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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 05.04.2006
Aktenzeichen: VII-Verg 8/06
Rechtsgebiete: GWB, BGB


Vorschriften:

GWB §§ 97 ff.
GWB § 102
GWB § 107
GWB § 107 Abs. 2
GWB § 114 Abs. 1
GWB § 114 Abs. 2 S. 1
BGB § 119
BGB § 123
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Der Beschluss der 2. Vergabekammer des Bundes vom 23.01.2006, Az. VK 2-168/05, wird aufgehoben, soweit der Antragsgegnerin darin aufgegeben wor-den ist, das Vergabeverfahren "Öffentliche Ausschreibung von Unterschrän-ken/Bearb.-Nr.: 9/3A6F/5A257" bezüglich des Loses 2 aufzuheben.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragsgegnerin.

Der Gegenstandswert beläuft sich auf 1.129,43 €.

Gründe:

I.

Die Antragsgegnerin schrieb im Juli 2005 im offenen Verfahren die Beschaffung von Unterschränken (Bearb.-Nr. : 9/3A6F/5A257) in 4 Losen europaweit aus.

Die verschiedenen Lose bestehen aus fahrbaren Containern und Unterschränken, jeweils auszuführen gemäß den Technischen Lieferbedingungen 7110-0102.

Diese enthalten neben dem Hinweis "an keinen Hersteller gebunden" u.a. folgende Bestimmung:

"Einbauteile wie Schubkästen, Materialschalen, Auszugsausführungen, Zentralverschlüsse usw. sind gemäß Zeichnungssatz und Stücklisten auszuführen. Alternativ ist das System "Top 2000 Stahl: Stop-Control-Plus" der Firma He... zugelassen.(...)".

Zudem wird in den beigefügten Stücklisten bei zahlreichen Positionen auf einen weiteren Hersteller, die Firma H..., Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 15.09.2005 kündigte die Antragsgegnerin der Antragstellerin an, ihr den Zuschlag zum Los 2 mit einem Auftragswert von 22.588,68 € zu erteilen. Dagegen könnten die Angebote zu den Losen 1, 3 und 4 aus preislichen Gründen nicht berücksichtigt werden. Nachdem andere Bieter keine Einwände erhoben hatten, erteilte sie ihr am 05.10.2005 den Auftrag für Los 2.

Nachdem die Antragsgegnerin am 08.11.2005 gegenüber der Antragstellerin zunächst erklärt hatte, infolge einer erforderlich gewordenen Neubewertung der Angebote werde sie voraussichtlich den Zuschlag für die Lose 2 sowie 3 und 4 erhalten, teilte sie ihr mit Schreiben vom 05.12.2005 mit, dass die angebotene Produktausführung der Unterschränke den Vorgaben der Technischen Lieferbedingungen nicht entspreche, so dass die vorgesehene weitere Beauftragung nicht erfolgen und der bereits erteilte Auftrag zurückgezogen werde. Unter dem 06.12.2005 informierte die Antragsgegnerin darüber, dass der Zuschlag für das Los 2 an die Beigeladene zu 1) und der Zuschlag für die Lose 3 und 4 an die Beigeladene zu 2) ergehen solle.

Mit Schreiben vom 08.12.2005 rügte die Antragstellerin die beabsichtigte Auftragsvergabe als vergaberechtsfehlerhaft. Die Antragsgegnerin lehnte es ab, der Rüge abzuhelfen und berief sich zur Begründung darauf, dass von der Antragsstellerin nicht die nach den technischen Ausschreibungsvorschriften vorgesehenen Einschübe eingebaut würden, sondern solche, die von den in den Technischen Lieferbedingungen aufgeführten und bisher eingeführten Systemen abwichen. Aus logistischen Gründen und zur Gewährleistung einer kontinuierlich zügigen und kostengünstigen Instandsetzung der Unterschränke sei aber der Einsatz von Beschlägen der dort genannten Firmen He... und H... oder baugleicher Qualität erforderlich. Zudem sei eine Begutachtung des Vorserienmodells nicht möglich, weil dieses erst in Osteuropa gefertigt werden müsse und nicht vor Ort vorhanden sei.

