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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 17.12.2001
Aktenzeichen: 1 U 133/98
Rechtsgebiete: GG, HabfAG, BGB, ZPO


Vorschriften:

GG Art. 34
HabfAG § 18
BGB § 839
BGB § 839 Abs. 3
BGB § 251 Abs. 1
ZPO § 711
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 546 Abs. 2
Eine Gemeinde, die sogenannte Altlasten nicht in der gebotenen Sorgfalt ermittelt und in die Aufstellung der Bebauungsplanung einbringt, macht sich unter dem Gesichtspunkt einer Amtspflichtverletzung schadenersatzpflichtig (Art. 34 GG i.V.m. § 839 BGB).
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

1 U 133/98

Verkündet am 17.12.2001

In dem Rechtsstreit ...

hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch die Richter am Oberlandesgericht ... aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 18. Oktober 2001 für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Kläger wird das am 25.05.1998 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Gießen abgeändert. Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger 369.750,-- DM zuzüglich 4 % Zinsen seit dem 19.01.1998 zu zahlen Zug um Zug gegen Rückübertragung des Grundstücks W.-J,-Ring ..., Flur ..., Flurstück ... der Gemarkung B. N.. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Zwangsvollstrekkung gegen Sicherheitsleistung von 450.000,-- DM abwenden, wenn nicht die Kläger zuvor Sicherheit in entsprechender Höhe leisten. Der Wert der Beschwer wird für die Beklagte auf 369.750,-- DM und für die Kläger auf 250,-- DM festgesetzt.

Tatbestand:

Die Kläger verlangen von der Beklagten Schadensersatz aus dem rechtlichen Gesichtspunkt der Amtshaftung und des enteignungsgleichen Eingriffs, weil die Beklagte bei der Aufstellung des Bebauungsplanes Nr. ,,, Im S..." schuldhaft eine altlastenverdächtige Fläche einbezogen habe und das den Klägern im Umlegungsverfahren zugeteilte Grundstück kontaminiert und deshalb unbebaubar sei.

Die Kläger waren seit 1976 zu je 1/2 Eigentümer des Ackergrundstücks Flur ..., Flurstück ... Am S..." in der Gemarkung B. N.. Dieses Grundstück lag innerhalb des Gebietes Im S...", für das die Beklagte am 06.05.1969 die Aufstellung eines Bebauungsplanes beschloss. Dieser Bebauungsplan trat jedoch nicht in Kraft. Wegen der Anforderungen durch das neue Hessische Naturschutzgesetz fasste die Beklagte am 02.09.1982 erneut einen Aufstellungsbeschluss. Im Oktober 1984 legte ein durch die Beklagte beauftragtes Planungsbüro den Entwurf des Bebauungsplanes Nr. ... Im S..." mit integriertem Landschaftsplan vor. Der Bebauungsplan wurde vom 08.10.1984 bis 09.11.1984 öffentlich ausgelegt, am 28.02.1984 von der Stadtverordnetenversammlung der Beklagten als Satzung beschlossen und mit Verfügung des Regierungspräsidenten in Darmstadt vom 25.06.1985 genehmigt. In den textlichen Festsetzungen des Bebauungsplanes gab die Beklagte u.a. folgenden Hinweis: Ehemalige Bergbau- und Abbaugebiete/deponieren. Im Geltungsbereich des Bebauungsplanes ist in der Vergangenheit der Bergbau umgegangen. Örtlich befanden sich diese Abbaugebiete, die zum Teil mit Müll verfüllt wurden. Die Bergbau- und Abbaugebiete sind nicht mehr lokalisierbar. Für die Gründung baulicher Anlagen sind qualifizierte Baugrunduntersuchungen anzustellen und geeignete Sicherungsmaßnahmen zu treffen" (Anlage B 3).

Zur besseren Erschließung des Plangebietes wurde durch Beschluss der Beklagten vom 17.11.1986 das Umlegungsverfahren eingeleitet. Bei Erörterungsterminen im Rahmen des Umlegungsverfahrens am 13.05.1987 und am 06.06.1987 wünschten die Kläger zunächst die Zuteilung von Bauland in Block 32, Nordostspitze, später eine Zuteilung im Block 21 (Endreihenhausbauplatz mit ca. 17 m Breite). Der Umlegungsplan wurde von der Beklagten am 15.12.1987 beschlossen. Am 10.03.1988 wurde seine Unanfechtbarkeit bekannt gemacht. Durch den Umlegungsplan wurde den Klägern zu jeweils hälftigem Eigentum das Grundstück Gemarkung B. N., Flur ... Nr...., Gebäudeund Freifläche W.-J.-Ring ..., 493 qm, zugeteilt. Da die Kläger einen Anspruch auf Zuteilung von 553 qm Bauland hatten, wurde ihnen wegen der Minderzuteilung von 60 qm ein Betrag von 18.000,-- DM (300,-- DM/qm) gezahlt.

Nachdem bei den Erschließungsarbeiten Abfall-Auffüllungen sichtbar geworden waren, gab die Beklagte ein geo-wissenschaftliches Gutachten zur Gründungsbeurteilung der ehemaligen Kiesgruben in B. N. Im S..." in Auftrag. Das daraufhin erstellte Gutachten der Fa. Ge. vom 20.09.1989 stellte u.a. fest, dass die in den Bodenaufschlüssen angetroffene Auffüllungszusammensetzung Hinweise auf eine mögliche Umweltgefährdung durch Ausgasungen ergebe, da schwarze, stark organische Einlagerungen angetroffen worden seien (Anlage A 4). Daraufhin beauftragte die Beklagte das Ingenieurbüro B./G./S. GmbH mit einer Untersuchung zur Untergrundbelastung des Baugebietes Im S...". In der Untersuchung (Stand Dezember 1992, Anlage A 6) wird u.a. ausgeführt, dass sich in dem insgesamt 384000 qm umfassenden Baugebiet eine als Altablagerung bekannte Fläche von etwa 27.000 qm befinde, die eine Bodenbelastung insbesondere durch Arsen und Blei aufweise. Die Änderung des Bebauungsplanes wird als unumgänglich bezeichnet. Das den Klägern im Umlegungsverfahren zugeteilte Grundstück befindet sich im Gebiet der altlastenverdächtigen Fläche.

Das Regierungspräsidium Darmstadt setzte die Kläger mit Schreiben vom 19.10.1990 von der Absicht in Kenntnis, das Gebiet Im S..." zur Altlast gemäß § 18 HabfAG zu erklären (Anlage A 7). Mit Schreiben vom 06.06.1995 (Bl. 41 ­ 44 d.A.) teilte das Regierungspräsidium Darmstadt den Klägern mit, dass das Grundstück Flur ... Flurstück ... im Bereich der ehemaligen Deponie Im S..." in B. N. liege, die der Überwachung durch das Regierungspräsidium nach §11 Abfallgesetz unterliege. Da die Fläche als altlastenverdächtig einzustufen sei, könne einer Bebauung nicht zugestimmt werden.

