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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 25.04.2008
Aktenzeichen: 10 U 80/06
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 68
ZPO § 597 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I.

Gegenstand der Klage sind ein Feststellungsbegehren der Klägerin dahin, dass sie Gesellschafterin der Beklagten zu 3. ist, klägerische Begehren auf Feststellung der Unwirksamkeit bzw. Nichtigkeit verschiedener Gesellschafterbeschlüsse der Beklagten zu 3. (Satzungsänderungen, Kapitalerhöhungen, Bestellungen von Geschäftsführern, Abberufung des Geschäftsführers B), sowie Begehren auf Widerruf von Anmeldungen von Abtretungen. Hintergrund des Streits ist, dass die Klägerin an der Beklagten zu 3. gehaltene Geschäftsanteile an die Fa. A veräußert hat, wesbezüglich sie inzwischen davon ausgeht, dass diese Veräußerung unwirksam war, sie also die entsprechenden Gesellschaftsanteile noch hält.

Hinsichtlich des erstinstanzlichen Parteivorbringens und insbesondere hinsichtlich der Entwicklung der Geschäftsanteile der Klägerin wird auf den Tatbestand der angefochtenen landgerichtlichen Entscheidung (Bl. 528-534 d. A.) Bezug genommen.

Problematisch sind diesbezüglich insbesondere zwei Vorgänge:

- Am 14.06.2002 wurde vom Geschäftsführer B an die Klägerin eine Stammeinlage in Höhe von 15.000,-- DM übertragen, wobei es sich in Wirklichkeit um zwei Stammeinlagen zu je 7.500,-- DM handelte; in gleicher Weise übertrug die C-GmbH an die Klägerin eine Stammeinlage in Höhe von 25.000,-- DM, wobei es sich insofern um zwei Stammeinlagen zu je 12.500,-- DM handelte. Ein Teil des angeblichen Geschäftsanteils von 15.000,-- DM, der der Klägerin von ihrem Geschäftsführer B übertragen worden war, sind die 3.000,-- DM, die die Klägerin am 03.12.2002 weiter an die A veräußert hat.

- Am 03.12.2002 veräußerte die Klägerin an die A einen Geschäftsanteil von 60.000,-- DM, wobei es sich in Wirklichkeit um zwei Geschäftsanteile von je 30.000,-- DM handelte.

Die Parteien streiten darum, ob die Geschäftsanteile bei den beiden Veräußerungen hinreichend konkret bestimmt worden sind. Von der Beantwortung dieser Frage hängt es ab, ob die Klägerin noch Gesellschafterin der Beklagten zu 3. ist, und ob die zwischenzeitlich ohne ihre Mitwirkung gefassten Beschlüsse wirksam sind.

Das Landgericht hat im angefochtenen Urteil die seitens der Klägerin erhobene Klage auf Feststellung der Gesellschaftereigenschaft der Klägerin an der Beklagten zu 3., Feststellung der Unwirksamkeit bzw. Nichtigkeit von Gesellschafterbeschlüssen und Widerruf von Anmeldungen abgewiesen. Hinsichtlich der diesbezüglichen Begründung wird auf die angefochtene Entscheidung (Bl. 517-527 d. A.) Bezug genommen.

Die Klägerin hat gegen dieses Urteil form- und fristgerecht Berufung eingelegt und das Rechtsmittel ebenso fristgerecht begründet.

Sie beanstandet Verfahrensfehler und meint, dem Urteil des Landgerichts Hamburg komme für das hiesige Verfahren Bindungswirkung zu; zudem seien die Abtretungen mangels Bestimmtheit ohnehin unwirksam.

Die Klägerin beantragt,

in Abänderung des Urteils des Landgerichts Wiesbaden vom 23.02.2006, Aktenzeichen: 13 O 101/05,

1. gegenüber den Beklagten zu 1. bis 3. festzustellen, dass alleinige Gesellschafterin der Beklagten zu 3. die Klägerin und nicht die Beklagten zu 1. und 2. sind;

