Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 18.06.2003
Aktenzeichen: 1 U 69/02
Rechtsgebiete: GG, BGB


Vorschriften:

GG Art. 34
BGB § 852
BGB § 276
1. Wer dem Wohnungsmarkt anstelle zweckentfremdeten Wohnraums im zeitlichen Zusammenhang mit der Zweckentfremdung im Gebiet der Gemeinde nicht kleineren und nicht minderwertigen, auch nicht ausgesprochen luxuriösen Ersatzwohnraum zur Verfügung stellt, hat einen Anspruch auf die Erteilung einer Zweckentfremdungsgenehmigung ohne Zahlungsauflagen wie z. B. eine Mietpreisbindung. Eine solche wird insbesondere nicht durch "Sickerverluste" in Umzugsketten gerechtfertigt.

2. Die Auferlegung einer Mietpreisbindung durch eine Zweckentfremdungsbehörde stellte bereits Anfang 1996 einen schuldhaften Verstoß gegen Amtspflichten dar.

3. Wenn die unzulässige Mietpreisbindung in einem öffentlich-rechtlichen Vertrag als Gegenleistung für eine Zweckentfremdungsgenehmigung vereinbart wird, beginnt die Verjährung des Amtshaftungsanspruches mit Vertragsschluss zu laufen.

4. In einem solchen Fall besteht kein Schadensersatzanspruch aus öffentlich-rechtlicher culpa in contrahendo. Jedenfalls würde ein solcher analog § 852 BGB a. F. verjähren.


Oberlandesgericht Frankfurt am Main Im Namen des Volkes Urteil

1 U 69/02

Verkündet am 18.06.2003

in dem Rechtsstreit

hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch den Vorsitzenden Richteram Oberlandesgericht ..., den Richter am Oberlandesgericht ... und den Richter am Oberlandesgericht... aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 5.6.2003 für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 1.3.2002 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt von der Beklagten Schadensersatz mit der Begründung, sie habe ihr in zwei öffentlich-rechtlichen Verträgen vom 3.1.1996 und vom 28.10.1997 über eine Zweckentfremdungsgenehmigung unzulässigerweise eine Mietpreisbindung auferlegt.

Auf dem Hausgrundstück D... , F..., stand ein Haus mit drei Wohnungen und 208,26 m2 Wohnfläche. Die T. GmbH schloss als damalige Eigentümerin des Grundstücks mit der Beklagten am 12./13.4.1995 einen Vertrag (Bl. 307 ff. d. A.), in dem die Beklagte eine Zweckentfremdungsgenehmigung zum Abbruch des Hauses erteilte; T. verpflichtete sich im Gegenzug unter anderem zur Errichtung eines Hauses mit einer Wohnfläche von 270,74 m2 und dazu, drei insgesamt 209 m2 große Wohnungen 10 Jahre lang für 11,20 DM/m2 an Mietinteressenten gemäß dem "Frankfurter Programm für familiengerechtes Wohnen" zu vermieten. Am 28.11.1995 kaufte die Klägerin von T. das Hausgrundstück. Sie trat gemäß §§ 3 Nr. 2, 5 Nr. 2 des Kaufvertrages (Bl. 314 ff., hier: 316 f. d. A.) in die Rechte, nicht aber in die Pflichten der T. aus dem Zweckentfremdungsvertrag vom 12./13.4.1995 ein. Wohl aus diesem Grund schlössen die Parteien undT. unter dem 3.1.1996 einen neuen Vertrag (Bl. 8 ff. d. A.), der wie der mit der T. abgeschlossene Vertrag die Zweckentfremdungsgenehmigung zum Abbruch (§ 1 des Vertrages), die Verpflichtung der Klägerin zur Errichtung des mindestens 270,74 m2 großen Ersatzwohnraums und die Mietpreisbindung sowie das Mieterbesetzungsrecht enthielt (§ 3 des Vertrages) und den Vertrag vom 12./13.4.1995 ersetzte (§ 14 des Vertrages). Die Klägerin riss das alte Haus ab und baute statt dessen ein Haus mit 25 Wohnungen und einer Gesamtwohnfläche von 1.638 m2. Preisgebunden vermieten wollte sie dann allerdings nur drei Wohnungen mit einer Gesamtfläche von 195,07 m2, also rund 14 m2 weniger als vertraglich vereinbart. Die Parteien schlössen deshalb "zur Abwicklung des öffentlich-rechtlichen Vertrages vom 3.1.1996" am 28.10.1997 einen "Zusatzvertrag" (Bl. 42 ff. d. A.), in dem sie die Mietpreisbindung und das Mieterbesetzungsrecht auf drei konkret bezeichnete Wohnungen bezogen und auf die Dauer von 10 Jahren und 9 Monaten erstreckten (§ 2 des Zusatzvertrages).

