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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 07.04.2005
Aktenzeichen: 1 UF 237/04
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 242
BGB § 1586
Kein Wegfall des noch nicht fälligen Teils einer Abfindungszahlung für nachehelichen Unterhalt bei Wiederverheiratung des Berechtigten (gegen OLG Hamburg, FamRZ 2002, S. 234)
Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil hat das Familiengericht die Zwangsvollstreckung aus einem von den Parteien am 11.11.2003 geschlossenen gerichtlichen Vergleich für unzulässig erklärt. Bei diesem Vergleich handelte es sich um eine Abänderungsvereinbarung zu einem bereits am 7.1.2003 im Rahmen des Scheidungsverfahrens geschlossenen Scheidungsfolgenvergleich, in dem neben der Regelung zum Nachehelichenunterhalt auch Vereinbarungen über andere Verfahrensgegenstände getroffen worden waren.

In diesem Ausgangsvergleich heißt es unter der Ziffer 6

Zum nachehelichen Unterhalt verpflichtet sich der Antragsteller an die Antragsgegnerin Abfindungsbeträge zu leisten in Höhe von 13.500,-- EUR für 2003, 13.500,-- EUR für 2004 und 3.000,-- EUR für 2005. Die Beträge sind fällig in 2003 mit monatlich 800,-- EUR am 1.2., 1.3. und 1.4., in Höhe des Restbetrages für 2003 am 1.5.2003, mit insgesamt 13.500,-- EUR für 2004 am 1.1.2004 und in Höhe der restlichen 3.000,-- EUR für 2005 am 1.1.2005. Durch Zahlung dieser Beträge ist der Gesamtanspruch der Antragsgegnerin auf nachehelichen Unterhalt abgegolten. Die Parteien erklären bereits jetzt den Verzicht auf nachehelichen Unterhalt, auch für den Fall der Not und Gesetzesänderung und nehmen den Verzicht gegenseitig an.

Der weitere Vergleich vom 11.11.2003 wurde in einem Rechtsstreit geschlossen, mit dem der Kläger die Abänderung des Ausgangsvergleichs mit der Begründung begehrt hatte, die Beklagte lebe mit einem neuen Partner zusammen. In dem Vergleichstext heißt es wie folgt:

Den zum nachehelichen Unterhalt geschlossenen Vergleich vom 7.1.2003 ändern wir insofern ab, als die Zahlungsverpflichtung des Klägers in Höhe von 3.000,-- EUR für das Jahr 2005 entfällt.

Für die für 2004 noch zu entrichtenden 13.500,-- EUR gilt die Fälligkeitsregelung, dass der Kläger per 1.1.2004 6.750,-- EUR und per 1.7.2004 6.750,-- EUR zu entrichten hat. Gerät er mit der Januar-Rate für mehr als zwei Wochen in Rückstand, ist der Gesamtbetrag für 2004 sofort fällig.

Die Beklagte hat sich am 20.12.2003 wieder verheiratet.

Das Familiengericht hat dem Antrag auf Einstellung der Zwangsvollstreckung mit der Begründung statt gegeben, der Anspruch der Beklagten auf nachehelichen Unterhalt sei in Folge der Wiederverheiratung erloschen. Dies folge aus einer entsprechenden Anwendung des § 1586 Abs. 1 BGB der auch auf fällig werdende Ansprüche einer Kapitalabfindung anzuwenden sei. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil hat die Beklagte Berufung eingelegt, mit der sie die Abweisung der Klage begehrt.

Sie ist der Auffassung, das angefochtene Urteil verkenne, dass der Anspruch der Beklagten auf einer vertraglichen Vereinbarung beruhe, der eine völlig neue Anspruchsgrundlage konstituiere. Die Entscheidung werde auch der Interessenlage der Parteien nicht gerecht. Die Beklagte habe sich deswegen auf eine Ratenzahlung eingelassen, um dem Kläger die Gelegenheit zu geben, den Unterhaltsabfindungsbetrag im Wege des begrenzten Realsplitting abzusetzen. Außerdem habe sie das Risiko auf sich genommen, beim Entstehen einer späteren Bedarfslage auf den festgelegten Betrag beschränkt zu sein. Der Kläger habe bereits bei der Ausgangsvereinbarung vom 7.1.2003 und auch bei der abändernden Vereinbarung vom 11.11.2003 gewusst, dass die Beklagte einen neuen Lebenspartner habe und - am 11.11.2003 - ein Kind von ihm erwartete.

Weiter bleibe in dem angefochtenen Urteil auch unberücksichtigt, dass der Vergleich vom 7.1.2003 Regelungen auch zum Trennungsunterhalt, zum Versorgungsausgleich und zu streitigen Ansprüchen auf Schmerzensgeld zum Gegenstand gehabt hätte. Eine Beschränkung des Inhalts dieses Vergleichs auf den Begriff des nachehelichen Unterhalts verkürze deswegen den Regelungsgegenstand der Parteivereinbarungen unzulässig.

Die Beklagte beantragt, unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil. Er ist der Auffassung, die Parteien hätten nicht eine Kapitalabfindung angestrebt, sondern gerade eine Unterhaltsregelung für den gesamten im Vergleichstext bezeichneten Zeitraum. Der Vergleich sei deswegen durchaus einer Abänderung zugänglich und keineswegs als unabänderlich anzusehen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des streitigen Parteivortrags wird auf den Inhalt der vorgetragenen Schriftsätze Bezug genommen.

