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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 21.05.2007
Aktenzeichen: 1 U 201/06
Rechtsgebiete: EEG


Vorschriften:

EEG § 3 Abs. 2
EEG § 11 Abs. 2
EEG § 11 Abs. 6
Eine Auslegung der Regelung zu § 11 Abs. 6 EEG nach ihrem Wortlaut, Sinnzusammenhang und Zweck führt zu dem Ergebnis, dass der Betreiber der neu hinzugekommenen Anlage und der der bereits vorhandenen Anlage nicht identisch sein müssen.
Gründe:

I.

Zwischen den Parteien besteht Streit über die Höhe der von der Beklagten geschuldeten Vergütung für in ihr Netz eingespeisten Strom, welcher mittels einer von dem Kläger seit dem 12.5.2005 auf dem Dach einer Scheune betriebenen Fotovoltaikanlage erzeugt wird.

Der Eigentümer des Scheunengrundstücks, Herr A, nahm am selben Tag zeitlich vor dem Kläger ebenfalls eine auf dem Dach der Scheune installierte Fotovoltaikanlage in Betrieb. Jede dieser Fotovoltaikanlagen, die nach ihrem äußeren Erscheinungsbild einheitlich gestaltet sind, besteht aus 171 baugleichen Einzelanlagen und bringt eine Leistung von 29,93 Kilowatt.

Auf die Anlagen findet das Gesetz zur Neuregelung des Rechts der Erneuerbaren Energien im Strombereich vom 21. Juli 2004 Anwendung (EEG). Die Vergütung für Strom aus im Jahre 2005 in Betrieb genommenen Anlagen beträgt bis einschließlich einer Leistung von 30 Kilowatt 54,53 Cent pro Kilowattstunde und ab einer Leistung von 30 Kilowatt 51,88 Cent pro Kilowattstunde. Die Beklagte vergütete dem Kläger für im Jahre 2005 erzeugten Strom 51,88 Cent pro Kilowattstunde. Dabei ging sie davon aus, dass die beiden auf dem Scheunendach befindlichen Anlagen gemäß § 11 Abs. 6 EEG als eine Anlage gelten.

Der Kläger hat behauptet:

Die einheitliche Gestaltung der Anlagen habe ästhetische Gründe.

Er hat die Auffassung vertreten, die Leistungen der von ihm und Herrn A betriebenen Anlagen seien nicht zur Berechnung der Vergütungshöhe zu addieren; § 11 Abs. 6 EEG betreffe als Regelung innerhalb des Rechtsverhältnisses des Netzbetreibers zu dem jeweiligen Anlagenbetreiber mehrere Fotovoltaikanlagen eines Anlagenbetreibers.

Der Kläger hat auf dieser Grundlage 604,29 € für von ihm im Jahre 2005 in das Netz der Beklagten eingespeisten Strom nachgefordert und die Feststellung begehrt, dass die Beklagte verpflichtet sei, in der Zeit vom 1.1.2006 bis zum 31.12.2025 für in der von ihm betriebenen Anlage erzeugten und von der Beklagten abgenommenen Strom 54,53 Cent pro Kilowattstunde zu zahlen.

Die Parteien haben die im Urteil des Landgerichts wiedergegebenen Anträge gestellt.

Die Beklagte hat eingewandt:

Der Begriff der Anlage werde in § 11 Abs. 6 EEG nicht nach der Anzahl ihrer Betreiber bestimmt.

Das Landgericht hat die Klage durch Urteil vom 18.8.2006 abgewiesen. Auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil wird Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil wendet der Kläger sich mit seiner Berufung.

Der Kläger hält daran fest, dass die Leistungen der beiden auf dem Scheunendach installierten Fotovoltaikanlagen zur Berechnung der Vergütung für in das Netz der Beklagten eingespeisten Strom nicht zu addieren seien, weil die Anlagen von verschiedenen Personen betrieben werden. § 11 Abs. 6 EEG bestimme die Anspruchshöhe nur im Rahmen des gesetzlichen Schuldverhältnisses zwischen dem Netz- und dem Anlagenbetreiber.