Auf ihre Bauvoranfrage vom 16.07.1996 erteilte der Kreisausschuss des Wetterau- Kreises den Klägern am 18.11.1996 den Bescheid, dass das geplante Vorhaben bauplanungsrechtlich unzulässig sei, weil das Baugrundstück im Bereich von Altablagerungen einer ehemaligen Deponie liege, so dass das Baugrundstück nach Lage und Beschaffenheit für die beabsichtigte Bebauung nicht geeignet sei (Bl. 45 ­ 46 d.A.). Mit Schreiben vom 18.12.1996 legten die Kläger gegen den versagenden Bauvorbescheid Widerspruch ein, nahmen den Widerspruch jedoch mit Schreiben vom 29.04.1997 zurück, weil sie ihn als aussichtslos ansahen.

Die Kläger haben die Auffassung vertreten, die Beklagte habe schuldhaft ihre Amtspflichten verletzt, indem sie die altlastenverdächtige Fläche des ehemaligen Deponiegeländes im Bebauungsplan als Baugebiet ausgewiesen und den Klägern im Umlegungsverfahren ein nicht bebaubares Grundstück zugewiesen habe. Wegen der früheren Nutzung als Mülldeponie bestehe die konkrete Gefahr, dass bei einer Bebauung des ihnen zugewiesenen Grundstückes gesundheitsbeeinträchtigendes Deponiegas austrete. Das Grundstück sei nicht sanierungsfähig. Die Beklagte habe die fehlende Bebaubarkeit der ehemaligen Deponiefläche schuldhaft nicht erkannt. Da die Beklagte in früherer Zeit Aschen und Schlacken aus ihrem ehemaligen Gaswerksbetrieb im Gebiet der ehemaligen Deponiefläche abgelagert habe und ihr bekannt gewesen sei, dass die ehemaligen Kies- und Sandgruben wild verfüllt worden seien, hätte sie die hierdurch verursachte Gefahrenlage aufklären müssen. Der den Klägern entstandene Schaden bestehe darin, dass das von ihnen in die Umlegung eingeworfene Altgrundstück einen Wert von 377.000,-- DM gehabt habe, das ihnen zugeteilte Grundstück hingegen entsprechend der Grundsteuerfestsetzung einen Wert von 0,-- DM habe, weil es nicht nutzbar sei.

Die Kläger haben beantragt, die Beklagte zu verurteilen, den Klägern Zug um Zug gegen Rückübertragung des kontaminierten unbebaubaren Grundstücks W.-J.-Ring..., Flur..., Flurstück ...in der Gemarkung B. N. ein bebaubares Grundstück gleichwertiger Lage und Größe zu übertragen,

hilfsweise,

die Beklagte zu verurteilen, an die Kläger 370.000,-- DM nebst 10 % Zinsen seit dem 19.01.1998 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat behauptet, vor und bei Aufstellung des Bebauungsplanes und während des Umlegungsverfahrens keine Kenntnis von einer Kontamination des Bodens gehabt zu haben. Es fehle deshalb jedenfalls an einem Verschulden ihrer Mitarbeiter. Auch sei die Schadensberechnung der Kläger unzutreffend, da das von ihnen in das Umlegungsverfahren eingebrachte Alt-Grundstück erheblich arsenbelastet und deshalb nur nach kostenaufwendiger Sanierung bebaubar sei.

Das Landgericht hat die Klage durch am 25.05.1998 verkündetes Urteil abgewiesen (Bl. 95 ­ 105 d.A.). Die Kläger haben gegen das ihnen am 10.06.1998 zugestellte Urteil am 10.07.1998 Berufung eingelegt und das Rechtsmittel nach Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 10.09.1998 an diesem Tage begründet.

Mit ihrer Berufung wiederholen die Kläger ihre Auffassung, die Beklagte habe bei der Aufstellung des Bebauungsplanes und auch durch Zuteilung eines nicht bebaubaren Grundstückes im Umlegungsverfahren schuldhaft ihre Amtspflichten verletzt. Zusätzlich stützen sie die Klage auf einen Entschädigungsanspruch wegen enteignungsgleichen Eingriffs.

Zu Unrecht sei das Landgericht davon ausgegangen, dass die Unkenntnis der Beklagten von der Kontamination der Grundstücke im Bereich der mit Müll verfüllten Flächen nicht schuldhaft gewesen sei. Die Hessische Landesanstalt für Umwelt habe schon 1981 Kenntnis von den Altablagerungen erlangt. Ferner sei den Bediensteten der Beklagten bekannt gewesen, dass im Bereich des Plangebietes ehemalige Kiesgruben mit Hausmüll verfüllt worden seien. Ebenfalls sei bekannt gewesen oder hätte bekannt sein müssen, dass auch Industrieabfälle eingelagert worden waren, da die ehemaligen Kiesgruben als Deponie für Abfälle aus dem städtischen Gaswerk genutzt worden seien. Aufgrund dieser Umstände sei die Beklagte verpflichtet gewesen, im Rahmen des Aufstellungsverfahrens des Bebauungsplanes Bodenuntersuchungen wegen des konkreten Verdachtes auf gesundheitsgefährdende Altlasten vorzunehmen. Die vorgefundene Belastung des Bodens mit Arsen beruhe in erheblichem Umfang auf der Ablagerung gaswerksspezifischer Schlacken. Das Spektrum der im Altablagerungskörper nachgewiesenen Verunreinigungen sei jedoch wesentlich größer als die Verunreinigungen mit Arsen.

