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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 18.04.2005
Aktenzeichen: 1 W 29/05
Rechtsgebiete: GVG, HWG, VwGO, VwVfG


Vorschriften:

GVG § 13
GVG § 17 a
GVG § 17 b
HWG § 59
VwGO § 40 I
VwGO § 40 II
VwVfG § 54
1. Begehrt ein Nachbar von einem Gewässerunterhaltspflichtigen die Beseitigung einer von diesem angelegten Fischaufstiegshilfe, handelt es sich um einen Anspruch auf Folgenbeseitigung für hoheitliches Handeln des Unterhaltspflichtigen; für einen derartigen Anspruch ist nicht der ordentliche Rechtsweg, sondern der Verwaltungsweg eröffnet.

2. Eine vom Kläger geltend gemachte Vereinbarung mit der gewässerunterhaltspflichtigen Gemeinde auf Beseitigung der Fischaufstiegshilfe unterliegt dem öffentlichen Recht und ist daher vor den Verwaltungsgerichten geltend zu machen.

3. Eine Beschwerde gegen die Verweisung auf einen anderen Rechtsweg ist jedenfalls dann trotz § 17 b II GVG mit einer Kostenentscheidung zu versehen, wenn die Beschwerde im Hinblick auf eine objektive Klagehäufung nur teilweise Erfolg hat.

4. Der Gegenstandswert für eine Beschwerde gegen die Vorabentscheidung über die Zulässigkeit des Rechtswegs ist nach dem Interesse des Klägers auf 1/3 des Hauptsachewerts festzusetzen.


Gründe:

I.

Der Kläger begehrt Beseitigung einer Fischaufstiegshilfe an dem sein Anwesen in O1 passierenden ...bach, einem Gewässer 3. Ordnung, durch welche er sich beeinträchtigt sieht, hilfsweise das Ergreifen geeigneter Maßnahmen durch die Beklagte, um von der Anlage ausgehende Geräuschemissionen zu unterbinden. Zusätzlich hat er mit Schriftsatz vom 05.01.2005, der Beklagten zugestellt am 14.01.2005, Klage auf Feststellung erhoben, dass die Beklagte verpflichtet sei, sämtlichen materiellen Schaden, welcher ihm durch die Fischaufstiegshilfe entstanden sei oder noch entstehen werde, zu ersetzen. Der Kläger stützt seinen Anspruch auf Beseitigung zum einen auf §§ 1004, 823, 906 BGB und zum anderen auf ein von der Beklagten abgegebenes Schuldanerkenntnis, die Beseitigung durchführen zu wollen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Zusammenfassung des Sach- und Streitstandes im Beschluss des Landgerichts vom 19.01.2005 (Bl. 122 d.A.) verwiesen.

Das Landgericht hat mit Beschluss vom 19.01.2005, dem Kläger zugestellt am 31.01.2005, für die Entscheidung über den Rechtsstreit den ordentlichen Rechtsweg für nicht eröffnet angesehen und die Sache auf den entsprechenden Hilfsantrag des Klägers hin vollständig an das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main verwiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Klägers vom 09.02.2005, bei Gericht eingegangen am 10.02.2005, der das Landgericht nicht abgeholfen hat. Wegen des Beschwerdevorbringens wird auf die Beschwerdeschrift vom 09.02.2005 (Bl. 134 ff d.A.) verwiesen. Die Beklagte ist der Beschwerde entgegengetreten.

II.

Die sofortige Beschwerde ist statthaft (§ 17 a Abs. 4 Satz 3 GVG i.V.m. § 567 ZPO) und auch ansonsten zulässig, sie ist jedoch nur zum Teil, nämlich bezüglich des Feststellungsantrags, begründet.

