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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 14.12.2000
Aktenzeichen: 1 U 102/99
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 91
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 546 Abs. 2
Fiktion des rechtzeitigen Zugangs einer Kündigung, wenn der Empfänger keine Vorsorge für den Zugang solcher Erklärungen getroffen hat.
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

1 U 102/99

2/21 O 464/98 Landgericht Frankfurt am Main

Verkündet am 14.12.2000

In Sachen ...

hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch die Richter ... aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 23. November 2000

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 22. März 1999 verkündete Urteil der 21. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Wert der Beschwer wird auf 50.000,00 DM festgesetzt.

Entscheidungsgründe

Die Berufung der Beklagten ist begründet. Dem Kläger steht die geltend gemachte Pauschalvergütung für das Jahr 1998 gemäß Vertrag vom 15.01.1997 nicht zu, weil die Beklagte den Vertrag vorher gekündigt hatte. Entgegen der Ansicht des Landgerichts wurde der Vertrag (Bl. 13, 14 d. A.) durch die Kündigung der Beklagten vom 23.09.1997 (Bl. 15 d. A.) schon 1997 beendet. Nach Treu und Glauben muß sich der Kläger so behandeln lassen, als ob die Kündigung ihm rechtzeitig bis zum 30.09. 1997 zugegangen sei.

Entgegen der Ansicht des Landgerichts kann es nicht als treuwidrig angesehen werden, wenn die Beklagte die Kündigung an die Adresse der Firma ... in ... gerichtet hat. Diese Adresse hatte der Kläger der Beklagten als seine Anschrift in Deutschland mitgeteilt, sie war daher in dem Vertrag vom 15.01.1997 als einzige Adresse des Klägers angegeben. Der Kläger gab auch im Schriftverkehr mit der Beklagten diese als seine Adresse an. Unter diesen Umständen mußte die Beklagte davon ausgehen, daß der Kläger von der Beklagten erwartete, daß diese ihre Korrespondenz an diese Adresse richtete und er dafür sorgen würde, daß ihn unter dieser Adresse eingehende Post erreichen werde. Es wäre daher treuwidrig von dem Kläger, wenn er die Kündigung deswegen nicht gegen sich gelten lassen wollte, weil die Beklagte sie an die P... Adresse gerichtet hat, zumal unklar ist, ob die Beklagte eine Adresse des Klägers auf Mallorca kannte, unter der sie den Kläger mit Sicherheit erreichen konnte. Seine Privatadresse auf Mallorca, die der Kläger erstmals in dem im Senatstermin überreichten Schriftsatz ins Spiel gebracht hat, hatte er der Beklagten nicht angegeben. In dem Hotel ... auf Mallorca war der Kläger nicht jederzeit erreichbar, wie sich daraus ergibt, daß er dorthin erst zu Beginn des nächsten Kurses am 6.10.1997 zurückkehrte.

Zugegangen ist die Kündigung dem Kläger allerdings bis zum 30.09.1997 auch in ... nicht, weil in dem dortigen Briefkasten nicht die Kündigung selbst, sondern nur der Benachrichtigungszettel der Post über einen vergeblichen Zustellungsversuch eines Einschreibens eingeworfen wurde; damit ist das Kündigungsschreiben selbst, welches auf der Post hinterlegt wurde, noch nicht in den Machtbereich des Empfängers gelangt (BGH NJW 1977, 194; 1998, 176). Der Kläger muß sich aber nach Treu und Glauben so behandeln lassen, als ob ihm die Kündigung rechtzeitig zugegangen sei.

Nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung muß derjenige, der aufgrund bestehender oder angebahnter vertraglicher Beziehungen mit dem Zugang rechtserheblicher Erklärungen zu rechnen hat, geeignete Vorkehrungen treffen, daß ihn derartige Erklärungen auch erreichen (BGH NJW 1998, 177 mit weiteren Rechtssprechungsnachweisen). Tut er dies nicht, so wird darin vielfach ein Verstoß gegen die durch die Aufnahme von Vertragsverhandlungen oder den Abschluß eines Vertrages begründeten Sorgfaltspflichten gegenüber seinem Partner liegen (BGH a.a.O.). Gegen diese Pflichten hat der Kläger verstoßen. In dem Vertrag war eine Kündigungsmöglichkeit der Beklagten ausdrücklich bis zum 30. September befristet, wenn sich der Vertrag nicht um ein weiteres Jahr verlängern sollte. Der Kläger mußte daher der Beklagten die Möglichkeit geben, ihm eine Kündigungserklärung fristgerecht zuzuschicken. Dies konnte, wie ausgeführt, nur unter der ... Anschrift erfolgen. Der Kläger hätte daher dafür sorgen müssen, daß ihm dort ein Schreiben zugehen kann. Das hat der Kläger nicht getan, indem er nicht dafür gesorgt hat, daß er selbst oder eine empfangsberechtigte Person unter der angegebenen Anschrift erreichbar war. Diese Sorgfaltsverletzung hatte ein gewisses Gewicht, weil der Kläger für die Beklagte auf andere Weise bis zum 30.09.1997 nicht, jedenfalls nicht mit einer für eine Kündigungserklärung erforderlichen Sicherheit, zu erreichen war. Dieser Tatbestand entspricht jedenfalls objektiv einem schweren Zugangshindernis. Demgegenüber hat die Beklagte ihrerseits alles Erforderliche und ihr Zumutbare getan, damit ihre Erklärung ihn erreichen konnte. Insbesondere hat sie, nachdem der Rückschein aus ... nicht eintraf, unverzüglich eine erneuten Versuch unternommen, dem Kläger die Kündigungserklärung zur Kenntnis zu bringen, indem sie die Kündigungserklärung an das Hotel ........... durch ein Fax schickte, welches dem Kläger am 6.10.1997 übergeben wurde, als er dort zu Beginn des neuen Kurses erschien. Nach diesem unverzüglichen zweiten Zustellungsversuch wird dem Kläger nicht nur der Einwand abgeschnitten, die Erklärung sei nicht zugegangen, sondern auch der Einwand, daß diese Erklärung nicht rechtzeitig zugegangen sei (BGH NJW 1998, 177); es kommt daher nicht darauf an, daß die Kündigungsfrist bereits abgelaufen war, als der Kläger von dem Fax am 6.10.1997 Kenntnis nahm.

Da nach allem der Vergütungsanspruch des Klägers für 1998 nicht besteht, weil der Vertrag bereits mit der Saison 1997 beendet wurde, war die Klage abzuweisen. Gemäß § 91 ZPO hat der Kläger die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Das Urteil ist gem. § 708 Nr. 10 ZPO für vorläufig vollstreckbar erklärt. Vollstreckungsschutz (§ 711 ZPO) konnte nicht bewilligt werden, weil ein Rechtsmittel gegen das Urteil unzweifelhaft nicht gegeben ist (§ 713 ZPO). Weder wird die Revisionssumme erreicht noch kann die Revision zugelassen werden, weil das Urteil keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch nicht von einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs oder des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes abweicht. Der Wert der Beschwer ist gem. § 546 Abs. 2 ZPO festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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