Die zulässige Berufung der Beklagten hat auch in der Sache Erfolg. Die Auslegung des Vergleichs vom 11.11.2003 ergibt nach Auffassung des Senats unter Berücksichtigung der Regelung im Ausgleichsvergleich vom 7.1.2003, dass die Parteien den nachehelichen Unterhalt durch einen Kapitalbetrag endgültig abfinden wollten und nicht lediglich eine Vorauszahlung der Unterhaltsrente in Form einer Kapitalisierung vereinbaren wollten. Dies ergibt sich bereits daraus, dass in dem Ausgangsvergleich die von dem Kläger zu leistenden Beträge als "Abfindungsbeträge" bezeichnet worden sind. Dies spricht dafür, dass die Vertragschließenden die rechtlichen Beziehungen hinsichtlich der Unterhaltsfrage restlos und endgültig lösen wollten (vgl. zur Problematik BGH NJW 1951, S. 759 f). Die Aufteilung der zu leistenden Beträge auf einen Zeitraum von insgesamt 3 Jahren steht dem nicht entgegen, wie sich aus beiden Vereinbarungen ergibt, wurde damit lediglich die Fälligkeit des Abfindungsbetrags hinausgeschoben. Der gewählte Jahresbetrag von 3.500,-- EUR nähert sich dabei in auffälliger Weise demjenigen Betrag, der im Rahmen des begrenzten Realsplittings gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 1 Einkommensteuergesetz als Leistung auf den Ehegattenunterhalt steuerlich geltend gemacht werden kann. Die Verteilung des Abfindungsbetrages auf einen Zeitraum von mehreren Jahren entspricht somit besonders dem Interesse des Klägers, die Abfindungszahlung insgesamt als Abzugsbetrag von seinem zu versteuernden Einkommen berücksichtigen zu können, weil eine Fälligkeit des gesamten Betrages bereits bei Vergleichsabschluss wegen der Begrenzung des Abzugsbetrages auf höchstens 13.805,-- EUR im Kalenderjahr nicht in gleicher Weise zu seinen Gunsten steuerwirksam geworden wäre. Für die Behauptung des Klägers, bei den vereinbarten Beträgen habe es sich nicht um eine Kapitalabfindung gehandelt sondern um eine Unterhaltsregelung für zukünftige Zeiträume bestehen nach dem Wortlaut der Vereinbarung keine Anhaltspunkte, sie ergeben sich auch nicht aus der Interessenlage der Parteien. Der Senat folgt daher auch nicht der zu einem vergleichbaren Sachverhalt (Tod des Unterhaltsberechtigten) vertretenen Auffassung des Oberlandesgerichts Hamburg (FamRZ 2002, S. 234 f), wonach ein beim Tod des Unterhaltsberechtigten noch nicht erfüllter Anspruch auf eine Abfindung für zukünftigen Unterhalt erloschen und daher nicht vererbbar sei. Das Oberlandesgericht begründet seine Entscheidung damit, dass Abfindungsbeträge, die erst nach einer Wiederverheiratung fällig würden, zumindest auch künftigen Unterhalt abdecken sollten und der Unterhaltsberechtigte damit besser stehen würde, als wenn die Zahlung einer laufenden Unterhaltsrente vereinbart worden wäre. Dies hält das Oberlandesgericht Hamburg in der aufgeführten Entscheidung für eine nicht angemessene Risikoverteilung.

Der erkennende Senat vermag dieser Auffassung nicht zu folgen. Er folgt vielmehr der weit überwiegenden Auffassung in der Literatur (Münchener Kommentar, Richter, BGB, 4. Aufl., § 1586 Randziffer 6, Soergel/Häberle, § 1586 BGB Randziffer 6, Wendl/Staudigl, das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 6. Aufl., § Randziffer 614), wonach sich der Verpflichtete bei einer Wiederverheiratung des Berechtigten hinsichtlich der zu diesem Zeitpunkt noch nicht fälligen Raten nicht auf den Wegfall der gemeinsamen Geschäftsgrundlage berufen kann. Grundsätzlich bedeutet das Einverständnis mit einer Ratenzahlung lediglich ein Entgegenkommen des Berechtigten, der deswegen kein Veränderungsrisiko habe übernehmen wollen. Die Unterhaltsparteien hätten in diesem Fall nämlich die Unterhaltsfrage abschließend klären wollen, und zwar ungeachtet der bestehenden und bei der Bemessung der Abfindung grundsätzlich miteingerechneten Risiken, was die künftige Entwicklung des Unterhaltsanspruchs angehe (Wendl/Staudigl a.a.O.).

Unabhängig von dieser Beurteilung wird dem Verpflichteten lediglich dann ein Anfechtungsrecht hinsichtlich der getroffenen Vereinbarung eingeräumt, wenn der Berechtigte den Verpflichteten über seine Absicht, alsbald wieder zu heiraten, getäuscht habe.

Die am 20.12.2003 erfolgte Eheschließung der Beklagten ist für ein solch arglistiges Verhalten der Beklagten kein zuverlässiger Hinweis. Die Beklagte hat dazu ausgeführt, sie habe diese Absicht auch im Zeitpunkt der abändernden Vereinbarung vom 11.11.2003 noch nicht gehabt. Anders als der Kläger meint, widerlegt die zeitliche Abfolge von Vergleichsabschluss und nachfolgender Eheschließung diese Behauptung der Beklagten auch nicht. Es mag sein, dass die Beklagte durch den Abschluss des Vergleichs veranlasst worden ist, ihre Überlegungen im Hinblick auf eine Eheschließung zu verändern, umgekehrt kann daraus aber nicht geschlossen werden, die Eheschließungsabsicht habe bereits bei Vergleichsabschluss bestanden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Ziff. 10 ZPO.

Die Revision war zuzulassen, weil wegen der abweichenden Rechtsauffassung des Oberlandesgerichts Hamburg die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 Ziff. 2 ZPO).

Ende der Entscheidung

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