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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 11.01.2006
Aktenzeichen: 1 U 114/05
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 157
1. Die im Rahmen eines VOB-Einheitspreisvertrages getroffene Vereinbarung zur Stellung einer Erfüllungsbürgschaft in aus dem geschätzten "Gesamt-Auftragswert" abgeleiteter Höhe kann - ggf. ergänzend - dahin auszulegen sein, dass der Auftragnehmer im Falle einer etwa hälftigen Reduzierung der auszuführenden Leistung einen Anspruch auf entsprechende Sicherheit hat.

2. Wenn der Auftragnehmer auf diesen Anspruch ein Zurückbehaltungsrecht stützt und seine Arbeiten vorläufig einstellt, kann dies nicht allein unter Hinweis auf eine niedrige Avalzins-Differenz als treuwidrig angesehen werden.


Gründe:

I. Das Landgericht hat der Klage jedenfalls im Ergebnis zu Recht stattgegeben.

1. Die Sicherungsabrede im Verhandlungsprotokoll ist - ggf. ergänzend - dahin auszulegen, dass die Klägerin im vorliegenden Falle einer etwa hälftigen Reduzierung des Auftragswertes einen Anspruch auf teilweise Freigabe, d. h. auf einen Austausch der überhöhten gegen eine entsprechend angepasste Sicherheit hat (vgl. die - allerdings nicht unmittelbar vergleichbaren - Fälle BGHZ 137, 212 ff.). Die Deckungsgrenze von 110 % ist deutlich überschritten. Nennenswerte Verwertungsrisiken, die eine Freigabe erst ab 50 % nominaler Übersicherung erforderten, bestehen bei einer Bankbürgschaft nicht. Es geht im Streitfall nicht um eine "ständige Anpassung" der Bürgschaftshöhe je nach Abweichung der tatsächlich ausgeführten von den bei Vertragsschluss geschätzten Massen, wie die Beklagte meint; eine derartige Anpassung wäre zweifellos nach der bauvertraglichen Sicherungsabrede nicht geschuldet. Vielmehr liegt in Gestalt einer annähernden Halbierung der auszuführenden Leistung ein Extremfall vor. Die Reduzierung der Auftragssumme auf den Betrag der klägerischen Rechnung ist tatbestandlich als unstreitig festgestellt. Die Unrichtigkeit dieser Feststellung hätte die Beklagte mit einem Tatbestandsberichtigungsantrag geltend machen müssen.

2. Warum die Erfüllungsbürgschaft auch Gewährleistungsansprüche abdecken soll, lässt die Beklagte offen. Das Verhandlungsprotokoll gibt hierfür nichts her, sieht vielmehr eine eigenständige Gewährleistungssicherung vor (Bl. 9 d. A.).

3. Das aus § 17 Nr. 4 S. 2 VOB/B folgende Recht des Auftraggebers, den Inhalt der Bürgschaftsurkunde vorzuschreiben, findet seine Grenze in der vorrangigen Sicherungsabrede (vgl. BGH BauR 2004, 841, 843), die hier - wie ausgeführt - eine Regelung zur Höhe der geschuldeten Bürgschaft und zum Reduzierungsanspruch enthält.

4. Das Landgericht hat zu Recht angenommen, dass der Beklagten gegenüber dem klägerischen Austauschanspruch kein Zurückbehaltungsrecht wegen Ersatzvornahmekosten zusteht. Die Beklagte hat keinen Anspruch auf Erstattung dieser Kosten, weil die Klägerin ihrerseits vor der Kündigung des Vertrages durch die Beklagte zu Recht ein Leistungsverweigerungsrecht gemäß § 273 BGB bis zur Rückgabe der ursprünglichen Bürgschaftsurkunde geltend gemacht hatte und daher nicht in Verzug geraten konnte, so dass der Beklagten kein Recht zur außerordentlichen Kündigung zustand.

a) Die Reduzierung des Auftragsumfangs auf den Betrag der klägerischen Rechnung ist - wie ausgeführt - bindend tatbestandlich als unstreitig festgestellt. Damit ist die Behauptung der Beklagten, es seien noch Restleistungen im Wert von gut 30 T€ offen gewesen, unvereinbar, so dass hierauf auch nicht die Unverhältnismäßigkeit der Zurückbehaltung gestützt werden kann. Abgesehen davon ist diese Behauptung auch auf der in der Berufungsbegründung in Bezug genommenen Aktenstelle (Bl. 88 d. A.) von der insoweit darlegungs- und beweispflichtigen Beklagten unzureichend ausgeführt.

b) Die Geltendmachung des Zurückbehaltungsrechts ist auch nicht deshalb treuwidrig, weil das klägerische Begehren auf Reduzierung des Bürgschaftsbetrages als zu wenig gewichtig anzusehen wäre. Die Beklagte übersieht, dass es insoweit nicht nur um Avalzinsen ging, sondern um die Liquiditätseinbuße der Klägerin durch die Notwendigkeit, dem Bürgen Sicherheiten für die Bürgschaft zu stellen.

c) Dass die Klägerin zunächst nicht die niedrigere Bürgschaft als Ersatz angeboten hatte, führt nicht dazu, dass sie sich insgesamt nicht auf ihr Zurückbehaltungsrecht berufen durfte.

d) § 18 Nr. 4 VOB/B lässt nach allgemeiner Auffassung gesetzliche Zurückbehaltungsrechte, so sie denn bestehen, unberührt (BGH NJW 1996, 1346, 1348; Heiermann/Riedl/Rusam, VOB, 10. Aufl., B § 18 Rn. 25; Ingenstau/Korbion/Joussen, VOB, 15. Aufl., § 18 Nr. 4 Rn. 1, 3; Nicklisch/Weick, VOB/B, 3. Aufl., § 18 Rn. 24). Dass der Auftragnehmer bei fehlender Einigung über Zusatzvergütungen regelmäßig seine Arbeiten nicht einstellen darf, beruht nicht auf § 18 Nr. 4 VOB/B, sondern darauf, dass er auch hinsichtlich der geänderten Leistung vorleistungspflichtig ist, also kein Zurückbehaltungsrecht hat (vgl. Kuffer ZfBR 2004, 110, 116 f.).

II. Aus obigen Ausführungen ergibt sich zugleich, dass die Widerklage unbegründet ist.

III. Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97 Abs. 1, 543 Abs. 2, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

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