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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 26.07.2005
Aktenzeichen: 11 U 13/05 (Kart)
Rechtsgebiete: BGB, GWB


Vorschriften:

BGB § 826
GWB § 20

Entscheidung wurde am 27.10.2005 korrigiert: die Metaangabe Schlagworte wurde durch Stichworte ersetzt
1. Ein Verein oder Verband, der eine Monopolstellung oder eine überragende Machtstellung im wirtschaftlichen oder sozialen Bereich hat, kann zur Aufnahme eines Bewerbers verpflichtet sein, wenn ein wesentliches oder grundlegendes Interesse am Erwerb der Mitgliedschaft besteht.

2. Ob die Ablehnung der Aufnahme in diesem Fall eine sachlich nicht gerechtfertigte ungleiche Behandlung darstellt, ist unter Berücksichtigung der sachlich gerechtfertigten Aufnahmebestimmungen zu beurteilen.

3. Eine satzungsmäßig geforderte Mindestmitgliederzahl kann eine sachlich gerechtfertigte Aufnahmebestimmung darstellen, um Splittergruppen von marginaler Bedeutung auszuschließen.

4. Der geforderte Nachweis einer entsprechenden Mitgliederzahl kann auch nicht im Hinblick auf datenschutzrechtliche Bestimmungen verweigert werden.


Gründe:

I.

Der Kläger ist als politischer Jugendverband tätig. Der Beklagte ist ein Zusammenschluss von politischen Jugendverbänden in Hessen. Seine (Gründungs-)Mitglieder sind die Landesverbände der A, der B, der C und der D. Gemäß § 2 seiner Satzung werden durch den Beklagten "die Belange der parteipolitischen Jugendverbände" in Hessen vertreten. Der Beklagte erhält gesetzlich geregelt jährliche Zuwendungen aus den Gewinnen der Hessischen Lottogesellschaft (§ 3 Abs. 1 Nr. 5 Hessisches Sportwetten und Lotteriegesetz). Von 1998 bis 2002 flossen ihm Mittel in Höhe von 5,5 Millionen DM zu.

Der Kläger begehrt die Aufnahme als Mitglied des Beklagten. Der Beklagte hat die Aufnahme verweigert, da der Kläger nicht die satzungsgemäßen Voraussetzungen für die Aufnahme erfülle.

Ergänzend wird wegen der weiteren tatsächlichen Feststellungen auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils Bezug genommen.

Der Kläger hat beantragt,

1.den Beklagten zu verurteilen, den Kläger zum 14.12.2002 im E ... aufzunehmen

und

festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet sei, den Kläger an der Beschlussfassung des Beklagten über die Verteilung von Fördermitteln für politische Jugendverbände für das Jahr 2003 zu beteiligen;

2. den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger aus den Fördermitteln für politische Jugendverbände für das Jahr 2003 einen Anteil in Höhe von mindestens 20.000,-- EUR zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.

Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers, der seinen erstinstanzlichen Vortrag vertieft und ergänzt.

In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger den - auf Zahlung von Fördermitteln gerichteten - Berufungsantrag zu 2. zurückgenommen.

Der Kläger beantragt nunmehr noch,

das Urteil des Landgerichts Wiesbaden vom 17.12.2004, Az.: 9 O 190/03 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, den Kläger zum 14.12.2002 im Ring politischer Jugend aufzunehmen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er wiederholt und vertieft ebenfalls seinen erstinstanzlichen Vortrag.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze nebst allen Anlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

Das Landgericht hat zu Recht und mit zutreffender Begründung, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird, die Klage abgewiesen.

Der Vortrag des Klägers in der Berufungsinstanz veranlasst keine Abänderung der angefochtenen Entscheidung.

Das Landgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein Verein oder ein Verband, der eine Monopolstellung oder ganz allgemein im wirtschaftlichen oder sozialen Bereich eine überragende Machtstellung inne hat, gemäß den §§ 826 BGB, 20 GWB zur Aufnahme eines Bewerbers verpflichtet sein kann, wenn ein wesentliches oder grundlegendes Interesse am Erwerb der Mitgliedschaft besteht.

Es spricht zumindest viel dafür, dass der Beklagte als Empfänger von Landesmitteln zur Förderung der politischen Jugendarbeit auch über eine herausragende Machtstellung verfügt und damit grundsätzlich Adressat eines Aufnahmezwangs sein dürfte. Die Verteilung öffentlicher Mittel durch einen Verein ist in der Rechtsprechung verschiedentlich als Aufnahmegrund anerkannt worden (Staudinger/Oechsler, BGB, § 826 Rn. 275 m. w. N.; LG Heidelberg MDR 1990, 625).