Zu Unrecht habe das Landgericht die Abweisung der Klage damit begründet, dass der Anspruch der Kläger wegen des unterlassenen Rechtsbehelfs gegen den ablehnenden Bauvorbescheid ausgeschlossen sei. Der Widerspruch gegen den Vorbescheid sei kein Rechtsbehelf im Sinne des § 839 Abs. 3 BGB. Außerdem sei er offensichtlich aussichtslos gewesen, weil der negative Vorbescheid rechtmäßig ergangen sei. Bei pflichtgemäßem Handeln der Beklagten wäre allein der Bereich der ehemaligen Deponie aus dem Plangebiet herausgenommen worden. Die Arsenbelastung des Alt- Grundstückes der Kläger sei so gering gewesen, dass sie einer Einbeziehung dieses Grundstückes in den Bebauungsplan nicht entgegen gestanden hätte. Das ergebe sich daraus, dass das Alt-Grundstück der Kläger inzwischen ­ unstreitig ­ mit einem Dop- pelhaus bebaut worden ist und die Arsenbelastung entsprechend einer Auflage der Bauaufsichtsbehörde lediglich das Aufbringen einer 35 cm starken Humusschicht erforderte. Bei pflichtgemäßem Verhalten der Beklagten wäre den Klägern im Umlegungsverfahren ein 553 qm großes nicht kontaminiertes Baugrundstück zugewiesen worden. Deshalb sei der Hauptantrag auf Übertragung eines bebaubaren Grundstückes gleichwertiger Lage und Größe gerechtfertigt. Ausnahmsweise könne hier Naturalrestitution verlangt werden, weil diese nicht zur Rückgängigmachung der inzident zu prüfenden Verwaltungsentscheidung führe, sondern die Lieferung eines anderen Gegenstandes beinhalte. Zumindest könne Schadensersatz oder eine Entschädigung in Höhe von 370.000,-- DM beansprucht werden. Die Höhe ergebe sich daraus, dass das Alt-Grundstück der Kläger nach der Bodenrichtwertkarte zum Stichtag 31. Dezember 1999 (Bl. 216 ­ 218 d.A.) einen Wert von 750,-- DM pro Quadratmeter gehabt habe.

Die Kläger beantragen, unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen,

1. den Klägern Zug um Zug gegen Rückübertragung des kontaminierten unbebauten Grundstücks W.-J.-R. ..., Flur ..., Flurstück ... in der Gemarkung B. N.

ein bebaubares Grundstück gleichwertiger Lage und Größe zu übertragen,

2. hilfsweise an die Kläger 370.000,-- DM nebst 10 % Zinsen seit 19.01.1998 zu zahlen,

3. höchst hilfsweise an die Kläger Zug um Zug gegen Rückübertragung des kontaminierten unbebaubaren Grundstückes W.-J.-R. ..., Flur ..., Flurstück ... in der Gemarkung B. N. 370.000,-- DM nebst 10 % Zinsen seit dem 18.01.1998 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurück zu weisen. Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil. Zu Recht habe das Landgericht ein Verschulden der Mitarbeiter der Beklagten verneint. Bei den Vorarbeiten im Bauplanungsverfahren sei die Stellungnahme des Hessischen Landesamtes für Bodenforschung vom 26.07.1993 (Bl. 35 d.A.) eingeholt und von dem beauftragten Planungsbüro ausgewertet worden, dessen Ergebnisse und Untersuchungen im Oktober 1984 in einer Broschüre dargestellt worden seien. Entsprechend dem Ergebnis dieser Untersuchungen sei im Textteil des Bebauungsplanes auf die Gründungsproblematik hingewiesen worden. Anhaltspunkte für eine gesundheitsgefährdende Bodenkontamination seien hingegen nicht vorhanden gewesen. Entsprechende Hinweise aus der Bevölkerung seien nicht eingegangen. Das der Beklagten bekannt gewesene Gutachten Dr. Tr. vom 28.02.1967 (Anlage A 3) betreffe ebenfalls allein Gründungsschwierigkeiten. Erstmals aus dem Gutachten der Fa. Ge. vom 20.09.1989 (Anlage A 4) seien Anhaltspunkte für eine mögliche Bodenbelastung erkennbar geworden. Auch die Hessische Landesanstalt für Umwelt habe nicht schon 1981, sondern erst 1988/1989 Kenntnis von Altablagerungen erlangt.

Eine Haftung der Beklagten scheide auch deshalb aus, weil es an der erforderlichen Drittbezogenheit der geltend gemachten Amtspflichtverletzung fehle. Denn es sei unklar, ob von dem konkreten Grundstück der Kläger Gefahren für die Gesundheit am Menschen ausgehen. Ein eventueller Schaden der Kläger aus dem Umstand, dass Nachbargrundstücke verseucht seien, werde nicht vom Schutzbereich der Amtspflicht umfasst.

Schließlich sei den Klägern auch kein Schaden entstanden. Wenn die Altablagerung bei Aufstellung des Bebauungsplanes untersucht worden wäre, hätte der Bereich der ehemaligen Sand- und Kiesgrube aus der Planung herausgenommen werden müssen. Auch das Alt-Grundstück der Kläger wäre nicht in den Geltungsbereich einbezogen worden, weil es nahe am Gebiet der Altablagerungen liege, deren Begrenzungen nicht sicher feststellbar seien. Deshalb wäre als südliche Grenze des Geltungsbereiches des Bebauungsplanes eine Linie in Betracht gekommen, die etwa die Höhe der auf dem überreichten Bebauungsplan gelb markierten Straße Am St." parallel zur nördlichen Grenze der Altablagerung verlaufe. Für eine solche Linienführung hätte auch die hohe Arsen-Belastung des Alt-Grundstückes der Kläger gesprochen. Dann hätten die Kläger nicht am Umlegungsverfahren teilgenommen, sondern weiterhin ein Grundstück der Qualität Ackerland" gehabt. Der heutige Wert des den Klägern im Umlegungsplan zugewiesenen Grundstückes betrage 120,-- DM pro Quadratmeter.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Kläger hat hinsichtlich des Hilfsantrages Erfolg.

Allerdings ist die Berufung hinsichtlich des Hauptantrages, mit dem die Kläger Übertragung eines bebaubaren Grundstückes verlangen, das nach Lage und Größe ihrem Alt- Grundstück gleichwertig ist, unbegründet. Dieser Klageantrag ist unzulässig, weil er dem Erfordernis der Bestimmtheit nicht entspricht. Ihm fehlt der erforderliche Maßstab, an dem die Gleichwertigkeit von Lage und Größe eines Ersatzgrundstückes beurteilt werden kann. Auf eine Konkretisierung dieses Antrages hinzuwirken war nicht veranlasst, weil der Hauptantrag selbst in einer hinreichend konkreten Fassung keinen Erfolg haben kann. Unterstellt man, dass der geltend gemachte Schaden ­ die Zuweisung eines zur Bebauung und Nutzung zu Wohnzwecken ungeeigneten Grundstückes im städtebaulichen Umlegungsverfahren ­ auf einer schuldhaften Amtspflichtverletzung der Amtsträger der Beklagten beruht, könnte er im Wege der Naturalrestitution nur durch Abänderung des Umlegungsplanes ausgeglichen werden. Ein solcher Anspruch ist deshalb ausgeschlossen, weil die Beklagte, auf die die Verpflichtung des Beamten zum Schadensersatz nach Artikel 34 GG übergeleitet ist, nur im Rahmen der Ersatzpflicht des Beamten haftet, der Beamte persönlich jedoch nicht auf Vornahme einer Amtshandlung in Anspruch genommen werden. Davon gehen wohl auch die Kläger aus. Dementsprechend handelt es sich bei der von ihnen erstrebten privat-rechtlichen Übertragung eines Ersatzgrundstückes auch nicht um Naturalrestitution im eigentlichen Sinne, sondern um eine andere Form des Schadensersatzes, die § 251 Abs. 1 BGB je- doch nicht vorsieht. Nach dieser Bestimmung können die Kläger ­ da Naturalrestitution ausgeschlossen ist ­ allenfalls Schadensersatz in Geld verlangen.

