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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 26.01.2001
Aktenzeichen: 1 UF 159/00
Rechtsgebiete: VAHRG, BGB


Vorschriften:

VAHRG § 6
BGB § 394
BGB § 812
BGB § 818 Abs. 3
Zahlungen des Versorgungsträgers an die geschiedenen Ehegatten nach § 6 VAHRG sind auch in deren Innenverhältnis bindend und gelten pauschal etwaige Unterhaltsansprüche ab. Zulassung der Revision
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN Im Namen des Volkes URTEIL

1 UF 159/00

26.01.2001

In der Familiensache

hat der 1. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch Richter am Oberlandesgericht Juncker als Einzelrichter aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 01.12.2000 für Recht erkannt:

Tenor:

Das am 27.04.2000 verkündete Urteil des Amtsgerichts -Familiengericht- Gelnhausen wird abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, falls nicht die Beklagte Sicherheit in dieser Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger schuldet der Beklagten aufgrund vollstreckbaren Vergleichs vom 03.10.1986 vor dem Amtsgericht Gelnhausen (6 F 490/83) monatlichen Unterhalt in Höhe von 850,-- DM. In dem Vergleich ist eine Abänderung des im übrigen als unabänderlich vereinbarten Vergleichs für den Fall vorgesehen, daß aufgrund des Versorgungsausgleichs seine Pension gekürzt würde und ihm danach weniger als der große Selbstbehalt verbliebe. Wegen des Wortlauts des Vergleichs im übrigen wird auf die zur Akte gereichte Ablichtung (Anlage zur Klageschrift, Bl. 6 - 8 d.A.) Bezug genommen.

Nach seiner Pensionierung bezieht der Kläger seit Sommer 1999 eine Beamtenpension. Die von den laufenden Unterhaltszahlungen nicht unterrichtete Besoldungsstelle kürzte die Bezüge des Klägers um den (aktualisierten) Betrag des durchgeführten Versorgungsausgleichs. Nachdem der Kläger die Besoldungsstelle von der bestehenden Unterhaltsverpflichtung unterrichtet hatte, setzte diese mit Bescheid vom 03.09.1999 die Kürzung bis zu dem Zeitpunkt des Bezugs von Versorgungsbezügen der Beklagten aus. Von den einbehaltenen Beträgen, je 1.431,65 DM für die Monate Juli bis Oktober 1999, überwies sie gem. § 6 VAHRG die Hälfte in Höhe von insgesamt 2.863,30 DM an die Beklagte. Der Kläger, der bis einschließlich Oktober 1999 den titulierten Unterhalt gezahlt hatte, teilte der Beklagten mit Schreiben vom 28.10.1999 mit, daß die irrtümliche Zahlung aus dem Versorgungsausgleich die Unterhaltszahlungen für die nächsten Monate ersetze und stellte die Zahlungen ein. Diese erwirkte daraufhin einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluß vom 21.12.1999 über 1.700,-- DM für die Unterhaltszahlungen November und Dezember 1999. Auf dahingehenden Antrag des Klägers wurde die Zwangsvollstreckung aus diesem Beschluss durch Beschluss des Vollstreckungsgerichts Gelnhausen vom 21.1.2000 vorläufig eingestellt. Dieser Einstellungsbeschluss wurde in der Folgezeit wieder aufgehoben, woraufhin der gepfändete Betrag von (einschließlich Kosten) 1.758,10 DM am 29.2.00, nach Zustellung der gegenständlichen Klage am 15.2.00, an die Beklagte ausgezahlt wurde. Daraufhin hat der Kläger mit SS vom 17.4.00 (Bl.38) die Aufrechnung mit den Unterhaltsansprüchen April und Mai erklärt. Der Unterhalt für diese beiden Monate ist alsdann aufgrund eines weiteren von der Beklagten erwirkten Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses (vom 22.3.2000) vollstreckt worden.

Mit seiner Vollstreckungsabwehrklage hat der Kläger begehrt, die Zwangsvollstreckung aus dem vollstreckbaren Vergleich für unzulässig zu erklären. Mit dem angefochtenen Urteil hat das Amtsgericht der Klage insoweit stattgegeben, als die Zwangsvollstreckung aus dem genannten Vergleich in Höhe von 1.700,-- DM für unzulässig erklärt worden ist.

Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten und be-gründeten Berufung, mit der sie an ihrer erstinstanzlichen Rechtsauffassung festhält, der Verrechnung der ihr seitens der Besoldungsstelle zugegangenen Zahlung mit laufendem Unterhalt stehe das Aufrechnungsverbot gem. § 394 BGB entgegen. Sie sei auch wegen etwaiger Rückforderungen nicht mehr bereichert, da sie sich, erfreut über den zusätzlichen Mittelzufluß, in dieser Zeit einen etwas besseren Lebensstil gegönnt habe. Sie sei auch nicht bösgläubig im Sinne des § 819 Abs. 4 BGB gewesen, da sie den rechtlichen Hintergrund bei Empfang der Leistung nicht richtig verstanden habe. Dem Schreiben des Klägers vom 28.10.99 habe sie angesichts seiner ihr bekannten Streitsucht keine Bedeutung beigemessen.