Der Kläger beantragt,

1. die Beklagte unter Abänderung des am 18.8.2006 verkündeten Urteils des Landgerichts Frankfurt am Main 2-10 O 89/06 zu verurteilen, an den Kläger 604,29 € nebst 8 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 1.1.2006 zu zahlen;

2. unter Abänderung des am 18.8.2006 verkündeten Urteils des Landgerichts Frankfurt am Main 2-10 O 89/06 festzustellen, dass die Beklagte jede der vom Kläger mit der PV-Anlage in O1, ..., Lieferanten-Nr.: ... erzeugte und abgenommene kWh im Zeitraum vom 1.1.2006 bis zum 31.12.2025 mit 54,53 Cent/kWh zzgl. gesetzlicher Umsatzsteuer in jeweils gültiger Höhe zu vergüten hat.

Die Beklagte beantragt,

1. die Berufung zurückzuweisen;

2. hilfsweise der Beklagten nachzulassen, die Zwangsvollstreckung gemäß § 712 ZPO gegen Sicherheitsleistung abzuwenden;

3. ferner hilfsweise der Beklagten die Befugnis einzuräumen, die Sicherheitsleistung durch selbstschuldnerische Bürgschaft einer deutschen Großbank, Volksbank oder öffentlichen Sparkasse stellen zu können.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.

Daraus, dass § 11 Abs. 6 EEG auf die zuletzt in Betrieb genommene Anlage abstelle, ergebe sich, dass das Gesetz von vollständig getrennt organisierten und betriebenen Anlagen als einer Anlage ausgehe. Mit der Regelung in § 11 Abs. 6 EEG sei bezweckt, eine künstliche Aufspaltung von Anlagen in solche mit einer Leistung unter 30 Kilowatt zu verhindern.

II.

Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg.

Das Urteil des Landgerichts, durch das es die Klage auf eine weitere Vergütung für von dem Kläger im Jahre 2005 in der von ihm betriebenen Fotovoltaikanlage erzeugten und in das Netz der Beklagten eingespeisten Strom und auf Feststellung der Verpflichtung der Beklagten, in der Anlage des Klägers erzeugten und von der Beklagten abgenommenen Strom mit einem Betrag von 54,53 Cent pro Kilowattstunde zu vergüten, abgewiesen hat, beruht im Ergebnis nicht auf einer Rechtsverletzung.

A.

Die dem Kläger zustehende Vergütung für in der von ihm betriebenen Anlage erzeugten, von der Beklagten abgenommenen Strom ist nach § 11 Abs. 2 Ziffer 2, Abs. 5 Satz 1 EEG mit 51,88 Cent pro Kilowattstunde zu berechnen. Dieser Vergütungssatz gilt für Anlagen ab einer Leistung von 30 Kilowatt.

Zwischen den Parteien besteht kein Streit darüber, dass die auf dem Dach der im Eigentum des Herrn A stehenden Scheune installierten Fotovoltaikanlagen zusammen eine Leistung von mehr als 30 Kilowatt erbringen. Die Anlagen gelten nach § 11 Abs. 6 EEG zum Zwecke der Ermittlung der Vergütungshöhe nach § 11 Absatz 2 EEG für die jeweils zuletzt in Betrieb genommene Anlage - das ist die des Klägers - als eine Anlage. Dies folgt aus dem Inhalt der Regelung in § 11 Abs. 6 EEG, wie er sich anhand einer Auslegung nach dem Wortlaut, dem Sinnzusammenhang, in den die Vorschrift hineingestellt ist, und dem Zweck der Norm ergibt (vgl. BVerfG NJW 1973, 1491, 1494).

a) Eine Auslegung der Regelung in § 11 Abs. 6 EEG, wonach mehrere Fotovoltaikanlagen unter bestimmten Voraussetzungen als eine Anlage gelten, nach ihrer Wortbedeutung ergibt, dass nur auf die Anzahl der Anlagen, nicht auch auf die der Betreiber abzustellen ist. Das Gesetz enthält in § 3 Abs. 2 Satz 1 EEG eine Festlegung des Begriffs der Anlage, die für die sprachlich-grammatikalische Auslegung maßgebend ist. Danach ist eine Anlage jede selbständige technische Einrichtung zur Erzeugung von Strom aus Erneuerbaren Energien oder aus Grubengas. Bei Fotovoltaikanlagen ist jedes einzelne Modul eine solche selbständige technische Einrichtung. Mehrere Fotovoltaikanlagen umfassen dem gemäß mehrere eigenständige Anlagen (Danner/Müller, Energierecht, EEG, B 1 § 11 Rn 68, 2006).

b) Die Erfassung des Inhalts der Norm nach dem sachlich-logischen Zusammenhang mit der Vorschrift des § 3 Abs. 2 Satz 2 EEG führt nicht zu einem abweichenden Ergebnis.

