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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 09.11.2005
Aktenzeichen: VII-Verg 78/05
Rechtsgebiete: VOL/A, GWB, BBiG


Vorschriften:

VOL/A § 2 Nr. 1 Abs. 2
VOL/A § 25 Nr. 2 Abs. 2
VOL/A § 25 Nr. 2 Abs. 2 S. 1
VOL/A § 25 Nr. 2 Abs. 2 S. 2
VOL/A § 25 Nr. 2 Abs. 3
GWB § 118 Abs. 1 S. 3
BBiG § 27
BBiG § 27 Abs. 1 Nr. 1
BBiG § 27 Abs. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

I. Der Antrag der Antragstellerin, die aufschiebende Wirkung ihrer sofortigen Beschwerde gegen den Beschluss der 1. Vergabekammer des Bundes vom 10. Oktober 2005 (VK 1 - 131/05) bis zur Beschwerdeentscheidung zu verlängern, wird abgelehnt.

II. Der Antrag der Antragsstellerin auf Akteneinsicht wird abgelehnt.

III. Die Antragstellerin wird gebeten, dem Senat innerhalb von zwei Wochen ab Zugang dieses Beschlusses mitzuteilen, ob und ggfls. mit welchen Anträgen sie die Beschwerde aufrechterhalten wird.

IV. Die Antragsgegnerin wird aufgefordert, einen etwaigen Zuschlag in geeigneter Form schriftlich nachzuweisen.

Gründe:

I.

Der Antragsgegnerin schrieb die Leistungen einer behindertenspezifischen Ausbildung zum Beikoch und zur Fachkraft Gastgewerbe und Hauswirtschaftshelferin im Bezirk des Regionalen Einkaufszentrums H. europaweit aus. Die Antragstellerin und der Beigeladene reichten zum Los 1 Angebote ein. Das Angebot der Antragstellerin sieht für die Ausbildungsgänge zum Beikoch und zur Fachkraft im Gastgewerbe eine Ausbildung in ihrem Restaurationsbetrieb vor. Der Beigeladene beabsichtigt, die Ausbildungen in einer Lehrküche bzw. in einem Lehrrestaurant durchzuführen.

Unter dem 31.8.2005 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit, dass sie den Zuschlag auf das Angebot des Beigeladenen erteilen werde. Den Rügen der Antragstellerin half die Antragsgegnerin nicht ab.

Die Vergabekammer hat den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin mit Beschluss vom 10.10.2005 abgelehnt und ausgeführt: Soweit die Antragstellerin beanstande, dass der Angebotspreis des Beigeladenen unauskömmlich sei, sei der Nachprüfungsantrag unzulässig. Die Voraussetzungen, unter denen die Norm des § 25 Nr. 2 Abs. 3 VOL/A ausnahmsweise bieterschützenden Charakter habe, seien nicht erfüllt. Im Übrigen genüge das Angebot des Beigeladenen den Anforderungen der Verdingungsunterlagen. Diesen sei entgegen der Ansicht der Antragstellerin nicht zu entnehmen, dass die Ausbildung in einer Betriebsstätte mit realem Geschäftsbetrieb stattzufinden habe.

Gegen die Zurückweisung des Nachprüfungsantrags wendet sich die Antragstellerin mit ihrer sofortigen Beschwerde. Daneben beantragt sie, die aufschiebende Wirkung ihres Rechtsmittels zu verlängern und ihr Einsicht in den Vordruck C.5.1 des Angebots des Beigeladenen sowie den Schriftwechsel zwischen dem Beigeladenen und der Antragsgegnerin aus Anlass der Kalkulationsprüfung zu gewähren.

II.

Der Antrag der Antragstellerin, die aufschiebende Wirkung ihrer sofortigen Beschwerde gemäß § 118 Abs. 1 S. 3 GWB zu verlängern, ist unbegründet, weil das Rechtsmittel voraussichtlich keinen Erfolg haben wird.

1. Entgegen der Ansicht der Antragstellerin ist das Angebot des Beigeladenen nicht aus der Wertung zu nehmen.

Ein Ausschlussgrund ergibt sich nicht gemäß § 25 Nr. 2 Abs. 2, 3, § 2 Nr. 1 Abs. 2 VOL/A. Die Antragsgegnerin hat, obwohl ihr das Angebot nicht ungewöhnlich niedrig erschien, im Hinblick auf die Rügen der Antragstellerin das Angebot der Beigeladenen einer Prüfung gemäß § 25 Nr. 2 Abs. 2 S. 1 und 2 VOL/A unterzogen. Die eingereichten Kalkulationsunterlagen des Beigeladenen haben nicht ergeben, dass, wie die Antragstellerin behauptet, ein sog. "Unterkostenangebot" vorliegt. Auch für ein offenbares Missverhältnis des Angebotspreises zur Leistung bestehen keine Anhaltspunkte. Schließlich ist auch nicht feststellbar, dass der Beigeladene mit seinem Preisangebot wettbewerbsbeschränkende oder unlautere Zwecke verfolgt, namentlich die Antragstellerin ganz aus dem Markt drängen will.

