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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 02.04.2007
Aktenzeichen: 1 U 181/06
Rechtsgebiete: BGB, GG


Vorschriften:

BGB § 839
BGB § 1006
GG Art. 34
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I.

Der Kläger nimmt das beklagte Land wegen des Verlustes von Uhren auf Schadensersatz in Anspruch.

Beamte des Polizeidienstes beschlagnahmten am 21.11.2002 Uhren und Uhrenteile, die der Kläger in seinem Fahrzeug mit sich führte und auch solche, die anlässlich der Durchsuchung seiner Wohnung gefunden wurden.

Gegen den Kläger wurde ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Hehlerei und des Verstoßes gegen das Markengesetz eingeleitet.

Die Polizei veranlasste die Versendung von 27 sichergestellten Uhren und Uhrenteilen in zwei Wertpaketen an die A Deutschland GmbH in O1 mit der Bitte um Überprüfung, ob es sich um Originale oder Fälschungen oder um gestohlene Uhren handele. Für die Uhren abgeschlossene Transportversicherungen über je 25.000.- € umfassten nach den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Post nicht den Verlust von Schmuck und Uhren.

Das Verfahren gegen den Kläger wurde nach § 154 StPO eingestellt. Die zum Versand gebrachten Uhren konnten nicht an den Kläger herausgegeben werden, weil sie zusammen mit anderen für die A GmbH bestimmten Wertpaketen in der Poststelle in O1 - ... bei einem Einbruch entwendet worden waren.

Der Kläger hat den ihm aus dem Verlust der Uhren und Uhrenteile entstandenen Schaden mit 93.900.- € beziffert.

Der Kläger hat behauptet:

Bei den von der Polizei sichergestellten Uhren habe es sich um echte A - Uhren mit den von ihm im Einzelnen angegebenen Werten gehandelt, deren Eigentümer er gewesen sei.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, angesichts des hohen Wertes der Uhren und des hohen Verlustrisikos habe eine Versendung per Post nicht erfolgen dürfen. Ein persönlicher Transport oder eine Versendung durch ein privates Werttransportunternehmen sei angezeigt gewesen.

Ein weiterer Sorgfaltsverstoß liege darin, dass die Uhren zusammen mit den Echtheitszertifikaten versandt worden seien.

Das beklagte Land habe alles getan, um ihm die Möglichkeit des Nachweises zu nehmen, dass es sich um echte A - Uhren gehandelt habe.

Des Weiteren hat der Kläger den nicht auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens anrechenbaren Teil der Geschäftsgebühr aus dem Gesichtspunkt des Verzuges verlangt.

Die Parteien haben die in dem Urteil des Landgerichts wiedergegeben Anträge gestellt.

Das beklagte Land hat eingewandt:

Es handele sich um Hehlerware bzw. um Falsifikate.

Den Polizeibeamten sei keine Pflichtverletzung anzulasten. Das Versenden auch hochwertiger Güter per Post sei üblich. Diebstähle im Bereich der Deutschen Post AG seien selten.

Eine Sorgfaltspflichtverletzung liege auch nicht darin, dass die Uhren zusammen mit sog. Echtheitszertifikaten versandt worden seien. Die Zertifikate seien gefälscht.

Das Landgericht hat die Klage durch Urteil vom 12.7.2006 abgewiesen.

Auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil wird Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil wendet der Kläger sich mit seiner Berufung.

Er beanstandet, das Landgericht habe die Bedeutung des § 1006 Abs. 1 BGB verkannt.

Die Mitarbeiter der Ermittlungsbehörde hätten sich vor der Versendung eingehend mit den Transport - und Versicherungsbedingungen der Post befassen und eine andere Transportart wählen müssen.

Durch das Schreiben der A Deutschland GmbH vom 3.4.2003 sei nicht bewiesen, dass die vier in dem Sicherstellungsverzeichnis unter den Nummern 21, 23, 25 und 32 aufgeführten Uhren gestohlen gewesen seien. Die in dem Schreiben des Herrn B an die A France vom 8.8.2002 als gestohlen bezeichneten Uhren seien mit den in dem Sicherstellungsverzeichnis unter den Nummern 21, 23, 25 und 32 genannten Uhren nicht identisch.