Ein solcher Zusammenhang ergibt sich daraus, dass das Vorliegen mehrerer Anlagen auch Tatbestandsvoraussetzung des § 3 Abs. 2 Satz 2 EEG ist. Diese Tatbestandsvoraussetzung und die dem entsprechende Formulierung in § 11 Abs. 6 EEG sind übereinstimmend auszulegen. Denn beide Vorschriften regeln für die Feststellung der Höhe der Einspeisevergütung entscheidende Merkmale (vgl. Danner/ Oschmann, Energierecht, EEG, B 1 § 3 Rn 22), wobei § 11 Abs. 6 EEG als speziellere Vorschrift die Voraussetzungen, unter denen in § 3 Abs. 2 Satz 2 EEG beim Vorhandensein mehrerer Anlagen eine Anlage fingiert wird, abweichend bestimmt (Danner/Oschmann, a. a. O., § 3 Rn 34).

Mehrere Anlagen i. S. d. § 3 Abs. 2 Satz 2 EEG sind solche nach § 3 Abs. 2 Satz 1 EEG, also jeweils selbständige technische Einrichtungen zur Erzeugung von Strom aus Erneuerbaren Energien (Danner/Oschmann, a. a. O., B 1 § 3 Rn 30). Abzustellen ist auf die technische Einheit, die den Strom erzeugt; das ist im Falle der Umwandlung solarer Strahlungsenergie durch Fotovoltaikanlagen die Solarzelle (Danner/Oschmann, a. a. O., § 3 Rn 23 und 28, 2005). Auf die Anzahl der Betreiber kommt es hingegen insoweit nicht an. Voraussetzung der Fiktion einer Anlage in § 3 Abs. 2 Satz 2 EEG ist eine unmittelbare Verbindung der mehreren eigenständigen Anlagen durch gemeinsame betriebstechnisch erforderliche Einrichtungen oder bauliche Anlagen. Diese Voraussetzung kann auch gegeben sein, wenn die jeweils eigenständigen Anlagen nicht von einem Anlagenbetreiber, sondern wenn sie von verschiedenen Personen zur Stromerzeugung genutzt werden.

Die Kommentarstelle bei Salje, EEG, § 3 Rn 60, auf die der Kläger sich für seine abweichende Auffassung beruft, besagt nichts anderes. Gegenstand dieser Kommentierung ist die Frage, ob die Voraussetzung einer unmittelbaren Verbindung i. S. d. § 3 Abs. 2 Satz 2 EEG bereits bei Einspeisung in ein gemeinsames Netz oder einer unmittelbaren stromseitigen Verbindung gegeben ist. Die Begründung, weshalb dies zu verneinen sei, der Gesetzgeber könne kaum beabsichtigt haben, mehrere am gleichen Netz befindliche Anlagen unterschiedlicher Betreiber zusammenzurechnen und sodann von der Förderung auszuschließen, ist auf die gestellte Frage zu beziehen und deshalb nicht so zu verstehen, die Leistungen mehrerer Anlagen verschiedener Betreiber seien auch dann nicht zu addieren, wenn die Voraussetzungen einer unmittelbaren Verbindung nach § 3 Abs. 2 Satz 2 EEG vorliegen.

