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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 11.05.2005
Aktenzeichen: 1 U 209/04
Rechtsgebiete: BGB, GG, HStrG


Vorschriften:

BGB § 839
GG Art. 34
HStrG § 10 III
Bei einem Sturz auf einem eisglatten Zebrastreifen vor einer Schule zur Zeit des Schulbeginns spricht regelmäßig der Beweis des ersten Anscheins für eine unfallursächliche Streupflichtverletzung der Gemeinde.
Gründe:

I. Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen einer Streupflichtverletzung auf Schadensersatz und Schmerzensgeld in Anspruch. Zur Darstellung der Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes nimmt der Senat auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils Bezug. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Klägerin sei zwar auf dem eisglatten Zebrastreifen vor der Grundschule gestürzt. Eine Haftung der Beklagten scheitere jedoch daran, dass der Hausmeister der Schule und ein weiterer Bediensteter der Beklagten mit einem Streufahrzeug die Unfallstelle vor dem Unfall gestreut hätten, was genüge.

Die Berufung der Klägerin ist auf Rechtsausführungen und Angriffe gegen die landgerichtliche Beweiswürdigung gestützt.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils

1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 980,14 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 893,42 € seit dem 22.11.2002 und aus 86,72 € seit dem 27.10.2004 zu zahlen,

2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes, mindestens 13.000 € betragendes Schmerzensgeld nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24.11.2003 zu zahlen,

3. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Schaden zu ersetzen, der der Klägerin aus dem Unfall vom 14.1.2002 vor der Grundschule in O1 noch entstehen wird, soweit der Anspruch nicht auf einen Sozialversicherungsträger oder andere Dritte übergegangen ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das landgerichtliche Urteil.

II. Die zulässige Berufung der Klägerin ist teilweise begründet.

1. Die Klage ist dem Grunde nach nicht aus § 823 BGB, wie das Landgericht dies erwogen hat, sondern aus § 839 BGB i. V. m. Art. 34 GG gerechtfertigt; die gemeindliche Streupflicht ist in Hessen öffentlich-rechtlich ausgestaltet (§ 10 Abs. 3, 4 HStrG). Aus der den Senat nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO bindenden Feststellung des Landgerichts, die Klägerin sei am fraglichen Morgen zur Zeit des Schulbeginns auf dem eisglatten Zebrastreifen vor der Grundschule gestürzt, folgt ein Anscheinsbeweis für eine Streupflichtverletzung der Beklagten und für die Unfallursächlichkeit dieser Pflichtverletzung (vgl. BGHR BGB § 839 Abs. 1 S. 1 Streupflicht 7; BGH, Beschluss vom 17.9.1987 - III ZR 138/86, dokumentiert in BGH-DAT Zivil; NJW 1984, 432 ff. [unter II 3 b) bb) der Entscheidungsgründe]; VersR 1962, 449, 450; OLG Celle NJW-RR 2004, 1251; NZV 2001, 78 f. [juris-Rn. 7 f.]; OLG Dresden OLGR 2000, 443; OLG Hamm OLGR 2001, 313 ff. [juris-Rn. 18]; OLG Köln NJW-RR 1996, 655 f.; OLG Frankfurt am Main VersR 1980, 50 f.). Wenn der Hausmeister A und der Streuwagenfahrer B an dem fraglichen Morgen überhaupt gestreut haben, haben sie das jedenfalls in unzureichender Art und Weise getan, denn sonst hätte es an der herausragend verkehrswichtigen Unfallstelle um die Zeit des Schulbeginns nicht glatt sein können. Die Beklagte hat den gegen sie sprechenden Anscheinsbeweis nicht erschüttern können, insbesondere trotz eines terminsvorbereitenden Hinweises des Senats offen gelassen, wie, insbesondere mit welchem Material gestreut worden ist. Angesichts dessen können Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Zeugenaussage A auf sich beruhen.

2. Der materielle Schaden der Klägerin aus dem Unfall ist unstreitig und ersatzfähig. Auch ihre unfallbedingten Beschwerden sind - abgesehen vom beiderseitigen Spitzfuß, der nicht auf dem Unfall beruht - weitgehend unstreitig. Angesichts dessen, dass nur eine leichte Fahrlässigkeit der Bediensteten der Beklagten festzustellen war, hält der Senat ein Schmerzensgeld in Höhe von 7.500 € für angemessen.

3. Der Ausspruch zur Verzinsung folgt aus §§ 288, 291 BGB. Hinsichtlich des materiellen Schadensteils in Höhe von 893,42 € ist Verzug erst mit dem Zugang des Schreibens der Haftpflichtversicherung der Beklagten vom 11.2.2003 (Bl. 23 d. A.) eingetreten.

4. Für die Begründetheit des Feststellungsantrages reicht die angesichts der Schwere der klägerischen Verletzungen nicht auszuschließende Möglichkeit aus, dass weitere Folgeschäden zukünftig eintreten werden.

5. Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92 Abs. 1, 543 Abs. 2, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Ende der Entscheidung

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