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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 20.11.2006
Aktenzeichen: 1 U 275/04
Rechtsgebiete: HGB


Vorschriften:

HGB § 87 c Abs. 2
Zum Anspruch des selbstständigen Handelsvertreters auf Erteilung eines Buchauszuges.
Gründe:

I.

Der Kläger, der als selbständiger Handelsvertreter für die Beklagte tätig war, nimmt diese im Wege der Stufenklage auf Erteilung eines Buchauszugs, der Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung und auf Zahlung des sich danach ergebenden Betrages in Anspruch.

Die Parteien schlossen am 28.3.2001 Verträge, durch die die Beklagte den Kläger als selbständigen Handelsvertreter mit der Vermittlung von Geschäften betraute. Die Vertriebsvereinbarung vom 28.3.2001 wurde durch einen Vertrag vom 10.2.2003 ersetzt.

Der Kläger erhielt monatliche Provisionsabrechnungen. Das Vertragsverhältnis wurde zum 4.4. 2003 beendet.

Der Kläger arbeitet nunmehr für ein Konkurrenzunternehmen.

Das Verfahren befindet sich in der ersten Leistungsstufe auf Erteilung eines Buchauszugs. Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 20.8.2004 eine Projektliste und im Termin des Landgerichts am 11.10.2004 eine weitere Auflistung vorgelegt.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagte habe ihrer Verpflichtung zur Erteilung eines Buchauszugs durch die vorgelegten Listen nicht genügt.

Die Parteien haben die im Urteil des Landgerichts wiedergegebenen Anträge gestellt.

Die Beklagte hat eingewandt:

Sie habe bereits außergerichtlich Auskunft erteilt.

Die von ihr mit Schriftsatz vom 20.8.2004 vorgelegte Liste gebe die Auftragswerte zur Zeit der Auftragserteilung wieder, was jedoch nicht bedeute, dass die Aufträge in diesem Umfang durchgeführt worden seien.

Das Landgericht hat der Klage auf Erteilung eines Buchauszugs durch Teilurteil vom 12.11.2004 stattgegeben.

Gegen dieses Urteil wendet die Beklagte sich mit ihrer Berufung.

Die Beklagte beanstandet:

Das Landgericht habe darauf hinweisen müssen, dass die mit Schriftsatz vom 20.8.2004 überreichte, teilweise als Buchauszug anzusehende Liste zu ergänzen sei. Sie habe Gelegenheit erhalten müssen, hierzu noch vorzutragen. Auch habe das Landgericht ihr, wie im Termin am 11.10.2004 beantragt, Schriftsatznachlass auf den Schriftsatz der Gegenseite vom 30.9.2004 gewähren müssen.

Dem Kläger liege eine lückenlose Provisionsabrechnung vor. Auch habe sie dem Kläger nach seinem Ausscheiden die entsprechenden Listen und Erläuterungen zur Verfügung gestellt; die benötigten Auskünfte seien bereits erteilt worden.

Das Landgericht habe nicht berücksichtigt, dass sie umfangreiche Abrechnungslisten vorgelegt habe, so zuletzt die Liste vom 11.10.2004.

Ein Anspruch des Klägers auf Auskunft sei verwirkt. Der Kläger habe nämlich seinen Arbeitsplatz bei ihr von heute auf morgen verlassen.

Die Geltendmachung weitergehender Ansprüche stehe auch im Widerspruch zu den Schreiben des Klägers vom 4.4.2003 und 26.11.2003.

Der Forderung nach einem Buchauszug stehe ihr Geheimhaltungsinteresse entgegen.

Dem Kläger sei ein Verstoß gegen die vertraglich vereinbarte Wettbewerbsklausel anzulasten.

Weitergehende Auskünfte verletzten sie in ihrem Recht auf den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb.

Die Beklagte macht hilfsweise die Aufrechnung mit Ansprüchen wegen behaupteter Überzahlung und Schlechterfüllung in Höhe von 11.503,72 € geltend.

Die Beklagte beantragt,

das am 12.11.2004 verkündete Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main, Az. 2-22 O 54/04, aufzuheben und die Klage abzuweisen; der Berufungsklägerin die Befugnis einzuräumen, gegen Sicherheitsleistung die Zwangsvollstreckung abzuwenden und ihr nachzulassen, eine nach § 711 ZPO zu erbringende Sicherheitsleistung durch selbstschuldnerische Bürgschaft einer deutschen Großbank, Volksbank oder öffentlichen Sparkasse zu leisten.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil. Als ehemals für die Beklagte tätig gewesener Handelsvertreter sei ihm deren Kundenkreis ohnehin bekannt. Er werde, wie in der Vergangenheit auch, Betriebsgeheimnisse der Beklagten wahren.

