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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 05.05.2008
Aktenzeichen: 1 U 293/07
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 233
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I.

Das Teilanerkenntnis- und Schlussurteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 06.11.2007 ist dem Kläger am 20.11.2007 zugestellt worden. Der Beklagte hat gegen dieses Urteil Berufung eingelegt, ebenso der Kläger mit am 20.12.2007 eingegangenem Schriftsatz. Am 15.01.2008 hat das Landgericht ein Ergänzungsurteil erlassen, welches dem Kläger am 29.01.2008 zugestellt worden ist. Am 05.02.2008 hat er gegen das Ergänzungsurteil und "erneut gegen das Ersturteil" unter Verweis auf § 518 ZPO Berufung eingelegt. Mit Verfügung des Vorsitzenden vom 28.02.2008, ihm zugestellt am 03.03.2008, ist der Kläger darauf hingewiesen worden, dass die Berufungsbegründungsfrist bezüglich des Urteils vom 06.11.2007 versäumt sei. Am 10.03.2008 hat der Kläger einen Wiedereinsetzungsantrag bezüglich der genannten Frist gestellt; wegen der Begründung wird auf seinen Schriftsatz vom 04.03.2008 (Bl. 185 ff d.A.) und auf die ergänzenden Ausführungen im Schriftsatz v. 04.04.2008 (Bl. 196 d.A.) verwiesen. Auf ausdrücklichen Hinweis des Senats auf die Vorschrift des § 236 Abs. 2 Satz 2 ZPO hat er am 04.04.2008 eine Berufungsbegründung bezüglich des Urteils vom 06.11.2007 zu den Akten gereicht.

II.

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil vom 06.11.2007 war gemäß § 522 Abs. 1 Satz 2 ZPO als unzulässig zu verwerfen, da die Berufung nicht innerhalb der gesetzlichen Frist des § 520 Abs. 2 ZPO begründet wurde und dem Kläger eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bezüglich der versäumten Frist nicht zu gewähren war.

1. Nach Zustellung des Teilanerkenntnis- und Schlussurteils vom 06.11.2008 beim Bevollmächtigten des Klägers am 20.11.2007 lief die Berufungsbegründungsfrist am Montag, 21.01.2008 ab. Eine Berufungsbegründung ist jedoch erst am 04.04.2008 bei Gericht eingegangen. Die Berufungsbegründungsfrist wurde nicht dadurch hinausgeschoben, dass am 15.01.2008 ein Ergänzungsurteil gem. § 321 ZPO ergangen ist. Denn § 518 Satz 1 ZPO ist nicht einschlägig. Diese Vorschrift kommt nur zur Anwendung, wenn ein Ergänzungsurteil vor Ablauf der Frist für die Berufung gegen das Haupturteil erlassen wird; war jedoch bei Erlass des Ergänzungsurteils die Berufungsfrist bereits abgelaufen, verbleibt es bei der ursprünglichen Berufungsfrist für das Haupturteil (Zöller-Gummer/Heßler, ZPO, 26. Aufl. 2007, § 518 Rn. 2; MünchKomm-ZPO-Rimmelspacher, 3. Aufl. 2007, § 518 Rn. 3; Wieczorek-Gerken, ZPO. 3. Aufl. 2004, § 518 Rn. 8). So liegt es hier. Die Berufungsfrist für das Haupturteil lief am 20.12.2007 ab. Das Ergänzungsurteil ist aber erst am 15.01.2008 und damit nach Ablauf der Berufungsfrist für das Haupturteil erlassen worden. Wird aber durch den Erlass eines Ergänzungsurteils die Berufungsfrist nicht neu in Gang gesetzt, gibt es auch keinen rechtlichen Ansatzpunkt, weshalb die Berufungsbegründungsfrist neu zu laufen beginnen sollte.

2. Der Antrag des Klägers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bezüglich der Berufungsbegründungsfrist für das Urteil vom 06.11.2008 war abzulehnen. Zwar hat der Kläger diesen Antrag am 10.03.2008 rechtzeitig innerhalb der Monatsfrist des § 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO gestellt. Der Kläger hat jedoch die Fristversäumnis entgegen dem Erfordernis des § 233 ZPO verschuldet, da ihm das Verschulden seines Prozessbevollmächtigten gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen ist.

a) Nach ständiger Rechtsprechung des BGH darf ein Rechtsanwalt die Berechnung der allgemein anfallenden einfachen Fristen sowie die Führung des Fristenkalenders im Rahmen einer von ihm zu verantwortenden Büroorganisation auf sein geschultes, als zuverlässig erprobtes und sorgfältig überwachtes Personal zur selbständigen Erledigung übertragen (BGH NJW-RR 2003, 1211; NJW 1991, 2082; grundlegend BGHZ 43, 148 [153] = NJW 1965, 1021). Allerdings muss der Rechtsanwalt durch geeignete Anweisungen sicherstellen, dass ihm die Feststellung des Beginns und des Endes der Fristen in den Fällen vorbehalten bleibt, die in seiner Praxis ungewöhnlich sind oder bei deren Berechnung Schwierigkeiten auftreten können (BGH, jeweils a.a.O.; Zöller-Greger, a.a.O., § 233 Rn. 23 "Fristenberechnung"; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 66. Aufl. 2008, § 233 Rn. 88). Ob der Rechtsanwalt diesen Sorgfaltsanforderungen nachgekommen ist, beurteilt sich nach den Umständen des Einzelfalls.