Ob hier gleichwohl eine andere Beurteilung geboten sein könnte, weil es weitere Verbände gibt, die ebenfalls den Zugang zu öffentlichen Fördermitteln vermitteln, kann hier letztlich dahinstehen. Denn soweit ein Aufnahmeanspruch an sich bejaht werden muss, gilt dies mit Rücksicht auf das Interesse des Verbandes an seinem Bestand und seiner Funktionsfähigkeit nicht uneingeschränkt. Entscheidend ist, ob die Ablehnung der Aufnahme eine sachlich nicht gerechtfertigte ungleiche Behandlung unter Berücksichtigung der sachlich gerechtfertigten satzungsgemäßen Aufnahmebedingungen darstellt.

Das Landgericht hat letztlich einen Aufnahmeanspruch abgelehnt, weil der Kläger nicht nachgewiesen habe, dass er in zwei Drittel aller Landkreise und kreisfreien Städte mit demokratisch legitimierten Vorständen vertreten ist und die Anzahl seiner Mitglieder unter 30 Jahren landesweit mindestens 450 beträgt.

Auch der Kläger bezweifelt nicht, dass eine satzungsmäßig geforderte Mindestmitgliederzahl eine sachlich gerechtfertigte Aufnahmebestimmung darstellt, um Splittergruppen von marginaler Bedeutung auszuschließen. Ob es sich bei der in der Satzung festgelegten Mindestmitgliederzahl von 450 noch um eine sachlich gerechtfertigte Mindestanforderung handelt oder ob diese Zahl, wie der Kläger meint, selbst im Vergleich zu den Mitgliedern des Beklagten wesentlich zu hoch ist und nur dazu dient, anderen Verbänden den Zugang zu erschweren oder unmöglich zu machen, braucht im vorliegenden Fall nicht entschieden zu werden. Denn der Kläger behauptet, über 500 Mitglieder zu haben. Er könnte deshalb - nach seinem eigenen Vortrag - die Voraussetzungen der Satzung des Beklagten - jedenfalls in diesem Punkt - erfüllen, sieht sich aber nicht in der Lage, den von dem Beklagten geforderten Nachweis einer entsprechenden Mitgliederzahl zu führen, weil er aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht berechtigt sei, die Namen und Anschriften der Mitglieder an den Beklagten weiter zu leiten.

Mit dieser Begründung kann sein Aufnahmeantrag indes keinen Erfolg haben. Ist der Beklagte aus sachlichen Erwägungen berechtigt, von Aufnahmeinteressenten eine Mindestmitgliederzahl zu fordern, so kann es ihm schlechterdings nicht verwehrt sein, auch einen Nachweis dafür zu verlangen, dass die satzungsmäßige Anforderung erfüllt ist. Wenn die Mitglieder des Klägers nicht bereit sind, in eine entsprechende Datenmitteilung an den Beklagten einzuwilligen, kann dies nicht dazu führen, dass die satzungsmäßigen Aufnahmevoraussetzungen des Beklagten als nicht sachlich gerechtfertigt unbeachtlich wären. Vielmehr fällt das Verhalten seiner Mitglieder in den Risikobereich des Klägers.

Dabei steht nicht einmal die Datenübermittlung im Vordergrund. Gäbe es eine Möglichkeit, den zuverlässigen Nachweis einer Mindestmitgliederzahl anders als durch eine Datenübermittlung an den Beklagten zu führen, so wäre damit den Satzungsbestimmungen möglicherweise genüge getan. Der Kläger hat eine solche Möglichkeit aber nicht aufgezeigt und den Vorschlag, die Daten gegenüber einem zur Verschwiegenheit verpflichteten Notar zu offenbaren, abgelehnt.

Auch die nochmalige Erörterung dieses durchaus sinnvollen und dem Kläger entgegenkommenden Vorschlags in der Berufungsverhandlung stieß auf Ablehnung. Ohne den Nachweis einer Mindestmitgliederzahl besteht aber kein Aufnahmeanspruch, weil die entsprechende Forderung der Satzung sachlich gerechtfertigt ist. Da sich die Mitglieder des Klägers überhaupt weigern, ihre Daten offen zu legen, bedurfte es auch keiner näheren Erörterung der Frage, ob möglicherweise schon eine geringere Zahl von Mitgliedern ausreichen würde, um der Gefahr der Aufnahme von Splittergruppen zu begegnen.

Der am 25.07.2005 bei Gericht eingegangene, nicht nachgelassene Schriftsatz, in dem der Kläger anbietet, die Daten derjenigen Mitglieder, die sich damit einverstanden erklärt hätten, einem Notar zu übergeben, gibt keinen Anlass zu einer Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung ( §§ 156, 296 a ZPO ).

Die Kostenentscheidung folgt aus § §97, 516 Abs. 3 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor, weil der Senat nur allgemein anerkannte Rechtsgrundsätze auf den Einzelfall angewandt hat (§ 543 Abs. 1 ZPO).

Ende der Entscheidung

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