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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 25.05.2005
Aktenzeichen: 1 U 172/04
Rechtsgebiete: VOB/B


Vorschriften:

VOB/B § 11 Nr. 4
Ist die Werkleistung abgenommen, muss der Auftraggeber zu schlüssigen Begründung seines Vertragsstrafenanspruchs vortragen, sich die Vertragsstrafe rechtzeitig vorbehalten zu haben (Anschluss an BGH BauR 1977, 280).
Gründe:

I. Die Klägerin hat auf der Grundlage eines die VOB/B einbeziehenden Vertrages als Subunternehmerin der Beklagten Aufzugsanlagen erstellt und montiert. Sie nimmt die Beklagte auf Zahlung eines - in der Berufungsinstanz auch betragsmäßig - unstreitigen Restwerklohns in Anspruch. Die Beklagte hat gegen diesen Anspruch mit einer Vertragsstrafe aufgerechnet. Der Streit zwischen den Parteien beschränkt sich auf die Frage, ob der Beklagten die Vertragsstrafenforderung zusteht.

Zur Darstellung der Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes nimmt der Senat auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils Bezug.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Es fehle unstreitig am nach § 11 Nr. 4 VOB/B erforderlichen Vorbehalt der Vertragsstrafe bei der Abnahme, wann immer diese erfolgt sei. Außerdem sei es angesichts der erheblichen Leistungsänderungen treuwidrig, die Klägerin an der Vertragsstrafenabrede festzuhalten.

Die Beklagte rügt mit ihrer Berufung, sie habe am 8.5.2002 die klägerische Leistung nicht im Rechtssinne abgenommen. Die im Verhandlungsprotokoll unter Nr. 9 vereinbarte förmliche Abnahme habe nie stattgefunden. Außerdem habe sie vor dem Landgericht bereits mündlich vorgetragen, dass ausweislich ihrer Nachunternehmerbedingungen die Vertragsstrafe bis zur Schlusszahlung abgerechnet werden könne. Der Abzug der Vertragsstrafe sei aus den in der Klageerwiderung ausgeführten Gründen nicht treuwidrig, dies insbesondere nicht unter Berücksichtigung der handschriftlichen Formulierungen im Verhandlungsprotokoll.

Die Beklagte beantragt,

das landgerichtliche Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie meint, die Beklagte habe die Abnahme am 8.5.2002 gestanden, diese sei einvernehmlich formlos erfolgt. Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthielten keine Regelung zur Möglichkeit eines späteren Vorbehalts der Vertragsstrafe. Außerdem sei die Vertragsstrafenklausel nach dem AGBG unwirksam und wegen vielfältiger, der Beklagten zuzurechnender Bauverzögerungen hinfällig; jedenfalls fehle es am Verzug der Klägerin.

Die Beklagte hat in der Berufungsverhandlung drei Mahnschreiben vom 19.3., 14.5. und 23.5.2002 (Bl. 241 ff. d. A.) sowie die nach ihrer Darstellung dem streitgegenständlichen Vertrag zugrunde gelegten Nachunternehmerbedingungen "NU 99" (Bl. 244 ff. d. A.) vorgelegt. Den Zugang des Mahnschreibens vom 14.5.2005 hat die Klägerin bestritten.

II. Das Rechtsmittel der Beklagten hat keinen Erfolg.

1. Die Berufung ist zulässig.

a) Sie konnte per Telefax begründet, das "Original" musste nicht nachgesandt werden (vgl. Zöller-Greger, ZPO, 25. Aufl., § 130 Rn. 18). Dass die Beklagte entgegen § 133 ZPO keine Doppel für die Klägerin mit übersandt hatte, hat lediglich nachteilige Kostenfolgen für die Beklagte (vgl. Zöller-Greger a. a. O. § 133 Rn. 3).

b) Für die Zulässigkeit der Berufung überhaupt reicht es aus, dass einige Rügen nachvollziehbar ausgeführt sind. Die Vielzahl der ein Verständnis teilweise verunmöglichenden Schreibfehler in der Berufungsbegründung ändert daran nichts.