Im April 1998 hörte der Geschäftsführer der Klägerin vom am 17.10.1997 verkündeten Urteil des BVerwG (8 C 18/96, NJW 1998, 94 ff.) und meinte, aus diesem ergebe sich die Nichtigkeit der zwischen den Parteien geschlossenen Zweckentfremdungsverträge. Die Beklagte vertrat in der vorprozessualen Korrespondenz eine andere Rechtsauffassung. Die Klägerin versuchte erfolglos, sie zum Verzicht auf ihre Rechte aus den Zweckentfremdungsverträgen zu bewegen; auch ihre 1998 und 1999 an das H... W... und den H... M... gerichteten Schreiben zeitigten nicht den ersehnten Erfolg. Sie hat am 19.1.1999 ihre Klage eingereicht. Das Landgericht hat sie am gleichen Tag zur Einzahlung des Gerichtskostenvorschusses aufgefordert (Bl. 47 d. A.). Die Klage ist nach am 9.3.1999 erfolgter Einzahlung am 22.3.1999 zugestellt worden (Bl. 49 d. A.).

Ihren Schaden hat die Klägerin folgendermaßen berechnet:

- In der Zeit vom 1.4. bis zum 30.9.1998 habe ihr der Kaufpreis für die mietpreisgebundenen Wohnungen gefehlt, um ihre mit 7 % zu verzinsenden Kredite zu tilgen.

Die 195,07 m2 großen Wohnungen hätte sie sonst für 5.900 DM/m2 verkaufen können, so dass sie ihre Kredite um 1.150.913 DM hätte zurückführen können. Ihr im vorgenannten Zeitraum entstandener Zinsschaden von 40.281,96 DM reduziere sich um die vereinnahmten Mietzinsen von 11,20 DM/m2, so dass die Klageforderung von 27.173,26 DM übrig bleibe.

- Hilfsweise werde der Schaden auf eine monatliche Mietdifferenz von 7,80 DM/m2 gestützt, weil die Wohnungen sonst für 19 DM/m2 vermietbar seien, woraus sich eine jährliche Mietdifferenz von 18.258,55 DM ergebe.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zur Zahlung von 27.173,26 DM nebst 7 % Zinsen aus jeweils 13.586,63 DM seitdem 30.6.1998 und seit dem 30.9.1998 zu verurteilen.

Die Beklagte hat

Klageabweisung

beantragt, sich auf Verjährung berufen und behauptet, in Frankfurt am Main sei wegen außergewöhnlichen Zuwanderungsdruckes der vom BVerwG und vom BVerfG für die generelle Beachtlichkeit nicht luxuriöser Ersatzwohnungen und die Unzulässigkeit von Zahlungsauflagen als Argument angeführte "Sickereffekt" nicht gegeben.

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes nimmt der Senat auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils Bezug.

Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Klageforderung sei verjährt.

Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung, mit der sie außerdem einen auf 20.001 € bezifferten Schaden für die Zeit vom 1.4.2002 bis zum 19.12.2002 geltend macht. Die Klageforderung sei nicht verjährt, weil der Geschäftsführer der Klägerin erst durch die genannte Entscheidung des BVerwG auf die Idee gekommen sei, dass die Verträge nichtig sein könnten. Auch als Volljurist könne man nicht alles wissen. Eine ganze Schar mit dem Fall befasster Juristen auf beiden Seiten habe keine Verjährung erwogen. Jedenfalls könne die Verjährung nicht vor Abschluss des die Mietpreisbindung konkretisierenden zweiten Vertrages vom 28.10.1997 begonnen haben. Zudem laufe die Frist neu, weil es die Beklagte im Jahre 2002 abgelehnt habe, die Klägerin aus der Mietpreisbindung zu entlassen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Landgerichts abzuändern und die Beklagte zur Zahlung von 33.894,47 € nebst 7 % Zinsen aus jeweils 6.946,73 € seit dem 30.6.1998 und seit dem 30.9.1998 und aus 20.001 € seit dem 1.4.2002 zu verurteilen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das landgerichtliche Urteil hinsichtlich der Verjährungsfrage und wendet sich unter anderem mit Ausführungen zum in Frankfurt am Main angeblich fehlenden Sickereffekt gegen die Annahme einer schuldhaften Amtspflichtverletzung.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

I. Die Beklagte hat mit dem Abschluss des Vertrages vom 3.1.1996, insbesondere mit der Vereinbarung einer Mietpreisbindung schuldhaft ihre Amtspflichten gegenüber der Klägerin verletzt (1.). Der daraus folgende Anspruch der Klägerin war allerdings bei Klageerhebung bereits verjährt (2.).

