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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 21.01.2001
Aktenzeichen: 1 WF 154/01
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 124 Nr. 3
Bei der Aufhebungsentscheidung nach § 124 Nr. 3 ZPO ist eine Ermessensentscheidung zu treffen, in deren Rahmen auch das schutzwürdige Vertrauen der Partei auf den Bestand der einmal ergangenen PKH-Bewilligung zu berücksichtigen ist.
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN BESCHLUSS

1 WF 154/01

In der Familiensache

hat der 1. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluß des Amtsgerichts -Familiengericht- Seligenstadt vom 5.07.2001 am 21.Januar 2001 beschlossen:

Tenor:

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben.

Es verbleibt bei der dem Kläger mit Beschluß vom 18.04.1995 bewilligten und mit Beschlüssen vom 16.06.1996 und 16.12.1996 erweiterten Prozeßkostenhilfe für den ersten Rechtszug.

Gründe:

Die dem Kläger zunächst für die Auskunftsstufe bewilligte Prozeßkostenhilfe hat das Amtsgericht mit Beschluß vom 16.10.1996 auf die mit Schriftsatz vom 17.07.1996 erhobene Zahlungsklage über einen Betrag von 1.262.757,65 DM erweitert.

Mit dem angefochtenen Beschluß hat das Amtsgericht die dem Kläger für den ersten Rechtszug bewilligte Prozeßkostenhilfe gemäß § 124 ZPO aufgehoben, da bei Prozeßbeginn Mittel vorhanden gewesen seien und hätten zurückgelegt werden müssen, um den Prozeß durchführen zu können. Da die Voraussetzungen für die Bewilligung der Prozeßkostenhilfe nicht vorgelegen hätten, sei die bewilligte Prozeßkostenhilfe somit aufzuheben.

Die zulässige Beschwerde führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses.

Für die Aufhebung der Bewilligung der Prozeßkostenhilfe stützt sich das Amtsgericht ersichtlich nicht auf § 124 Nr. 2 ZPO. Jedenfalls fehlen insoweit jegliche Feststellungen darüber, dass der Kläger vor der seinerzeitigen Bewilligung von Prozeßkostenhilfe absichtlich oder aus grober Nachlässigkeit unrichtige Angaben über seine persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse gemacht oder eine Erklärung nach § 120 Abs. 4 Satz 2 ZPO nicht abgegeben hätte. Die Aufhebung der bewilligten Prozeßkostenhilfe kann aber auch nicht auf § 124 Nr. 3 ZPO gestützt werden. Nach dieser Bestimmung kann die Aufhebung erfolgen, wenn die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozeßkostenhilfe nicht vorgelegen haben. Insoweit kann sich das Amtsgericht nicht ohne weiteres auf den Senatsbeschluß vom 27.12.1999 berufen, mit dem der Antrag des Klägers zurückgewiesen worden ist, ihm für die Berufung gegen das im Hauptverfahren ergangenen Urteil des Amtsgericht vom 23.03.1999 Prozeßkostenhilfe zu bewilligen. Maßstab für die Entscheidung des Senats war seinerzeit, dass der Kläger nicht nachvollziehbar dargelegt hatte, dass er außer Stande sei, die Kosten des beabsichtigten Rechtsmittels selbst vorzuschießen. Diese Entscheidung des Senats stellte auf den Zeitpunkt der Bewilligung der Prozeßkostenhilfe im Berufungsverfahren ab, also auf das Ende des Jahres 1999, wobei der Senat auch Provisionseinkünfte des Klägers im Jahr 1996 berücksichtigt hatte. Bei der Prüfung, ob die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozeßkostenhilfebewilligung vorgelegen haben, darf jedoch nur die Zeit vor Bewilligung berücksichtigt werden (vgl.: Zöller - Philippi, Kommentar zur ZPO, 22. Auflage 2001, § 124 RN 15).

Im vorliegenden Fall hat es bei der dem Kläger bewilligten Prozeßkostenhilfe zu verbleiben.

Der Rechtspfleger hat hier eine nach § 124 Nr. 3 ZPO zu treffende Ermessensentscheidung nicht vorgenommen. In deren Rahmen war zu berücksichtigen, ob und in welchem Umfang ein Verschulden des Klägers bei der irrtümlichen Annahme des Vorliegens der Voraussetzungen für die Prozeßkostenhilfebewilligung vorgelegen hat (vgl.: Zöller - Philippi, a. .a. O., § 124 Randnummer 12 m. w. N.). Insoweit ist hier zu beachten, dass der Kläger vor der am 18.04.1995 erfolgten Bewilligung der Prozeßkostenhilfe zwei Erklärungsformulare über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst einem Einkommenssteuerbescheid für 1993 zu den Akten gereicht und dabei angegeben hat, dass er als freier Handelsvertreter tätig sei und einen ihm von seinem Vater leihweise überlassen Mercedes Baujahr 1990 besitze. Diese Angaben, die den Senat -unter anderem- zu weiteren Nachfragen und Aufklärungsmaßnahmen bezüglich der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers vor Erlaß des die Prozeßkostenhilfe für die Berufung verweigernden Beschlusses veranlaßt haben, hat das Amtsgericht seinerzeit zur Bewilligung der Prozeßkostenhilfe ausreichen lassen.

Darüberhinaus ist angesichts des Streitwerts der vom Kläger erhobenen Zahlungs-klage von über 1,2 Millionen DM bei der nach § 124 Nr. 3 ZPO anzustellenden Ermessensausübung das schutzwürdige Vertrauen des Klägers auf den Bestand der einmal ergangenen Prozeßkostenhilfebewilligung in besonderem Maß zu berücksichtigen.

Soweit das Amtsgericht, was aus dem angefochtenen Beschluß nicht klar erkennbar ist, die Aufhebung der Prozeßkostenhilfe lediglich auf eine andere rechtliche Beurteilung bereits früher bekannter Umstände stützen will, rechtfertigt dies nicht die Aufhebung der einmal bewilligten Prozeßkostenhilfe. Denn das Gericht darf aus Gründen des Vertrauensschutzes die ihm bekannten und für seine Entscheidung maßgebenden Angaben der Partei zu ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht nachträglich abweichend bewerten (vgl. OLG Köln, FamRZ 2001, Seite 1534).

Ende der Entscheidung

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