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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 20.07.2004
Aktenzeichen: 11 U (Kart.) 15/04
Rechtsgebiete: BuchPrG, RabattG


Vorschriften:

BuchPrG § 3
BuchPrG § 5
BuchPrG § 7 II
BuchPrG § 7 III
BuchPrG § 9
BuchPrG § 9 I 1
BuchPrG § 9 II Nr. 3
RabattG § 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

11 U (Kart.) 15/04

Verkündet laut Protokoll am 20.07.2004

In dem Rechtsstreit

hat der 1. Kartellsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ... sowie die Richter am Oberlandesgericht ... und ... auf die mündliche Verhandlung vom 22.06.2004 für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Wiesbaden vom 20.11.2003 - Az. 13 O 121/03 - wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

A.

Die Klägerin ist eine in Form einer BGB-Gesellschaft organisierte Sozietät von Rechtsanwälten, die von einer Vielzahl von Verlagen damit betraut ist, treuhänderisch die Einhaltung der Preisbindung im Buchhandel zu überwachen. Die Beklagte betreibt unter der Firma ... die größte deutsche Internet-Buchhandlung; sie vertreibt neben Büchern noch eine Vielzahl anderer Artikel, so insbesondere Geräte der Unterhaltungselektronik, Tonträger, Computer und die dazugehörige Software. Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte durch Gewährung sog. "Startgutscheine" in Höhe von 5 Euro. die beim Kauf von Büchern auf den Kaufpreis angerechnet werden, gegen die Preisbindung nach den §§ 3, 5 des Buchpreisbindungsgesetzes (BuchPrG) verstoßen hat.

Die Beklagte kündigt auf ihrer Web-Site im Internet einen "5-EUR-Startgutschein" an. Dieser Gutschein wird nur an solche Personen gewährt, die bislang noch nicht bei der Beklagten gekauft haben und auch nicht bei ihr registriert sind. Alle Kunden, die diese Bedingungen erfüllen, können sich via Online bei der Beklagten registrieren lassen und erhalten damit bei ihr ein Kundenkonto; irgendwelche Verpflichtungen, etwa zur Abnahme von Artikeln aus dem Sortiment der Beklagten, sind hiermit nicht verbunden. Jeder registrierte Kunde erhält von der Beklagten innerhalb von 2 Tagen per E-Mail einen Gutschein über 5 Euro. Dieser ist einen Monat gültig, nicht übertragbar und kann nur im Rahmen einer Warenbestellung bei der Beklagten eingelöst werden.

Die Klägerin sieht in dieser Aktion einen Verstoß gegen die Preisbindung nach dem BuchPrG und hat die Beklagte vor dem Landgericht Wiesbaden auf Unterlassung in Anspruch genommen. Sie hat beantragt,

es der Beklagten bei Meidung der üblichen Ordnungsmittel zu untersagen, an neue Kunden "Startgutscheine" auszugeben, die beim Kauf preisgebundener Bücher mit 5 Euro auf den Kaufpreis angerechnet werden.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Durch Urteil vom 20.11.2003 hat das Landgericht die Beklagte nach Antrag verurteilt. Das Urteil ist im Wesentlichen damit begründet, dass die Klägerin entgegen der Ansicht der Beklagten über die erforderliche Aktivlegitimation nach § 9 II Nr. 3 BuchPrG verfüge und die Beklagte durch die Ausgabe der "Startgutscheine" gegen die Buchpreisbindung nach den §§ 3, 5 BuchPrG verstoße.

Zur Begründung der hiergegen erhobenen Berufung trägt die Beklagte vor: Die Klage sei unzulässig, da der zwischenzeitlich in die Sozietät der Klägerin aufgenommene Rechtsanwalt ... in der Klageschrift nicht benannt sei. Die in den Bestätigungen der auftraggebenden Verlage benannten Rechtsanwälte könnten nur in Gesamtvertretung als Preisbindungstreuhänder auftreten. Im Übrigen sei die Klage auch unbegründet, da die Vergabe der Startgutscheine und deren Einlösung strikt zu trennen seien. Da sie - die Beklagte - auch andere Waren als Bücher vertreibe, stehe nicht fest, dass die Startgutscheine zum Bücherkauf verwendet würden. Entgegen der Auffassung des Landgerichts seien die Startgutscheine nicht wertlos; die Befristung sowie der Ausschluss der Übertragbarkeit stehe dem nicht entgegen. Die Ausgabe der Gutscheine erfolge auch entgegen der Ansicht des Landgerichts nicht unentgeltlich, sondern stelle eine Gegenleistung der Beklagten für die Bereitschaft des Kunden dar, sich registrieren zu lassen. Diese Registrierung habe für die Beklagte einen erheblichen wirtschaftlichen Wert, da zahlreiche registrierte Kunden Folgekäufe tätigten.

