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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 23.11.2000
Aktenzeichen: 1 U 78/98
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 287
ZPO § 92 Abs. 1
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
ZPO § 546 Abs. 2
Zur Bemessung der Höhe eines Entschädigungsanspruchs nach der Enteignung von Grundstücken.
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

1 U 78/98

2/4 O 336/95 LG Frankfurt am Main

Verkündet am 23.11.2000

In dem Rechtsstreit ...

hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch die Richter ... auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 26.10.2000

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das am 4.3.1998 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main (Az.: 2/4 0 336/95) abgeändert und wie folgt neu gefaßt:

Die Beklagte wird unter teilweiser Abänderung des Teiles B des Enteignungsbeschlusses des Regierungspräsidenten in Darmstadt vom 1.9.1995 ­ Aktenzeichen III 11 B/61 a 20/01 - Hattersheim 2 ­ verurteilt, an den Kläger eine Entschädigung in Höhe von 311.000,-- DM nebst 2 % Zinsen über dem Diskontsatz der Deutschen Bundesbank vom 15.8.1988 bis 31.12.1998 und über dem jeweiligen Diskontsatz der EZB seit dem 1.1.1999 zu zahlen.

Im übrigen werden die Klage und die Widerklage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen. Die Anschlußberufung wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des 1. Rechtszuges tragen der Kläger 66,5 % und die Beklagte 33,5 %. Von den Kosten des 2. Rechtszuges tragen der Kläger 74 % und die. Beklagte 26 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Wert der Beschwer beträgt für den Kläger 869.000,-- DM und für die Beklagte 311.000,-- DM.

Der Beklagten bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 610.000,-- DM abzuwenden, sofern nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Dem Kläger bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 30.000,-- DM abzuwenden, sofern nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Der Kläger kann die Sicherheit auch durch unbedingte unbefristete selbstschuldnerische Bürgschaft eines im Inland als Zoll- und Steuerbürge zugelassenen Kreditinstituts erbringen. Tatbestand

Die Parteien streiten über die Höhe eines Entschädigungsansprüche des Klägers gegen die Beklagte nach Enteignung von 4 Grundstücken, Gemarkung Hattersheim, Flur ..., Flurstücke Nr. ... mit einer Gesamtfläche von 4123 qm.

Diese Flürstücke gingen aus den ursprünglichen Flurstücken ... hervor, die eine Gesamtfläche von 15460 qm hatten. Diesen Grundbesitz erwarb 1972 die Firma S. zu einem Preis von 300,-- DM je qm. Er lag im Bereich des Bebauungsplanes "West", der eine drei- bis fünfgeschossige Blockbebauung mit direkter Anbindung an die Heddingheimer Straße vorsah.

Im Jahre 1975 erwarb die Firma I. den gesamten Grundbesitz in einem Zwangsversteigerungsverfahren als Meistbietende zu einem Preis von 194,-- DM je qm. Diese Gesellschaft schloß mit der Beklagten am 29.1.1980 einen privatschriftlichen Erschließungsvertrag, nach dessen Inhalt sie verpflichtet war, ein durch den Bebauungsplan entsprechend ausgewiesenes Gelände mit Reihenhäusern zu bebauen und Erschließungsanlagen herzustellen. Gemäß § 3 dieser Vereinbarung verpflichtete sich die Bauträgergesellschaft, die. Erschließungsanlagen nach ihrer Fertigstellung kostenlos auf die Beklagte zu übertragen.

Am 18.3.1980 trat für das Gelände der Teilbebauungsplan Nr. N 24 "Bodengewann- Baugebiet West" in Kraft, der nunmehr die Bebauung mit an kleinen Stichstraßen gelegenen Reihenhäusern vorsah.