Der Beweis der Echtheit der Uhren sei durch die Originalzertifikate zu führen. Diese Beweisführung habe das beklagte Land durch sein Verhalten schuldhaft vereitelt.

Er habe zum Beweis der Echtheit der Uhren die Kaufverträge vorgelegt. Daraus seien der Verkäufer und der bezahlte Preis zu entnehmen. Zusätzlich habe er die Verkäufer der Uhren benannt und sich auf Beweis durch Sachverständige bezogen. Das Landgericht habe die Zeugen nicht vernommen, obwohl diese in der Lage gewesen seien, die Echtheit der Uhren zu bekunden.

Der Kläger beantragt,

1. unter Abänderung des am 13.7.2006 verkündeten Urteils des Landgerichts Frankfurt am Main (Az. 2-04 O 25/06) wird das beklagte Land verurteilt, an den Kläger 93.900.- € zzgl. Zinsen in Höhe von 8% über dem Basiszinssatz seit dem 9.4.2003 zu zahlen;

2. das beklagte Land wird verurteilt, 1.071,90 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 9.4.2003 zu zahlen.

Das beklagte Land beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Das beklagte Land verteidigt das angefochtene Urteil.

Es verweist auf ein Schreiben des Herrn B an die A France vom 8.8.2002.

Nach allgemeiner Lebenserfahrung sei es offensichtlich, dass der Kläger mit gefälschter Markenware und Hehlerware gehandelt habe.

Die die Versendung veranlassenden Beamten hätten nicht mit einem gezielten Diebstahl rechnen müssen.

Der Beweis der Echtheit der Uhren könne auch durch die Umstände des jeweiligen Ankaufs und die Dokumentation der Lieferwege geführt werden.

II.

Die zulässige Berufung bleibt in der Sache ohne Erfolg.

Das Urteil des Landgerichts, durch das es die Klage auf Schadensersatz aus Amtspflichtverletzung (§ 839 BGB i. V. m. Art. 34 GG) und wegen schuldhafter Verletzung der Pflichten aus einem öffentlichrechtlichen Verwahrungsverhältnis abgewiesen hat, beruht im Ergebnis weder auf einer Rechtsverletzung noch rechtfertigen nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Beurteilung.

A. Dem Kläger steht kein Anspruch aus Amtspflichtverletzung zu.

a) Die Beamten des Polizeidienstes handelten bei der Ermittlung, ob dem Kläger Straftaten zur Last zu legen seien, in Ausübung eines öffentlichen Amtes. Auch die Versendung der beschlagnahmten Uhren zu der A Deutschland GmbH in O1 ist der Zielsetzung der Erforschung von Straftaten zuzurechnen. Denn in dem Anschreiben vom 12.12.2002 wird die A Deutschland GmbH um Begutachtung und Feststellung gebeten, ob die übersandten Uhren und Uhrenteile aus einem Diebstahl stammen oder ob es sich um Falsifikate handelt.

b) Auf Grund der Sicherstellung und Inverwahrungnahme der Uhren und Uhrenteile oblag den Beamten des Polizeidienstes die Amtspflicht zur ordnungsgemäßen Aufbewahrung und Sicherung der späteren Rückgabe. Diese Amtspflicht oblag den Beamten jedenfalls auch gegenüber dem Kläger, denn im Falle der förmlichen Beschlagnahme ist der Beweisgegenstand nach der Beendigung der Beschlagnahme an den letzten Gewahrsamsinhaber herauszugeben (Meyer-Goßner, Strafprozessordnung, 49. Aufl. 2006, § 94 Rn 22).

Eine entsprechende Regelung findet sich auch in § 43 Abs. 1 HSOG. Danach sind die Sachen an diejenige Person herauszugeben, bei der sie sichergestellt worden sind, sobald die Voraussetzungen für die Sicherstellung weggefallen sind.

