Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 09.02.2006
Aktenzeichen: VII-Verg 80/05
Rechtsgebiete: GWB


Vorschriften:

GWB § 80 Abs. 2 Satz 1
GWB § 107 Abs. 3 S. 2
GWB § 128 Abs. 1
GWB § 128 Abs. 2
GWB § 128 Abs. 3 Satz 3
GWB § 128 Abs. 3 Satz 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen die Gebührenfestsetzung im Beschluss der Vergabekammer bei der Bezirksregierung Köln vom 17. Oktober 2005 (VK VOL 19/2005) wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Streitwert für das Beschwerdeverfahren: 300 Euro

A. Die Antragstellerin nahm auf den Hinweis der Vergabekammer, der Nachprüfungsantrag sei nach Aktenlage ohne mündliche Verhandlung als offensichtlich unzulässig zurückzuweisen (§ 112 Abs. 1 S. 2 GWB), den Antrag zurück. Mit dem angefochtenen Beschluss ermäßigte die Vergabekammer die anhand der Gebührentabelle der Vergabekammern des Bundes (Stand 1.1.2003) nach dem Bruttoauftragswert berechnete Gebühr auf die Hälfte und setzte einen Gebührenbetrag von 1.292 Euro gegen die Antragstellerin fest.

Mit ihrer sofortigen Beschwerde macht die Antragstellerin geltend, die Gebühr habe - wenn darauf nicht sogar ganz zu verzichten sei - aus Gründen der Billigkeit unter Berücksichtigung des tatsächlichen Aufwandes weiter reduziert werden müssen.

B. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg. Die Antragstellerin hat keine weitere Herabsetzung der Gebühr für das Verfahren der Vergabekammer (§ 128 Abs. 1 GWB) zu beanspruchen.

1. Der Senat hat das von den Vergabekammern angewandte System der nach Auftragswerten tabellarisch gestaffelten Gebührensätze und die hieran anknüpfende Bemessung der Gebühr im Rahmen der durch § 128 Abs. 1 und 2 GWB gesetzlich vorgegebenen Bewertungsmaßstäbe bereits in früheren Entscheidungen gebilligt (vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 6.10.2003 - Verg 33/03; Beschl. v. 7.1.2004 - VII-Verg 55/02, beide zu der seit dem 1.1.2003 angewandten Gebührentabelle). Daran ist festzuhalten. § 128 Abs. 2 GWB enthält den Grundsatz, dass sich die Höhe der für die Amtshandlungen der Vergabekammer zu erhebenden Gebühren nach dem personellen und sachlichen Aufwand der Vergabekammer unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Bedeutung des Gegenstands des Nachprüfungsverfahrens richtet. Ähnlich wie bei der das Kartellverwaltungsverfahren betreffenden Bestimmung in § 80 Abs. 2 Satz 1 GWB legt die Voranstellung des "personellen und sachlichen Aufwandes" im Wortlaut der Vorschrift auch hier zwar die Auslegung nahe, dieses Kriterium habe den Vorrang vor dem nur zu "berücksichtigenden" Element der wirtschaftlichen Bedeutung des Gegenstands des Nachprüfungsverfahrens. Tatsächlich kommt dem personellen und sachlichen Aufwand (als Ausdruck des sog. Kostendeckungsprinzips) - eben-so wie im Kartellverwaltungsverfahren - jedoch kein Vorrang vor der wirtschaftlichen Bedeutung der Sache zu, sondern stellt die wirtschaftliche Bedeutung des Gegenstands des Nachprüfungsverfahrens (und mit ihr das sog. Äquivalenzprinzip) den in erster Linie maßgebenden Anknüpfungspunkt für die Gebührenbemessung dar (vgl. zu der auf die Gebührenfestsetzung im Vergabenachprüfungsverfahren übertragbaren Rechtslage im Kartellverwaltungsverfahren: OLG Düsseldorf, Beschl. v. 25.4.2000 - Kart 2/00 (V), WuW/E DE-R 514, 519 f. - "Tequila"; KG WuW/E OLG 1545, 1546 - "Exportagentur für chemische Rohstoffe"; Bechtold, GWB, 3. Aufl., § 80 GWB Rn. 5 m.w.N., und zur Rechtslage nach § 128 Abs. 2 GWB: Bechtold, § 128 GWB Rn. 2; Noelle in Byok/Jaeger, Komm. zum Vergaberecht, 2. Aufl., § 128 GWB Rn. 1346 m.w.N.). Hinsichtlich des Bemessungskriteriums der wirtschaftlichen Bedeutung hat die Vergabekammer als die mit dem Verfahren befasste sachnächste Stelle einen Bewertungsspielraum, so dass die Aufhebung einer Gebührenfestsetzung nur angezeigt sein kann, sofern das Äquivalenzprinzip grob missachtet worden ist (vgl. OLG Düsseldorf WuW/E DE-R 519, 520 - "Tequila" - m.w.N.). Das die Verknüpfung mit dem personellen und sachlichen Aufwand herstellende Kostendeckungsprinzip ist damit nicht außer Kraft gesetzt. Denn je gewichtiger die in der Höhe des Auftragswerts zum Ausdruck kommende wirtschaftliche Bedeutung eines Nachprüfungsverfahrens ist, desto höher wird bei pflichtgemäßer Amtsausübung in der Regel auch der personelle und sachliche Aufwand der Vergabekammer sein (vgl. KG WuW/E OLG 1545, 1546 - "Exportagentur für chemische Rohstoffe"). Darüber hinaus werden erfahrungsgemäß proportional mit einer Erhöhung der Auftragswerte die Fälle durch eine in der Regel gleichzeitig eintretende Zunahme des Streitstoffs in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht komplex und schwieriger lösbar. Die Entscheidung über den Nachprüfungsantrag erfordert deswegen bei höheren Auftragswerten im Allgemeinen auch einen in sachlicher und personeller Hinsicht höheren Aufwand. Einzelfällen, in denen die Erfahrung eines dem Auftragswert entsprechenden Aufwands sich nicht bestätigt (oder in denen sie sogar widerlegt ist), kann im gegebenen Fall durch eine Ermäßigung (oder auch durch eine Erhöhung) der Gebühr entsprochen werden. Das folgt aus dem Kostendeckungsgrundsatz, wonach dem im jeweiligen Nachprüfungsverfahren konkret angefallenen personellen und sachlichen Aufwand der Vergabekammer gegenüber dem generalisierenden Gebührenansatz nach der wirtschaftlichen Bedeutung der Sache eine korrigierende Funktion zukommen kann (und u.U. sogar muss; vgl. Noelle in Byok/Jaeger, § 128 GWB Rn. 1346, 1367). Auch bei der Bewertung des personellen und sachlichen Aufwands ist der Vergabekammer ein nur begrenzt kontrollierbarer Bewertungsspielraum zuzuerkennen.