Im Zuge der Realisierung dieses Bebauungsplanes entstanden die eingangs bezeichneten 4 Grundstücke. Sie wurden von der Firma I. als Wegeflächen, das Flurstück ... zusätzlich mit einem ca. 120 qm großen Kinderspielplatz ausgebaut. Ferner entstanden auf den Grundstücken PKW-Abstellplätze. Der Straßen- und Wegeausbau wurde von der Firma F. ausgeführt, die dafür der Firma I. insgesamt eine Vergütung von 996.000,-- DM in Rechnung stellte. Im Sommer 1982 waren die Straßen- und Wegeflächen hergestellt und wurden dem Verkehr übergeben.

Inzwischen war über das Vermögen der Firma I. das Konkursverfahren eröffnet worden. Auf den Wegegrundstücken waren gemäß Urteil des LG Wiesbaden vom 16.4.1985 (Az.: 3 0 54/84, Abl. Bl. 136,137 d.A.) Vormerkungen im Grundbuch auf Eintragung von Sicherungshypotheken zu Gunsten der von Firma I. beauftragten Architekten H. und W. wegen eines Betrages von 97.766,43 DM zuzüglich Zinsen eingetragen. Der Konkursverwalter bot die Grundstücke der Beklagten vergeblich zum Kauf an.

Im Juli 1983 gab der Konkursverwalter die Grundstücke aus der Konkursmasse frei. Nunmehr betrieben die vorbezeichneten Architekten die Zwangsversteigerung der Wegegrundstücke. Im Zwangsversteigerungsverfahren schätzte der gerichtlich bestellte Sachverständige B. 1985 den Verkehrswert der 4 Flurstücke auf insgesamt 308.887,50 DM (Abl. Bl. 30-43 d.A.). Im Versteigerungstermin am 19.8.1987 erwarb der Kläger die 4 Flurstücke mit einem Bargebot von 8.100,-- DM. Die Vormerkungen für Zwangshypotheken blieben bestehen.

Mit Schreiben vom 27.8.1987 seiner anwaltlichen Vertreter verlangte der Kläger von der Beklagten gemäß § 13 Abs. 2 des Hessischen Straßengesetzes die Übernahme der Wegeflächen.

Da die Beklagte sich weigerte, die Grundstücke zu erwerben, beantragte der Kläger mit Schreiben vom 29.9.1987 beim Regierungspräsidenten in Darmstadt die Durchführung eines Enteignungsverfahrens. Er begehrte von der Beklagten Zug um Zug gegen Übereignung der Grundstücksparzellen einen Entschädiungsbetrag von 100,- DM je qm, insgesamt 412.300,-- DM. Der Regierungspräsident wies den Antrag mit Beschluß vom 15.8.1988 zurück.

Auf die dagegen vom Kläger erhobene verwaltungsgerichtliche Klage stellte das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main mit Urteil vom 24.9.1991 (Az.: IV/1 E 2609/88) fest, daß die vorgenannten Grundstücke straßenrechtlich öffentliche Wegeflächen sind und daß die Beklagte gemäß § 13 des Hessischen Straßengesetzes verpflichtet ist, diese öffentlichen Wegeflächen zu erwerben (Abl. Bl. 48-62 d.A.).

Durch Beschluß vom 1.9.1995 (Abl. Bl. 17-24 d.A.) übertrug der Regierungspräsident in Darmstadt die 4 Flurstücke auf die Beklagte und setzte die Entschädigung auf 125.000,-- DM fest. Bereits im Jahre 1988 hatte der Kläger zwei Grundstückseigentümer, deren Grundstücke durch die dem Kläger gehörenden Wegeflächen erschlossen sind, auf Zahlung einer Notwegrente in Anspruch genommen und erfolglos verklagt. In beiden Rechtsstreitigkeiten wurde festgestellt, daß dem Kläger eine Notwegrente nicht zusteht. Wegen der Einzelheiten wird verwiesen auf die Urteile des LG Frankfurt am Main vom 18.5.1989 (Az.: 2/18 0 212/88) und vom 2.3.1989 (Az.: 2/23 0 298/89) auf das Urteil des OLG Frankfurt am Main vom 15.9.1989 (Az.: 2 U 98/98) sowie auf das Urteil des BGH vom 16.11.19 90 (Az.: VZR 297/89) - Bl. 169-217 d.A.