Die Ermittlungsbehörde verletzte ihre Amtspflicht zur Sicherung der späteren Rückgabe. Die Uhren durften nicht per Post unter Abschluss einer Transportversicherung versandt werden, welche einen Schaden von 500.- € abdeckte. Es stand nicht fest, ob es sich bei den Uhren um echte und somit wertvolle A- Uhren oder ob es sich um Falsifikate handelte. Dies galt es gerade erst bei der A Deutschland GmbH zu klären.

c) Die Amtsträger trifft ein Verschulden. welches sich nur auf die Amtspflichtverletzung beziehen muss. Ihnen ist Fahrlässigkeit vorzuwerfen. Sie haben die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen, indem sie die Uhren auf die bezeichnete Weise versandten. Bei sorgfältiger Prüfung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Deutsche Post AG hätte es sich ihnen erschlossen, dass die vereinbarte Transportversicherung möglicherweise die Gefahr des Verlustes der Uhren nicht abdeckte.

d) Die Amtspflichtverletzung ist für den Schaden kausal geworden. Bei ordnungsgemäßem Verhalten der Amtsträger wären die Uhren nicht in der Poststelle O1 - ... entwendet worden. Sie hätten sich dort nicht befunden, sondern wären z. B. einem Werttransportunternehmen anvertraut worden.

Der Kausalzusammenhang zwischen der Amtspflichtverletzung und dem Verlust der Uhren ist nicht durch die auf freier Willensentschließung Dritter beruhende Entwendung der Pakete, in denen sich die Uhren befanden, "unterbrochen" worden. Die Ursächlichkeit des ersten haftungsbegründenden Umstandes wird durch das Dazwischentreten eines Dritten nur ausgeschlossen, wenn dieser frühere Umstand für das Verhalten des Dritten völlig bedeutungslos war (BGH NJW 1989, 2127). Dies war hier nicht der Fall. Die Versendung der Uhren per Post war Bedingung für die Entwendung.

e) Eine anderweitige Ersatzmöglichkeit besteht für den Kläger nicht (§ 839 Abs.1 Satz 2 BGB).

f) Es kann jedoch nicht festgestellt werden, dass dem Kläger dadurch, dass die 27 Uhren und Uhrenteile in Verlust gerieten und nicht mehr an ihn herausgegeben werden können, ein Schaden in Höhe von 93.900.- € entstand.

Die mitgeteilten Verkehrswerte haben ihre Grundlage in der bestrittenen Behauptung des Klägers, es habe sich um echte A - Uhren gehandelt. Er hat seine Behauptung indessen nicht zulässig unter Beweis gestellt. Die Beweislast für die Höhe des Schadens und damit für die Echtheit der Uhren liegt bei dem Kläger. Es handelt sich um eine anspruchsbegründende Tatsache. Die Voraussetzungen einer Beweisvereitelung, die zu einer Beweislastumkehr führen könnte, liegen nicht vor. Zwar ist dem Kläger die Führung des Beweises der Echtheit erschwert, weil die Uhren auf einen ungeeigneten Versandweg gebracht und zudem die zu den Uhren gehörenden Zertifikate mitverschickt wurden, ohne hiervon Kopien herzustellen. Es war aber seinerzeit nicht vorauszusehen, dass die Echtheit der Uhren und Zertifikate in einem Zivilrechtsstreit von Bedeutung sein könnte (vgl. BGH ZPI 1985, 312, 314). Ein Verschulden der Amtsträger bezog sich nicht auf die Beseitigung der Beweisfunktion der Uhren und Zertifikate (vgl. BGH NJW 2006, 434, 436).