Erfolg hat die Berufung der Kläger hingegen mit dem auf Schadensersatz in Geld gerichteten Hilfsantrag. Die Beklagte ist verpflichtet, an die Kläger aus dem rechtlichen Gesichtspunkt der Amtshaftung (Artikel 34 GG i.V.m. § 839 BGB) 369.750,-- DM zu zahlen.

Die Amtsträger der Beklagten haben ihre Amtspflichten bei der Aufstellung des Bebauungsplanes Im S..." verletzt, indem sie die Anforderungen, die an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse zu stellen sind, nicht mit der gebotenen Sorgfalt ermittelt und mit dem ihnen zukommenden Gewicht in die Planung eingebracht haben (BGH NJW 1989, 676, 977). Es ist Aufgabe des Planungsträgers, die künftige Wohnbevölkerung vor Umweltbelastungen und Gefahren zu schützen, die von dem Grund und Boden des Plangebietes selbst ausgehen (BGH a.a.O.).

Hier haben die Amtsträger der beklagten Gemeinde die Auswirkungen der Verfüllungen im Bereich der als wilde Deponie genutzten Kiesgruben für die bauliche Nutzung des Gebietes als Wohngebiet nicht hinreichend berücksichtigt. Die gebotene Untersuchung des Bodens in diesem Bereich auf Schadstoffe wurde unterlassen. Infolge dessen verkannte die Stadtverordnetenversammlung der Beklagten bei der Beschlussfassung über den Bebauungsplan, dass das Plangebiet im Bereich der ehemaligen Kiesgrube altlastenverdächtig und zur Bebauung nicht geeignet war.

Allerdings erfordert der von der Gemeinde bei der Planung einzuhaltende Sorgfaltsstandard nicht eine uferlose Überprüfung des zu beplanenden Areals gleichsam ins Blaue hinein". Was die planende Stelle nicht sieht" und was sie nach den ihr zur Verfügung stehenden Kenntnisquellen auch nicht zu sehen" braucht, kann von ihr nicht berücksichtigt werden und braucht von ihr auch nicht berücksichtigt zu werden. Überzogene Anforderungen an die Prüfungspflicht dürfen nicht gestellt werden (BGH NJW 1994, 253, 255 m.w.N.). Hier indes lagen Umstände vor, die der Beklagten zu eingehenden Bodenuntersuchungen auf Schadstoffbelastungen im Bereich der verfüllten Kiesgruben hätten Anlass geben müssen. Bereits die Stellungnahme des Hessischen Landesamtes für Bodenforschung vom 26.07.1983 (Bl. 35 d.A.) an die Beklagte wies darauf hin, dass im Plangebiet alte verfüllte Sand-/Kiesgruben nicht auszuschließen seien. Nach den Untersuchungen des von der Beklagten mit der Planung beauftragten Ingenieurbüros war im Plangebiet in der Vergangenheit Bergbau betrieben worden, örtlich befanden sich Kiesabbaugebiete, die zum Teil mit Müll verfüllt wurden. Nach dem zweiten Bericht der Fa. G. GmbH vom 20.09.1989 war die Lage der ehemaligen Kiesgruben innerhalb des Plangebietes bekannt. Wegen der Kenntnis von der Verfüllung der ehemaligen Kiesgruben mit Müll hätte sich für die Beklagte der Rückschluss ergeben müssen, dass demgemäß in diesem Bereich ganz allgemein mit der Gefahr von Bodenverseuchungen zu rechnen war. Es musste die Möglichkeit in Rechnung gestellt werden, dass auf den Deponieflächen ­ zumal es keine offizielle, sondern eine wilde" Deponie war ­ auch Abfälle gelagert wurden, die wegen ihrer chemischen Zusammensetzung eine besondere Gefährdung schufen (vgl. BGH NJW 1992, 1953, 1955). Die möglichen Gefahren, die von einer wilden" Deponie ausgehen konnten, waren bei Planaufstellung auch bekannt. Der Hessische Minister für Landwirtschaft und Forst hatte mit Runderlass vom 19.11.1970 (Staatsanzeiger für das Land Hessen Seite 2403 ff.) ein Merkblatt bekannt gemacht, das im Auftrag von Bund und Ländern vom Bundesgesundheitsamt aufgestellt worden war. Darin wird unter Nr. 6.2 ausgeführt, dass bei Bebauung eines Deponiegeländes zu beachten ist, dass noch mehrere Jahre nach Abschluss der Ablagerung sich im Deponiekörper biochemische Prozesse vollziehen und die Ursache für ungleichmäßige Setzungen und Gasaustritte sein können. Ferner wird auf die Gefährdung von Mensch und Tier durch schädliche Gase sowie mögliche Korrosion an Baukörpern, Kabeln und Rohrleitungen hingewiesen (Anlage A 5). In Anlage 2 zu diesem Merkblatt wird unter Nr. 1.3 ausgeführt, dass bei der Nutzung abgeschlossener Deponien zu beachten ist, dass aus dem Deponiekörper ausgetretene gesundheitsschädigende Zersetzungsgase nicht in Räume eindringen dürfen, die zum vorübergehenden oder dauernden Aufenthalt von Menschen bestimmt sind. Es wird empfohlen, unmittelbar nach Beendigung der Ablagerung Setzungspegel zu errichten und laufend Messungen durchzuführen.