Der Kläger hält die festgesetzte Entschädigung für zu gering.

Er hat die Auffassung vertreten, die Wertermittlung für die Grundstücke habe den Sachwert zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bebauungsplanes am 18.3.1980 zu berücksichtigen, insbesondere auch die Ausbaukosten von nahezu 1 Mio DM. Daher sei der vom Sachverständigen B. ermittelte Sachwert um mindestens 50 % zu erhöhen.

Ferner hat er behauptet, die eingetragenen Vormerkungen seien von ihm abgelöst worden. Im übrigen hat er geltend gemacht, die Verzinsungspflicht der Beklagten müsse mit dem Zeitpunkt der ersten Enteignungsentschädigung vom 15.8.1988 beginnen.

Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, unter teilweiser Abänderung des Teiles B des Enteignungsbeschlusses des Regierungspräsidenten in Darmstadt vom 1.9.1995 - Aktenzeichen III 11 B/61 a 20/01 - Hattersheim 2 ­ an den Kläger eine angemessene Entschädigung für die Enteignung der in der Gemarkung Hattersheim liegenden Grundstücke des Klägers Flur ... Flurstück Nr. ... (977 qm groß), Nr. ...(547 qm groß), Nr. ... (89 qm groß) und Nr. ... (2560 qm groß) eingetragen im Grundbuch von Hattersheim des Amtsgerichts Frankfurt/Main-Höchst Band ... Blatt ... Nr. 1 bis 4 des Bestandsverzeichnisses zuzüglich Zinsen in Höhe von 2 % über Bundesbankdiskont seit dem 15.8.1988 zu zahlen, hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger für die Enteignung der vorbezeichneten Grundstücke eine Entschädigung in Höhe von 617.775,-DM zuzüglich Zinsen in Höhe von 2 % über Bundesbankdiskont seit dem 15.8.1988 abzüglich der im Beschluß vom 1.9.1995 zuerkannten Entschädigung in Höhe von 125.000,-- DM zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen,

sowie widerklagend unter Abänderung des Teiles B des Enteignungsbeschlusses des Regierungspräsidenten in Darmstadt vom 1.9.1995 zu Aktenzeichen III 11 b - 61 a 20/01 - Hattersheim 2 ­ festzustellen, daß die Beklagte nicht verpflichtet ist, dem Kläger eine Entschädigung für die Enteignung der in der Gemarkung Hattersheim liegenden Grundstücke des Klägers Flur ..., Flurstück-Nr. ... (997 qm groß), Flurstück-Nr. ... (547 qm groß), Flurstück Nr. ... (89 qm groß) und Nr. ... (2560 qm groß), eingetragen im Grundbuch von Hattersheim des Amtsgerichts Frankfurt/Main-Höchst, Band ..., Blatt ... Nr. 1 bis 4 des Bestandsverzeichnisses zu zahlen.

Der Kläger hat beantragt, die Widerklage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, dem Kläger stehe keine Entschädigung zu, da die Grundstücke als Verkehrsflächen mangels Verkaufswertes wertlos seien, was bereits für den Zeitpunkt 1987 gelte. Einen Markt für öffentliche Verkehrsflächen gebe es nicht. Im übrigen hat sie vorgetragen, die 52 Erstkäufer der Reihenhäuser des Erschließungsgebietes hätten den Ausbau der Straßen- und Wegeflächen über die erhöh- ten Kaufpreise selbst finanziert, so daß, der Firma l. deshalb keine eigenen Erschließungskosten entstanden seien.

Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens des Sachverständigen S. vom 3.12.1996 und vom 17.10.1997 (Bl. 234-249, 272-280 d.A.).