Die Beklagte beantragt,

wie erkannt.

Der Kläger hat im Laufe des Berufungsverfahrens seinen Klageantrag dahin geändert, dass er nunmehr beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.758,10 DM zu zahlen.

Im übrigen beantragt er,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte rügt die Zulässigkeit der Klageänderung und hält im übrigen an ihrem Abweisungsantrag fest.

Die Parteien haben sich mit einer Endentscheidung durch den Einzelrichter gemäß § 524 Abs.4 ZPO einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe:

Die alle Form- und Fristerfordernisse wahrende Berufung hat auch in der Sache Erfolg und führt zur Abweisung der -zulässig geänderten- Klage.

Die Klageänderung ist als sog. "verlängerte Vollstreckungsabwehrklage" zulässig, nachdem die Voraussetzungen der ursprünglich erhobenen Vollstreckungsabwehrklage durch nachträglich, d.h. nach Rechtshängigkeit, durchgeführte Vollstreckung entfallen sind. Allerdings hat der Kläger danach zunächst seinen behaupteten Anspruch auf den von der Besoldungsstelle an die Beklagte erbrachte Auszahlung zur Aufrechnung auf die damals noch offenen Unterhaltsmonate April und Mai 2000 gestellt. Dies verfolgt er aber offensichtlich nicht mehr. Im übrigen ginge nunmehr auch diese Aufrechnung ins Leere, nachdem anschließend der Unterhalt für diese Monate durch eine weitere Pfändung (mit Beschluss vom 22.3.2000) beigetrieben und damit auch für diesen Zeitraum die Vollstreckung beendet ist. Nachdem nunmehr der Kläger seine Klage auf Zahlung umgestellt hat, kam es auf die von den Parteien streitig behandelte Frage einer möglichen Aufrechnung oder Verrechnung der behaupteten Forderung mit Unterhaltsansprüchen für Oktober/November 1999 bzw. April/Mai 2000 nicht mehr an. Denn im Fall eines von der Beklagten in Anspruch genommenen Aufrechnungsverbotes mit laufendem Untrerhalt richtet sich der jetzt streitgegenständliche Zahlungsanspruch in der streitgegenständlichen Höhe unmittelbar auf Auskehrung des der Beklagten von der Besoldungsstelle ausgezahlten Betrages nach § 6 VAHRG, der nach seiner Behauptung ihm zusteht, so dass sie durch diesen Zufluss ungerechtfertigt bereichert wäre (§ 812 BGB). Vorbehaltlich des Entreicherungseinwandes (§ 818 Abs.3 BGB) hängt die Begründetheit der Klage damit von dieser Rechtsfrage ab.

Die Frage nach der Qualifikation von Zahlungen der Versorgungsträger an den Berechtigten (des Versorgungsausgleichs) gemäß § 6 VAHRG ist umstritten.

Die Bestimmung des § 6 VAHRG ist vom Gesetzgeber mit dem Ziel geschaffen worden, für die Dauer der Rückwirkung der zugleich ergangenen Regelung des § 5 VAHRG einen pauschalen Ausgleich der Interessen der Beteiligten zu schaffen, in seinem Anwendungsbereich jedoch hierauf nicht beschränkt (BGH, FamRZ 1994, 1171, 1173; BSG FuR 1992, 119 ff.). Er bezieht sich demnach auch auf diejenigen Fälle, in denen, wie hier, der Versorgungsträger vor Antragstellung gem. § 9 VAHRG und damit vor Kenntnis sowie für die Dauer der Überprüfung der Voraussetzungen des § 5 VAHRG die Versorgung aufgrund des Versorgungsausgleichs gekürzt hat. Der so einbehaltene Nachzahlungsbetrag ist danach je zur Hälfte an die am Versorgungsausgleichs Beteiligten auszuzahlen, womit zugleich der Versorgungsträger von weiteren Leistungen für diesen Zeitraum frei ist. Nicht beantwortet und damit offen ist die Frage, ob damit zugleich auch pauschalierend ein etwaiger zurückliegender Unterhaltsanspruch abgegolten sein soll und damit jeweils mit rechtlichem Grund auch im Innenverhältnis geleistet wäre, oder ob die Auseinandersetzung um die Berechtigung zwischen den Ehegatten im Rahmen des zwischen ihnen bestehenden Unterhaltsverhältnisses zu führen ist.

