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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 05.11.2002
Aktenzeichen: 11 U (Kart) 13/02
Rechtsgebiete: GWB


Vorschriften:

GWB § 20 I
GWB § 20 II
1. Auch wenn ein Bundesland eine Monopolstellung bei der Einrichtung von Lotto/Toto-Annahmestellen hat, kann es im Rahmen seines unternehmerischen Ermessens grundsätzlich unter dem Gesichtspunkt der Bedarfsdeckung und Rentabilität über die Anzahl und örtliche Verteilung von Annahmestellen entscheiden.

2. Die Anforderung an einen Annahmestellenleiter, die Annahmestelle persönlich zu führen und während der Geschäftszeiten überwiegend anwesend zu sein, stellt ein sachgerechtes persönliches Qualifikationsmerkmal dar und steht der Leitung einer Annahmestelle im Nebenberuf entgegen.


OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

11 U (Kart) 13/02

Verkündet am 5.11.2002

In dem Rechtsstreit

hat der 1. Kartellsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch die Richter auf die mündliche Verhandlung vom 15.10.2002

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 27.02.2002 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten der Berufung. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Der Kläger nimmt das beklagte Land auf Zustimmung zur Errichtung einer Lottoannahmestelle in seinem Pressefachgeschäft in Anspruch.

Wegen des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils Bezug genommen.

Ergänzend hierzu wird festgestellt, dass der Kläger hauptberuflich als Beamter bei der Stadt Maintal beschäftigt ist. Ferner hat das beklagte Land mittlerweile wieder eine fünfte Lotterie-Annahmestelle in Maintal-Bischofsheim eingerichtet.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des am 27.3.2002 verkündeten Urteils des Landgerichts Frankfurt am Main, AZ: 2- 6 O 368/01 die Beklagte zu verurteilen, die Beeinträchtigung des Klägers im Wettbewerb zu unterlassen und der Errichtung einer Lotto- Annahmestelle im Pressefachgeschäft des Klägers, Alt Bischofsheim, 11 in 63477 Maintal-Bischofsheim zuzustimmen.

Das beklagte Land beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

II.

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

1.)

Die Klage ist zwar zulässig.

Insbesondere bestehen gegen die Zulässigkeit des Klageantrages im Hinblick auf dessen Bestimmtheit ( § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO ) keine durchgreifenden Bedenken.

Soweit der Kläger den Antrag in der Berufungsinstanz um die Formulierung ".die Beeinträchtigung des Klägers im Wettbewerb zu unterlassen" erweitert hat, ist der Antrag zwar zu pauschal und unbestimmt, weil er keine konkrete Verletzungsform enthält. Da die Erweiterung des Antrags aber keinen eigenständigen Gehalt hat, sondern lediglich eine verallgemeinernde Umschreibung des zweiten Teils des Antrags darstellt, wäre der Antrag von Amts zu konkretisieren und auf den in erster Instanz formulierten Antrag zu reduzieren gewesen.

In dieser Fassung ist der Antrag hinreichend bestimmt. Der Kläger erstrebt mit der auf Zustimmung gerichteten Klage die Verurteilung des beklagten Landes zur Abgabe einer Willenserklärung mit dem im Antrag näher gekennzeichneten Inhalt. Die Vollstreckung eines klagestattgebenden Urteils würde sich nach § 894 ZPO richten.

2.)

Die Klage ist jedoch unbegründet, weil der Kläger unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt einen Anspruch auf die begehrte Zustimmung hat.

a) Ohne Erfolg beruft sich der Kläger auf eine angebliche Zusage des Bezirksstellenleiters der Lotterieverwaltung.

Da das beklagte Land bestritten hat, dass der Bezirksstellenleiter berechtigt ist, selbständig eine Entscheidung über die Errichtung einer Lotto-Annahmestelle zu treffen, hätte der Kläger dessen Vertretungsbefugnis darlegen und unter Beweis stellen müssen. Die Beweislast für die Vertretungsmacht trägt derjenige, der sich auf ein gültiges Vertretergeschäft beruft (Palandt/Heinrichs, BGB, 61. Auflage § 164, Rn 18 m.w.N.). Der Vortrag, wenn der Bezirksstellenleiter eine Erklärung abgegeben habe, sei er dazu auch befugt, vermag die erforderliche Darlegung der Vertretungsmacht und den entsprechenden Beweisantritt nicht zu ersetzen.