Mit am 4.3.1998 verkündetem Urteil hat das Landgericht der Klage unter Abweisung der Widerklage teilweise dahingehend stattgegeben, daß die Beklagte zur Zahlung einer Entschädigung in Höhe von 134.000,-- DM nebst Zinsen verurteilt wird (Bl. 313-325 d.A.).

Gegen diese ihm am 23.3.1998 zugestellte Entscheidung hat der Kläger am 23.4.1998 Berufung eingelegt und. das Rechtsmittel nach Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 25.6.1998 am 23.6.1998 begründet.

Der Kläger macht geltend, das Landgericht sei zu einer unangemessen geringen Entschädigungssumme gelangt. Die Kammer habe bei der Ermittlung der Entschädigung fehlerhaft auf die von ihm bei der Ersteigerung der Grundstücksflächen erbrachten Aufwendungen abgestellt. Das widerspreche den vom Bundesgerichtshof für die Entschädiungsermittlung aufgestellten Grundsätzen.

Auch sei die vom Landgericht zu Grunde gelegte Wertermittlungsmethode nach dem Ertragswertverfahren vorliegend ungeeignet; auch die daraus entwickelte Kombination sei nicht sachgerecht. Vielmehr hätten die Straßenflächen und die darauf befindlichen Einrichtungen nach dem Sachwertverfahren beurteilt werden müssen, das Grundlage der gemäß § 287 ZPO vorzunehmenden Schätzung habe sein müssen. Im vorliegenden Fall sei es nicht möglich, Teile nach dem Sachwertverfahren und Teile nach dem Ertragswertverfahren zu beurteilen, da keine entsprechend abgrenzbaren Nutzungseinheiten gegeben seien.

Außerdem seien vom Landgericht die Grundsätze der sogenannten Vorwirkung unbeachtet geblieben. Sofern der Wert der Flächen vor dem Enteignungsbeschluß vom 1.9.1995 höher gewesen sei, sei auf den Zeitpunkt der Einleitung des Enteignungsverfahrens bzw. auf den Zeitpunkt nach Errichtung der Erschließungsanlagen im Jahre 1982 abzustellen; bis dahin getätigte Investitionen dürften nicht unberücksichtigt bleiben. Maßgeblicher Ansatz der Wertschätzung müsse somit der für 1982 anzunehmende Sachwert der Flächen in Höhe von ca. 1.180.000,-- DM sein; in dieser Größenordnung sei ihm, dem Kläger, eine als angemessen zu erachtende Entschädigung zu leisten.

Soweit die Beklagte dem Sachverständigen B. den Wert für Straßenbauland im Jahr 1985 mit 45,-- DM je qm angegeben habe, sei nicht nachvollziehbar, wieso dieser Wert gemäß dem Gutachten des Sachverständigen S. auch noch für das Jahr 1995 anzusetzen sein soll, da ausweislich des Gutachterausschusses Baulandpreise seither auf 283 % gestiegen seien, was vorliegend einer Steigerung des Bodenswertes 1982 von 185.535,-- DM auf 523.621,-- DM im Jahre 1995 entspreche.

Der zu ermittelnde Sachwert bestimme sich nach dem Einrichtungspreis von knapp 1 Mio DM. Die vom Sachverständigen B. vorgenommene geringere Bewertung sei fehlerhaft, weil ihr nur die Bürgersteige und Straßenbefestigung, nicht aber sonstige zu berücksichtigende Einrichtungen wie Tiefbauarbeiten, Stützmauern etc. zu Grunde gelegt seien. Soweit der Wert der Investitionen gegenüber 1982 für 1994 geringer zu veranschlagen sei, stehe dem ein entsprechender Ausgleich durch gestiegene Bodenwerte gegenüber.