Unter Beachtung der vorgenannten Grundsätze ist im Streitfall das Vorliegen einer solchen geläufigen Routinefrist zu verneinen. Denn ein Ergänzungsurteil gem. § 321 ZPO, zumal ein solches, welches die Voraussetzungen für eine etwaige Anwendbarkeit des § 518 Satz 1 ZPO erfüllt, kommt selten vor; wegen der Notwendigkeit, über den Ergänzungsantrag grundsätzlich mündlich zu verhandeln, ist der Erlass eines Ergänzungsurteils innerhalb der für das Haupturteil laufenden Berufungsfrist als der Ausnahmefall anzusehen (Wieczorek-Gerken, a.a.O., Rn. 8).

Der Bevollmächtigte des Klägers musste daher den Fristenlauf persönlich prüfen. Wenn bei ihm - wie er vorträgt - Unklarheiten darüber bestanden, ob und inwieweit sich das Ergänzungsurteil auf die Begründung in der Hauptsache auswirken werde, hätte er den sicheren Weg beschreiten und seiner Fachangestellten klare Anweisung geben müssen, den nach seinen Angaben bereits unterzeichneten Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist für das Haupturteil wegen der besonderen rechtlichen Situation jedenfalls abzusenden. Überdies liegt ein dem Kläger zurechenbares Organisationsverschulden seines Bevollmächtigten darin, dass dieser offensichtlich keine Anweisung gegeben hat, andere als in seiner Kanzlei routinemäßig anfallende Fristen nicht durch die Fachangestellte, sondern allein durch ihn selbst prüfen zu lassen. Hätte eine solche generelle, klare Anweisung bestanden, wäre seine Fachangestellte nicht auf den Gedanken gekommen, selbständig und ohne Rückfrage beim Bevollmächtigten des Klägers Erwägungen darüber anzustellen, ob eine Anwendung des § 518 Satz 1 ZPO im vorliegenden Rechtsstreit in Betracht kommen könnte, so dass sie den Verlängerungsantrag nicht einreichte.

b) Der Bevollmächtige des Klägers wird auch nicht dadurch entlastet, dass anlässlich eines Anrufs seiner Fachangestellten bei der Geschäftsstelle des Senats von einer dortigen Mitarbeiterin der § 518 ZPO erwähnt worden sei. Denn weder er noch seine Mitarbeiterin konnten eine solche Äußerung als eine Auskunft in einer Rechtsfrage ansehen, auf die sie sich verlassen durften (vgl. BGHZ 5, 275, 278; MDR 1994, 304 [juris Rn. 9]; NJW 1994, 2299 [juris Rn. 9 ff]). Selbst wenn die Mitarbeiterin der Geschäftsstelle auf § 518 ZPO hingewiesen haben sollte, konnte dies kein Vertrauen darauf begründen, dass hier der Lauf der Berufungsbegründungsfrist für das Haupturteil derjenigen für das Ergänzungsurteil folgt. Denn ein solcher Hinweis konnte erkennbar nur ein abstrakter sein, der die Gegebenheiten im Streitfall nicht berücksichtigte (vgl. BGH NJW 1994, 2299 [juris Rn. 10]), zumal die Mitarbeiterin der Geschäftsstelle ausdrücklich darauf hingewiesen habe, dass die Akte nicht vorliege. Abgesehen davon ist es erkennbar nicht Aufgabe der Geschäftsstelle eines Gerichts, verbindlich Rechtsrat in komplizierten Fristenfragen zu erteilen.

c) Angesichts dessen kommt es rechtlich nicht darauf an, dass der Kläger auch die Monatsfrist des § 236 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO für die Nachholung der versäumten Prozesshandlung - der Einreichung einer Berufungsbegründung bezüglich des Urteils vom 06.11.2008 - nicht eingehalten hat. Diese Frist begann am 03.03.2008 mit dem Zugang des Hinweises des Vorsitzenden auf die Nichteinhaltung der Frist. Sie lief demnach am 03.04.2008 ab. Eine entsprechende Berufungsbegründung ging aber erst am 04.04.2008 per Fax bei Gericht ein.

3. Da die Kostenentscheidung einheitlich zu ergehen hat und die Gegenseite ebenfalls Berufung eingelegt hat, war der Ausspruch über die Kosten des verworfenen Rechtsmittels der Endentscheidung im Berufungsverfahren vorzubehalten.

Ende der Entscheidung

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