Auch ist dem Kläger die Beweisführungslast durchaus zuzumuten. Er hat im zweiten Rechtszug geltend gemacht, die von ihm bereits in erster Instanz benannten Zeugen könnten die Echtheit der Uhren bekunden; nach seiner eigenen Einschätzung wäre ihm die Beweisführung also materiell nicht unmöglich. Der Beweisantritt ist jedoch neu und nur unter den Voraussetzungen des § 531 Abs. 2 ZPO zuzulassen, die nicht vorgetragen worden sind. Der von dem Kläger im ersten Rechtszug angetretene Zeugenbeweis bezog sich nur auf das Zustandekommen der einzelnen Erwerbsgeschäfte. Der Abschluss von Kaufverträgen über Uhren besagt aber nichts zur Echtheit der Uhren. Der Kläger hat den Beweisantritt im ersten Rechtszug nicht infolge eines Verfahrensmangels des Landgerichts unterlassen. Der Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör wäre erst dann verletzt, wenn das Landgericht einen Hinweis auf einen entscheidungserheblichen rechtlichen Gesichtspunkt unterlassen hätte, mit dem auch ein gewissenhafter und rechtskundiger Prozessbeteiligter nicht zu rechnen brauchte (vgl. BVerfG, NJW 2004, 1371, 1373). Um einen solchen Aspekt handelt es sich hier nicht. Es musste sich dem anwaltlich vertretenen Kläger vielmehr auch ohne gerichtlichen Hinweis aufdrängen, dass der für seine bestrittene Behauptung hinsichtlich der Verkehrswerte angetretene Beweis durch Sachverständige ungeeignet ist, weil ein Sachverständiger hierzu nur Feststellungen treffen kann, wenn die Uhren in Augenschein genommen werden können oder wenn ihr Zustand feststeht, was nicht der Fall war. Dies gilt auch, soweit der Kläger sich auf das sachverständige Zeugnis eines Mitarbeiters der A Deutschland GmbH bezogen hat.

Aus den vorgelegten Kopien von Erwerbsurkunden ergibt sich nichts für die Echtheit der Uhren. Im Falle der Vorlegung der Urkunden - Kopien haben keine Urkundsqualität - wäre bewiesen, dass bestimmte Personen bestimmte Erklärungen schriftlich niedergelegt haben. Die Beweiskraft umfasst aber nicht die inhaltliche Richtigkeit der Erklärungen.

Genügende tatsächliche Anknüpfungspunkte für die Schätzung eines Mindestschadens liegen nicht vor.

B. Ein Anspruch des Klägers aus einem öffentlichrechtlichen Verwahrungsverhältnis scheitert aus den vorgenannten Gründen (unter f).

C. Zwar könnte hinsichtlich der in dem Sicherstellungsverzeichnis unter den Nummern 21, 23, 25 und 32 genannten Uhren aufgrund des Schreibens der A Deutschland GmbH vom 3.4.2003 davon ausgegangen werden, dass es sich bei diesen Uhren um echte A - Uhren handelte. Der Kläger, der die Anspruchsvoraussetzungen darzulegen hat, will dieses Schreiben und auch das des Herrn B vom 8.8.2002 jedoch nicht gelten lassen, denn diese Schreiben könnten darauf hinweisen, dass die genannten Uhren seinerzeit entwendet wurden. Er hat bestritten, dass es sich bei den in diesen Schreiben genannten Uhren um die im Sicherstellungsverzeichnis unter den Nummern 21, 23, 25 und 32 aufgeführten handele.

Auf der Grundlage des Vortrags des Klägers steht dem gemäß auch die Echtheit dieser Uhren nicht fest.

Die Hilfserwägung des Klägers zu einer Drittschadensliquidation trägt nicht. Es liegt auf der Hand, dass die Liquidation eines Schadens des Eigentümers der Uhren durch den Kläger, der auf Leistung an sich klagt, nicht dem Willen des geschädigten Eigentümers entspricht, der einen eigenen deliktischen Anspruch haben kann (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, Aufl., Vorb v § 249 Rn 114).

D. Der Kläger hat gegen das beklagte Land keinen Anspruch auf Verzugsschadensersatz in Form des nicht auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens anrechenbaren Teils der Geschäftsgebühr. Ihm ist aus den Gründen unter A. f), B., C. kein Anspruch auf Schadensersatz zuzuerkennen, mit dessen Erfüllung das beklagte Land in Verzug geraten sein könnte.

E. Die Kosten des ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen dem Kläger zur Last, § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in den §§ 708 Ziffer 10, 711 ZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen.

Ende der Entscheidung

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