine Bebauung und Weiterentwicklung ihrer Grundstücke, die Möglichkeiten der Erschließung sowie Kostenschätzungen (Ordner B-Plan-Verfahren). Des Weiteren enthalten sie Namen potentieller Käufer sowie deren Anfragen (Ordner Korrespondenz Interessenten). Nach dem Vorbringen der Antragstellerin ist sie in beiden Fällen Wettbewerberin, und zwar zum einen im Hinblick auf die Antragsgegnerin zu 2. um den Abschluss eines städtebaulichen Vertrages mit der Antragsgegnerin zu 1. und im Hinblick auf die Interessenten um den Erwerb von Grundstücken bzw. Grundstücksteilen von der Antragsgegnerin zu 2. Durch die Kenntnisnahme weiterer Aktenbestandteile erhielte sie sie in einem weitgehenden Umfange Kenntnis von den Vorstellungen dieser Konkurrenten. Diese Kenntnisse könnte die Antragstellerin sich bei der Einreichung eigener Angebote zunutze machen, was um so schwerer wiegt, als Fristen für die Einreichung von Angeboten bisher noch nicht gesetzt worden sind.

Die Antragstellerin ist auf die Einsicht in die fraglichen Aktenbestandteile auch nicht angewiesen. Soweit ihr Inhalt für die Vergabenachprüfungsverfahren überhaupt von Belang sein könnte, enthalten sie im Wesentlichen nicht mehr als das, was ihr bereits bekannt ist; ihre Kenntnis ist für die Wahrung der Rechte der Antragstellerin nicht notwendig. Sie enthalten nichts dazu, was darauf hindeuten könnte, dass die Antragsgegnerin zu 1. den Abschluss eines städtebaulichen Vertrages mit jemand anderem als der Antragsgegnerin zu 2. (und anderer Grundstückseigentümer) in Erwägung zieht und dass der Zeitpunkt des Abschlusses etwaiger Kaufverträge über Grundstücke der Antragsgegnerin zu 2. und ihr Inhalt noch offen sind.

Unter diesen Umständen ist die Offenlegung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen der Antragsgegnerin zu 2. und der Interessenten nicht geboten.

2.

Das Verlangen der Antragstellerin auf Vorlage weiterer Akten der Antragsgegnerin zu 1. ist unbegründet.

Soweit die Antragstellerin die Vorlage von Akten über die Aufstellung des Bebauungsplans als solche verlangt, sind sie für das Nachprüfungsverfahren von vornherein unerheblich. Weder das Verfahren noch der Inhalt der Bebauungsplanung einer Gemeinde kann in einem Vergabenachprüfungsverfahren überprüft werden. Die Gemeinde kann insoweit von vornherein keine vertraglichen Bindungen eingehen. Eine Einsichtnahme kann insoweit erst im Rahmen der Offenlegung des Entwurfs eines Bebauungsplans oder verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes gegen einen Bebauungsplan genommen werden.

Nach den Erklärungen der Antragsgegnerin zu 1. liegen - über die öffentlichen Vorlagen für Ausschüsse hinaus - bisher allenfalls intern gebliebene Vorüberlegungen über den Inhalt städtebaulicher Verträge vor, die auch den potentiellen Vertragspartnern bisher noch nicht bekannt gegeben worden sind. Bisher sind sie mithin reines Internum der Antragsgegnerin zu 1. In dieser Phase sind etwaige Entwürfe als Betriebs- und Geschäftsgeheimnis anzusehen. Es ist bereits fraglich, ob in diesem Stadium, in dem die Antragsgegnerin zu 1. - ohne weitere Kontaktaufnahme mit potentiellen Vertragspartnern - ihre Vorstellungen über den Inhalt eines Vertrages formuliert, überhaupt bereits ein konkretes Vergabeverfahren begonnen hat. Jedenfalls ist eine Kenntnis von deren Inhalt zur Gewährung wirksamen Rechtsschutzes nicht erforderlich, solange Entwürfe nicht nach außen gelangt sind.

Die Antragsgegnerin zu 1. wird allerdings in dem Zeitpunkt, zu dem sie Entwürfe Dritten (wozu u.a. in diesem Falle auch die Antragsgegnerin zu 2. zählt) zur Kenntnis bringt, zur Gerichtsakte nachzureichen haben.

II.

Der Senat weist auf Folgendes hin:

Grundstücksverkäufe sind als solche nicht vergaberechtspflichtig, sondern nach der Rechtsprechung des Senats nur dann, wenn sie in unmittelbarem Zusammenhang mit der Vergabe von Bauaufträgen stehen, sei es, dass Bauaufträge Bestandteil des Vertrages/Vertragspakets über einen Grundstücksverkauf sind, sei es, dass der Grundstücksverkauf die Entscheidung über die Vergabe von Bauaufträgen präjudiziert.

Im Verhältnis zwischen städtebaulichen Verträgen der Antragsgegnerin zu 1. und Grundstücksverkäufen der Antragsgegnerin zu 2. ist dies nach dem bisherigen Akteninhalt nicht der Fall. Etwaige Verträge sollen allein zwischen der Antragsgegnerin zu 1. und der Antragsgegnerin zu 2. (sowie anderen Grundstückseigentümern, was aber nicht Gegenstand des Vergabenachprüfungsverfahrens ist), nicht aber mit Erwerbern der Grundstücke bzw. von Grundstücksteilen geschlossen werden. Damit präjudizieren etwaige Grundstücksverkäufe der Antragsgegnerin zu 2. nicht die Frage, mit wem die Antragsgegnerin zu 1. städtebauliche Verträge abschließen will.