2. gegenüber den Beklagten zu 1. bis 3. festzustellen, dass folgende Beschlüsse der Beklagten zu 3. unwirksam sind;

a) Bestellung des Geschäftsführers D vom 4. Dezember 2003, eingetragen im Handelsregister am 15. Dezember 2003;

b) Bestellung des Geschäftsführers E vom 13. April 2004, eingetragen am 4. Mai 2004;

c) Satzungsänderung vom 4. Dezember 2003, eingetragen am 15. Dezember 2003;

d) Kapitalerhöhung und Umstellung auf 60.000,-- € vom 4. Dezember 2003, eingetragen am 15. Dezember 2003;

e) Satzungsänderung vom 7. Mai 2004, eingetragen am 25. Mai 2004;

f) Kapitalerhöhung auf 360.000,-- € vom 7. Mai 2004, eingetragen am 25. Mai 2004;

g) Abberufung des Geschäftsführers B vom 19. Januar 2004, eingetragen am 29. Januar 2004;

h) Beschluss über die bei dem Handelsregister des Amtsgerichts Wiesbaden zu HRB ... angemeldete, aber noch nicht in das Handelsregister eingetragene Verschmelzung der Beklagten zu 3. mit der Beklagten zu 2.;

3) für den Fall der Abweisung des Antrags zu 1. gegenüber den Beklagten zu 1. und zu 3. festzustellen, dass die Klägerin Inhaberin der Geschäftsanteile an der Beklagten zu 3. im Nennbetrag von 7.500,-- DM, 7.500,-- DM, 12.500,-- DM, 12.500,-- DM, 30.000,-- DM und 30.000,-- DM ist;

4. die Beklagten zu 1. und zu 4. zu verurteilen, gegenüber der Beklagten zu 3. die Anmeldung der Abtretung von Geschäftsanteilen an der Beklagten zu 3. im Nennbetrag von 60.000,-- € von der Beklagten zu 4. an die Beklagte zu 1. im Jahr 2004 zu widerrufen;

5. die Beklagte zu 4. zu verurteilen, gegenüber der Beklagten zu 3. die Anmeldung der Abtretung von drei Geschäftsanteilen an der Beklagten zu 3. im Nennbetrag von 47.500,-- DM, 15.500,-- DM und 3.000,-- DM von der F-AG (damals: G) an die Beklagte zu 4. vom 16. September 2003 zu widerrufen;

6. für den Fall der Abweisung des Antrags zu 2. gegenüber der Beklagten zu 3. festzustellen, dass die im Antrag zu 2. unter lit. a. bis h. genannten Beschlüsse richtig sind.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen das angefochtene Urteil, verneinen eine Bindungswirkung des Hamburger Urteils und halten die Abtretungen unter den Gesichtspunkten der Bestimmbarkeit und (faktischen) Zusammenlegung von Geschäftsanteilen für wirksam.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, sowie auf die im Senatstermin am 18.04.2008 abgegebenen Erklärungen der Parteien Bezug genommen.

Die Akten 330 O 288/03 LG Hamburg und 13 O 90/04 LG Wiesbaden = 10 U 184/04 OLG Frankfurt am Main waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

II.

Die Berufung der Klägerin ist statthaft, sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden; sie hat jedoch keinen Erfolg.

Im Einzelnen weist der Senat auf Folgendes hin:

1. Das angefochtene Urteil ist durch Verfahrensfehler gekennzeichnet. Insoweit macht die Klägerin zunächst geltend, dass es sich um eine Überraschungsentscheidung handele, was von den Beklagten zwar bestritten wird, aber in Übereinstimmung mit dem Protokoll der mündlichen Verhandlung steht. Sodann hat das Landgericht eine inhaltliche Begründung durch Bezugnahme auf den Inhalt eines Urteils in einem anderen Verfahren ersetzt, in dem zwar die Klägerin und die Beklagte zu 3., nicht aber die anderen drei Beklagten, beteiligt waren. Schließlich hat das Landgericht nicht erkennbar über alle von der Klägerin gestellten Anträge entschieden.

Letztlich mag dies aber dahinstehen, weil der Senat es für angezeigt hält, in der Sache selbst zu entscheiden (§ 538 I ZPO).

2. Das Urteil des Landgerichts Hamburg in dem Verfahren 330 O 288/03 entfaltet für den hiesigen Rechtsstreit keine Bindungswirkung.

a) Allerdings ist die Auffassung des Landgerichts im angefochtenen Urteil, diesem Urteil komme deshalb keine Bindungswirkung zu, weil es nach ihm noch ein Nachverfahren gebe, unzutreffend.