Ohnehin ist der Klagevortrag aber auch in sich widersprüchlich und unschlüssig, weil sich der Kläger einerseits auf eine verbindliche Zusage des Bezirksstellenleiters beruft, andererseits aber vorträgt, seine Bewerbungen seien seit 1997 stets abgelehnt worden. Es ist nicht ersichtlich, wann der Zeuge G. unter diesen Umständen im fraglichen Zeitraum eine verbindliche Zusage erteilt haben soll.

b) Die Klage hat auch keinen Erfolg, soweit der Kläger einen Anspruch auf die "missbräuchliche Ausnutzung einer Monopolstellung" stützt.

Zwar kommt insoweit - wie das Landgericht zutreffend angenommen hat -grundsätzlich ein Anspruch aus § 20 GWB in Betracht. Gem. § 20 Abs. 1 und Abs. 2 GWB dürfen die Normadressaten ein anderes Unternehmen in einem Geschäftsverkehr, der gleichartigen Unternehmen üblicherweise zugänglich ist, weder unmittelbar noch mittelbar unbillig behindern oder gegenüber gleichartigen Unternehmen ohne sachlich gerechtfertigten Grund unmittelbar oder mittelbar unterschiedlich behandeln.

Dass der Kläger von der Beklagten mangels ausreichender und zumutbarer Möglichkeiten, auf andere Unternehmen auszuweichen, abhängig ist ( § 20 Abs. 2 GWB ) hat er weder dargelegt, noch ist seine Abhängigkeit nach den Gesamtumständen ohne weiteres ersichtlich. Es gibt zahlreiche Kioske und Einzelhandelsgeschäfte, die nicht zugleich Lotterie-Annahmestellen sind, so dass weder das Ansehen des Klägers unter dem Fehlen einer Annahmestelle leidet (sortimentsbedingte Abhängigkeit), noch eine wirtschaftliche Abhängigkeit des Klägers von dem beklagten Land ohne weiteres festgestellt werden kann (vgl. schon OLG Karlsruhe, WRP 1977, 502).

Dass das beklagte Land Normadressat des § 20 Abs. 1 GWB ist, hat der Kläger zwar ebenfalls nicht im Einzelnen dargelegt ( zweifelnd insoweit aber OLG Karlsruhe a.a.O.).

Aber auch wenn man davon ausgeht, dass das beklagte Land über die Hessische Lotterieverwaltung marktbeherrschendes Unternehmen im Sinne von § 20 Abs. 1 GWB auf dem Markt der Lotterievermittlungs-/Annahmestellen ist und für die Durchführung von Totto und Lotto ein Monopol besitzt, ergibt sich daraus unmittelbar noch kein Anspruch des Klägers auf Errichtung einer Lotterie-Annahmestelle. Grundsätzlich steht auch einem marktmächtigen Unternehmen ein unternehmerischer Freiraum zu und kann es sein Vertriebssystem nach eigenem Ermessen so festlegen, wie es dies für wirtschaftlich richtig und sinnvoll hält ( Bechtold, GWB, 2. Aufl. § 20, Rn. 37).

Zu Unrecht meint das beklagte Land zwar, es fehle schon an der Gleichartigkeit, weil der Kläger die qualitativen Mindestvoraussetzungen für die Ausstattung einer Lotterie - Annahmestelle nicht erfülle. Für die Gleichartigkeit ist auf die unternehmerische Tätigkeit und die wirtschaftliche Funktion der zu vergleichenden Unternehmen in ihren Verhältnissen zu dem Normadressaten abzustellen. Wie allgemein bekannt ist, richtet das beklagte Land Lotterie-Annahmestellen in der Regel in Kiosken und Läden für Zeitungen und Zeitschriften, Tabak- und Schreibwaren ein, die mit dem Geschäft des Klägers funktional gleichartig sind. Ob das Geschäftslokal des Klägers den qualitativen Anforderungen des beklagten Landes genügt, ist erst im Rahmen der Interessenabwägung zu prüfen (BGH WuW/E 2351/2356 "Belieferungsunwürdige Verkaufsstätten II").