Der Kläger wiederholt den erstinstanzlichen Hauptantrag und beantragt nunmehr hilfsweise, die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger für die Enteignung der vorbezeichneten Grundstücke eine Entschädigung in Höhe von mindestens 926.662,50 DM zuzüglich Zinsen in Höhe von 2 % über dem jeweiligen Diskontsatz der Deutschen Bundesbank vom 15.8.1988 bis 31.12.1998 und über dem jeweiligen Diskontsatz der EZB seit dem 1.1.1999 zu zahlen, abzüglich der im angefochtenen Urteil zuerkannten 134.100,-- DM nebst 2 % Zinsen über dem Diskontsatz der Deutschen Bundesbank seit 15.8.1988, und ferner, dem KIäger Vollstreckungsschutz zu gewähren und ihm zu gestatten, Sicherheit durch Bürgschaft eines als Zoll- und Steuerbürgen zugelassenen inländischen Kreditinstituts zu leisten.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Ferner beantragt sie im Wege der Anschlußberufung,

1. das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen,

2. widerklagend, unter Abänderung des Teiles B des Enteignungsbeschlusses des Regierungspräsidenten in Darmstadt vom 1.9.1995 zu Az. III 11 b - 61 a 20/01 - Hattersheim 2 ­ festzustellen, daß die Beklagte nicht verpflichtet ist, dem Kläger eine Entschädigung für die Enteignung der in Gemarkung Hattersheim liegenden Grundstücke des Klägers Flur ..., Flurstück Nr. ... (997 qm groß), Flurstück Nr. ... (547 qm groß), Flurstück Nr. ... (89 qm groß) und Flurstück Nr. ... (2560 qm groß), eingetragen im Grundbuch von Hattersheim des Amtsgerichts Frankfurt/M. - Höchst, Band ..., Blatt ... Nr. 1-4 des Bestandsverzeichnisses, zu zahlen.

3. den Beschluß des Oberlandesgerichts Frankfurt/M. vom 11.10.1999 aufzuheben.

Der Kläger beantragt, die Anschlußberufung zurückzuweisen.

Die Beklagte bezieht sich zu deren Begründung im wesentlichen auf ihr erstinstanzliches Vorbringen, das sie ergänzt und vertieft (Bl. 419-421 d.A.). Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Der Senat hat weiteren Beweis erhoben durch Einholung des Gutachtens des Sachverständigen S. vom 26.4.2000 (Bl. 439 - 455 d.A.), ergänzt durch die mündliche Anhörung des Sachverständigen gemäß Protokoll vom 26.10.2000 (Bl. 459 d.A.). Auf die gemäß Schriftsatz vom 31.5.2000 gegen das Sachverständigengutachten vom Kläger erhobenen Einwände wird ebenso Bezug genommen (Bl. 456 a- 456 d

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung des Klägers hatte teilweise Erfolg und führte zu der aus dem Tenor ersichtlichen Abänderung der angefochtenen Entscheidung. Dagegen war die Anschlußberufung als unbegründet zurückzuweisen.

Dem Kläger steht gemäß § 40 Hessisches Enteignungsgesetz in Verbindung mit § 13 Hessisches Straßengesetz für die durch Beschluß des Regierungspräsidenten in Darmstadt vom 1.9.1995 enteigneten 4 Flurstücke eine Enteignungsentschädigung in Höhe von 311.000,-- DM zu. Insoweit bedurften der vorbezeichnete Beschluß und das angefochtene Urteil der Abänderung zu Gunsten des Klägers. Dessen weitergehende Klage war jedoch nicht begründet, so daß auch die Berufung überwiegend keinen Erfolg haben konnte.