In dem darauf hin eingeleiteten Nachprüfungsverfahren begehrte die Antragstellerin, die Antragsgegnerin zu verpflichten, die Ausschreibung gemäß der schriftlichen Ankündigung vom 08.11.2005 zu den Losen 2, 3 und 4 an sie zu vergeben.

Mit Beschluss vom 23.Januar 2006 (VK 2 - 168/05) gab die Vergabekammer der Antragsgegnerin auf, das in Rede stehende Vergabeverfahren aufzuheben.

Der Nachprüfungsantrag sei begründet. Indem in den Zeichnungssätzen auf die Systeme der Hersteller "He..." und "H..." abgestellt werde, habe die Antragsgegnerin in den von ihr verwandten Technischen Lieferbedingungen die vergaberechtlich erforderliche Produktneutralität der Verdingungsunterlagen nicht gewahrt.

Das Angebot der Antragstellerin habe auch nicht deswegen von der weiteren Wertung ausgeschlossen werden dürfen, weil sie zum Zeitpunkt des Beginns der Güteprüfung noch kein Prüfmuster habe vorstellen können. Die Vorlage eines Erstmusters während der Wertungsphase sei kein Wertungskriterium gewesen, so dass für einen Ausschluss des Angebotes zu den Losen 3 und 4 keine Rechtsgrundlage bestanden habe. Die Rücknahme des Zuschlags in Los 2 sei ungerechtfertigt, da die Antragstellerin angesichts des Liefertermins frühestens am 31.03.2006 Anfang Dezember 2005 noch nicht zur Vorstellung eines Erstmusters verpflichtet gewesen sei.

Zur Beseitigung des festgestellten Vergaberechtsfehlers sei die Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Aufhebung der Ausschreibung erforderlich, da das Vergabeverfahren bereits von Beginn an durch den Rechtsverstoß geprägt sei. Insbesondere sei eine vergaberechtskonforme Wertung der Angebote und ein entsprechender Zuschlag auf der Grundlage der vorliegenden Ausschreibung nicht möglich.

Mit ihrer sofortigen Beschwerde wendet sich die Antragstellerin dagegen, dass die Antragsgegnerin durch den angefochtenen Beschluss angewiesen worden ist, auch das Vergabeverfahren zu Los 2 aufzuheben. Durch die Aufhebung des gesamten Vergabeverfahrens habe die Vergabekammer entgegen der Vorschrift des § 114 Abs. 2 S. 1 GWB den bereits erteilten Zuschlag aufgehoben.

Sie beantragt, den Beschluss der Vergabekammer aufzuheben, soweit der Antragsgegnerin aufgegeben worden ist, die Ausschreibung Nr. 9/3A6F/5A257 auch zum Los 2 aufzuheben.

Die Antragsgegnerin beantragt, die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.

Sie hält das Nachprüfungsverfahren für unzulässig, soweit bereits ein Zuschlag erteilt worden sei.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin hat Erfolg.

1.

Das Rechtsmittel ist zulässig.

Die Antragstellerin ist durch den angefochtenen Beschluss formell und materiell beschwert.

Mit dem Nachprüfungsantrag wollte sie erreichen, dass die von der Antragsgegnerin mit Schreiben vom 05.12.2005 erklärte Rücknahme des Auftrages sowie die mit Schreiben vom 06.12.2005 erteilte Bieterinformation, wonach die Beigeladenen die 1) und 2) die Zuschläge zu den Losen 2 bis 4 erhalten sollten, revidiert werden und die Antragsgegnerin zur Vergabe dieser Lose 2 bis 4 an sie verpflichtet wird.

Hinter diesem Rechtsschutzziel bleibt die Entscheidung der Vergabekammer zurück, da - nur - die Aufhebung des gesamten Vergabeverfahrens angeordnet worden und aufgrund der Ankündigung der Antragsgegnerin vom 06.12.2005 eine Berücksichtigung der Antragstellerin bei einer erneuten Durchführung des Vergabeverfahrens ungewiss ist.