Der Üblichkeit des Zugangs steht nicht entgegen, dass nur ein Teil der dem Kläger gleichartigen Unternehmen zugelassen wird. Quantitative Beschränkungen schließen die Üblichkeit nicht aus ( Bechtold a.a.O. Rn. 33; Markert in: Immenga/Mestmäcker, GWB, 3. Aufl. § 20 Rn. 109).

In der Weigerung des beklagten Landes, dem Kläger eine Lotto- Annahmestelle zu übertragen, liegt eine unterschiedliche Behandlung gegenüber denjenigen Gewerbetreibenden, mit denen das beklagte Land einen Annahmestellenleitervertrag geschlossen hat. Ob diese sachlich gerechtfertigt ist, erfordert eine Abwägung der Interessen der Beteiligten unter Berücksichtigung der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Zielsetzung des Gesetzes ( BGH WuW/E 1017, 1031 Sportartikelmesse II; Bechtold a.a.O. Rn. 41 m.w.N.).

Das Landgericht hat jedenfalls im Ergebnis zu Recht eine unbillige Behinderung und eine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung des Klägers verneint.

aa) Das äußere Erscheinungsbild der Verkaufsräume eines Händlers ist als Rechtfertigung für den Ausschluß von der Belieferung allerdings weniger geeignet und kann in aller Regel nur in Betracht kommen, wenn es die Erfüllung der zu erbringenden Fachhandelsleistung oder das Image der Ware beim Kunden in gravierender Weise beeinträchtigt (Markert a.a.O.Rn. 154 m.w.N.). Nach dem Vortrag des beklagten Landes ist nicht zweifelsfrei erkennbar, inwieweit verbindliche, konkrete Anforderungen an die räumliche Ausstattung "neuer" Annahmestellen bestehen und einheitlich gehandhabt werden. Für die Entscheidung kann indes dahin stehen, ob - wie das Landgericht gemeint hat - das Geschäftslokal des Klägers die von dem beklagten Land gestellten Anforderungen an Lotterie-Annahmestellen erfüllt.

bb) Der Senat lässt auch offen, ob das beklagte Land gegenüber dem Kläger die Errichtung einer Lotterie-Annahmestelle unter Hinweis auf eine quantitative Selektion versagen könnte. Unzweifelhaft ist das beklagte Land allerdings berechtigt, die Anzahl und die örtlich- räumliche Verteilung von Lotterie-Annahmestellen so zu handhaben, dass das Land und die Annahmestellen kostendeckend und rentabel arbeiten können. Auch der Kläger hat nicht bezweifelt, dass das beklagte Land berechtigt ist, die Zulassung von Annahmestellen am Bedarf zu orientieren. Nachdem zwischenzeitlich wieder eine fünfte Annahmestelle in Maintal-Bischofsheim eröffnet wurde, ist deshalb zweifelhaft, ob überhaupt noch Bedarf für eine weitere Lotterie-Annahmestelle besteht. Dass durch die Errichtung einer weiteren Annahmestelle kein zusätzlicher Umsatz erzielt, sondern lediglich vorhandene Umsätze verteilt würden, ist jedenfalls nicht von der Hand zu weisen. Legt man die Zahlenangaben des beklagten Landes zugrunde, wonach im Durchschnitt 2.792 Einwohner auf eine Annahmestelle kommen und das Land damit über eines der dichtesten Annahmestellennetze in der Bundesrepublik verfügt, erscheint ein weiterer Bedarf zweifelhaft, so dass ein Anspruch des Klägers schon deshalb abzulehnen sein könnte. Der Kläger hat zwar bestritten, dass jede Annahmestelle wöchentlich Kosten von 267,91 € verursache und einen Umsatz von 4.448,24 € erzielen müsse, um diese Kosten wieder einzuspielen. Ob das beklagte Land ein System von Lotterie- Annahmestellen auch dann noch rentabel betreiben könnte, wenn es mit einer ( noch ) geringeren durchschnittlichen Einwohnerzahl pro Annahmestelle und einem geringeren durchschnittlichen Wochenumsatz kalkulieren würde und ob es - unter dieser Voraussetzung - allein aufgrund seiner Marktposition verpflichtet wäre, eine größere Zahl von Annahmestellen zu unterhalten, wie die Landeskartellbehörde in ihrer Stellungnahme anzunehmen scheint, kann jedoch ebenfalls dahin stehen. Denn der Kläger erfüllt jedenfalls nicht die persönlichen Voraussetzungen, die das beklagte Land an Annahmestellenleiter stellt.