1. Zum Haftungsgrund nach § 839 BGB in Verbindung mit Art. 34 GG:

a) Ein Amtshaftungsanspruch kann auch darauf gestützt werden, dass eine Behörde in einem öffentlich-rechtlichen Vertrag vom Bürger eine unzulässige Leistung gefordert habe (vgl. BGH NJW 1979, 642 f. [unter 3. der Entscheidungsgründe]). Bei einem subordinationsrechtlichen Vertrag kann sich die Unzulässigkeit etwa daraus ergeben, dass der Bürger auf die Leistung einen Anspruch hat, ohne dass einem diese gewährenden Verwaltungsakt eine Nebenbestimmung, z. B. eine Auflage, beigefügt werden dürfte (§§ 56 Abs. 2, 36 Abs. 1 HVwVfG).

b) Wer dem Wohnungsmarkt anstelle zweckentfremdeten Wohnraums im zeitlichen Zusammenhang mit der Zweckentfremdung im Gebiet der Gemeinde nicht kleineren und nicht minderwertigen, auch nicht ausgesprochen luxuriösen Ersatzwohnraum zur Verfügung stellt, hat einen Anspruch auf die Erteilung einer Zweckentfremdungsgenehmigung ohne Zahlungsauflagen (vgl. Hessischer VGH ZMR 2000, 791 f.; BVerwG NJW 1998, 94 ff.; Buchholz 454.51 MRVerbG Nr. 23; BVerwGE 95, 341 ff.; NJW-RR 1987, 586 ff.; BVerwGE 65, 139 ff.; BVerfGE 55, 249 ff.) wie z. B. eine Mietpreisbindung (vgl. hierzu ausdrücklich Hessischer VGH ZMR 2000, 791 f.; BVerwG NJW 1998, 94 ff.). Dem auf einen flächenmäßigen Bestandsschutz abzielenden Zweckentfremdungsverbot des Art. 6 § 1 a) MRVerbG ist genügt, wenn der diesen Kriterien entsprechende Wohnraum ersatzweise zur Verfügung gestellt wird; unerheblich ist, ob eine Vermietung auf dem bisherigen Preisniveau erfolgt (vgl. BVerwG NJW 1998, 94 ff.; BVerfGE 55, 249 ff. [unter II 2 der Entscheidungsgründe, dort auch grundlegend zum "Sickereffekt"]), ob der Ersatzwohnraum als Eigentumswohnung zur Eigennutzung oder zur Vermietung verkauft (vgl. BVerwG NJW 1998, 94 ff.; Buchholz 454.51 MRVerbG Nr. 23) oder ob er durch den zusätzlichen Wohnraum beanspruchenden Eigentümer selbst genutzt wird (vgl. BVerwG NJW 1998, 94 ff.; BVerwGE 95, 341 ff.; BVerfGE 38, 348 ff. [unter I 4 b) der Entscheidungsgründe]). Gerade der letztgenannte Fall zeigt, dass es auf den Umfang etwaiger Sickerverluste in Umzugsketten -d. h. darauf, ob der Ersatzwohnraum den Mietern der zweckentfremdeten Wohnung dadurch mittelbar voll zugute kommt, dass der die Ersatzwohnung beziehende Mieter seinerseits eine Wohnung frei macht- nicht ankommt. Der den Ersatzwohnraum zusätzlich beanspruchende Eigentümer führt einen Sickerverlust in Höhe von 100 % herbei. Dass er dies darf, ist Ausdruck seines verfassungsrechtlich gewährleisteten, grundsätzlich privatnützigen Eigentums (ähnlich Hessischer VGH ZMR 2000, 791 f.); der Zweck des Zweckentfremdungsverbotes, einer Reduzierung der zu Wohnzwecken zur Verfügung stehenden Flächen entgegen zu wirken, ist nicht berührt.