Nach § 11 Abs. 6 EEG gelten mehrere Fotovoltaikanlagen, die sich auf demselben Gebäude befinden, für Zwecke der Ermittlung der Vergütungssätze auch dann als eine Anlage, wenn die Voraussetzungen einer Verbindung der Anlagen nach § 3 Abs. 2 Satz 2 EEG nicht gegeben sind. Eine weitere Abweichung von § 3 Abs. 2 Satz 2 EEG regelt § 11 Abs. 6 EEG nicht. Insbesondere setzt die Fiktion einer Gesamtanlage nach § 11 Abs. 6 EEG nicht in Abweichung von § 3 Abs. 2 Satz 2 EEG voraus, dass die auf demselben Gebäude befindlichen eigenständigen Anlagen von einem Betreiber genutzt werden.

Daraus, dass § 11 Abs. 6 EEG die Vergütung im Verhältnis des Netzbetreibers zu dem Betreiber einer auf einem Gebäude neu hinzugekommenen Anlage dahin regelt, dass zur Feststellung der Vergütungshöhe nach § 11 Abs. 2 EEG die Leistung der bereits vorhandenen Anlage und die der neu hinzugekommenen zu addieren sind, folgt nicht, dass der Betreiber der neu hinzugekommenen Anlage und der der bereits vorhandenen Anlage identisch sein müssten.

c) Solches ergibt sich auch nicht aus dem Zweck des § 11 Abs. 6 EEG.

Diese Vorschrift soll Gesetzesumgehungen vermeiden. Es soll verhindert werden, dass die in § 11 Abs. 2 EEG enthaltene Differenzierung nach Leistungsklassen umgangen wird, indem ein gemeinsames Projekt gezielt in mehrere kleinere Anlagen mit jeweils maximal 30 Kilowatt Leistung aufgespaltet wird (Danner/Müller, a. a. O., § 11 Rn 69). Ein gemeinsames Projekt an oder auf demselben Gebäude, dessen künstliche Aufspaltung verhindert werden soll, erfordert aber nicht, dass die mehreren Anlagen, deren Leistungen unter den Voraussetzungen des § 11 Abs. 6 EEG zu addieren sind, von einer Person zur Erzeugung von Strom genutzt werden. Eine Umgehung der in § 11 Abs. 2 EEG geregelten Leistungsstufen ist vielmehr auch möglich, wenn verschiedene Personen auf demselben Gebäude eigenständige Anlagen betreiben.

Da § 11 Abs. 6 EEG das Vorliegen einer Gesamtanlage zum Zwecke der Berechnung der Vergütung des Solarstroms aus der neu hinzugekommenen Anlage unwiderlegbar fingiert, kommt es nicht darauf an, welche Absprachen zwischen dem Kläger und dem Eigentümer des Scheunengrundstücks bestehen.

B.

Die Kosten des ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen dem Kläger zur Last, § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in den §§ 708 Ziffer 10, 711 ZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen.

Der Streitwert beträgt insgesamt 3293,79 €. Davon entfällt ein Betrag von 604,29 € auf den Leistungsantrag zu Ziffer 1. der Klage.

Der Streitwert des Feststellungsantrags zu Ziffer 2. der Klage ist nach §§ 48 Abs. 1 GKG, 3 ZPO, § 9 ZPO analog mit 2.689,50 € zu bemessen. § 9 ZPO ist auf positive Feststellungsklagen nicht unmittelbar anwendbar, weil hier das Stammrecht selbst nicht vollständig geltend gemacht wird; es wird üblicherweise ein Abschlag von 20 % gemacht (Zöller/Herget, ZPO, 26. Aufl. 2007, § 9 Rn 1; Stein/ Jonas/Roth, ZPO, 22. Aufl. 2003, § 9 Rn 11).

Auf der Grundlage der Angaben des Klägers ergibt sich damit folgende Berechnung:

Eine Leistung von 568.575 kWh über 20 Jahre entspricht einer Jahresleistung von 28.428,75 kWh, die mit dem Differenzbetrag von 2,65 Cent zwischen der von dem Kläger geforderten Vergütung von 54,53 Cent/kWh und dem von der Beklagten gezahlten Entgelt von 51,88 Cent/kWh zu multiplizieren ist. Dies ergibt zuzüglich Umsatzsteuer einen Betrag von 896,50 €/Jahr (753,36 € + 143,14 €).

Der dreieinhalbfache Wert des einjährigen Bezuges beträgt 2.689,50 €.

Ende der Entscheidung

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