Das Rechtsschutzbedürfnis der Antragstellerin folgt daraus, dass der angefochtene Beschluss, obgleich er eine der Vorschrift des § 114 Abs. 2 S. 1 GWB widersprechende Rechtsfolge anordnet, nicht nichtig oder unwirksam ist, sondern in Bestandskraft erwachsen konnte und die daran gebundene Antragsgegnerin das gesamte Vergabeverfahren wiederholen muss. Der Beeinträchtigung ihrer Rechtsposition infolge des durch ein erneutes Vergabeverfahren drohenden faktischen Verlustes des ihr bereits erteilten Zuschlags zu Los 2 kann die Antragstellerin nur durch die Einlegung der sofortigen Beschwerde begegnen.

2.

Die Beschwerde ist auch begründet.

a.

Entgegen der Rechtsauffassung der Antragsgegnerin ist der Nachprüfungsantrag zulässig. Auch nach der Erteilung des Zuschlages zu Los 2 bestand die Antragsbefugnis fort.

Gemäß § 107 Abs. 2 GWB ist ein Unternehmen im Vergabeverfahren antragsbefugt, wenn es ein Interesse am Auftrag hat, eine Verletzung in seinem Recht auf Einhaltung der Vergabebestimmungen geltend macht (§ 97 Abs. 7 GWB) und darlegen kann, dass ihm durch die behauptete Verletzung der Vergabevorschriften ein Schaden zu entstehen droht. § 107 Abs. 2 GWB normiert insoweit für das Vergabenachprüfungsverfahren das Erfordernis eines Rechtsschutzbedürfnisses. Zur Darlegung der Antragsbefugnis ist ein Sachvortrag erforderlich, aus dem sich schlüssig und nachvollziehbar ergibt, dass durch die gerügten Verstöße gegen die Vergabebestimmungen die Aussichten des Antragstellers auf den Zuschlag beeinträchtigt worden sind oder sich die Zuschlagschancen zumindest verschlechtert haben (vgl. Senat, Beschluss vom 05.07.2000, - Verg 5/99 - ,NZBau 2001, 106, 111; Beschluss vom 05.03.2001 - Verg 2/01 -, VergabeR 2001, 234, 235).

Danach ist ein Nachprüfungsantrag grundsätzlich unzulässig, sobald das Vergabeverfahren durch wirksame Erteilung des Zuschlags an einen Bieter abgeschlossen ist (BGH, Beschluss vom 19.12.2000 - X ZB 14/00 - NZBau 2001, 151, 152; Senat, Beschluss vom 24.09.2002 - Verg 48/02 -; Umdruck S. 5; Beschluss vom 13.04.1999 - Verg 1/99 - WuW/E Verg 223; BayObLG, Beschluss vom 07.10.1999 - Verg 3/99 -NZBau 2000, 92; Byok in Byok/Jaeger, Komm. zum Vergaberecht, 2. Aufl. 2005, § 107 Rdnr. 958). Denn das in §§ 97 ff. GWB geregelte Vergabeverfahren soll sicherstellen, dass Aufträge öffentlicher Auftraggeber nur in einem förmlichen, transparenten Verfahren einem Bieter erteilt werden. Während des Vergabeverfahrens haben die sich hieran beteiligenden Unternehmen deshalb Anspruch darauf, dass der öffentliche Auftraggeber die Bestimmungen über das Vergabeverfahren einhält. Dieser Anspruch kann vor den Vergabekammern und Senaten verfolgt werden, deren Aufgabe es gemäß § 114 Abs. 1 GWB ist, auf die Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens einzuwirken und die geeigneten Maßnahmen zu treffen, um eine Rechtsverletzung zu beseitigen und die Schädigung der betroffenen Interessen zu verhindern (vgl. Byok, aaO, Rdnr 958 aE). Auch ohne eine dies ausdrücklich regelnde Bestimmung ist die in §§ 102, 107 GWB vorgesehene Möglichkeit der Anrufung der Vergabekammer demnach auf die Zeit beschränkt, in der noch auf die Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens eingewirkt werden kann.