1. Im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht den ordentlichen Rechtsweg bezüglich des geltend gemachten Beseitigungsanspruchs für unzulässig, dagegen den Verwaltungsrechtsweg (§ 40 Abs. 1 VwGO) für eröffnet gehalten. Eine besondere gesetzliche Rechtswegzuweisung für den Anspruch auf Beseitigung der Fischaufstiegshilfe besteht nicht. Maßgebend für die Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtswegs ist somit die Rechtsnatur des erhobenen Anspruchs, wie er sich aus dem tatsächlichen Vorbringen der klagenden Partei ergibt. Stellt sich der Klageanspruch nach der ihm vom Kläger gegebenen tatsächlichen Begründung als Folge eines Sachverhalts dar, der nach bürgerlichem Recht zu beurteilen ist, so ist für ihn der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten eröffnet (GemS OBG NJW 1974, 2087; BGH in st. Rspr., BGH - GS - BGHZ, 66, 229, 232; Kissel-Mayer, GVG, 4. Aufl. 2005, § 17 Rn. 17); entscheidend ist nicht die rechtliche Einschätzung durch die Parteien, sondern allein die rechtliche Zuordnung des Rechtsstreits durch das jeweilige Gericht (Kissel-Mayer, a.a.O.). Hier kommt ein Folgenbeseitigungsanspruch in Betracht, der sich als bürgerlich-rechtlicher Anspruch auf §§ 1004, 906 BGB oder als öffentlich-rechtlicher Folgenbeseitigungsanspruch auf eine entsprechende Anwendung der §§ 1004, 12, 862 BGB (vgl. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 14. Aufl. 2002, § 30 Rn. 5 m.w.N.) stützen lässt. Bei derartigen Abwehrklagen teilt der Abwehranspruch grundsätzlich die Rechtsnatur des Handelns, das die Beeinträchtigung verursacht hat (BGH NJW 1997, 744; Kissel-Mayer, a.a.O., § 13 Rn. 370; Zöller-Gummer, ZPO, 25. Aufl. 2005, § 13 GVG Rn. 28). Er ist also - gleichsam spiegelbildlich - im Verwaltungsrechtsweg geltend zu machen, wenn der Zustand, der beseitigt werden soll, auf Normen des öffentlichen Rechts beruht. So liegt der Fall hier. Die Einrichtung der hier in Rede stehenden Fischaufstiegshilfe erfolgte im Rahmen der Gewässerunterhaltung für den ...bach in Anwendung des § 59 Abs. 1 und 2 des Hess. Wassergesetzes (HWG) in der im Zeitpunkt der Errichtung der Anlage im Frühjahr 1997 noch geltenden Fassung vom 22.01.1990 (GVBl. I S. 114, insoweit unverändert übernommen in die Fassung vom 18.12.2002, GVBl. I 2003, 10). Beim Gewässerunterhalt hat der Unterhaltspflichtige hat nämlich der Unterhaltspflichtige die ökologische Funktionen der Gewässer und ebenso Bedürfnissen der Fischerei Rechnung zu tragen (§ 59 Abs. 1 Satz 1 und 3 HWG). Dass zu diesen Aufgaben auch die Errichtung von Fischaufstiegshilfen an Stauanlagen gehört, ergibt sich aus den gesetzlichen Wertungen in §§ 40 und 41 Hess.FischereiG v. 19.12.1990 (GVBl. I S. 776), wonach derartige Aufstiegshilfen bei der Neuanlage von Stauanlagen der Fischwechsel durch geeignete Fischwege zu gewährleisten ist und deren Errichtung auch nachträglich gefordert werden kann. Die Gewässerunterhaltung ist eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung (§ 59 Abs. 1 Satz 4 HWG), das Tätigwerden des jeweils Unterhaltspflichtigen ist daher mangels abweichender Anhaltspunkte für eine privatrechtliche Umsetzung dieser Verpflichtung dem öffentlichen Recht zuzuordnen. Dabei spielt es entgegen der Auffassung des Klägers keine Rolle, ob durch Verwaltungsakt gehandelt wurde; denn öffentlich-rechtlich einzuordnendes Handelns ist anerkanntermaßen auch in der Form schlicht-hoheitlichen Handelns möglich. Ebenso wenig spielt es für die Eröffnung des Rechtswegs eine Rolle, ob die Beklagte bei der Errichtung der Fischaufstiegshilfe die an dieser Stelle Gewässerunterhaltspflichtige war oder nicht; denn auch dies beurteilt sich nach den einschlägigen Vorschriften des öffentlichen Rechts, hier nach § 60 HWG.

2. Das Vorliegen einer bürgerlich-rechtlichen Streitigkeit ergibt sich hier auch nicht aufgrund der vom Kläger geltend gemachten vertraglichen Vereinbarung bereits aufgrund der Rechtsnatur als vertraglicher Absprache. Es ist inzwischen gesetzlich anerkannt (vgl. §§ 54, 55 VwVfG), dass auch Verträge auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts zwischen Bürger und Verwaltung grundsätzlich zulässig sind. Ob es sich bei einer vertraglichen Absprache zwischen einem Bürger und einem Träger hoheitlicher Gewalt um eine bürgerlich-rechtliche oder um eine öffentlich-rechtliche Absprache handelt, richtet sich letztlich danach, ob sie sich auf einen nach Bürgerlichem Recht oder nach Öffentlichem Recht zu beurteilenden Sachverhalt beziehen (Stelkens/Bonk/Sachs-Bonk, VwVfG, 6. Aufl. 2001, § 54 Rn. 75 f; Maurer, a.a.O., § 3 Rn. 25, § 14 Rn. 11). Mit der hier in Rede stehenden vertraglichen Absprache sollte nach dem Vortrag des Klägers die Beseitigung der Fischaufstiegshilfe geregelt werden. Da es sich bei deren Anlegung - wie ausgeführt - um ein dem öffentlichen Recht zuzuordnendes Tätigwerden der Beklagten handelte, ist auch eine auf Rückgängigmachung dieses öffentlich-rechtlichen Handelns gerichtete vertragliche Absprache dem öffentlichen Recht zuzuordnen.