2. Die Berufung ist jedoch unbegründet.

a) Die Berechtigung der streitgegenständlichen Werklohnforderung war von Beginn des Rechtsstreits an im Wesentlichen außer Streit, dies zu Recht. Die Forderung ist nunmehr betragsmäßig unstreitig. Ebenso unstreitig war in erster Instanz, dass die Beklagte die Leistungen der Klägerin abgenommen hat, streitig war allein der Zeitpunkt. Hieran ist die Beklagte in der Berufungsinstanz gebunden (§ 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO). Von der Vereinbarung zur förmlichen Abnahme konnten die Parteien einvernehmlich abrücken und statt dessen stillschweigend abnehmen (vgl. BGH BauR 1977, 344 ff.), etwa dadurch, dass die Klägerin ihre Schlussrechnung übersandte und die Beklagte keine Abnahmeverhandlung verlangte.

b) Die Klageforderung ist nicht durch Aufrechnung mit einem Vertragsstrafenanspruch der Beklagten erloschen. Ein derartiger Anspruch stand der Beklagten nicht zu.

(1) Dies ergibt sich - wie bereits das Landgericht zutreffend ausgeführt hat - daraus, dass ein nach § 11 Nr. 4 VOB/B erforderlicher Vorbehalt der Vertragsstrafe bei der Abnahme nicht festzustellen ist. Ist die Werkleistung - wie im Streitfall - abgenommen, muss der Auftraggeber zur schlüssigen Begründung seines Vertragsstrafenanspruchs vortragen, sich die Vertragsstrafe rechtzeitig vorbehalten zu haben (vgl. BGH BauR 1977, 280 f. [juris-Rn. 10]; 1984, 643 f. [juris-Rn. 12]; OLG Düsseldorf BauR 1977, 281 f. [juris-Rn. 44]; a. A. Baumgärtel-Strieder, Handbuch der Beweislast im Privatrecht, 2. Aufl., § 341 Rn. 3). Die Beklagte hat hierzu auch nicht ansatzweise vorgetragen.

(2) Der Vorbehalt im Rahmen der Schlussabrechnung reichte nicht aus. Zwar kann das Erfordernis eines Vorbehaltes bei der Abnahme (§ 341 Abs. 3 BGB) auch formularvertraglich in dem Sinne abbedungen werden, dass der Vorbehalt noch mit der Schlusszahlung geltend gemacht werden darf (vgl. BGH BauR 1981, 374 ff. [juris-Rn. 9]; 1984, 643 f. [juris-Rn. 16]; 2000, 1758; BGHZ 153, 311 ff. [juris-Rn. 52]). Die Beklagte mag sich erstinstanzlich in der mündlichen Verhandlung auf eine entsprechende Klausel in ihren Nachunternehmerbedingungen berufen haben; deren Existenz hat die Klägerin indessen auf S. 4 des Schriftsatzes vom 15.6.2004 (Bl. 130 d. A.) bestritten. Die Beklagte hat ihre Behauptung erstmals in der Berufungsverhandlung - also lange nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist - durch Vorlage ihrer Nachunternehmerbedingungen unter Beweis gestellt. Dieses Beweismittel ist nach § 531 Abs. 2 ZPO ausgeschlossen. Das Landgericht hat gerade entscheidend auf das Fehlen eines rechtzeitigen Vorbehalts abgestellt und die Beklagte nicht davon abgehalten, zur Rechtfertigung ihres späten Vorbehalts vorzutragen, wie § 531 Abs. 2 Nr. 1 ZPO dies erfordern würde (vgl. BGH BauR 2004, 1937 ff. [juris-Rn. 18]). Ein Verfahrensfehler des Landgerichts ist nicht ersichtlich und nicht gerügt (§ 531 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Dass die Beklagte ihre Nachunternehmerbedingungen erstinstanzlich nicht vorgelegt hat, muss als zumindest leicht fahrlässig bezeichnet werden, was für den Novenausschluss nach § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO genügt. Auf die zusätzliche Verspätung im Rahmen des Berufungsverfahrens in Gestalt der Vorlage nicht mit der Berufungsbegründung, sondern erst in der Berufungsverhandlung und die Frage einer Verfahrensverzögerung (§§ 530, 296 Abs. 1 ZPO) kommt es danach nicht mehr an.