Die Beklagte beantragt,

die Klage unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das landgerichtliche Urteil.

B.

Die Berufung ist zulässig, aber nicht begründet.

I) Die Klage ist zulässig. Die Klägerin ist nach § 9 II Nr. 3 BuchPrG befugt, den Unterlassungsanspruch nach § 9 I 1 BuchPrG geltend zu machen.

1) Zu Recht hat das Landgericht zunächst angenommen, dass entgegen dem Wortlauf des § 9 II Nr. 3 BuchPrG, in dem von "einem Rechtsanwalt" als Preisbindungstreuhänder die Rede ist, die Treuhänderschaft auch von einer Sozietät von mehreren Rechtsanwälten wahrgenommen werden kann. Hierfür sprechen bereits praktische Gesichtspunkte (Verhinderung des "einen" Rechtsanwalts), ferner die Tatsache, dass auch sonst zahlreiche verfahrensrechtliche Bestimmungen von der Vertretung "durch einen Rechtsanwalt" sprechen (§§ 78 ZPO, 22 BVerfGG, 67 VwGO), ohne dass damit eine Vertretung durch mehrere Anwälte ausgeschlossen sein soll. Schließlich hat auch der BGH (NJW-RR 1986, 259 ff) das Auftreten mehrerer Anwälte als Treuhänder nicht beanstandet.

2) Ebenso wenig steht es der Zulässigkeit der Klage entgegen, dass der zwischenzeitlich in die Kanzlei der Kläger eingetretene Rechtsanwalt ... nicht in der Klageschrift benannt war. Dies ist schon darum unerheblich, weil bei vernünftiger Auslegung des Treuhandauftrags (§§ 133, 157 BGB) davon auszugehen ist, dass die Treuhänderschaft nicht einzelnen Mitgliedern der Sozietät, sondern der nach der neueren Rspr. des BGH (NJW 2001, 1056 ff) hiervon zu unterscheidenden, mit eigener Rechtspersönlichkeit ausgestatteten BGB-Gesellschaft erteilt worden ist, in deren Form die Sozietät der Kläger organisiert ist. Dies hat zur Folge, dass ein Wechsel im Mitgliederbestand keinen Einfluss auf den Fortbestand der mit der BGB-Gesellschaft bestehenden Rechtsverhältnisse hat (BGH aaO 1057); die Stellung der klägerischen Sozietät als Preisbindungstreuhänder blieb somit vom Eintritt des Rechtsanwalts ... unberührt. "Rechtsanwalt" i.S.v. § 9 II Nr. 3 BuchPrG und damit zur Erhebung der vorliegenden Unterlassungsklage befugt ist danach allein die als BGB-Gesellschaft organisierte Klägerin, zu der sich die einzelnen Mitglieder der Sozietät zusammengeschlossen haben.

II) Die Klage ist auch begründet. Das Landgericht hat zu Recht angenommen, dass die Beklagte durch die Ausgabe der "Startgutscheine" gegen die §§ 3, 5 BuchPrG verstößt.

Da die Beklagte als Buchhändlerin gewerbsmäßig Bücher an Letztabnehmer verkauft, ist sie nach § 3 BuchPrG verpflichtet, beim Verkauf neuer Bücher die nach § 5 BuchPrG festgesetzten Preise einzuhalten. Preisnachlässe (Rabatte) lässt das BuchPrG nur in den Ausnahmefällen des Bücherverkaufs an wissenschaftliche Bibliotheken und sonstige Büchereien nach § 7 II BuchPrG und bei Schulbuch-Sammelbestellungen nach § 7 III BuchPrG zu. Hieraus folgt im Umkehrschluss, dass die Gewährung von Nachlässen im Übrigen unzulässig ist (vgl. dazu auch BGH, Urt. v. 24.6.2003 - KZR 32/02 - Umdruck S. 11).

