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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 29.02.2008
Aktenzeichen: 1 Ss 49/07
Rechtsgebiete:


Vorschriften:

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

Das Amtsgericht Frankfurt am Main hat den Angeklagten wegen Besitzes von Betäubungsmitteln (Khat), ohne eine hierfür erforderliche Erlaubnis für den Erwerb zu haben, zu einer Freiheitsstrafe von 6 Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde, verurteilt. Auf die auf das Strafmaß beschränkte Berufung der Staatsanwaltschaft wurde das angefochtene Urteil im Rechtsfolgenausspruch dahingehend abgeändert, dass die Strafaussetzung zur Bewährung entfiel. Die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil wurde als unbegründet verworfen.

Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte und gleicherweise begründete Revision des Angeklagten, mit denen die Verletzung formellen und materiellen Rechts gerügt wird. Sie führt auf die Sachrüge zur Aufhebung des angefochtenen Urteils.

Die Feststellungen und die Beweiswürdigung sind unvollständig und lückenhaft.

Das Landgericht hat festgestellt: " Am 8.5.2006 kurz vor Mitternacht hielt sich der Angeklagte im "A-Club" in O1, ...straße .. auf und war im Besitz eines Kartons mit 2 Kilogramm Khat mit einem Wirkstoffgehalt von 0,1 Gramm Cathinon. Er hatte keine schriftliche Erlaubnis für den Erwerb von Khat." In der Beweiswürdigung ist ausgeführt, dass das Khat " relativ frisch" gewesen sei. Da das Khat inzwischen vernichtet worden sei und daher für die Ermittlung des exakten Gewichts und des Wirkstoffgehalts nicht mehr zur Verfügung stehe, sei das Gericht zu Gunsten des Angeklagten davon ausgegangen, dass er 2 Kilogramm Khat mit einem Wirkstoffgehalt von 0,1 Gramm Cathinon - der denkbar geringsten Konzentration - besessen habe. Weiteres findet sich im Urteil zum Wirkstoffgehalt des Khat nicht.

Den tatrichterlichen Feststellungen kann nicht entnommen werden, ob der angenommene Tatbestand des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln überhaupt verwirklicht ist. Die Kammer hat nämlich die nach ihrer Auffassung "denkbar geringste Konzentration" von 0,1 Gramm Cathinon für 2 Kilogramm Khat nicht näher belegt, keinen Sachverständigen zu Rate gezogen. Aus der Feststellung, dass das Khat "relativ frisch" gewesen sei, lässt sich nicht ohne weiteres auf das Vorhandensein von Wirkstoffen schließen, die eine Verurteilung wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln rechtfertigen. Zwar ist der Hauptwirkstoff der Khatpflanze Cathinon ein Betäubungsmittel. Der Wirkstoffgehalt der Khatblätter schwankt aber nach Herkunft, Anbaugebiet und Qualität erheblich. Hinzu kommt die chemische Instabilität des Cathinon, das durch enzymatische Reduktion beim Welken, Trocknen, Lagern oder unsachgemäßen Verarbeiten innerhalb weniger Tage fast vollständig zu dem etwa 8-mal schwächeren Cathin bzw. Ephedrin umgewandelt wird (vgl. BGH, Urteil vom 28.10.2004 - Az. 4 StR 59/04). Dies führt dazu, dass das bei dem Anklagten sichergestellte Khat möglicherweise keinen Wirkstoffgehalt hat. Es fehlen tragfähige Feststellungen dazu, die Beweiswürdigung ist unzureichend. Die Feststellung "relativ frisch" lässt mehrere Deutungen zu, so dass offen bleibt, ob das Cathinon aufgrund seiner Instabilität nicht mehr wirkte. Auf nähere Feststellungen zum Wirkstoffgehalt, die - unter Beachtung des Zweifelgrundsatzes - mit hinreichender Genauigkeit auch dann möglich sind, wenn Betäubungsmittel nicht sichergestellt werden konnten und daher für eine Untersuchung durch Sachverständige nicht zur Verfügung stehen, konnte nicht verzichtet werden (vgl. BGH, Beschluss vom 15.12.2005 - Az. 5 StR 439/05).

Die mangelnden Feststellungen und die unzureichende Beweiswürdigung berühren - entgegen der Auffassung der Staatsanwaltschaft bei dem Oberlandesgericht in ihrer Stellungnahme vom 14.2.2007 - nicht nur den Rechtsfolgenausspruch, sondern den Schuldspruch.

Zwar ist nach herrschender Meinung (vgl. BGH NJW 1992, 380; StV 2000, 213; StV 2001, 461) und der Rechtsprechung des Senats (Urteil vom 27.9.2002 - 1 Ss 49/02 - NStZ-RR 2003, 23; Beschluss vom 25.11.2004 - 1 Ss 253/04; Beschluss vom 15.2.2005 - 1 Ss 384/04; Beschluss vom 4.4.2005 - 1 Ss 48/05) die Menge des Rauschgifts und sein Wirkstoffgehalt - neben der Art des Betäubungsmittels und seiner Gefährlichkeit - für den Unrechts- und Schuldgehalt der Tat im Rahmen der Strafzumessung maßgebend.

Der Schuldspruch ist aber dann berührt, wenn, wie vorliegend, in Frage steht, ob überhaupt ein Wirkstoffgehalt vorhanden ist.

Nach alledem war das angefochtene Urteil mit den Feststellungen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Frankfurt am Main zurückzuverweisen (§§ 349 Abs. 4, 353, 354 Abs. 2 StPO).

Ende der Entscheidung

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