Obgleich im Streitfall von einer wirksamen Erteilung des Zuschlages und damit von einer materiellen Beendigung des Vergabeverfahrens zu Los 2 auszugehen ist, hat die Antragstellerin dadurch ihre Antragsbefugnis nicht verloren. Die in der Zurücknahme des Auftrages und Ankündigung der anderweitigen Vergabe liegende - rechtswidrige - Wiederaufnahme des Vergabeverfahrens durch die Antragsgegnerin beeinträchtigte sie zwar nicht in ihrer Chance auf Erteilung des Zuschlags, aber in ihrem Recht auf Einhaltung der Vergabebestimmungen. Die Wiederaufnahme eines durch wirksame Zuschlagserteilung bereits abgeschlossenen Vergabeverfahrens stellt nicht nur eine zivilrechtliche Erfüllungsverweigerung, sondern auch einen Vergaberechtsverstoß dar. Dass neben die zivilrechtliche auch eine vergaberechtliche Bindung tritt, ergibt sich aus § 114 Abs. 2 S. 1 GWB, der die Bindungswirkung des erteilten Zuschlags anordnet.

Durch das Verhalten der Antragsgegnerin drohte der Antragstellerin zudem auch ein Schaden in Form des - faktischen - Verlustes des ihr bereits erteilten Zuschlags.

Entgegen der Rechtsansicht der Antragsgegnerin ist die Antragstellerin zur Wahrung ihres rechtlichen Interesses am Bestand des Zuschlages und der Durchführung des Vertrages nicht auf den Rechtsschutz vor den Zivilgerichten zu verweisen.

Zwar kann sich nach Beendigung des Vergabeverfahrens durch wirksame Erteilung des Zuschlages an einen Bieter das Interesse der nicht berücksichtigten Bieter nur noch auf - vor den Zivilgerichten zu verfolgenden - Schadensersatz richten, weil die Vergabekammer gemäß § 114 Abs. 2 S. 1 GWB gehindert ist, die Zuschlagserteilung rückgängig zu machen und dadurch das Vergabeverfahren wieder zu eröffnen.

Hingegen richtet sich das Interesse der Antragstellerin darauf, den faktischen Verlust des Zuschlages durch das Nachprüfungsverfahren noch abzuwenden. Insoweit unterscheidet sich der Streitfall maßgeblich von dem Sachverhalt, der der Entscheidung des Senates vom 5. März 2001 (Verg 2/01, VergR 2001, 234, 235) zugrunde lag. Dort hatte der Senat die Antragsbefugnis der Antragstellerin mit der Begründung verneint, eine Beeinträchtigung ihrer Zuschlagschancen sei infolge des an sie ergangenen Zuschlags ausgeschlossen. Während in der zitierten Entscheidung aber die Bindungswirkung der Zuschlagserteilung vom Auftraggeber nicht in Frage gestellt wurde und eine Beeinträchtigung der Antragstellerin unter diesem Gesichtspunkt ausschied, hat die Antragsgegnerin das Vergabeverfahren als nicht abgeschlossen behandelt und der Antragstellerin den Zuschlag streitig gemacht.

Die in der damaligen Entscheidung ausdrücklich offengelassene Frage, ob die Antragsbefugnis überhaupt aus jenseits der Zuschlagschancen liegenden Beeinträchtigungen rechtlicher und wirtschaftlicher Art hergeleitet werden kann, ist demnach jedenfalls für den Fall zu bejahen, dass infolge des Verhaltens des öffentlichen Auftraggebers der faktische Verlust eines bereits erteilten Zuschlages droht.

Zur Wahrung seines Interesses auf den Erhalt des Zuschlages ist der betroffene Bieter auf vergaberechtlichen Primärrechtsschutz angewiesen.

Infolge der Struktur und Ausgestaltung des Zivilrechtsschutzes, insbesondere des vorgesehenen Instanzenzuges und der damit zwangsläufig verbundenen möglichen Dauer eines zivilrechtlichen Rechtsstreits besteht, wenn der Zivilrechtsweg beschritten wird, die Gefahr, dass der erste Zuschlag durch eine spätere anderweitige Bezuschlagung überlagert und der Vertrag im Zeitpunkt der Entscheidung schon ausgeführt ist. In diesem Fall könnte nur noch Sekundärrechtsschutz erlangt werden. Die Reduzierung der Rechtsschutzmöglichkeiten desjenigen Antragstellers, der den drohenden Verlust des bereits erteilten Zuschlages abwenden möchte, im Vergleich zu dem Bieter, der seine Chancen auf Erteilung des Zuschlages zu wahren sucht und dem für dieses Rechtsschutzziel Primärrechtsschutz zur Verfügung steht, ist mit Blick auf das in beiden Fällen bestehenden Schutzbedürfnis aber nicht gerechtfertigt. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass in der in Rede stehenden Konstellation die Beeinträchtigung einer bereits gefestigten Rechtsposition droht, während in einem laufenden Vergabeverfahren schon die bloße Zuschlagschance eines Bieters durch die Inanspruchnahme von Primärrechtsschutz gewahrt werden kann.