Einen solchen unzulässigen Preisnachlass gewährt die Beklagte durch die Anrechnung von 5 Euro beim Verkauf von neuen Büchern an solche Kunden, die einen "Startgutschein" vorlegen. Ein Preisnachlass liegt nach der Rspr. zum früheren § 1 RabattG auch dann vor, wenn Gutscheininhabern beim Erstbezug von Waren ein Sonderpreis eingeräumt wird (BGH GRUR 1959, 326 - Kaffeeversandhandel). Diese Rspr. kann wegen der Vergleichbarkeit der Interessenlage auch für den vorliegenden Fall herangezogen werden; aus ihr folgt, dass auch hier von einem Preisnachlass auszugehen ist. Etwas anderes ergibt sich entgegen der Ansicht der Beklagten auch nicht daraus, dass die Übersendung des Gutscheins und der spätere Bücherkauf isoliert zu betrachten wären und dass darum anzunehmen wäre, der gebundene, festgesetzte Preis werde teilweise durch Barzahlung und teilweise durch Hingabe des Gutscheins beglichen. Bei einer solchen Betrachtung bliebe außer Betracht, dass der Gutschein gerade von der Beklagten ausgegeben wurde und dass es keinen Unterschied machen kann, ob der gebundene Preis dadurch unterschritten wird, dass die Beklagte nach einer Bestellung dem Kunden einen niedrigeren Preis als den festgesetzten berechnet, oder dadurch, dass sie von dem festgesetzten Preis den Betrag in Abzug bringt, der sich aus einem zuvor von ihr gewährten Gutschein zugunsten des Kunden ergibt; in beiden Fällen erhält die Beklagte für die Überlassung des Buches an den Kunden im Ergebnis ein geringeres Entgelt als den nach den §§ 3, 5 BuchPrG einzuhaltenden Preis. Mit einem von einem Dritten in einer Buchhandlung erworbenen "Geschenkgutschein" lassen sich die "Startgutscheine" der Beklagten dagegen nicht vergleichen, weil der Erwerber des Geschenkgutscheins den dort ausgewiesenen Betrag an den Buchhändler entrichtet hat und bei Hingabe des Gutscheins dieser auf den gebundenen Preis angerechnet wird; anders als im vorliegenden Fall ist also beim "Geschenkgutschein" der gebundene Preis an den Buchhändler geflossen, nur eben nicht durch Zahlung des Käufers, sondern durch Zahlung eines Dritten. Schließlich ist auch in Rechnung zu stellen, dass bei der von der Beklagten geforderten isolierten Betrachtung von Gutschein und Bestellung der Zweck des BuchPrG, dem Buchhändler den festgesetzten Preis zu sichern und so die Existenz einer großen Zahl von mittelständischen Verkaufsstellen für Bücher zu gewährleisten (vgl. § 1 S. 2 BuchPrG; BGH, Urt. v. 24.6.2003 - KZR 32/02 - Umdruck S. 13), vollständig unterlaufen werden könnte.

Auch das Vorbringen der Beklagten, die Neukunden erbrächten dadurch, dass sie sich registrieren ließen, eine Gegenleistung, die wegen der häufigen Folgebestellungen den Wert der Gutscheine sogar übersteige, vermag keine abweichende Beurteilung zu rechtfertigen. Zwar war es in der Rspr. zum Rabatte anerkannt, dass ein (unzulässiger) Preisnachlass nicht vorliegt, wenn der Verkäufer seinen Preis für eine Gegenleistung des Käufers herabsetzt (BGH GRUR 1975, 375, 376 - Spitzensportler-Nachlass). Dieser Fall ist jedoch mit dem vorliegenden nicht vergleichbar. Die Beklagte erlangt durch die Registrierung eines Neukunden für sich genommen keinen Vorteil und damit auch keine Gegenleistung, weil diese Registrierung den Kunden zu nichts verpflichtet. Der Vorteil erwächst ihr erst aus möglichen Folgebestellungen. Diese haben aber für die Frage eines Verstoßes nach dem BuchPrG außer Betracht zu bleiben. Denn § 3 BuchPrG verlangt, dass der gebundene Preis bei jedem einzelnen Verkauf eines neuen Buches durch gewerbsmäßige Verkäufer eingehalten wird. Dies schließt eine Saldierung der Kosten für die Startgutscheine mit möglichen späteren Folgegeschäften aus. Zudem ist auch nicht zu erwarten, dass von allen Neukunden Folgebestellungen getätigt werden. Nicht wenige der Neukunden werden sich vielmehr darauf beschränken, durch Bestellung eines Buches unter Einlösung ihres Startgutscheins dessen Vorteil "mitzunehmen", dann aber von weiteren Bestellungen bei der Beklagten absehen. Jedenfalls diese Kunden haben dann entgegen dem Verbot des § 3 BuchPrG ein Buch unter dem nach § 5 BuchPrG festgesetzten Preis erworben.

Dass die Beklagte den "Startgutschein" jedenfalls auch beim Kauf von Büchern anrechnet, ist unstreitig. Damit hat sie den Vorschriften des BuchPrG zuwidergehandelt und ist nach § 9 BuchPrG zur Unterlassung verpflichtet. Dass die Kunden der Beklagten den Gutschein auch beim Kauf anderer, nicht preisgebundener Waren aus dem Sortiment der Beklagten einlösen können, rechtfertigt keine abweichende Beurteilung.

III) Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 II ZPO nicht vorliegen.

Ende der Entscheidung

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