Im vorliegenden Fall boten die von der Beklagten im Planverfahren getroffenen Feststellungen keine hinreichend tragfähige Grundlage dafür, dass eine Gesundheitsgefährdung bei den zukünftigen Bewohnern des Plangebietes auszuschließen ist. Weder die Stellungnahme des Hessischen Landesamtes für Bodenforschung vom 26.07.1983 noch der Untersuchungsbericht des mit der Planung beauftragten Ingenieurbüros nahmen zu den Fragen einer etwaigen Gefährdung von Mensch und Tier durch biochemische Prozesse Stellung. Vielmehr beschränkten sie sich auf die Bebaubarkeit des Geländes aus gründungs-technischer Sicht. Nichts anderes gilt für das Gutachten des Erdbaulaboratoriums Dr. Topp vom 28.02.1967 (Anlage A 3), welches der Beklagten ebenfalls bei der Planaufstellung bekannt war. Die Beklagte war deshalb wegen ihrer Kenntnis von der Nutzung der früheren Kies- und Sandgruben als wilde Mülldeponie verpflichtet, sich gezielt über das biochemische Gefährdungspotential dieser Flächen Klarheit zu verschaffen. Zu diesem Zweck hätte ein Sachverständigengutachten eingeholt werden müssen darüber, ob der beabsichtigten Nutzung des Plangebietes zu Wohnzwecken Bedenken wegen Gesundheitsgefahren entgegen stehen. Danach haben die Amtsträger der Beklagten ihre Amtspflichten bei der Aufstellung des Bebauungsplanes verletzt, indem sie die Anforderungen, die an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse zu stellen sind, nicht mit der gebotenen Sorgfalt ermittelten.

Diese Amtspflicht oblag der Beklagten auch gegenüber den Klägern. Das folgt allerdings nicht bereits daraus, dass das Alt-Grundstück der Kläger im Planbereich liegt. Der Kreis der geschützten Dritten bei Verletzung der Amtspflicht, bei der Aufstellung von Baulandplänen die Anforderungen, die an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse zu stellen sind, mit der gebotenen Sorgfalt zu ermitteln und mit dem ihnen zukommenden Gewicht in die Planung einzubringen, ist dahin einzugrenzen, dass Personen, bei denen eine Gefährdung von Leben und Gesundheit nicht besteht und die auch nicht die Verantwortung dafür tragen, dass die von ihnen errichteten Bauten von Gesundheitsgefahren frei sind, nicht in den Schutzbereich der hier in Rede stehenden Amtspflicht fallen (BGH NJW 1990, 1038, 1040). Deshalb sind Schadensersatzansprüche eines Planbetroffenen nicht bereits dann begründet, wenn sein Grundstück selbst von Schadstoffen unbelastet ist, die Wohnqualität aber dadurch beeinträchtigt wird, dass es in der Nachbarschaft oder Umgebung schadstoffbelasteter Grundstücke liegt (BGH a.a.O.). Das Alt-Grundstück der Kläger liegt außerhalb des Bereiches der früheren wilden Deponie. Von diesem Grundstück gingen Gesundheitsgefahren unstreitig nicht aus. Die Arsen- belastung des Alt-Grundstückes der Kläger ist geogenen Ursprungs. Sie steht einer Bebauung und Nutzung des Grundstückes zu Wohnzwecken nicht entgegen. Demgemäß wurde die Bebauung dieses Grundstückes genehmigt und auch ausgeführt. Die Arsenbelastung machte lediglich die Überdeckung des Bodens mit einer 35 Meter mächtigen Humusschicht erforderlich.

Hier besteht jedoch die Besonderheit, dass das den Klägern im Umlegungsverfahren zugewiesene Neu-Grundstück im nicht bebaubaren Bereich der Altablagerung liegt. Dieses Grundstück ist zur Bebauung und Nutzung zu Wohnzwecken nicht geeignet. Da es den Klägern im Wege der Surrogation (§ 63 BauGB) dem Eigentumsrecht am Grundstück untergeschoben" wird (BGHR Bundesbaugesetz § 72, Rechtsänderung 1; NJW 1983, 1661, 1662), sind die Kläger in den Kreis der geschützten Dritten einbezogen. Bereits bei Aufstellung des Bebauungsplanes war klar, dass sich ein Umlegungsverfahren anschließen werde. Die Eigentümer unbelasteter Alt-Grundstücke, denen im Umlegungsverfahren dann ein belastetes Neu-Grundstück zugewiesen wird, können nicht anders behandelt werden als ein Ersterwerber", der das Grundstück erst nach Aufstellung und Änderung des in Rede stehenden Bebauungsplanes erworben hat (BGH NJW 1989, 976, 978). Für die Beklagte war bereits bei Aufstellung des Bebauungsplanes erkennbar, dass die Ausweisung eines Wohngebietes, das den allgemeinen Anforderungen für gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse nicht genügt, über den Kreis der damaligen Grundstückseigentümer im Bereich der altlastenverdächtigen Fläche hinaus auch deren Rechtsnachfolger oder obligatorisch Nutzungsberechtigte, ebenso aber auch diejenigen Eigentümer nachteilig berühren wird, denen nach dem Umlegungsplan ein Grundstück im Bereich der altlastenverdächtigen Fläche zugewiesen wird. In all diesen Fällen werden die möglichen Adressaten der Amtspflicht durch ihre Beziehung zu dem geplanten Grundstück im altlastenverdächtigen Bereich individualisiert und aus der Allgemeinheit herausgehoben. Demgemäß ist die Drittbezogenheit der verletzten Amtspflichten zu Gunsten der Kläger zu bejahen.

Die Amtsträger der Beklagten handelten fahrlässig. Nach dem Textteil des Bebauungsplanes war ihnen bekannt, dass sich im Planbereich Kiesabbaugebiete befanden, die in der Vergangenheit zum Teil mit Müll verfüllt wurden. Bereits deshalb hätten sie erkennen müssen, dass zum Schutz der künftigen Wohnbevölkerung vor Umweltbelastungen und Gefahren ein Bodengutachten zur Ermittlung von Altlasten erforderlich war. Dem gemäß kann offen bleiben, ob sich die Nutzung der früheren Kiesgruben als wilde Deponie auch auf Abfälle aus dem städtischen Gaswerk und Industrieabfälle erstreckte und die Amtsträger der Beklagten hiervon Kenntnis hatten.

Aufgrund der schuldhaften Amtspflichtverletzung der Beklagten ist den Klägern ein Schaden in Höhe von 369.750,-- DM entstanden. Bei pflichtgemäßem Verhalten der Amtsträger der Beklagten wären die Kläger Eigentümer eines bebaubaren Grundstükkes geworden, dessen Wert heute der Schadenssumme entsprochen hätte.