Die Entschädigung für den durch die Enteignung eingetretenen Rechtverlust ist nach dem Verkehrswert der betroffenen 4 Flurstücke zu bemessen. Maßgebend ist der Verkehrswert im Zeitpunkt der Entscheidung über den Enteignungsantrag (§ 40 Abs. 1 Hessisches Enteignungsgesetz), vorliegend also der Verkehrswert am 1.9.1995. Zu diesem Stichtag war der Verkehrswert unter Berücksichtigung aller auf und in dem Grundstücksareal befindlichen Auf- und Ausbauten wie Stützmauern, Kanäle u. dergl. nach dem sogenannten Sachwertverfahren zu ermitteln. Danach war nach Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände der Verkehrswert zum 1.9.1995 mit 31 1.000,-- DM zu bemessen.

Dazu ist der Senat auf Grund weiterer sachverständiger Beratung durch den Gutachter Dipl.-Ing. S. gemäß dessen schriftlichem Bodenwert-Gutachten vom 26.4.2000 und seiner mündlichen Anhörung vom 26.10.2000 gelangt. Die entsprechenden Ausführungen des Sachverständigen erscheinen überzeugend und nachvollziehbar.

Danach waren die Herstellungskosten für die Flächen unter Zugrundelegung der Baupreise im Jahr 1995 überschlägig mit insgesamt 1.506.405,-- DM anzusetzen und nach Maßgabe der Wert R 91, Anlagen 6 und 7, wegen altersbedingter Abnutzung der 1982 hergestellten Außenanlagen ein 31,1 %-iger Abzug von ca. 468.490,- DM zu machen. Die verbleibende Differenz von 1.037.915,-- DM erhöht sich um den in Höhe von 206.000,-- DM anzunehmenden Bodenwert, den der Gutachter auf Grund empirischer Anhalte (Kaufpreissammlung des Wetterau-Kreises betreffend einzelne Bodenverkäufe in Sondergebieten, Auskunft des Regierungspräsidenten in Darmstadt über verschiedene Entschädigungen für Straßenland innerhalb bebauter Ortschaften in den letzten Jahren) sowie unter Berücksichtigung aller den Bodenwert beeinflussenden Faktoren wie Größe, Zuschnitt, Lage und Nutzungsmöglichkeit mit 50,-- DM je qm für gerechtfertigt hält.

Der sich daraus ergebende ungeminderte Sachwert von 1.243.920,-- DM ist, wie der Sachverständige auch insofern mit plausibler Begründung und gleichermaßen überzeugend dargelegt hat, infolge einer in zweifacher Hinsicht anzunehmenden Wertminderung zu kürzen. Diese beruht zum einen auf der eingeschränkten Nutzung für den Eigentümer, weil die Flächen unstreitig öffentlich genutzt werden und nur so genutzt werden können. Auf Grund dieses wertbeeinflussenden Umstandes ist eine Wertminderung des Sachwertes um 50 % = um 621.960,-- DM anzunehmen. Von den verbleibenden rd. 622.000,-- DM ist ein weiterer 50 %-iger Marktanpassungsabschlag zu machen, der deshalb gerechtfertigt ist, weil es für die in Rede stehenden Flächen keinen gewöhnlichen Geschäftsverkehr gibt und als Käuferin praktisch nur die Beklagte in Frage kommt. Überdies sind bei der Bemessung dieses Abschlages erhebliche Pflege- und Instandhaltungskosten sowie die Gefahr von Altlasten mitzuberücksichtigen, so daß eine um weitere 50 % vorliegende Wertminderung anzunehmen ist. Der geminderte Sachwert per 1.9.1995 beträgt somit 311.000,-- DM. Dieser ist als angepaßter Verkehrswert dem Kläger entschädigungshalber zuzusprechen.

Die Überzeugungskraft der zu diesem Ergebnis fahrenden entsprechenden Darlegungen des Sachverständigen S. ist insbesondere auch dadurch untermauert worden, daß er sich auf eigene Erfahrungen mit der Bewertung vergleichbarer Grundstücke bezogen und überzeugend darauf verwiesen hat, daß er das von ihm ermittelte rechnerische Ergebnis auf Grund seiner Erfahrung auch auf Plausibilität überprüft hat. Der Senat hat auch auf Grund des von dem Sachverständigen gewonnenen persönlichen Eindrucks keinen Anlaß, an dessen fachlicher Qualifikation im Zusammenhang mit dem vorliegenden Gutachten zu zweifeln.

