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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 13.01.2003
Aktenzeichen: 1 U 35/02
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 222 Abs. 1 a. F.
BGB §§ 459 ff.
BGB § 477 Abs. 1
BGB § 812 Abs. 1 Satz 1
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 97 Abs. 2
ZPO § 290
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 713
Zu den Voraussetzungen eines Schadenersatzanspruchs aus pVV eines Kaufvertrages bzw. eines unselbstständigen Beratungsvertrages wegen einer Falschberatung durch einen Fachverkäufer, der die Stellung einer Vertrauensperson einnimmt (hier: Beratung über die Eigenschaften eines Asbestverfestigers).
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

1 U 35/02

Verkündet am 13. Januar 2003

In dem Rechtsstreit

hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch den Richter .......... aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 16. Dezember 2002

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 11.01.2002 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Limburg abgeändert.

Die Klage und die Widerklage werden abgewiesen.

Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz haben der Kläger 5/6 und die Beklagte 1/6 zu tragen. Die im Berufungsrechtszug entstandenen Kosten hat die Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten ist begründet, soweit sie sich gegen die erstinstanzliche Verurteilung zur Zahlung von 14.101 € nebst Zinsen an den Kläger wendet.

Die Klage ist zulässig. Zwar hat der Kläger im ersten Rechtszug den begehrten Schadensersatzbetrag unzulässig in das Ermessen des Gerichts gestellt. Ein unbezifferter Antrag ist nur dann zulässig, wenn Ansprüche erhoben werden, die - wie etwa das Schmerzensgeld - auf eine angemessene und billige Entschädigung gerichtet sind. In derartigen Fällen darf die Bemessung in das Ermessen des Gerichts gestellt werden (BGH NJW 1996, 2425, 2427; Zöller/Greger, 22. Auflage, ZPO § 253 Rn. 14). Diese Voraussetzung liegt für den geltend gemachten vertraglichen Schadensersatzanspruch nicht vor. Der gestellte Klageantrag führt jedoch deshalb nicht zur Unzulässigkeit der Klage, weil er auch die Angabe eines Mindestbetrages enthält. Diese Angabe rechtfertigt seine Umdeutung in einen bezifferten Klageantrag.

Die Klage ist jedoch nicht begründet. Der dem Kläger gegen die Beklagte zustehende Schadensersatzanspruch ist verjährt.

Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Schadensersatzanspruch wegen positiver Vertragsverletzung des Kaufvertrages zu, weil ihn der Fachverkäufer der Beklagten im Zuge der Vertragsverhandlungen falsch beraten hat über die Eignung des Asbestverfestigers für den vom Kläger vorgesehenen Gebrauch. Zwar ist die Haftung des Verkäufers für fahrlässig unrichtige Angaben über Eigenschaften der Kaufsache durch die Sondervorschriften der §§ 459ff. BGB alte Fassung ausgeschlossen. Beschränkt sich die Erklärung des Verkäufers aber nicht auf die Unterrichtung des Käufers über die Eigenschaften der Ware, holt sich vielmehr der nicht genügend sachkundige Käufer bei dem Verkäufer als Fachmann im Zuge der Kaufvertragsverhandlungen Rat ein, so nimmt der Verkäufer die Stellung einer Vertrauensperson ein. Ihn trifft die Verpflichtung zur sachgemäßen und umfassenden Aufklärung über die besonderen Eigenschaften des von ihm verkauften Produkts. Die Verletzung dieser Verpflichtung begründet Schadensersatzansprüche aus einem unselbständigen Beratungsvertrag (BGH NJW 1997, 3227, 3228 m. w. N.).

So liegt es hier. Der Kläger ließ sich von dem Fachverkäufer W der Beklagten beraten, weil er das zwischenzeitlich unansehnlich gewordene Dach seines Einfamilienhauses neu anstreichen wollte. Er schilderte dem Verkäufer der Beklagten sein Anliegen und unterrichtete ihn darüber, dass das Dach seines Hauses mit Kunstschieferanthrazit eingedeckt ist. Der Kläger zeigte dem Verkäufer der Beklagten anhand einer im Verkaufsraum der Beklagten aufgestellten Ausstellungstafel mit verschiedenen Bedachungsmaterialien, welche Dachplatten er streichen wollte. Er wies dabei darauf hin, dass Farbunterschiede zwischen den auf dem Dach seines Hauses vorhandenen Dachplatten und dem ausgestellten Bedachungsmaterial bestanden. Die Frage, ob es sich bei den Dachplatten um beschichtete oder nicht beschichtete Platten handelte, wurde nicht angesprochen. Der Fachverkäufer der Beklagten empfahl dem Kläger daraufhin, den Neuanstrich mit Huppers Dachdeckerfarbe Anthrazit durchzuführen und zur Vorbehandlung Huppers Asbestverfestiger KAN.A aufzutragen. Im Vertrauen auf die Empfehlung des Fachverkäufers kaufte der Kläger die entsprechenden Waren bei der Beklagten. Danach nahm der Fachverkäufer der Beklagten die Stellung einer Vertrauensperson ein mit der Verpflichtung, den Kläger sachgemäß und umfassend über die besonderen Eigenschaften der verkauften Produkte aufzuklären.

Die Beratung war fehlerhaft. Der vom Kläger entsprechend der Empfehlung des Fachverkäufers erworbene Asbestverfestiger war zur Vorbereitung des Anstrichs nicht geeignet. Wegen der werkseitig aufgebrachten Grundbeschichtung der Dachplatten hätte anstelle des Asbestverfestigers eine Tiefengrundierung zur Vorbereitung des Neuanstrichs verwendet werden müssen. Das Aufbringen des Asbestverfestigers auf die Dachfläche ist Ursache dafür, dass sich die Farbpartikel des Neuanstrichs von den Dachplatten ablösen.