Die Kläger können beanspruchen so gestellt zu werden, wie sich ihre Vermögenslage bei pflichtgemäßem Handeln der Amtsträger der Beklagten entwickelt hätte. Bei pflichtgemäßem Handeln hätten die Amtsträger der Beklagten bereits im Planaufstellungsverfahren ein Bodengutachten zur Feststellung von Altlasten im Bereich der ehemaligen wilden Mülldeponie eingeholt. Aus einem derartigen Gutachten hätten sich für die Amtsträger der Beklagten bereits im Planaufstellungsverfahren die Erkenntnisse ergeben, die in dem Untersuchungsbericht des von der Beklagten nachträglich beauftragten Ingenieurbüros B.-G.-S. GmbH vom Dezember 1992 (Anlage A 6) enthalten sind. Dieser Untersuchungsbericht bestätigt für den Bereich der ehemaligen wilden Mülldeponie eine signifikant hohe Bodenbelastung durch Arsen, darüber hinaus aber auch durch Blei und Zink, Magnesium und Mangan (Gutachten Seite 2.1), wobei die Arsenbelastung auch außerhalb des Kernbereichs der Altablagerungen anzutreffen war (Seite 2.5). Für den Fall einer Bebauung wird in den Flächen im Bereich der Altablagerungen ein wesentlich größeres Risiko als bei den Flächen des übrigen Bebauungsplangebietes gesehen, weil das Spektrum der im Altablagerungskörper nachgewiesenen Verunreinigungen wesentlich größer sei. Hier seien nachweislich Abfälle unterschiedlicher Herkunft abgelagert worden, deren Langzeitwirkung grundsätzlich nicht absehbar sei. Deshalb sei vor einer Bebauung des Ablagerungskörpers zu warnen, da dadurch die nachträgliche Eingriffs- und Sanierungsmöglichkeit grundsätzlich eingeschränkt werde. Da die Ablagerungsform der Schadstoffe durch eine nachträgliche Untersuchung nicht vollständig zu erfassen sei, bleibe immer ein großes Risiko bezüglich künftiger Mobilisierung (z.B. nach Durchrosten von Fässern und Gebinden) zurück. Sollten die Grundwassermessstellen entsprechende Schadstoffausträge anzeigen, seien geo-technische Sicherungsmaßnahmen unverzichtbar. Eine Bebauung würde entsprechende Maßnahmen stark behindern und in ihrer Effektivität einschränken (Untersuchungsbericht Seite 3.1). Dementsprechend kommt der Untersuchungsbericht zu dem Ergebnis, dass zur Sanierung der Kernbereich der Altablagerungen mit Ausnahme der bereits bebauten Flächen entlang der H-str. 1 ­ 9 von der Bebauung frei zu halten sei (Seite 2.10), und dass außerhalb des Kernbereichs der Altablagerungen eine Bebauung hingegen grundsätzlich möglich sei bei einer Überdeckung bzw. Austausch von 50 cm Bodenmaterial, und dass das Schadstoffspektrum hier im Wesentlichen auf die Schwermetalle Arsen und Blei beschränkt sei, eine Gasproblematik jedoch nicht zu besorgen sei (Seite 3.1).

Auf der Grundlage eines derartigen Untersuchungsberichtes hätten die Amtsträger der Beklagten den Kernbereich der Altablagerungen nicht in den Bebauungsplan aufgenommen und auch nicht als Umlegungsgebiet ausgewiesen. Hierfür spricht nicht nur das Ergebnis des Untersuchungsberichtes des Ingenieurbüros B.-G.-S. GmbH vom Dezember 1992, sondern auch die damit übereinstimmende Beurteilung der (zu verneinenden) Bebaubarkeit durch das Regierungspräsidium Darmstadt gemäß Schreiben vom 06.06.1995 (Bl. 41 d.A.). Danach befindet sich das von den Klägern im Umlegungsverfahren erlangte Neu-Grundstück im Bereich der ehemaligen Deponie Im S...", die als altlastenverdächtige Fläche in der nach dem Hessischen Altlastengesetz geführten Datei geführt wird. Es wird in diesem Schreiben ausgeführt, dass nach wie vor die Besorgnis bestehe, dass von der Altfläche eine wesentliche Beeinträchtigung des Wohles der Allgemeinheit ausgehe, weil die Altablagerungen mit 27.000 qm Fläche und 10 Meter Tiefe erheblich sei und außer Hausmüll, Asche und Schlacken auch gaswerkspezifische Stoffe enthalte. Sie sei des weiteren Ursache einer leichten Grundwasserverunreinigung mit steigender Tendenz bei einigen Parametern. Einer Bebauung der Altablagerungen könne aus Sicht der nach dem Hessischen Altlastengesetz zu wahrenden Belange nicht zugestimmt werden. Das vorhandene System der Altablagerung sei derzeit stabil, werde jedoch im Fall von Eingriffen wie Auskoffern, Bodenaustausch, Pfahlgründungen, Herstellung von Versorgungstrassen und Aufbringen von Belastungen durch Gebäude und Straßenverkehr gestört. Die Folgen seien im Hinblick auf die abgelagerten Stoffe nicht kalkulierbar. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass sich durch Eingriffe das zur Zeit relativ abstrakte Risiko zu einer konkreten Gefahrenlage aktualisiere. Ebenso wie das Regierungspräsidium in Darmstadt im Schreiben vom 06.06.1995 kam auch die Bauaufsichtsbehörde des Wetteraukreises zu der Überzeugung, dass die Flächen im Kernbereich der Altablagerungen für eine Bebauung mit Wohngebäuden objektiv ungeeignet sind. Das ergibt sich aus den Gründen des ablehnenden Vorbescheides des Wetterau-Kreises vom 18.11.1996. Danach führte die Beklagte als Träger der Planungshoheit in ihrer Stellungnahme zur Bauanfrage aus, dass das Baugrundstück im festgestellten Bereich von Altablagerungen einer ehemaligen Deponie liege und die Erschließung nicht gesichert sei. Das Wasserwirtschaftsamt Friedberg sah aus wasserwirtschaftlicher und abfalltechnischer Sicht keine Möglichkeit, einer Bebauung des Grundstückes zuzustimmen, weil sich das Grundstück der Kläger innerhalb des eigentlichen Altablagerungsbereiches der altlastenverdächtigen Fläche befinde und weil das Regierungspräsidium in Darmstadt mit Verfügung vom 06.06.1995 für diese Altablagerung eine Bebauung ausgeschlossen habe (Bl. 45, 46 d.A.). Danach vertreten die genannten Behörden übereinstimmend die Auffassung, dass nicht nur das den Klägern zugewiesene Neu-Grundstück, sondern der Kernbereich der Altablagerungen mit einer Fläche von 27.000 qm innerhalb des Plangebietes wegen des bestehenden Altlastenverdachtes für eine Bebauung mit Wohngebäuden objektiv ungeeignet ist. Vor diesem Hintergrund kann kein Zweifel daran bestehen, dass die zuständigen Amtsträger der Beklagten bei pflichtgemäßem Verhalten die altlastenverdächtige Teilfläche von etwa 27.000 qm nicht in das Plangebiet und demzufolge auch nicht in das Umlegungsgebiet einbezogen hätten.