Nimmt der Antragsteller - wie im vorliegenden Fall - den Nachprüfungsantrag vor der Entscheidung der Vergabekammer zurück, trägt das Gesetz in § 128 Abs. 3 Satz 3 GWB dem Umstand, dass in solchen Fällen in der Regel kein dem Auftragswert äquivalenter Aufwand entsteht, sondern der Erledigungsaufwand typischerweise geringer ist, in der Weise Rechnung, dass die Gebühr pauschal auf die Hälfte zu ermäßigen ist. Unter der "Hälfte der Gebühr" ist die Hälfte der ansonsten angemessenen Ausgangsgebühr zu verstehen. Das bedeutet, dass vor dem Rechenschritt der Halbierung der Gebühr gemäß dem Kostendeckungsprinzip - im oben dargestellten Sinn - unter dem Gesichtspunkt des personellen und sachlichen Aufwands mögliche Ermäßigungen (aber auch mögliche Erhöhungen) der Gebühr zu prüfen sind (ebenso Lausen, VergabeR 2003, 527, 531; Noelle in Byok/Jaeger, § 128 GWB Rn. 1369).

Im Anschluss an die Halbierung der Gebühr kann eine weitere Herabsetzung der Gebühr nur noch aus Gründen der Billigkeit gemäß § 128 Abs. 3 Satz 4 GWB gerechtfertigt sein. Hierbei ist das Verbot zu beachten, dieselben Gesichtspunkte, die schon bei einem früheren Prüfungsschritt zu einer Reduzierung der Gebühr geführt haben, für eine solche Ermäßigung der Gebühr ein weiteres Mal heranzuziehen (vgl. auch Lausen, VergabeR 2003, 527, 531; Noelle in Byok/Jaeger, § 128 GWB Rn. 1015). Namentlich kann allein darauf, dass die Vergabekammer infolge der Antragsrücknahme weder mündlich verhandeln noch eine Sachentscheidung treffen musste, eine weitere Gebührenermäßigung nicht gestützt werden, da diesen Umständen im Gesetz (vgl. § 128 Abs. 3 S. 3 GWB), und zwar durch die Halbierung der Gebühr, bereits Rechnung getragen ist. Unter Umständen kann z.B. aber der Zeitpunkt der Rücknahme des Nachprüfungsantrags zu einer weiteren Herabsetzung der Gebühr aus Billigkeitsgründen führen. Nach dem Wortlaut von § 128 Abs. 3 Satz 4 GWB ("kann") hat die Vergabekammer darüber nach ihrem Ermessen zu entscheiden.

