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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 25.09.2003
Aktenzeichen: 1 U 209/03
Rechtsgebiete: GVG, ZPO


Vorschriften:

GVG § 119 I Nr. 1 b
ZPO § 233
Zur Zuständigkeitsabgrenzung zwischen dem Landgericht und Oberlandesgericht bei Berufungen gegen Zweigniederlassungen ausländischer Unternehmen und zum Verschulden eines diesbezüglich irrenden Prozessbevollmächtigten.
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN BESCHLUSS

1 U 209/03

Entscheidung vom 25. September 2003

in dem Rechtsstreit

...

hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch die Richter ... am 25.9.2003 beschlossen:

Tenor:

Der Antrag der Klägerin auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Fristen zur Einlegung und zur Begründung der Berufung gegen das am 17.1.2003 verkündete Urteil des Amtsgerichts Frankfurt am Main wird abgelehnt.

Die Berufung der Klägerin gegen das vorbezeichnete Urteil wird auf ihre Kosten als unzulässig verworfen.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 2.108,57 € festgesetzt.

Gründe:

I. Die Klägerin nimmt die Beklagte auf restliche Rückzahlung des Preises für eine Flugreise in die USA in Anspruch, die sie unter dem Eindruck der terroristischen Anschläge vom 11.9.2001 nicht angetreten hat. Das ihre Klage abweisende Urteil des Amtsgerichts ist der Klägerin am 7.2.2003 zugestellt worden. Dagegen hat sie am 7.3.2003 beim Landgericht per Telefax Berufung eingelegt und diese mit am 7.4.2003 dort eingegangenem Schriftsatz begründet. Das Landgericht hat mit ihr am 1.7.2003 zugegangenem Schreiben vom 26.6.2003 darauf hingewiesen, dass die Berufung an das Oberlandesgericht zu richten gewesen wäre. Die Klägerin hat mit jeweils am 15.7.2003 eingegangenen Schriftsätzen die Berufung beim Landgericht zurückgenommen (Bl. 89 f. d. A.), beim erkennenden Gericht erneut Berufung eingelegt und diese begründet sowie wegen der Versäumung der Berufungs- und der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt (Bl. 97 ff. d. A.). Zur Begründung dieses Gesuches hat sie sich insbesondere darauf berufen, die Prozessbevollmächtigte der Beklagten habe vorprozessual wie während des erstinstanzlichen Verfahrens den Eindruck erweckt, die Beklagte habe einen Sitz oder eine selbständige Niederlassung in Deutschland. Alle Verfahrensbeteiligten seien vom "üblichen" Instanzenzug zum Landgericht ausgegangen.

II. Die Berufung der Klägerin ist unzulässig, weil sie nicht innerhalb der am 7.3. bzw. 7.4.2003 ablaufenden Fristen der §§ 517, 520 Abs. 2 Satz 1 ZPO beim hierfür zuständigen Oberlandesgericht eingelegt und begründet worden ist. Das Wiedereinsetzungsgesuch ist unbegründet, weil die Fristversäumnis auf einem Verschulden des Prozessbevollmächtigten der Klägerin beruht, das diese sich nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muss.

1. Die Berufung war im Streitfall an das Oberlandesgericht zu richten, weil die Beklagte bei Zustellung der Klageschrift keinen allgemeinen Gerichtsstand im Bundesgebiet hatte (§ 119 Abs. 1 Nr. 1 lit. b) GVG). Der Sitz der Beklagten lag und liegt vielmehr unstreitig im .....

2. Die irrtümliche Einlegung der Berufung beim Landgericht gereicht dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin zum Verschulden.

a) In rechtlicher Hinsicht war bereits vor dem Beschluss des BGH vom 19.2.2003 (IV ZB 31/02, MDR 2003, 707 f.) anerkannt, dass für eine Berufung gegen die Zweigniederlassung eines ausländischen Unternehmens nur noch dann das Landgericht zuständig ist, wenn jene Zweigniederlassungen als Tochtergesellschaften im Sinne einer deutschen juristischen Person o. Ä. organisiert ist (vgl. Zöller-Gummer, ZPO, 23. Aufl., § 119 GVG Rn. 15; Zimmermann, ZPO, 6. Aufl., § 119 GVG Rn. 2).

b) Hieran fehlt es bei der in der Rechtsform der "plc" auftretenden Beklagten. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hatte keinen Anlass für eine gegenteilige Annahme. Die Beklagte hatte sich im vorgerichtlichen Schriftverkehr, etwa mit Schreiben vom 13.2.2002 (Bl. 14 d. A.) eines Briefbogens bedient, der ihre Rechtsform zutreffend auswies. Die dem Passivrubrum entsprechende Auskunft der Beklagtenvertreterin vom 25.6.2002 (Bl. 128 d. A.) ließ nicht auf einen Sitz der Beklagten im Bundesgebiet, sondern nur darauf schließen, dass die Beklagte dort eine Zweigniederlassung unterhielt, ein für die gerichtliche Zuständigkeit nach § 119 Abs. 1 Nr. 1 lit. b) GVG unerheblicher Umstand.

c) Der Annahme eines Verschuldens ihres Prozessbevollmächtigten steht nicht entgegen, dass auch das Amtsgericht und die Beklagtenvertreterin von einer Zuständigkeit des Landgerichts für das Berufungsverfahren ausgegangen sein mögen.

3. Eine Wiedereinsetzung von Amts wegen kommt nicht in Betracht. Die Fristversäumnis beruht nicht auf einem Verschulden des Amts- oder des Landgerichts. Dieses war jedenfalls nicht gehalten, die Berufung noch am Tage ihres Eingangs an das Oberlandesgericht weiter zu leiten; danach hätte eine Weiterleitung der Klägerin nicht mehr geholfen, weil die Frist bereits am Tage der Einlegung beim Landgericht abgelaufen war (vgl. BGH a. a. O. [unter II 4 der Entscheidungsgründe]). Ob eine Verweisung analog § 281 ZPO möglich gewesen wäre, erscheint zweifelhaft, bedarf mangels eines dahin gehenden Antrages der Klägerin aber keiner Entscheidung (vgl. BGH, Urteil vom 13.5.2003 ­ VI ZR 430/02, NJW 2003, 2686 f. [unter II 2 der Entscheidungsgründe]). Für eine analoge Anwendung des § 17a Abs. 2 GVG ist mangels einer gesetzlichen Regelungslücke kein Raum (BGH a. a. O.).

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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