b) Das Angebot des Beigeladenen genügt den Anforderungen der Ausschreibung. Zu Recht hat die Vergabekammer entschieden, dass nach den Verdingungsunterlagen ein öffentlicher Restaurantbetrieb als Ausbildungsstätte nicht vorgeschrieben war. Eine "reale" Ausbildungsstätte wird zwar wegen ihrer Praxisnähe den Ausbildungszwecken in der Regel besser entsprechen; dies gilt für behinderte wie für nichtbehinderte Auszubildende gleichermaßen. Dessen ungeachtet stand es jedoch im Ermessen der Antragsgegnerin, eine reale Ausbildungsstätte zu fordern oder davon abzusehen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den Bestimmungen des Bundesbildungsgesetzes. Gemäß § 27 Abs. 1 Nr. 1 BBiG muss die Ausbildungsstätte nach Art und Einrichtung für die Berufsausbildung "geeignet" sein. Bestimmte Vorgaben macht das Gesetz hierzu nicht, auch nicht für die Ausbildung behinderter Menschen (§§ 64, 65 Abs. 1 S. 1 BBiG).

Dass die Ausbildungsstätte des Beigeladenen für die ausgeschriebenen Ausbildungsgänge generell ungeeignet wäre, ist nicht anzunehmen. Im Gegenteil: das Angebot des Beigeladenen erfüllt auch die besonderen Voraussetzungen des § 27 Abs. 4 BBiG. Nach dieser Bestimmung ist eine Ausbildungsstätte nach Art und Einrichtung für die Berufsausbildung in Berufen der Hauswirtschaft (nur) geeignet, wenn sie von der nach Landesrecht zuständigen Behörde als Ausbildungsstätte anerkannt ist. Über eine solche staatliche Anerkennung verfügt der Beigeladene. Die seinem Angebot beigefügte Bescheinigung der IHK Kassel vom 25.7.2005 bestätigt für die Ausbildung der in Rede stehenden Berufe die Eignung der dem Angebot zugrundeliegenden Bildungseinrichtung "aufgrund einer durchgeführten Eignungsfeststellung nach § 27 BBiG". Zu Unrecht meint die Antragstellerin, die Bescheinigung sei unergiebig, weil sie nur die Eignung für eine "überbetriebliche Berufsausbildung" ausspreche und es hier um eine Ausbildung im sog. integrativen Modell gehe. Zum Begriff des integrativen Modells heißt es unter Abschnitt B.1.1 der Verdingungsunterlagen:

Integratives Modell: es wird ein Vertragsverhältnis zwischen Teilnehmer und Auftragnehmer beschlossen. Die fachpraktische und fachtheoretische Unterweisung obliegt dem Auftragnehmer. Die Ausbildung wird durch betriebliche Praktika ergänzt. Es sind Praktikantenverträge zwischen Auftragnehmer, Teilnehmer und Praktikantenbetrieb zu schließen. Praktikumsbetriebe müssen auch die Ausbildungseignung für den gewählten Berufsbereich vorweisen.

Gemessen an diesen Anforderungen ist nicht ersichtlich, weshalb die Bescheinigung der IHK vom 25.7.2005 nicht auch die Eignung für die ausgeschriebenen Ausbildungsgänge bestätigen soll. Das integrative Modell sieht betriebliche Praktika in externen Drittbetrieben vor, nicht aber, dass der Auftragnehmer für die sonstige fachpraktische Unterweisung reale Betriebsstätten bereitzuhalten hätte.

3. Der Beigeladene hat sein Angebot nach der Öffnung nicht verändert. Schon die Vergabekammer hat ausgeführt, dass das Schreiben des Beigeladenen vom 16.9.2005, welches die Antragstellerin auf S. 15, 16 ihrer Beschwerdeschrift vom 26.10.2005 zur Begründung ihres Verdachts erneut zitiert, lediglich die Kalkulation im Rahmen der Überprüfung nach § 25 Nr. 2 Abs. 2 VOL/A betroffen habe. Die Antragstellerin äußert daran "erhebliche Zweifel", denn die Beigeladene habe in jenem Schreiben ausdrücklich von "geänderten" Erläuterungen zum Preisblatt und der Kalkulation gesprochen. Der Senat hat den Schriftwechsel abermals geprüft. Er betrifft nur die Kalkulation des Beigeladenen. Das Angebot wurde nicht verändert, namentlich auch nicht in Bezug auf den Preis.

III.

Dem Antrag der Antragstellerin auf eine erweiterte Akteneinsicht ist nicht zu entsprechen. Die vorstehenden Aussagen zeigen, dass die Antragstellerin der nachgesuchten Akteneinsicht nicht bedarf.

IV.

Eine Kostenentscheidung ist nicht angezeigt. Bei den Kosten des Verfahrens nach § 118 Abs. 1 Satz 3 GWB handelt es sich um Kosten des Beschwerdeverfahrens, über die einheitlich im Rahmen der Entscheidung über die Hauptsache zu befinden ist.

Ende der Entscheidung

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