Die Beklagte kann mit der Behauptung nicht gehört werden, dass es sich bei den Dachplatten auf dem Dach des Klägers nicht um beschichtete Platten handele, die Eignung des dem Kläger empfohlenen Asbestverfestigers zur Vorbehandlung demgemäß zu bejahen sei und dass der Neuanstrich wegen eines Anwendungsfehlers des Klägers abblättere. Die Beklagte hat im ersten Rechtszug zugestanden, dass die Dachplatten beschichtet waren und deshalb mit Tiefengrund anstelle mit Asbestverfestiger hätten vorbehandelt werden müssen, und dass die Verwendung des Asbestverfestigers die Ursache für die Ablösung der Farbpartikel des Neuanstrichs ist. Das Geständnis der Beklagten ergibt sich daraus, dass sie in der Klageerwiderung die entsprechenden Angaben des Sachverständigengutachtens A., auf die sich der Kläger zur Begründung der Klage bezogen hatte, ausdrücklich bestätigte ("wie inzwischen aufgrund des vorliegenden Sachverständigengutachtens... geklärt ist,....."). An das gerichtliche Geständnis ist die Beklagte auch im Berufungsrechtszug gebunden (§§ 535, 288 ZPO). Die Voraussetzungen für einen Widerruf des Geständnisses nach § 290 ZPO sind nicht dargetan und auch sonst nicht ersichtlich.

Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, hätte sich der Fachverkäufer der Beklagten vor der Empfehlung des Asbestverfestigers durch Rückfrage an den Kläger darüber informieren müssen, ob die Dachplatten beschichtet waren. Für den Fall, dass der Kläger diese Frage nicht beantworten konnte, hätte der Fachverkäufer der Beklagten über die Bedeutung der Beschichtung für die Verwendbarkeit des empfohlenen Produktes aufklären müssen. Diese Verpflichtung wurde schuldhaft verletzt.

Die Schadensersatzansprüche aus dem unselbständigen Beratungsvertrag, der sich auf eine Eigenschaft der Kaufsache bezieht, verjähren nach § 477 Abs. 1 BGB alte Fassung in sechs Monaten von der Ablieferung an (BGH a. a. O.). Da dem Kläger die Dachdeckerfarbe und der Asbestverfestiger am 13.08.1997 geliefert wurde, endete die Verjährung mit Ablauf des 13.02.1998. Nach § 222 Abs. 1 BGB a. F. ist die Beklagte demgemäß berechtigt, die Leistung von Schadensersatz zu verweigern.

Keinen Erfolg hat die Berufung der Beklagten, soweit sie sich gegen die Abweisung der Widerklage richtet. Die Beklagte kann von dem Kläger nicht die Rückzahlung des bereits vorgerichtlich auf den geltend gemachten Schadensersatzanspruch gezahlten Teilbetrages von 5.191,94 € beanspruchen. Der Beklagten steht ein Bereicherungsanspruch auf Rückzahlung dieses Betrages nach § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht zu. Ihre Leistung an den Kläger erfolgte mit Rechtsgrund, weil der Kläger von ihr Schadensersatz wegen PVV des Kaufvertrages beanspruchen kann.

Ohne Erfolg wendet sich die Berufung gegen die Höhe des vom Landgericht angenommenen Schadensersatzanspruches. Der Kläger kann verlangen, so gestellt zu werden, wie er stehen würde, wenn er nicht falsch beraten worden wäre. In diesem Falle hätte der Kläger eine fachgerechte Grundierung nebst Neuanstrich der Dachfläche erlangt. Zur Herstellung dieses Zustandes ist - wie das von der Beklagten vorgelegte Sachverständigengutachten A. überzeugend ausführt - die Neueindeckung des Daches erforderlich. Die hierfür aufzuwendenden Kosten übersteigen den bereits geleisteten Teilbetrag von 5.191,94 €. Das gilt selbst dann, wen man zu Gunsten der Beklagten davon ausgeht, dass der Kläger die Entstehung des Schadens dadurch mitverschuldet hat, dass er das ihm überlassene Merkblatt des Herstellers des Asbestverfestigers nicht beachtete und sein Schadensersatzanspruch sich deshalb - wie die Beklagte meint - dem Grunde nach auf 2/3 des Schadens beschränkt.

Auch die Verjährung des Schadensersatzanspruchs rechtfertigt den gelten gemachten Bereicherungsanspruch der Beklagten nicht (§§ 813 Abs. 1 Satz 2, 222 Abs. 2 BGB alte Fassung).

Die Kosten des ersten Rechtszuges haben die Parteien entsprechend dem Anteil ihres Obsiegens und Unterliegens zu tragen (§ 92 Abs. 1 ZPO). Die Kosten der Berufung fallen allein der Beklagten zur Last. Soweit das Rechtsmittel der Beklagten erfolglos ist, hat diese die Kosten nach § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen. Soweit die Berufung zur Abweisung der Klage führt, obsiegt die Beklagte aufgrund der erstmals in der Berufungsinstanz erhobenen Verjährungseinrede, die sie bereits im ersten Rechtszug geltend zu machen imstande war. Nach § 97 Abs. 2 ZPO hat sie deshalb auch insoweit die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu tragen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Zulassung der Revision ist nicht veranlasst. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtssprechung erfordert eine Entscheidung des Revisiongerichtes nicht (§ 543 Abs. 2).

Ende der Entscheidung

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