c) Die Klägerin hatte danach einen Anspruch auf Erteilung einer Zweckentfremdungsgenehmigung ohne Nebenbestimmungen. Der von ihr verbindlich zugesagte- hierauf ist abzustellen (vgl. BVerwGE 54, 54 ff. [drittletzter Absatz]) - und dann geschaffene Ersatzwohnraum erfüllte unstreitig alle vom BVerwG entwickelten Beachtlichkeitskriterien (vgl. zu diesen BVerwG NJW 1998, 94 ff.; BVerwGE 65,139 ff.), überschritt insbesondere nicht die obere Grenze des Wohnstandards im Sinne eines ausgesprochenen Luxus' (vgl. BVerwGE 65, 139 ff.; BVerfGE 55, 249 ff. [unter II 2 der Entscheidungsgründe]) und war auch nicht kleiner, sondern deutlich größer. Ob sie die Ersatzwohnungen teurer vermieten, als Eigentumswohnungen zur Eigennutzung oder zur Vermietung verkaufen wollte, war für die Erteilung der Zweckentfremdungsgenehmigung ohne Belang; die Fläche des preisgebundenen Wohnraums war unerheblich, eben weil das Zweckentfremdungsverbot keine Mietpreissteuerung bezweckt. Ebenso wenig kam es auf "Sickerverluste" in Frankfurt am Main an.

d) Die für die Beklagte handelnden Bediensteten handelten schuldhaft amtspflichtwidrig.

(1) Als Entschuldigung untauglich ist das Argument der Beklagten, ihre Bediensteten hätten sich an ihre Verwaltungsvorschriften - das so genannte "Sozialbindungspapier" (Auszug Bl. 123 f. d. A.) - gehalten. Erstens müssen diese mit geltendem Recht vereinbar sein, so dass alternativ an das Verschulden der Mitarbeiter der Beklagten anzuknüpfen wäre, die die Verwaltungsvorschriften verfasst haben. Zweitens muss ein Beamter im haftungsrechtlichen Sinne die für sein Amt nötigen Rechtskenntnisse haben; der Verschuldensbegriff ist objektiviert.

(2) Die Unzulässigkeit der Mietpreisregelungen von Zweckentfremdungsbehörden, die sich aus dem auf einen Flächenschutz begrenzten Regelungszweck des Zweckentfremdungsverbotes ergibt, war auch der vor dem Vertrag veröffentlichten Rechtsprechung des BVerfG und des BVerwG deutlich genug zu entnehmen, die auf Sickerverluste abstellende Gegenansicht der Beklagten kaum vertretbar. Insbesondere die Leitentscheidung des BVerfG (Beschluss vom 2. Dezember 1980- 1 BvR 436/78, 1 BvR 437/78, BVerfGE 55, 249 ff. [unter II 2 der Entscheidungsgründe]) hatte sich zur Begründung seiner Ansicht, es reiche aus, wenn der Ersatzwohnraum nicht ausgesprochen luxuriös sei, apodiktisch auf den allgemein anzunehmenden Sickereffekt berufen, ohne dessen Umfang im Einzelfall für beachtlich zu erklären.

2. Zur Verjährung:

a) Bei Ansprüchen aus § 839 BGB kann die Verjährung erst beginnen, wenn der Geschädigte weiß, dass die in Rede stehende Amtshandlung widerrechtlich und schuldhaft war und deshalb eine zum Schadensersatz verpflichtende Amtspflichtverletzung darstellt (vgl. BGH NJW 1982, 36 f. [unter 4. der Entscheidungsgründe]; WM 1976, 643, 644; VersR 1963,1175, 1177; auch zum Folgenden NJW 1994, 3162 ff. [unter II 4 a) der Entscheidungsgründe]; BGHZ 138, 247 ff. [unter l 2 b) der Entscheidungsgründe]). Es genügt allerdings im allgemeinen, dass der Verletzte die tatsächlichen Umstände kennt, die eine schuldhafte Amtspflichtverletzung als nahe liegend, mithin eine Amtshaftungsklage - sei es auch nur als Feststellungsklage - als so aussichtsreich erscheinen lassen, dass dem Verletzten die Erhebung der Klage zugemutet werden kann. Dagegen setzt § 852 Abs. 1 BGB a. F. aus Gründen der Rechtssicherheit und Billigkeit grundsätzlich nicht voraus, dass der Geschädigte aus ihm bekannten Tatsachen auch die zutreffenden rechtlichen Schlüsse zieht. Allerdings kann Rechtsunkenntnis im Einzelfall bei unsicherer oder zweifelhafter Rechtslage den Verjährungsbeginn hinausschieben (vgl. BGH NJW 1993, 648 ff. [unter III 4 b) der Entscheidungsgründe]). Der zu beginnende Prozess muss andererseits nicht risikolos erscheinen (vgl. BGHR BGB § 852 Abs. 1 Fristbeginn 1).