Nach der einen hierzu vertretenen Auffassung ist § 6 VAHRG nur eine formale Auszahlungsregelung zur Entlastung der Versorgungsträger und beinhaltet keinen materiellen Rechtsgrund im Verhältnis der Ehegatten zueinander. Nach dieser Auffassung schuldet der Empfänger deshalb dem Ausgleichspflichtigen das Erlangte nach § 816 Abs. 2 BGB, wobei er jedoch dem Auskehrungsanspruch denjenigen Unterhaltsanspruch entgegenhalten kann, den er bei ungekürzter Zahlung der Versorgung gehabt hätte (vgl. Hahne in Johannsen-Henrich, Eherecht, 3. Aufl., § 6 VAHRG, Rdnr. 2).

Nach der Gegenmeinung soll dagegen die Frage etwaiger höherer Unterhaltsansprüche des Berechtigten , die ihm zugestanden hätten, wenn der Verpflichtete die ungekürzte Versorgung erhalten hätte, durch die pauschalierende Regelung des § 6 VAHRG abschließend und mit Rechtsgrund erledigt sein. Die genannte Bestimmung begründe ein dreiseitiges Rechtsverhältnis zwischen den beiden früheren Ehegaten und dem Versorgungsträger und regele es umfassend und abschließend (vgl. Klattenhoff, Anm. zu BSG FuR 92, 119,121 ff.- das BSG lässt diese Frage ausdrücklich offen, a.a.O.S.121).

Der Senat schließt sich der letzteren Auffassung an. Es besteht in der Tat kein erkennbarer Sinn, weshalb die Auszahlung nach dieser Vorschrift ohne Regelungs- und damit Befriedungswirkung erfolgen sollte. Hätte der Gesetzgeber den Streit der Parteien um hypothetische Unterhaltsnachforderungen offen lassen wollen, hätte es näher gelegen, die zunächst einbehaltene Kürzung an den Versorgungsbezieher auszuzahlen und den Unterhaltsberechtigten mit Nachforderungen an diesen zu verweisen, wie dies auch der Fall gewesen wäre, wenn von vornherein die ungekürzte Versorgung geflossen wäre. Gerade die praktischen Schwoierigkeiten einer rückwirkenden Nachberechnung dürften das Motiv für eine pauschalierende Regelung mit paritätischer Beteiligung beider an dem Nachzahlungsbetrag gewesen sein . Dieser Zweck wäre aber durch das Verständnis einer bloßen Zahlungsanordnung mit der damit verbundenen Notwendigkeit, die jeweiligen Anteile im Innenverhältnis auszukämpfen, konterkariert.

Nach diesem Verständnis kann es darauf, ob im konkreten Einzelfall dem Berechtigten aus ungekürzter Versorgung ein höherer Unterhaltsanspruch zugestanden hätte als tatsächlich aus gekürzter Versorgung geleistet, nicht ankommen. Eine solche Einzelfallprüfung wird durch die so verstandene pauschale Regelung, die notwendigerweise im Grenzbereich unrichtig sein muss, ausgeschlossen. Insoweit schließt sich der Senat der Auffassung von Klattenhoff (a.a.O. S. 122), der in diesen Fällen eine teleologische Reduktion vorschlägt, nicht an. Dies steht nicht nur im Widerspruch zu seiner -zutreffenden- Interpretation der Regelung als einer pauschalen und damit vom Einzelfall unabhängigen Regelung, sondern führte zu neuen Abgrenzungsschwierigkeiten: was wäre, wenn zwar ein geringer Unterhaltsanspruch für den Beurteilungszeitraum in Betracht kommt, der aber mit Sicherheit weit unterhalb der erhaltenen häfltigen Kürzungsbeträge liegt?

Hinzu kommt die Erwägung, dass der Zeitraum einer Kürzung seiner Versorgungsbezüge mit etwaigen Einbußen nach § 6 VAHRG allein in seinem Einfluss-und Gestaltungsbereich liegt, jedenfalls für die gegenwärtige Zeit nach Inkrafttreten der Bestimmung. Eine rechtzeitige Mitteilung an den Versorgungsträger vermeidet jegliche Kürzung der Versorgung und ermöglicht eine korrekte aktuelle Unterhaltsbestimmung ohne die Notwendigkeit einer rückwirkenden Nachberechnung.

Auf den von der Beklagten erhobenen Einwand der Entreicherung kam es damit nicht an. Mangels Bereicherungsanspruchs des Klägers ist die Klage nicht begründet, womit der darauf gerichteten Berufung mit der Kostenfolge aus § 91 ZPO stattzugeben war.

Der Senat hat jedoch im Hinblick auf die dargestellte höchstrichterlich nicht geklärte Rechtsfrage die Revision zugelassen.

Ende der Entscheidung

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