Soweit der Kläger dagegen noch Einwände erhoben hat, greifen diese nicht durch. Der Einwand, der Gutachter habe unzulässigerweise rechtliche Erwägungen in seine Begutachtung einfließen lassen, ist nicht gerechtfertigt, Weil weder dargetan noch ersichtlich ist, wo dies der Fall sein soll.

Auch der im Zusammenhang mit dem Gutachten des Sachverständigen B. vom 14.5.1985 (Bl. 30 - 43 d.A.) erhobene Einwand des Klägers ist nicht durchgreifend (Bl. 456 b d.A.).

Der Sachverständige S. hat nicht nur plausibel dargelegt und begründet, auf welchen sachlich gerechtfertigten Erwägungen die Ausführungen in seinem Gutachten von denen des Vorgutachters teilweise abweichen. Sondern er hat im Senatstermin auch überzeugend begründet, warum vom festgestellten unverminderten Sachwert die beiden nachfolgenden Minderungsabschläge von jeweils 50 % sachgerecht und geboten sind.

Der Senat vermag auch nicht dem vom Kläger aus § 95 Abs. 2 Nr. 5 BauGB hergeleiteten vermeintlichen Umkehrschluß zu folgen. Die dortige Ausschlußklausel gilt für eigen- mächtige nach Einleitung des Enteigungsverfahrens vorgenommene wertsteigernde Veränderungen der in § 51 i.V.m. § 109 Abs. 1 BauGB bezeichneten Art. § 51 BauGB hat den Sinn, daß Zweck und Durchführung der Umlegung durch eigenmächtige Maßnahmen nicht gefährdet werden dürfen, so daß nach § 109 BauGB diese nur mit Genehmigung zugelassen werden. Ein solcher Fall liegt aber hier nicht vor, wenn - im übrigen vor Beginn des Enteignungsverfahrens - eine dem früheren Bebauungsplan entsprechende Erschließung der in Rede stehenden Flächen erfolgt ist. Der vermeintliche Umkehrschluß beruht somit auf sachfremden Erwägungen des Klägers.

Im vorliegenden Fall greifen auch die zur sogenannten Vorwirkung entwickelten Rechtsprechungsgrundsätze nicht ein. Eine Vorwirkung liegt nicht vor, da die streitgegenständlichen Flächen bereits nach dem alten rechtskräftigen Bebauungsplan - das Planverfahren begann insoweit am 13.4.78 - Bauland waren. Eine Vorverlegung des Qualitätsstichtages vom 1.9.1995 kommt daher nicht in Betracht, da der Wert der Flächen zuvor nicht höher war.

Nach alledem war dem Hauptantrag der Berufung nur teilweise stattzugeben und konnte auch das Hilfsbegehren keinen Erfolg haben.

Hinsichtlich der sich aus § 44 Abs. 3 des Hessischen Enteignungsgesetzes ergebenden Verzinsungspflicht der Beklagten ist der Zinsbeginn auf den 15.8.1988 festzusetzen, da hierfür der Tag maßgeblich ist, an dem die Enteignungsbehörde - erstmals - über den Enteignungsantrag entschieden hat (BGHZ 98, 188, 193 f.).

Im übrigen war in sachgerechter Auslegung des Hauptantrages zu berücksichtigen, daß seit dem 1.1.1999 anstelle des Diskontsatzes der Bundesbank der Diskontsatz der Europäischen Zentralbank gilt.

Die Anschlußberufung war aus den nämlichen Gründen, denen zufolge der Klage stattzugeben war, zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO. Die weiteren Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 708 Nr. 10, 711, 546 Abs. 2 ZPO.



Ende der Entscheidung

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