b) Danach begann die Verjährung hier am 3.1.1996 zu laufen, als die Klägerin den Zweckentfremdungsvertrag mit der Beklagten schloss. Zu diesem Zeitpunkt waren ihr alle anspruchsbegründenden Tatsachen bekannt, abgesehen von der Gesamthöhe des Schadens, auf die es wegen der Möglichkeit der Erhebung einer Feststellungsklage nicht ankommt. Dass überhaupt ein Schaden eingetreten war, lag bereits damals nahe; die abstrakte Möglichkeit, dass die Klägerin von ihrem Abriss- und Neubauvorhaben Abstand nehmen würde, ändert daran nichts. Der 1997 abgeschlossene Abwicklungs-Zusatzvertrag hatte bezüglich des Haftungsgrundes keine eigenständige Bedeutung, weil er sich im wesentlichen auf die Festlegung der preisgebundenen Wohnungen und die Verlängerung des Bindungszeitraumes beschränkte- Gesichtspunkte, die die Schadenshöhe betreffen und durch eine Feststellungsklage zu erfassen gewesen wären. Dass die Beklagte es noch im Jahre 2002 abgelehnt hat, auf ihre vermeintlichen Vertragsansprüche zu verzichten, schuf insoweit keinen neuen Haftungsgrund im Sinne des § 839 BGB, sondern perpetuierte lediglich den bereits vorhandenen. Einen Folgenbeseitigungsanspruch müsste die Klägerin vor den Verwaltungsgerichten geltend machen.

c) Die erst 1998 endende Rechtsunkenntnis der Klägerin über die Problematik des mit der Beklagten abgeschlossenen Vertrages schob den Verjährungsbeginn nicht hinaus. Die verwaltungsrechtliche, insbesondere die zweckentfremdungsrechtliche Rechtslage war nicht besonders schwierig.

In der Rechtsprechung des BVerfG und des BVerwG war auch schon vor dessen Entscheidung vom 17.10.1997 geklärt, dass der ein beachtliches Ersatzwohnraumangebot unterbreitende Zweckentfremder nicht mit Zahlungspflichten belastet werden darf. Das Prozessrisiko, das sich aus der den "Sickereffekt" in Frankfurt am Main betreffenden Argumentation der Beklagten ergab, machte eine Klageerhebung nicht unzumutbar. Das Verhalten der Klägerin belegt im Übrigen, dass auch sie die vorherige Klärung der verwaltungsrechtlichen Fragen nicht für erforderlich ansah. Sie hat nicht etwa zuerst Klage beim Verwaltungsgericht erhoben- was zur Unterbrechung der Verjährung ausgereicht hätte (vgl. BGHZ 138, 247, 251)-, um diese Fragen vorab zu klären, sondern sie hat sogleich vor dem Landgericht geklagt und auf eine verwaltungsgerichtliche Klage verzichtet.

d) Die Klägerin hat die Verjährung nicht rechtzeitig unterbrochen.

(1) Die Dreijahresfrist des § 852 BGB a. F. war bereits bei Einreichung der Klage am 19.1.1999 abgelaufen, weil die Verjährung mit dem Abschluss des Zweckentfremdungsvertrages am 3.1.1996 zu laufen begonnen hatte. Auch wenn man der Klägerin nach Abschluss dieses Vertrages eine 16 Tage überschreitende Überlegungszeit zubilligen wollte, ergäbe sich nichts anderes. Die Klägerin hat sich mit der Einzahlung des Kostenvorschusses fast zwei Monate, damit deutlich zu viel Zeit gelassen mit der Konsequenz, dass die Klage nicht "demnächst" im Sinne des § 270 Abs. 3 ZPO a. F. zugestellt wurde. Die Einreichung der Klage konnte deshalb nicht zur Unterbrechung der Verjährung führen.

Bei Zustellung war die Dreijahresfrist auch unter Berücksichtigung einer geräumigen Überlegungsfrist nach dem Vertragsschluss längst abgelaufen.

(2) Die außergerichtliche Korrespondenz der Klägerin mit der Beklagten und diversen politischen Stellen mag als "Rechtsmittel" im weiten Sinne des § 839 Abs. 3 BGB anzusehen sein. Zur Unterbrechung der Verjährung sind solche formlosen Rechtsbehelfe aber untauglich, vielmehr muss gerichtlicher Rechtsschutz gesucht werden, sei es im Amtshaftungsprozess, sei es im (verwaltungs-) gerichtlichen Primärverfahren (vgl. BGHZ 138, 247, 251 f.).