3. Bezüglich des Hilfsantrags, der das Ergreifen von Maßnahmen zum Unterbinden der von der Fischaufstiegshilfe ausgehenden Geräuschemissionen zum Gegenstand hat, hat das Landgericht im Ergebnis ebenfalls zu Recht die Verweisung an das Verwaltungsgericht ausgesprochen. Es kann derzeit dahinstehen, ob auch insoweit eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit anzunehmen ist oder nicht. Werden nämlich - wie hier - mehrere Ansprüche im Verhältnis von Haupt- und Hilfsanspruch geltend gemacht, dann ist zunächst allein über die Zulässigkeit des Rechtswegs bezüglich des Hauptanspruchs zu entscheiden; bei Unzulässigkeit des Rechtswegs hierfür ist eine Verweisung auf den zulässigen Rechtsweg ohne Rücksicht auf den Hilfsanspruch vorzunehmen (BGH NJW 1956, 1358; Kissel-Mayer, a.a.O., § 17 Rn. 49; Zöller-Gummer, a.a.O., § 17 a GVG Rn. 13 a); erst wenn sich herausstellen sollte, dass der Hauptanspruch unbegründet ist, ist über den Rechtsweg für den Hilfsanspruch zu entscheiden, ggf. durch Zurückverweisung (Zöller-Gummer, a.a.O.)

4. Bezüglich des Feststellungsantrags betreffend die Verpflichtung der Beklagten zu Schadensersatz hat die sofortige Beschwerde Erfolg, da insoweit der Zivilrechtsweg eröffnet ist. Für einen derartigen Schadensersatzanspruch ist der Zivilrechtsweg selbst dann gewährleistet, wenn es sich um einen Amtshaftungsanspruch gemäß Art. 34 GG/§ 839 BGB handelt, vgl. Art. 34 Satz 3 GG. Dies hat gemäß § 40 Abs. 2 Satz 1 VwGO auch zu gelten, soweit daneben andere Anspruchsgrundlagen auf Entschädigung öffentlich-rechtlichen Charakters in Betracht kommen sollten (vgl. allerdings für eine zivilrechtliche Haftung bei einer Eigentumsbeschädigung durch Verletzung der Gewässerunterhaltspflicht BGHZ 125, 186, 188).

5. Bezüglich der beiden Anträge zu 1) und 2) war daher der Rechtsstreit abzutrennen (§ 145 ZPO) und die vom Landgericht ausgesprochene Verweisung an das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main unter Zurückweisung der Beschwerde insoweit aufrecht zu erhalten.

6. Die Kostenentscheidung war trotz der Regelung des § 17 b Abs. 2 GVG (vgl. Zöller-Gummer, a.a.O., § 17 b GKG Rn. 4) schon im Hinblick darauf veranlasst, dass die Beschwerde nur teilweise erfolgreich war und daher über die Verteilung der Kosten des Beschwerdeverfahrens zu entscheiden war; sie beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO und hatte den Grad des jeweiligen Obsiegens und Unterliegens sowie den unterschiedlichen Wert der einzelnen Anträge zu berücksichtigen.

7. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde war nicht veranlasst, da die Voraussetzungen der Spezialvorschrift des § 17 a Abs. 4 Satz 5 GVG (vgl. Zöller-Gummer, a.a.O., § 17 a GVG Rn. 16 und 16 a) für eine Zulassung nicht erfüllt sind.

8. Der Beschwerdewert war gemäß §§ 1, 3 Abs. 1, 48 Abs. 1 GKG 2004 i.V.m. § 3 ZPO entsprechend dem geschätzten Interesse des Klägers auf eine Streitentscheidung im von ihm angegangenen Zivilrechtsweg festzusetzen (Zöller-Gummer, a.a.O., Rn. 20). Dieses Interesse setzt der Senat nicht mit dem Wert der Hauptsache gleich, sondern bemisst es mit 1/3 des Werts des Hauptanspruchs (s. OLG Frankfurt, OLGR 1994, 119 mit Nachweisen zur abweichenden Auffassung; Zöller-Herget, a.a.O., § 3 Rn. 16 "Rechtswegverweisung"). Den Wert des Hauptsacheanspruchs schätzt der Senat bezüglich der Anträge zu 1) und 2) in Übereinstimmung mit den Erwägungen des Landgerichts in seinem Beschluss vom 29.01.2004 auf 60.300 €. Für den Feststellungsantrag Ziff. 3), welcher den Ersatz von Schäden an der Bausubstanz zum Gegenstand hat, sieht der Senat mangels sonstiger Anhaltspunkte jedenfalls für das derzeit vorliegende Beschwerdeverfahren einen Wert von 10.000 € als angemessen an, der im Hinblick auf seine Natur als Feststellungsantrag um 20% und damit auf 8.000 € zu mindern ist. Daraus ergibt sich ein Gesamtstreitwert von 68.300 €; 1/3 hiervon sind 22.766,67 €.

Ende der Entscheidung

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