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten bleibt in der Sache ohne Erfolg.

Das Urteil des Landgerichts, durch das es die Beklagte zur Erteilung eines Buchauszugs verurteilt hat, beruht weder auf einer Rechtsverletzung noch rechtfertigen nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung.

Der Kläger hat nach § 87 c Abs. 2 HGB einen Anspruch auf einen Buchauszug für den ausgeurteilten Zeitraum, der weder durch Erfüllung erloschen noch verwirkt ist.

Die Geltendmachung des gesetzlichen Anspruchs ist auch nicht wegen eines Interesses der Beklagten an der Wahrung ihrer Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse oder im Hinblick auf ihr Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb unzulässig, § 242 BGB.

Der Buchauszug dient dem Zweck, dem Handelsvertreter die Möglichkeit zu verschaffen, Klarheit über seine Provisionsansprüche zu gewinnen und die vom Unternehmer erteilte Abrechnung zu überprüfen. Aus diesem Grund muss der Buchauszug eine vollständige, geordnete und übersichtliche Darstellung aller Angaben enthalten, die für die Berechnung, die Höhe und die Fälligkeit der Provisionen von Bedeutung sind (BGH, Urteil vom 20.9.2006, VIII ZR 100/05, juris Rn 17; BGH NJW 2001, 2333). Welche Angaben über die Geschäfte für die Provision des Handelsvertreters im Einzelfall von Bedeutung sind, hängt von der zwischen dem Handelsvertreter und dem Unternehmer geltenden Provisionsregelung ab.

Nach den zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarungen erhält der Kläger für die eingehenden Aufträge Provision, d. h. die von ihm vermittelten Geschäfte sind nach Namen und Adressen der Kunden, Benennung des Projekts nebst Auftragsnummer, dem Datum des Auftragseingangs und der Auftragssumme zu bezeichnen. Für die Höhe der Provision benötigt der Kläger Angaben zum Rechnungsbetrag und zu den Fremdleistungen. Von Bedeutung für die Provision sind ferner die Zahlungen der Kunden der Beklagten. Die Vertriebsvereinbarungen enthalten unter Ziffer 2 jeweils eine Regelung des Inhalts, die Auszahlung bzw. Abrechnung der Provision erfolge nach dem Eingang des Rechnungsbetrages bzw. nach Zahlungseingang. Überdies geht auch die Beklagte von der Bedeutung des Zahlungseingangs für die von dem Kläger zu beanspruchende Provision aus. Sie hat im ersten Rechtszug vorgetragen, die von ihr mit Schriftsatz vom 20.8.2004 vorgelegte Projektliste bedürfe hinsichtlich einiger Zahlungsausfälle noch der Überprüfung. Ferner hat sie in der im Termin des Landgerichts am 11.10.2004 vorgelegten Liste Provisionen des Klägers auf der Grundlage von Zahlungseingängen errechnet. Schließlich werden Provisionsansprüche des Klägers auch von der Anzahl und dem Beschäftigungszeitraum der Vertriebsmitarbeiter der Beklagten berührt, denn nach der Vertriebsvereinbarung vom 28.3.2001 erhält der Kläger neben einem Fixum einen Anteil an einer Gruppenprovision.

1) Die Beklagte hat den Anspruch des Klägers auf einen Buchauszug mit dem vorbezeichneten Inhalt nicht erfüllt.

a) Die Schreiben der Beklagten vom 7.4.2003, 16.6.2003 und 17.9.2003 enthalten keine vollständige, geordnete und übersichtliche Darstellung der Angaben, die für die Provision von Bedeutung sind.

b) Erfüllung ist auch nicht durch Übersendung monatlicher Provisionsabrechnungen eingetreten (vgl. BGH, Urteil vom 20.9.2006, VIII ZR 100/05, juris Rn 16). Der Buchauszug soll gerade auch dazu dienen, diese Abrechnungen zu kontrollieren.

c) Die Beklagte hat die geschuldete Leistung ferner auch nicht durch die mit Schriftsatz vom 20.8.2004 in ihrer überarbeiteten Fassung und die im Termin des Landgerichts am 11.10.2004 vorgelegten Projektlisten bewirkt. Die mit Schriftsatz vom 20.8.2004 vorgelegte Liste ist unvollständig. Sie enthält weder die Namen und Adressen der Kunden der Beklagten noch die Rechnungssummen und Zahlungseingänge bei der Beklagten; des Weiteren fehlen einzelne Auftragsnummern. In der nachträglich im Termin am 11.10.2004 zu den Akten gereichten Liste errechnet die Beklagte Provisionen auf der Grundlage von Zahlungseingängen, die sie nicht beziffert.