(1)

Die Klage ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer öffentlich-rechtlichen culpa in contrahendo begründet.

1. Dieser Haftungstatbestand ist nicht erfüllt.

a) Der Anspruch gründet sich auf das besondere Vertrauen desjenigen, der sich zum Zwecke von Vertragsverhandlungen in den Einflussbereich eines anderen begibt, und auf die Verhaltenspflichten, die dem anderen Teil dar aus und aus dem Gebot von Treu und Glauben erwachsen (BGHZ 71, 386, 393; ähnlich BGHZ 6, 330, 334). Er kommt bei öffentlich-rechtlichen Verträgen nichtsubordinationsrechtlicher Art ("Kooperationsverträgen") in Betracht (vgl. BGHZ 76, 343, 348 f.; 71, 386, 393). Ob dies auch bei subordinationsrechtlichen Verträgen gilt, hat der BGH bislang - soweit ersichtlich - noch nicht entschieden (zweifelnd immerhin BGHZ 43, 34, 41); die Frage kann auch im vorliegenden Fall offen bleiben.

b) Die Klägerin wirft der Beklagten nämlich der Sache nach vor, sie habe sie vor Vertragsschluss über die Unzulässigkeit ihrer Forderungen, insbesondere der Mietpreisbindung und des Besetzungsrechts, hinweisen müssen.

Eine solche Hinweispflicht wäre jedoch völlig unabhängig von den Vertragsverhandlungen der Parteien nur auf die Vorschriften des HVwVfG zu stützen. Die Klägerin hat kein Vertrauen investiert, indem sie sich auf Vertragsverhandlungen einließ, und sich dadurch einer besonderen Gefährdungslage ausgesetzt. Auch wenn die Parteien keine Vertragsverhandlungen geführt hätten und die Beklagte durch Verwaltungsakt entschieden hätte, hätte sie der Klägerin weder eine Mietpreisbindung noch ein Wohnungsbesetzungsrecht auferlegen dürfen. Die Verhaltenspflichten der Beklagten, deren Verletzung die Klägerin im Ergebnis rügt, beruhen nicht auf den Verhandlungen, auf investiertem Vertrauen oder Treu und Glauben, sondern auf dem Recht des öffentlich-rechtlichen Vertrages und des Verwaltungsverfahrens.

2. Wenn ein Anspruch aus öffentlich-rechtlicher culpa in contrahendo bestünde, wäre auch dieser analog § 852 BGB verjährt. Die Rechtsprechung hat in verschiedenen Zusammenhängen eine Angleichung der Verjährung solcher an sachlich ähnliche Ansprüche angenommen (vgl. BGHR BGB vor § 1/Verschulden bei Vertragsschluß Verjährung 2 + 5; BGH NJW 1984, 2938 f. [unter II 4 a) der Entscheidungsgründe]; BGHZ 57, 191,194; für Ansprüche aus positiver Vertragsverletzung etwa BGH NJW 2002, 1336 f. [unter II 3 der Entscheidungsgründe]; 1997, 3227 ff. [unter II 2 a) der Entscheidungsgründe]; Senat, Urteil vom 13.1.2003- 1 U 35/02). Das wäre auch hier unausweichlich. Es liegt auf der Hand, dass die Verjährungsfrist für eine auf einen öffentlichrechtlichen Vertrag bezogenen culpain contrahendo nicht länger dauern kann als bei einem mit Auflagen versehenen Verwaltungsakt, wenn die Unwirksamkeit des öffentlich-rechtlichen Vertrages und die Pflichtverletzung der Leistungsforderungen durchsetzenden Behörde gerade darauf gestützt wird, dass ein Verwaltungsakt nicht mit entsprechenden Auflagen hätte versehen werden dürfen.

III. Eine Zulassung der Revision ist nicht geboten. Insbesondere hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Die entscheidungserheblichen Amtshaftungsfragen sind geklärt, soweit sie klärungsfähig sind (vgl. BGHZ 152, 182 ff. [unter II 2 der Entscheidungsgründe]). Die angesprochenen Fragen der öffentlich-rechtlichen culpa in contrahendo sind nicht einer Klärung durch den BGH bedürftig, da bislang - soweit ersichtlich - nicht umstritten (vgl. BGH a. a. O. [unter II 2 a) der Entscheidungsgründe]).

IV. Die weiteren Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Ende der Entscheidung

Zurück