Die Reduzierung des Plangebietes bei der Aufstellung und Entschließung über den Bebauungsplan und des Umlegungsgebietes im Umlegungsverfahren im Falle pflichtgemäßen Verhaltens der Amtsträger der Beklagten hätte nicht dazu geführt, dass auch das Alt-Grundstück der Kläger (Flur 14, Flurstück 117/2 Am St." in der Gemarkung B. N.) außerhalb des Plangebietes und des Umlegungsgebietes gelegen hätte. Vielmehr ist davon auszugehen, dass dieses Grundstück bei pflichtgemäßem Verhalten der Beklagten in das Bebauungsplangebiet und demgemäß auch in das Umlegungsgebiet aufgenommen worden wäre. Mit Rücksicht auf die Komplexität der Planung eines Bau- gebietes in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht sowie mit Rücksicht auf die damit einhergehenden Schwierigkeiten bei der Darlegung einer hypothetischen Planungsalternative sind keine hohen Anforderungen an die Darlegung der Kläger zu stellen, sondern eine gewisse Wahrscheinlichkeit der alternativen Planung zu Gunsten der Kläger als ausreichend anzusehen (BGH NJW 2000, 427, 430). Bei Anwendung dieses Maßstabes ist davon auszugehen, dass das Alt-Grundstück der Kläger ­ wie auch die übrigen an den A.-W.-Weg angrenzenden Grundstücke ­ im Plangebiet gelegen hätte. Diese Grundstücke befinden sich außerhalb der altlastenverdächtigen Fläche, wie aus dem als Anlage B 3 vorliegenden Bebauungsplan ersichtlich ist, der die Grenzen der altlastenverdächtigen Fläche grün markiert. Allerdings grenzt die östliche Schmalseite des Alt- Grundstückes unmittelbar an die Westgrenze der altlastenverdächtigen Fläche an. Dieser Umstand spricht jedoch nicht dafür, dass das Grundstück bei der hypothetischen Planung der Beklagten nicht in das Plangebiet einbezogen worden wäre. Unsicherheiten bei der Bestimmung des altlastenverdächtigen Gebietes bestehen in erster Linie bei der Bestimmung des Grenzverlaufs in nördlicher und südlicher Richtung, nicht aber auf der Westseite. Auch die nur mäßiggradige Arsenbelastung des Bodens im Bereich des Alt-Grundstückes der Kläger und der anderen im A.-W.-Weg gelegenen Grundstücke spricht für deren Einbeziehung in das Plangebiet bei der alternativen Planung. Aus dem Plan des Ingenieurbüros B.-G.-S. (Anlage B 4) ergeben sich in diesem Bereich Arsengehalte von mehr als 50 mg/kg bzw. mehr als 100 bis 200 mg/kg. Nur an der Südspitze dieses Teilbereiches befindet sich ein Grundstück mit einer Teilfläche, die einen Arsengehalt von mehr als 200 und bis zu 300 mg/kg aufweist. Das Alt-Grundstück der Kläger mit einem Arsengehalt von bis zu 200 mg/kg war jedenfalls bebaubar und erforderte lediglich das Aufbringen einer 35 cm mächtigen Humusschicht. Es liegt nahe, dass bebaubare Flächen aus dem ursprünglichen Plangebiet auch im Falle einer alternativen Planung nicht herausgenommen worden wären. Außerdem ist aus dem Bebauungsplan und der Luftaufnahme des Gebietes (Lichtbild Bl. 257 d.A.) ersichtlich, dass sich westlich des A-W-Weges bereits eine erhebliche Anzahl bereits bebauter Grundstücke befanden und sich die neue Bebauung im Bereich des A-W-Weges als sinnvolle Ergänzung der bereits vorhandenen Bebauung und der Bebauung im nord-westlichen Bereich des Plangebietes einfügt. Danach ist davon auszugehen, dass die alternative Planung der Beklagten im Falle pflichtgemäßen Verhaltens das Alt-Grundstück der Kläger einbezogen hätte.

Nach der genannten hypothetischen Planungsalternative wären den Klägern im Umlegungsverfahren 493 qm Bauland zugeteilt worden. Es besteht kein Anhaltspunkt dafür, dass sich bei der alternativen Planung ein anderer Flächenabzug ergeben hätte. Es kann auch nicht festgestellt werden, dass den Klägern ein Bauplatz von 553 qm Größe ohne eine Minderzuteilung von 60 qm bei einer Ausgleichszahlung von 18.000,-- DM zugewiesen worden wäre.

Für die Schadensbemessung ist der Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung maßgebend. Der Wert des den Klägern hypothetisch zugewiesenen Grundstückes von 493 qm würde heute 369.750,-- DM betragen (§ 287 ZPO). Der Wertberechnung liegt ein Quadratmeterpreis von 750,-- DM zugrunde. Er ergibt sich aus der Bodenrichtwertkarte zum Stichtag 31. Dezember 1999 (Bl. 216 ­ 218 d.A.). Danach betragen die Bodenrichtwerte im Plangebiet 750,-- DM/qm oder 800,-- DM/qm. Nur im Plangebiet östlich der R.str. beträgt der Bodenrichtwert 600,-- DM/qm. Da dieses Teilgebiet bei der Planaufstellung bereits vollständig oder nahezu vollständig bebaut war, kann der hierfür ermittelte Bodenrichtwert außer Betracht bleiben. Die hypothetische Zuweisung eines Baugrundstükkes in diesem Teilgebiet erscheint fernliegend. Der Grundstückswert mindert sich nicht um die Kosten für das Aufbringen einer Humusschicht. Denn es kann nicht festgestellt werden, dass das den Klägern hypothetisch zugewiesene Grundstück arsenbelastet gewesen wäre oder dass sich eine möglicherweise vorhandene mäßige Arsenbelastung wertmindernd ausgewirkt hätte. Die Karte über die Arsengehalte im Boden (Anlage B 4) lässt erkennen, dass sich im Plan- und Umlegungsgebiet eine erhebliche Anzahl von Grundstücken befindet, bei denen eine Arsenbelastung nur gering ist oder gänzlich fehlt. Selbst wenn das den Klägern hypothetisch zugewiesene Grundstück arsenbelastet gewesen wäre, könnten die Kosten für das Aufbringen einer Humusschicht bei der Feststellung des Grundstückwertes unberücksichtigt bleiben. Der von den Parteien mitgeteilte Kostenaufwand beliefe sich auf nicht mehr als etwa 1 % des Bodenpreises ohne Berücksichtigung einer Arsenbelastung und ist demnach zu vernachlässigen. Danach ist den Klägern durch die schuldhafte Amtspflichtverletzung der Beklagten ein Schaden von 369.750,-- DM entstanden.