cc) Das beklagte Land ist aber nicht gehindert, die Einrichtung von Lotto- Annahmestellen von der persönlichen Eignung der Lotterie-Annahmestellenleiter abhängig zu machen. Gemäß III des Geschäftsbesorgungsvertrags ( GA 192, 193 ) ist der Annahmestellenleiter verpflichtet, die Geschäfte der Annahmestelle persönlich zu führen. Dies setzt nach der Klausel die überwiegende Anwesenheit des Annahmestellenleiters im Geschäftslokal während der Geschäftszeiten voraus. Diese Anforderung erscheint weder sachlich unangemessen noch unbillig. Ein Annahmestellenleiter wird ähnlich einem Handelsvertreter für das beklagte Land tätig. Er vermittelt den Abschluss von Spielverträgen und nimmt die Spieleinsätze für das beklagte Land treuhänderisch entgegen. Der Einsatz eines Lotterie-Annahmestellenleiters setzt deshalb ein entsprechendes Maß an Zuverlässigkeit und Vertrauenswürdigkeit voraus. Das erforderliche Maß an Zuverlässigkeit und Vertrauenswürdigkeit muss der Annahmestellenleiter auch für seine Mitarbeiter gewährleisten können. Wenn das beklagte Land deshalb in seinen Geschäftsbesorgungsverträgen vorsieht, dass Annahmestellenleiter während der Geschäftszeiten überwiegend anwesend sein müssen, handelt es sich um eine sachlich begründete und von der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit gedeckte Anforderung. Der Kläger hat weder Gegenteiliges dargelegt, noch aufgezeigt, dass das beklagte Land diese Anforderung gegenüber den Annahmestellenleitern nicht gleichmäßig und diskriminierungsfrei handhabt.

Aus dem berechtigten Verlangen nach überwiegend persönlicher Anwesenheit des Annahmestellenleiters folgt, dass der Kläger die persönliche Eignung als Annahmestellenleiter nicht besitzt, weil er hauptberuflich Beamter ist. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die dem Kläger- nach dessen Darstellung in der mündlichen Verhandlung - erteilte allgemeine Nebentätigkeitsgenehmigung die Tätigkeit als Annahmestellenleiter erfasst oder ob der Kläger eine Nebentätigkeitsgenehmigung für den Betrieb einer Lotterieannahmestelle erhalten würde. Denn nach seiner eigenen Darstellung ist der Kläger außerhalb seiner hauptberuflichen Tätigkeit nur im Anschluß an seine Dienststunden und samstags zur persönlichen Anwesenheit in der Annahmestelle in der Lage, was der Annahme einer überwiegenden Anwesenheit zu den üblichen Geschäftszeiten entgegensteht.

Die Weigerung des beklagten Landes, in dem Geschäftslokal des Klägers eine Lotterie-Annahmestelle zu eröffnen, stellt daher weder eine unbillige Behinderung noch eine sachlich ungerechtfertigte Ungleichbehandlung dar.

III.

Der Kläger hat die kosten seines erfolglosen Rechtsmittels zu tragen ( § 97 Abs. 1 ZPO).

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711,713 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 1 ZPO) liegen nicht vor. Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Der Senat weicht auch nicht von einer anderen obergerichtlichen Entscheidung ab.

Ende der Entscheidung

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