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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 29.08.2002
Aktenzeichen: 1 U 105/02
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 97 Abs. 1
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist kann nicht gewährt werden, wenn der erstinstanzliche Prozessbevollmächtigte den Berufungsauftrag erteilt hat, ohne das Datum der Zustellung des anzufechtenden Urteils mitzuteilen.
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN BESCHLUSS

1 U 105/02

Verkündet am 29.08.2002

In dem Rechtsstreit

hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main am 29.08.2002 beschlossen:

Tenor:

Der Antrag des Klägers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist wird zurückgewiesen.

Die Berufung des Klägers gegen das am 13.05.2002 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Gießen wird auf seine Kosten verworfen.

Gründe:

I.

Der Kläger verlangt von der Beklagten Schadensersatz wegen angeblich mangelhafter Lieferung von 12 Tonnen Melasseschnitzeln. Das Landgericht hat die Klage durch am 13.05.2002 verkündetes Urteil abgewiesen. Dieses Urteil ist dem erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten des Klägers am 23.05.2002 zugestellt worden. Hiergegen hat der zweitinstanzliche Prozessbevollmächtigte des Klägers am Montag, den 24.06.2002 Berufung eingelegt und mit Schriftsatz vom 23.07.2002, eingegangen bei Gericht am 24.07.2002, Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist beantragt. Mit gerichtlicher Verfügung vom 29.07.2002, eingegangen am 8.08.2002, ist der zweitinstanzliche Prozessbevollmächtigte des Klägers auf die Fristversäumung hingewiesen worden. Am 15.08.2002 hat er für den Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beantragt und das Rechtsmittel zugleich begründet. Den Wiedereinsetzungsantrag begründet der Kläger damit, dass seinen zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten kein Verschulden an der Fristversäumung treffe. Diesem sei von dem erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten der Rechtsmittelauftrag unter Beifügung einer Abschrift des erstinstanzlichen Urteils übermittelt worden versehen mit folgendem handschriftlichen Vermerk: "Tatbestand: VF: 30.05. FA:6.06. Berufungsfrist: VF:10.06. FA:24.06. Berufungsbegründung: VF: 17.07. FA:24.07.". Weil das Zustellungsdatum des erstinstanzlichen Urteils nicht erkennbar gewesen sei, habe der zweitinstanzliche Prozessbevollmächtigte bei dem erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten mit Schreiben vom 24.06.2002 nach dem Zustellungsdatum angefragt. Die Bürovorsteherin des zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten habe auf ihre fernmündliche Nachfrage in dem Büro des erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten am 22.07.2002 die Auskunft erhalten, dass die Berufungsbegründungsfrist am 24.07.2002 ablaufe. Offenbar habe die zuständige Büromitarbeiterin des erstinstanzlichen Anwalts den Ablauf der Berufungsbegründungsfrist einen Monat nach Ablauf der Berufungsfrist notiert. Auf ein Verschulden des erstinstanzlichen Anwaltes könne es nicht ankommen, weil das Mandat für die Durchführung der Berufung allein bei dem zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten gelegen habe.

II.

Der Wiedereinsetzungsantrag ist nicht begründet. Dem Kläger kann eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Berufungsbegründung nicht gewährt werden, da seinen erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten an der Fristversäumung ein Verschulden trifft, das sich der Kläger gem. 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muss.

Die Pflichtverletzung des erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigen besteht darin, dass er den Berufungsauftrag erteilt hat, ohne dass aus dem Auftragsschreiben oder den beigefügten Unterlagen das Datum der Zustellung des anzufechtenden Urteils hervorging. Damit hat er gegen die Verpflichtung verstoßen, bei Erteilung des Rechtsmittelauftrags die von ihm ermittelte Rechtsmittelfrist dem zweitinstanzlichen Anwalt schriftlich zu übermitteln (ständige Rechtssprechung des BGH; BGH Versicherungsrecht 1994, 199 m. w. N.). Die Zustellung des erstinstanzlichen Urteils ist maßgeblich für die Berechnung der Berufungsbegründungsfrist (§ 520 Abs. 2 Satz 1 ZPO n.F.). Ohne ihre schriftliche Mitteilung ist dem zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten die Berechnung und Wahrung dieser Frist nicht zuverlässig möglich.

Wegen der Sorgfaltsverletzung des erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten kommt es nicht darauf an, ob auch dem zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten ein Pflichtenverstoß vorzuwerfen ist, weil er sich zur Berechnung der Berufungsbegründungsfrist auf die am 22.07.2002 mündlich erteilte Auskunft einer Bürokraft verließ (vgl. hierzu BGH Versicherungsrecht 1994, 199), nachdem der erstinstanzliche Prozessbevollmächtigte des Klägers die schriftliche Anfrage nach dem Zustellungsdatum vom 24.06.2002 offenbar unbeantwortet gelassen hatte.

Danach ist der Widereinsetzungsantrag unbegründet.

III.

Die Berufung des Klägers ist unzulässig, weil sie nicht fristgerecht begründet wurde. Da das erstinstanzliche Urteil dem Kläger am 23.05.2002 zugestellt wurde, endete die Frist für die Berufungsbegründung von 2 Monaten ab Zustellung des Urteils (§ 520 Abs. 2 Satz 1 ZPO n. F.) mit Ablauf des 23.07.2002. Der nach Ablauf der Frist eingegangene Verlängerungsantrag durfte nicht berücksichtigt werden (BGHZ 83, 217; Zöller/Stöber, 3. Auflage, ZPO § 224 Rn. 7). Die erst am 15.08.2002 eingegangene Berufungsbegründung ist danach verfristet.

Gem. § 97 Abs. 1 ZPO hat der Kläger die Kosten der erfolglosen Berufung zu tragen.

Ende der Entscheidung

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