Unmaßgeblich ist, ob das Landgericht der Beklagten Gelegenheit zur Ergänzung ihrer Angaben in den vorbezeichneten Listen und einen Schriftsatznachlass auf das Vorbringen des Klägers im Schriftsatz vom 30.9. 2004 hätte einräumen müssen. Denn die Beklagte hat nicht dargelegt, was sie dann noch vorgetragen hätte. Sie hat das erstinstanzliche Urteil nicht zum Anlass genommen, ihr Vorbringen in der Berufungsinstanz zu ergänzen.

d) Der Vortrag der für die Voraussetzungen der Erfüllung darlegungs- und beweispflichtigen Beklagten, sie habe dem Kläger nach seinem Ausscheiden die entsprechenden Listen und Erläuterungen zur Verfügung gestellt, ist ohne Substanz.

e) Soweit die Beklagte für die Provision des Klägers bedeutsame Angaben gemacht hat, ist keine teilweise Erfüllung eingetreten. Das auf Erteilung eines Buchauszugs lautende Urteil des Landgerichts ist deshalb nicht zu umfassend und die Beklagte nur zu Ergänzungen zu verurteilen. Dies ergibt sich aus § 266 BGB, wonach der Schuldner zu Teilleistungen nicht berechtigt ist. Eine Einschränkung nach Treu und Glauben greift zu Gunsten der Beklagten nicht. Denn ein Buchauszug muss nicht nur eine vollständige, sondern auch eine geordnete und übersichtliche Darstellung der für die Provision notwendigen Angaben enthalten. Diesen Anforderungen würde durch die Übergabe weiterer Listen mit ergänzenden Angaben nicht genügt.

2) Der Kläger hat einen Anspruch auf einen Buchauszug nicht verwirkt.

Die Voraussetzungen der Verwirkung liegen offensichtlich nicht vor. Erforderlich ist, dass der Berechtigte ein Recht längere Zeit hindurch nicht geltend gemacht und der Verpflichtete sich darauf eingerichtet hat - und dies nach dem Verhalten des Berechtigten auch durfte -, dass dieser das Recht auch in Zukunft nicht geltend machen werde. Es fehlt schon an dem sog. Zeitmoment, denn für eine Verwirkung ist innerhalb laufender Verjährungsfrist grundsätzlich kein Raum.

3) Schließlich ist die Geltendmachung des Anspruchs auf einen Buchauszug auch nicht aus sonstigen Gründen rechtsmissbräuchlich und damit unzulässig, § 242 BGB.

a) Eine etwa unberechtigte fristlose Kündigung kann einen Anspruch auf Schadensersatz nach sich ziehen, schließt aber nicht einen Anspruch des Handelsvertreters auf einen Buchauszug aus.

b) Dies gilt auch, soweit die Beklagte eine Verletzung ihres Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb behauptet.

c) Die Geltendmachung des Anspruchs des Klägers auf Erteilung eines Buchauszugs, der ihn in die Lage versetzen soll, erteilte Abrechnungen zu überprüfen und sich Klarheit über seine Provisionsansprüche zu verschaffen, ist nicht im Hinblick auf das Interesse der Beklagten an der Wahrung ihrer Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse rechtsmissbräuchlich. Der Gesetzgeber hat insofern widerstreitende Interessen des Unternehmers und des Handelsvertreters in den §§ 87 c Abs. 5 und 90 HGB abgewogen. Nach § 87 c Abs. 5 HGB kann ein Recht des Handelsvertreters auf einen Buchauszug nicht ausgeschlossen werden; die Verletzung der Verschwiegenheitspflicht und eines Verwertungsverbots nach Vertragsende zieht Schadensersatzansprüche nach sich.

4) Die Aufrechnung der Beklagten mit Ansprüchen aus behaupteter Überzahlung und behaupteter Vertragsverletzung spielt in der ersten Leistungsstufe auf Erteilung eines Buchauszugs keine Rolle.

Die Kosten des ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Beklagten zur Last, § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in den §§ 708 Ziffer 10, 713 ZPO. Eine Anordnung nach § 711 ZPO war dem gemäß nicht zu treffen.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen.

Ende der Entscheidung

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