Eine anderweitige Ersatzmöglichkeit zum Ausgleich dieses Schadens besteht unstreitig nicht.

Die Ersatzpflicht der Beklagten ist nicht wegen schuldhaften Unterlassens eines Rechtsmittels der Kläger zur Schadensabwendung nach § 839 Abs. 3 BGB ausgeschlossen. Vor Feststellung der Unanfechtbarkeit des Umlegungsplanes hatten die Kläger keine Kenntnis von Altlasten im Bereich des Plangebietes. Rechtsmittel gegen Entscheidungen im Umlegungsverfahren haben sie deshalb nicht schuldhaft unterlassen.

Rechtsmittel gegen den ablehnenden Bauvorbescheid der Bauaufsichtsbehörde vom 18.11.1996 unterfallen nicht § 839 Abs. 3 BGB. Denn sie wären weder auf die Überprüfung der beanstandeten Amtshandlung noch auf die Abwendung des Schadens gerichtet. Da der Schaden vielmehr bereits eingetreten war, handelte es sich bei dem zunächst eingelegten Widerspruch gegen den ablehnenden Bauvorbescheid um ein selbständiges Verfahren, um durch die Entscheidung einer anderen Behörde den bereits eingetretenen Schaden durch Erwerb eines altlastenverdächtigen Grundstückes zu vermindern. Im übrigen war der Widerspruch gegen die Versagung eines positiven Bauvorbescheides auch aussichtslos, so dass den Klägern die Rücknahme ihres Rechtsmittels nicht vorgeworfen werden kann. Die Beklagte bringt selbst keine Gesichtspunkte dafür vor, dass die Entscheidung der Bauaufsichtsbehörde unrichtig gewesen sei. Schließlich trug sie ja auch selbst dadurch zur Ablehnung der Bauvoranfrage bei, dass sie gegenüber der Bauaufsichtsbehörde im Genehmigungsverfahren dahin Stellung nahm, dass das Baugrundstück im festgestellten Bereich von Altablagerungen einer ehemaligen Deponie liege und die Erschließung nicht gesichert sei.

Danach können die Kläger von der Beklagten aus dem Gesichtspunkt der Amtshaftung Schadensersatz in Höhe von 369.750,-- DM beanspruchen. Zum Zwecke des Vorteilsausgleiches haben sie der Beklagten jedoch Zug-um-Zug das ihnen im Umlegungsver- fahren zugewiesene Grundstück zurück zu übertragen. Das Grundstück Flur ..., Flurstück ..., das die Kläger infolge der Amtspflichtverletzung erlangten, ist nicht ohne jeden Wert, obgleich es als altlastenverdächtige Fläche nicht bebaubar ist. Der Wert dieses Grundstückes mag gering sein. Er ist aber nicht deshalb mit Null zu bemessen, weil nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Kläger zukünftig als Zustandsstörer wegen der Kosten für die Beseitigung von Altlasten in Anspruch genommen werden könnten. Das Risiko einer möglichen zukünftigen Inanspruchnahme muss als denkbar gering eingestuft werden, da das Regierungspräsidium Darmstadt gemäß Schreiben vom 06.06.1995 ein Sanierungserfordernis verneinte. Für eine zwischenzeitlich eingetretene Erhöhung der Gefahrenlage ist nichts ersichtlich. Die Feststellung des Wertes des den Klägern zugewiesenen Grundstückes Flur ... Flurstück ... ist nicht erforderlich, da der Vorteilsausgleich wegen der fehlenden Gleichartigkeit von Ersatzanspruch und Vorteil nicht durch Anrechnung eines Geldwertes, sondern durch Zahlung des Schadensersatzes Zug-um-Zug gegen Rückgewähr des Vorteils stattzufinden hat (Palandt/Heinrichs, 60. Aufl., BGB vor § 249 Rn. 123 m.w.N.).

Den Klägern steht gegen die Beklagte außer dem Amtshaftungsanspruch auch ein Entschädigungsanspruch aus dem Gesichtspunkt des enteignungsgleichen Eingriffs durch Zuweisung des Grundstückes Flur 14, Flurstück 206 im Umlegungsverfahren zu. Da der gesetzliche Umlegungszweck (§ 45 BauGB) nicht erreicht werden kann, soweit das Umlegungsgebiet im Bereich der altlastenverdächtigen Fläche nicht bebaubar ist, war die Umlegung rechtswidrig. Soweit der Umlegungsplan die Kläger betrifft, verstieß er auch gegen den Grundsatz der wertgleichen Abfindung in Land. Dem gemäß ging die Zuweisung des Neu-Grundstückes über den dem Umlegungsverfahren immanenten Zweck hinaus und nahm enteignenden Charakter an. Dadurch werden grundsätzlich Entschädigungsansprüche aus dem Gesichtspunkt des enteignungsgleichen Eingriffs ausgelöst (BGH NJW 1981, 2123; NJW 1983, 1661, 1662).

Die Höhe der den Klägern wegen enteignungsgleichen Eingriffes zustehenden Entschädigung entspricht dem entstandenen Schaden, dessen Ausgleich sie wegen Amtshaftung beanspruchen können. Auf die vorstehenden Ausführungen wird Bezug genommen.

Von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an können die Kläger Prozesszinsen in Höhe von 4 % beanspruchen. Die weitergehende Zinsforderung ist unbegründet, weil sie einen den gesetzlichen Zins übersteigenden Schaden nicht dargelegt haben.

Der Schriftsatz der Beklagten vom 11.12.2001 kann nicht berücksichtigt werden, weil er nach Schluß der mündlichen Verhandlung eingegangen ist (§ 296 a ZPO). Die Wiedereröffnung der Verhandlung ist nicht veranlaßt, da die in diesem Schriftsatz vorgebrachten Verteidigungsmittel keine andere Entscheidung rechtfertigen.

Trotz der teilweisen Abweisung der Klage und Zurückweisung der Berufung hat allein die Beklagte die Kosten des Rechtsstreits zu tragen (§ 92 Abs. 2 ZPO). Die Verurteilung zur Zahlung von Schadensersatz in Geld ist im Verhältnis zu dem abgewiesenen Hauptantrag lediglich eine andere Art des Schadensausgleichs, die eine anteilige Belastung der Kläger mit den Kosten des Rechtsstreits nicht rechtfertigt. Auch die Zug-um-Zug-Einschränkung des Urteils rechtfertigt eine anteilige Kostenbelastung der Kläger nicht, weil die Kläger das Grundstück ohnehin nicht behalten wollten, sondern der Beklagten die Rückübertragung anboten.

Die Entscheidungen über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruhen auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Wertfestsetzung erging nach § 546 Abs. 2 ZPO.

Ende der Entscheidung

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