(3) Unabhängig davon wäre auch ein Verzug der Klägerin mit ihrer Bauleistung nicht festzustellen.

(i) Massive Störungen des Zeitplanes, die der Auftragnehmer nicht zu vertreten hat, können den Vertragsstrafenanspruch ganz entfallen lassen (vgl. BGH BauR 1974, 206, 207; 1999, 645 ff. [juris-Rn.19, 27]). Weniger massive Störungen führen dazu, dass die Leistung des Auftragnehmers nicht zum vereinbarten kalendermäßigen Zeitpunkt fällig wird, so dass der Auftragnehmer nur durch eine Mahnung in Verzug geraten kann (vgl. BGH BauR 1999, 645 ff. [juris-Rn. 27]; BGHZ 153, 311 ff. [juris-Rn.72]).

(ii) Das Landgericht hat zutreffend und unbeanstandet festgestellt, dass die von der Klägerin nach dem Vertrag zu erbringende Leistung schon durch die fünf Nachtragsaufträge erheblich geändert wurde. Damit war der vereinbarten kalendermäßigen Fälligkeit völlig unabhängig von den streitigen Behinderungen die Grundlage entzogen. Es geht insoweit nicht um Terminplanänderungen, die die Ausführungszeiträume nach dem Verhandlungsprotokoll (Bl. 24 d. A.) unberührt lassen sollten, sondern um Änderungen der zu erbringenden Bauleistung. Dass sie die Klägerin gemahnt habe, hat die Beklagte erstmals in der Berufungsverhandlung behauptet und hierzu drei Mahnschreiben in Kopie vorgelegt.

Hierzu gilt Folgendes:

Den Zugang der Mahnschreiben vom 19.3.2002 (Bl. 241 d. A.) und vom 23.5.2002 (Bl. 243 d. A.) hat die Klägerin nicht bestritten, so dass deren Berücksichtigung im Berufungsverfahren von den Voraussetzungen des § 531 Abs. 2 ZPO nicht abhängt (vgl. BGH MDR 2005, 527 f.). Der Vortrag zur Mahnung vom 19.3.2002 ist indessen nach §§ 530, 296 Abs. 1 ZPO nicht berücksichtigungsfähig, weil seine Berücksichtigung die Erledigung des Rechtsstreits verzögern würde; der Senat müsste nämlich einen neuen Termin bestimmen, um den von der Klägerin benannten Zeugen Z1 zur klägerischen Behauptung zu hören, der Einbau der Kabinen zu den im Schreiben vom 19.3.2002 erwähnten Aufzugsanlagen sei an der fehlenden, nicht von der Klägerin zu verantwortenden Stromversorgung gescheitert. Auch die Mahnung vom 23.5.2002 erlaubt nicht den Schluss auf einen Verzug der Klägerin, die ein Schreiben der Beklagten vom 31.5.2002 vorgelegt hat, ausweislich dessen als Vorleistung bauseitige Schreinerarbeiten fehlten.

Den Zugang des Mahnschreibens vom 14.5.2002 (Bl. 242 d. A.) hat die Klägerin bestritten. Es ist nach § 531 Abs. 2 ZPO nicht berücksichtigungsfähig. Selbst wenn es berücksichtigt würde, könnte sich am Ergebnis nichts ändern, weil eine Mahnung nur im Falle ihres Zugangs den Verzug begründen kann.

3. Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97 Abs. 1, 543 Abs. 2, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Ende der Entscheidung

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