2. Ausgehend von diesem Vorverständnis ist im vorliegenden Fall eine (von der Beschwerde angestrebte) weitere Ermäßigung der festgesetzten Gebühr nicht geboten. Die Antragstellerin schuldet als Veranlasser der Amtshandlung ungeachtet der Rücknahme des Nachprüfungsantrags eine Gebühr für das Verfahren der Vergabekammer (vgl. § 128 Abs. 1 GWB in Verbindung mit § 13 Abs. 1 Nr. 1 Verwaltungskostengesetz). Im Streitfall hat die Vergabekammer im Ausgangspunkt anhand des Auftragswerts eine zutreffende Regelgebühr von 2.584 Euro ermittelt, die der wirtschaftlichen Bedeutung der Angelegenheit entspricht. Von der vor dem Schritt einer Halbierung der Gebühr (vgl. § 128 Abs. 3 S. 3 GWB) gegebenen Möglichkeit, die Gebühr wegen des personellen und sachlichen Aufwandes herabzusetzen, hat die Vergabekammer keinen Gebrauch gemacht. Vor dem Hintergrund, dass ihr dabei ein Bewertungsspielraum zuzuerkennen ist, kann dies nicht beanstandet werden. Das ergibt sich aus dem Gang des Nachprüfungsverfahrens: Die Sache war bis zur Erklärung der Antragsrücknahme durch Antragsschrift nebst Begründung, Antragserwiderung und Replik der Antragstellerin "ausgeschrieben". Danach hat die Vergabekammer unter Hinweis auf eine offensichtliche Unzulässigkeit des Nachprüfungsantrags angekündigt, über den Antrag im schriftlichen Verfahren zu entscheiden (vgl. § 112 Abs. 1 S. 2 GWB). Die Gründe, die in der Nichtbefolgung der Rügeobliegenheit nach § 107 Abs. 3 S. 2 GWB lagen, sind der Antragstellerin schriftlich mitgeteilt worden. Hieraus folgt, dass die Erfolgsaussicht des Nachprüfungsantrags von der Vergabekammer geprüft worden ist. Bei dieser Sachlage überschreitet die Entscheidung der Vergabekammer, von einer Ermäßigung der (im nächsten Schritt aus Gründen der Antragsrücknahme zu halbierenden) Gebühr abzusehen, nicht den ihr bei der Festsetzung eingeräumten Bewertungsspielraum. Mit Rücksicht auf die sachliche Prüfung des Nachprüfungsantrags verdient der im Nachprüfungsverfahren entstandene personelle und sachliche Aufwand nicht als außergewöhnlich gering bezeichnet zu werden.

Die im nächsten Schritt halbierte Gebühr (vgl. § 128 Abs. 3 S. 3 GWB) ist von der Vergabekammer ermessensfehlerfrei nicht nochmals aus Billigkeitsgründen gemäß § 128 Abs. 3 S. 4 GWB reduziert worden. Dem Umstand, dass infolge der Antragsrücknahme eine mündliche Verhandlung und eine Sachentscheidung entbehrlich wurden, ist durch die Halbierung der Gebühr abschließend Rechnung getragen. Eine Doppelbewertung ist unzulässig (s.o. S. 5). Der Zeitpunkt der Antragsrücknahme trägt keine weitere Herabsetzung der Gebühr. Die Antragstellerin hat den Nachprüfungsantrag zu einem Zeitpunkt zurückgenommen, in dem die Vergabekammer den Antrag bereits abschließend geprüft hatte. Weitere Billigkeitsgründe sind von der Antragstellerin weder geltend gemacht worden, noch sind sie sonst zu erkennen.

Die Kostenfolge ergibt sich aus entsprechender Anwendung von § 97 Abs. 1 ZPO.

Der Festsetzung des Gegenstandswerts hat der Senat den Mindeststreitwert zugrunde gelegt.

Ende der Entscheidung

Zurück