Die Erteilung des Zuschlages und die damit eingetretene Beendigung des Vergabeverfahrens zu Los 2 hat auch nicht dazu geführt, dass der angerufenen Vergabekammer eine Einwirkung auf die Rechtmäßigkeit des Verfahrens nicht mehr möglich gewesen wäre. Da die Antragsgegnerin durch die Zurücknahme des Auftrages und die Ankündigung der anderweitigen Vergabe das Vergabeverfahren wiederaufgenommen und damit als nicht abgeschlossen behandelt hat, wäre eine Klarstellung oder Feststellung der Rechtslage durch die Vergabekammer veranlasst gewesen, die dazu geführt hätte, dass die daran gebundene Antragsgegnerin die Wiederaufnahme unterlassen und das Verfahren rechtmäßig als abgeschlossen behandelt hätte. Der im Nachprüfungsverfahren gestellte Antrag der Antragstellerin, die Antragsgegnerin zu verpflichten, die Ausschreibung zu den Losen 2, 3 und 4 an sie zu vergeben, stand einer solchen Entscheidung nicht entgegen. Die Antragstellerin begehrte ersichtlich eine Entscheidung, mit der klargestellt werden sollte, dass der Zuschlag zu Los 2 bereits wirksam erteilt worden war und eine Rückgängigmachung sowie eine anderweitige Vergabe zu unterblieben habe. Eine Vergabe im eigentlichen Sinne war von der Antragstellerin nur im Hinblick auf die Lose 3 und 4 angestrebt.

Die Antragstellerin ist ihrer Rügeobliegenheit (§ 107 Abs. 3 S. 1 GWB) nachgekommen. Mit Schreiben vom 08.12.2005 hat sie sich unverzüglich gegen die "Zurücknahme" des Zuschlages zu Los 2 sowie dagegen gewandt, dass entgegen der ursprünglichen Ankündigung der Antragsgegnerin vom 08.11.1005 die Lose zu 3 und 4 nunmehr an die Beigeladenen vergeben werden sollten.

b.

Der Nachprüfungsantrag ist auch begründet.

Die Antragsgegnerin war an den von ihr wirksam erteilten Zuschlag gebunden. Soweit sie geltend macht, dass die von der Antragsstellerin angebotene und vorgesehene Ausführung den technischen Vorgaben und Anforderungen nicht entspreche, berechtigte sie dieser Umstand - ihr Vorbringen als zutreffend unterstellt - nicht zur Entziehung des Auftrages. Einen Anfechtungsgrund im Sinne der §§ 119, 123 BGB hat die Antragsgegnerin nicht. Bei Zugrundelegung ihres Sachvortrages ist davon auszugehen, dass sie sich bei Erteilung des Zuschlages weder über den Erklärungsinhalt noch in der Erklärungshandlung geirrt hat und von der Antragstellerin auch nicht getäuscht worden ist. Die gegebenenfalls anzunehmende Fehlbewertung des Angebotes der Antragstellerin stellt einen in rechtlicher Hinsicht unbeachtlichen Irrtum im Motiv dar.

Der durch den angefochtenen Beschluss angeordneten Aufhebung des Vergabeverfahrens stand im Hinblick auf das Los 2 somit § 114 Abs. 2 S.1 GWB entgegen. Den wirksam erteilten Zuschlag und den dadurch geschlossenen Vertrag zwischen den Parteien durfte die Vergabekammer nicht aufheben. Die Anordnung der Vergabekammer, das Vergabeverfahren im übrigen, und zwar hinsichtlich der Lose 1, 3 und 4 aufzuheben, ist nicht angegriffen worden. Über diesen Teil der Entscheidung hat der Senat daher nicht zu befinden.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus entsprechender Anwendung von § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über den Gegenstandswert beruht auf § 50 Abs. 2 GKG.

Ende der Entscheidung

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