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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 28.07.2003
Aktenzeichen: 1 U 45/01
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 823
In einem Fußgängerbereich sind Unebenheiten von 2 cm grundsätzlich keine von dem Verkehrssicherungspflichtigen zu beseitigende Gefahr.
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

1 U 45/01

Verkündet am 28.07.2003

In dem Rechtsstreit

hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht... und die Richter am Oberlandesgericht ... und ...

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 7. Juli 2003

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 21.02.2001 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten der Berufung zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist nicht begründet. Der Klägerin steht gegen die Beklagte wegen des Sturzes am 12.11.1998 kein Anspruch auf Schadensersatz und Schmerzensgeld zu. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Sturz auf einer Verletzung der Straßenverkehrssicherungspflicht der Beklagten beruht (§§ 823, 847 BGB).

Allerdings besteht aufgrund der persönlichen Anhörung der Klägerin kein Zweifel daran, dass diese am 12.11.1998 im Bereich der Fußgängerzone der "..." wegen einer Unebenheit des Plattenbelags stürzte. Ob sich dieser Sturz im Bereich zwischen dem Kaufhaus H. und dem (damaligen) Kaufhaus A. - wie die Klägerin in der Klageschrift behauptete- oder im Bereich zwischen den Kaufhäusern A. und P. ... C. - wie die Klägerin bei ihrer Anhörung am 3.06.2002 behauptete- ereignete, ist rechtlich ohne Belang. Für beide Bereiche ist die Beklagte straßenverkehrssicherungspflichtig. Die Haftung der Beklagten scheitert jedoch daran, dass nicht festgestellt werden kann, dass der Niveauunterschied im Plattenbelag der "..." so erheblich war, dass er von der Beklagten im Rahmen ihrer Verkehrssicherungspflicht hätte beseitigt werden müssen.

Der Verkehrssicherungspflichtige hat Verkehrsteilnehmer vor den von der Straße ausgehenden und bei ihrer zweckgerechten Benutzung drohenden Gefahren zu schützen und dafür Sorge zu tragen, dass die Straße sich in einem dem regelmäßigen Verkehrsbedürfnis genügenden Zustand befindet, der eine möglichst gefahrlose Benutzung zulässt. Dies bedeutet allerdings nicht, dass eine Straße schlechthin gefahrlos und frei von allen Mängeln sein muss. Eine vollständige Gefahrlosigkeit der Straße und ihrer Benutzung kann mit zumutbaren Mitteln nicht erreicht und vom Verkehrsteilnehmer auch nicht erwartet werden. Auch der Fußgänger muss bei Benutzung eines Bürgersteiges oder einer Fußgängerzone mit gewissen Unebenheiten rechnen und sich darauf einstellen (BGH BB 1967, 229; OLG Hamm, NJW-RR 1987, 412; OLG Düsseldorf, VersR 1996, 518; OLG Düsseldorf, VersR 1993, 1416; OLG Koblenz, VersR 1993, 1417). Im Bereich von Gehwegen hat die Rechtsprechung Unebenheiten von nicht mehr als 2 cm vielfach als eine von Fußgängern hinzunehmende Gefahr, mit der stets gerechnet werden müsse, angesehen (OLG Düsseldorf, VersR 1993, 1416; BGH VersR 1967, 281, 282; OLG Hamm, NJW-RR 1987, 412, 413). Bei Vorliegen besonderer Umstände - etwa bei Ablenkung des Fußgängers durch die Auslagen von Schaufenstern oder innerhalb eines Einkaufszentrums - wurde auch ein Höhenunterschied von nur 1,5 cm als eine vom Verkehrssicherungspflichtigen zu beseitigende Gefahr für den Verkehrsteilnehmer angesehen (BGH VersR 1967, 281, 282; OLG Köln, NJW-RR 2001, 457, 458).

Hier kann offen bleiben, ob für die (nicht mehr genau lokalisierbare) Unfallstelle im Fußgängerbereich der "..." ein Höhenunterschied von nur 1,5 cm im Plattenbelag eine von der Beklagten zu beseitigende Gefahr darstellt. Selbst wenn man diese Frage bejaht, haftet die Beklagte nicht für die Folgen des Sturzes der Klägerin. Es steht nicht fest, dass im Unfallbereich eine Höhendifferenz im Plattenbelag von mindestens 1,5 cm bestand. Vielmehr kommt in Betracht, dass die Klägerin wegen einer Höhendifferenz von weniger als 1,5 cm, die keine von der Beklagten zu beseitigende Gefahrenstelle darstellte, stürzte.

Für das Vorhandensein einer vom Verkehrssicherungspflichtigen zu beseitigenden Gefahr im Unfallzeitpunkt spricht nicht schon die Tatsache selbst, dass die Klägerin, die zur Unfallzeit 70 Jahre alt war, stürzte. Es ist allgemein bekannt, dass ein Fußgänger auch bei einer Bodenunebenheit von weniger als 1,5 cm stolpern und zu Fall kommen kann. Die Klägerin konnte aus eigener Wahrnehmung kein Angaben über die Höhendifferenzen im Bereich der Unfallstelle machen. Für das Vorhandensein einer zu beseitigenden Gefahrenstelle spricht allein das Schreiben des inzwischen verstorbenen Herrn D. vom 15.06.2000 an die F. A. (Blatt 8 der Akten), in welchem Herr D., der die Klägerin begleitet hatte, angab, dass eine der Platten "einige cm aus dem Boden" herausgeragt habe. Gegen die Richtigkeit dieser Angaben bestehen jedoch Bedenken. Zweifel ergeben sich daraus, dass in dem Begehungsbuch als Ergebnis der Begehungen am 22.10.1998, am 12.11.1998 und am 17.11.1998-also sowohl vor, als auch nach dem Unfallzeitpunkt- im Bereich der... an jeweils mehreren Stellen lose oder hoch stehende Platten vermerkt sind, dass die dort angegebenen Örtlichkeiten (.../...Straße;... 1.. neben Bauzaun;... 1..; ...galerie; .../...gasse; .../...Straße bis Brunnen;... 1..;... 1..; .../...gasse;... 3.; .../Kf.) jedoch nicht mit der von der Klägerin beschriebenen Unfallstelle übereinstimmen. Nach der Art und Weise der Begehungen, wie sich nach der anschaulichen Darstellung des Zeugen G. vorgenommen wurden, ist zu erwarten, dass eine um "einige Centimeter aus dem Boden" herausstehende Platte bei der Begehung festgestellt und dass diese Feststellung nebst Bericht über die Beseitigung der Gefahrenstelle im Begehungsbuch dokumentiert wird. Mit Rücksicht auf das Fehlen entsprechender Angaben im Begehungsbuch, dessen Einträge durch aus detailreich sind, genügt die schriftliche Äußerung des Herrn D. gegenüber der A.versicherung nicht zum Beweis der Existenz einer haftungsbegründenden Gefahrenstelle durch eine hochstehende Platte.

Die Klägerin hat die Kosten der Berufung zu tragen, da ihr Rechtsmittel keinen Erfolg hat (§ 97 Abs. 1 ZPO). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO. Die Zulassung der Revision ist nicht veranlasst. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Auch zur Fortbildung des Rechts oder Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ist eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erforderlich (§ 543 Abs. 2 ZPO).

Ende der Entscheidung

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