Ob der Abschluss eines städtebaulichen Vertrages der Antragsgegnerin zu 1. und zwar mit der Antragsgegnerin zu 2. (gedacht ist wohl an einen Erschließungsvertrag nach § 124 BauGB) dem Kartellvergaberecht unterliegt, ist auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Senats unklar.

Allerdings scheidet eine Anwendung des Vergaberechts nicht bereits deswegen aus, weil es sich dabei um eine "Inhouse-Vergabe" handelte. Dem steht der Charakter der Antragsgegnerin zu 2. als Aktiengesellschaft entgegen (vgl. BGH, VergabeR 2008, 925; s. auch EuGH, Urteil vom 13.11.2008 - C-324/07 - unter Rdnr. 37).

Jedoch ist unklar, ob die Voraussetzungen für die Leistung eines Entgelts durch die Antragsgegnerin zu 1. bzw. für eine Baukonzession vorliegen.

Ein Entgelt der Antragsgegnerin zu 1. an die Antragsgegnerin zu 2. für die Durchführung von Erschließungsleistungen läge nur dann vor, wenn man - über die Entscheidung des EuGH vom 12.07.2001 (C-399/98 - Teatro alla Bicocca) hinaus - bereits in der dadurch bedingten fehlenden Möglichkeit der Antragsgegnerin zu 1. zur Erhebung von Erschließungsbeiträgen ein Entgelt erblickte (ablehnend Würfel/Butt, NVwZ 2003, 153; Antweiler NZBau 2003, 93).

Hinsichtlich einer Baukonzession müssten folgende Punkte diskutiert werden:

- Der Senat hat in seiner bisherigen Rechtsprechung das dem Konzessionär eingeräumte "Recht auf Nutzung der baulichen Anlage" in dem veräußerten und zu bebauenden Grundstück erblickt. Diese Argumentation trägt nicht in den Fällen, in denen der Vertragspartner bereits Eigentümer des Grundstücks ist (ablehnend daher Hoffmann, LKV 2008, 487, 489/490; Burgi, NVwZ 2008, 929, 934/935; anders aber Ziekow, DVBl. 2008, 138, 144/145; Busch VergabeR 2003, 622, 623; s. auch Amelung/Dörn, VergabeR 2007, 644, 646/647 ).

- Stellt es auch eine "Nutzung der baulichen Anlage" dar, wenn diese selbst kostenlos an die Gemeinde zu übertragen ist und der Konzessionär lediglich die nicht bebauten, aber nunmehr erschlossenen Grundstücksteile (z.B. durch Verkauf) nutzen kann ?

- Welche Bedeutung haben die Hinweise des EuGH in seiner Entscheidung vom 12.07.2001 über die fehlende Auswahlmöglichkeit der Gemeinde ?

Die Antragsgegnerin zu 1. kann den Inhalt des von ihr auszuschreibenden städtebaulichen Vertrages selbst bestimmen. Die Antragstellerin kann im Rahmen eines Vergabenachprüfungsverfahrens nicht mit Erfolg geltend machen, sie wolle zwar mit der Antragsgegnerin auch einen städtebaulichen Vertrag, jedoch mit anderem Inhalt abschließen. Es ist allein Sache der Antragsgegnerin zu 1., den Inhalt eines Bebauungsplanes zu bestimmen; dieser kann im Rahmen eines Vergabenachprüfungsverfahrens nicht angegriffen werden.

Sollte die Antragsgegnerin zu 2. Grundstücke veräußern wollen, wäre dies nach dem gegenwärtigen Aktenstand nur dann "vergaberechtspflichtig", wenn diese Verträge selbst (im Sinne der Rechtsprechung des Senats) Bauaufträge enthielten.

Es sei allerdings darauf hingewiesen, dass die Vergabe von Bauaufträgen durch die Antragsgegnerin zu 2. - unabhängig von ihrer etwaigen Stellung als Baukonzessionärin - bereits deshalb auszuschreiben ist, weil sie als öffentliche Auftraggeberin im Sinne des § 98 Nr. 2 GWB anzusehen wäre; insoweit ist auf die Entscheidung des EuGH vom 10.04.2008 - C-393/06 zu verweisen.

Die Antragstellerin mag sich dazu äußern, ob sie unter diesen Bedingungen an dem Abschluss eines städtebaulichen Vertrages mit der Antragsgegnerin zu 1. interessiert ist, insbesondere mit Inhalten, der ihren Vorstellungen über eine spätere Nutzung möglicherweise keine Rechnung trägt, sowie ohne eine hinreichende Gewissheit darüber, ob und zu welchen Bedingungen die Antragsgegnerin zu 2. ihr später das Eigentum an bestimmten Grundstücken übertragen will. Die Antragstellerin mag sich des Weiteren dazu erklären, wie sie die nach einem städtebaulichen Vertrag notwendigen Arbeiten ohne die Zustimmung der Antragsgegnerin zu 2. als gegenwärtiger Grundstückseigentümerin durchführen will. Erschließungsverträge nach § 124 BauGB können zumindest de facto nur mit den Grundstückseigentümern bzw. von ihnen beauftragen Investoren geschlossen werden; der Vollzug eines Vertrages mit einem Vertragspartner, der nicht im Einvernehmen mit dem Grundstückseigentümer handelt, wäre unmöglich. Auf eine Zustimmung der Antragsgegnerin zu 2. dazu dürfte kein Anspruch bestehen. Im Übrigen wäre völlig unklar, wie sich die Antragstellerin ohne eine Mitwirkung der Antragsgegnerin zu 2. refinanzieren will.

Ende der Entscheidung

Zurück