Ein Urkundenprozess kann drei denkbare Ausgänge nehmen: Entweder ist der Urkundenprozess unstatthaft, weil in ihm unzulässige Beweismittel eingesetzt werden, dann erfolgt die Abweisung der Klage als in der gewählten Prozessart unstatthaft (§ 597 II ZPO); oder der Anspruch ist unbegründet, dann wird die Klage abgewiesen (§ 597 I ZPO), und die Rechtskraft dieser Entscheidung ergreift den Anspruch selbst, der also daher nicht mehr in einem Nachverfahren geltend gemacht werden kann; oder aber es erfolgt eine Verurteilung des Beklagten unter Vorbehalt (§ 599 ZPO), wobei der Rechtsstreit im Nachverfahren anhängig bleibt.

Das Landgericht Hamburg hat demgegenüber die Klage als unbegründet abgewiesen und in den Entscheidungsgründen ausgeführt, dass die Klage im Urkundenprozess zulässig, aber nicht begründet sei, dennoch hat es seine Entscheidung aber unter dem Vorbehalt der Ausführung der Rechte der Klägerin im Nachverfahren getroffen. Dies war inhaltlich verfehlt, weil es bei einer Entscheidung nach § 597 I ZPO kein Nachverfahren gibt. Der Ausspruch eines Vorbehalts der Ausführung der Rechte im Nachverfahren war daher gegenstandslos, er konnte ein derartiges Nachverfahren nicht eröffnen. Entgegen der Auffassung des Landgerichts im angefochtenen Urteil vermag daran auch der sog. "Meistbegünstigungsgrundsatz" nichts zu ändern. Dieser betrifft die Zulässigkeit von Rechtsmitteln, worum es bei der Frage einer verbleibenden Anhängigkeit eines Rechtsstreits im Nachverfahren nicht geht. Durch eine "Zulassung" eines Nachverfahrens durch ein Gericht kann ein solches nicht zulässig werden - anders als etwa bei der Zulassung einer Revision (§ 543 I ZPO) gibt es eine Zulassung einer Anhängigkeit im Nachverfahren nicht.

b) Dem Urteil des Landgerichts Hamburg kommt aber für das hiesige Verfahren aus inhaltlichen Gründen eine Bindungswirkung nicht zu. Streitgegenstand des damaligen Verfahrens war ein Anspruch auf Kaufpreiszahlung, tragendes Urteilselement (also der Gegenstand der Richtigkeit der Entscheidung i. S. v. § 68 ZPO) war daher die Frage der Wirksamkeit des Verpflichtungsgeschäfts (Kaufvertrag), nicht demgegenüber aber die Frage der Wirksamkeit des Verfügungsgeschäfts (Wirksamkeit der Übertragung der Geschäftsanteile). Soweit das Landgericht sich unter der Kategorie der Unmöglichkeit mit Fragen der Inhaberschaft an Geschäftsanteilen befasst hat, handelt es sich um überschießende Feststellungen, die an der Interventionswirkung des § 68 ZPO nicht teilnehmen.

3. Die umstrittenen Übertragungen sind wirksam. Nach der Rechtsprechung ist für die Frage der Bestimmbarkeit entscheidend, ob ernstliche Zweifel an dem Gegenstand der Veräußerung hervorgerufen werden können (BGH NJW-RR 1987, 807 f.; KG Berlin NJW-RR 1997, 1259 ff.; OLG Brandenburg NZG 1998, 951, 952). Bei den Übertragungen an die Klägerin war es aber völlig klar, was gemeint war, und die bei der Weiterveräußerung durch die Klägerin gewählte Vorgehensweise (vgl. S. 3, 5 des notariellen Vertrages vom 03.12.2002, Bl. 41, 43 d. A.) ist für die Bestimmtheit ausreichend.

4. Da die Klägerin ihre Geschäftsanteile wirksam weiterveräußert hat, sind sämtliche von ihr verfolgte Anträge einschließlich der Hilfsanträge unbegründet.

Insgesamt war somit die Berufung der Klägerin mit der Kostenfolge des § 97 I ZPO zurückzuweisen. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Ziff. 10, 711 ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, weil die diesbezüglichen Voraussetzungen nicht vorliegen (§ 543 ZPO).

Ende der Entscheidung

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