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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 01.04.2008
Aktenzeichen: 11 U 14/07 (Kart)
Rechtsgebiete: TKG, UWG, ZPO, GWB


Vorschriften:

TKG § 2 Nr. 3
TKG § 10
TKG § 11
TKG § 11 Abs. 1 Satz 2
TKG § 21 Abs. 1 Nr. 7
TKG § 21 Abs. 2 Nr. 2
TKG § 21 Abs. 2 Nr. 3
TKG § 30 Abs. 5
TKG § 42
TKG § 42 Abs. 1
TKG § 42 Abs. 4
TKG § 44
TKG § 44 Abs. 1
TKG § 150 Abs. 1 Satz 1 1. Alt.
TKG § 150 Abs. 1 Satz 2
TKG § 150 Abs. 5
UWG § 3
UWG § 4 Nr. 10
UWG § 4 Nr. 11
UWG § 4 Ziff. 11
ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2
GWB § 19
GWB § 19 Abs. 1
GWB § 19 Abs. 3
GWB § 19 Abs. 4 Nr. 1
GWB § 20
GWB § 20 Abs. 1
GWB § 33
GWB § 33 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I.

Die Parteien sind Wettbewerber auf dem Telekommunikationsmarkt.

Die Klägerin betreibt ein eigenes Telekommunikationsnetz und bietet über dieses eine Vielzahl von Dienstleistungen an. Dabei ist sie auf das Geschäft mit großen und größten Unternehmenskunden spezialisiert, insbesondere entwickelt und betreibt sie (virtuelle) Unternehmensnetze. In der Regel werden bei solchen Unternehmensnetzen die Hauptverwaltung mit einzelnen Standorten des jeweiligen Kunden verbunden. Dies geschieht entweder dadurch, dass die verschiedenen Standorte (nebst Hauptverwaltung) direkt, mittels einer Mietleitung oder einer Richtfunkanbindung an das Netz der Klägerin angeschlossen werden. Zur Anbindung von Kleinststandorten wie sog. "Home-Offices", in denen Mitarbeiter des Kunden der Klägerin von zu Hause aus an das Firmennetz angebunden werden, und zur Anbindung abgelegener Standorte, die Teil des Projektes sind, greift die Klägerin auf Anschlussprodukte der Beklagten zurück, wie sie von der Beklagten auch den eigenen Endkunden angeboten werden (Endkundenprodukte, Endkundenanschlüsse). Da diese Endkundenanschlüsse von der Beklagten massenhaft und nach Maßgabe der Allgemeinen Geschäftsbedingungen Telefondienst (Z-Anschlüsse und Y-Anschlüsse) (Anlage B 1) vertrieben werden, werden diese auch AGB-Produkte genannt. Derzeit heißen diese Endkundenprodukte: X und W (vgl. Bl. 42 - 45 d. A.).

Die Bestellung und Einbindung der AGB-Produkte geschieht bislang in der Weise, dass die Klägerin im eigenen Namen für den jeweiligen Nutzer bei der Beklagten einen Telefonanschluss auf der Basis des Endkundenangebots der Beklagten bestellt und diesen dem eigenen Kunden zur Nutzung überlässt. Der dann im Netz der Beklagten geschaltete Anschluss wird jeweils auf die Klägerin im Wege der sog. Preselection dauerhaft voreingestellt, so dass alle Verbindungen von dem jeweiligen Anschluss über das Netz der Klägerin geführt werden. Die Klägerin erreicht über dieses Verfahren, dass der jeweilige Anschluss von den Vorteilen des gesamten von ihr bereitgestellten Netzes profitiert. Die Klägerin kann über diese Konstruktion gegenüber ihren Kunden einheitlich als alleiniger Vertragspartner auftreten und das Endkundenprodukt der Beklagten mit der eigenen erbrachten Verbindungsleistung koppeln. Im Gegenzug rechnet die Beklagte gegenüber der Klägerin den üblichen Endkundenpreis ab.

Dieses Verfahren wird seit mindestens dem 01.07.1995 praktiziert. Die Beklagte belieferte die Klägerin seit diesem Zeitpunkt in erheblichem Umfang unwidersprochen mit derartigen Telefonanschlüssen auf Endkundenbasis. Seit dem Jahr 2002 liegt die Anzahl derartiger Anschlüsse bei monatlich durchschnittlich über 6.500 Anschlüssen, die in Betrieb genommen wurden.

Die Beklagte billigte diese Vorgehensweise und regelte sie in ergänzenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen (vgl. Bl. 46 - 48 d. A.).

Die Klägerin erfuhr erstmals am 24.08.2004, dass sich die Beklagte weigerte, Neubestellungen betreffend AGB-Anschlüsse, die nicht von der Klägerin selbst genutzt werden, entgegenzunehmen bzw. bestehende Anschlüsse "umzuziehen". Andere Wettbewerber waren von dieser Bezugssperre ebenso betroffen.

Nachdem sich die Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post - heute: Bundesnetzagentur - mit Schreiben vom 01.09.2004 (Bl. 49/50 d. A.) in den Streit zwischen der Beklagten und den Wettbewerbern eingeschaltet hatte, übermittelte die Beklagte der Klägerin den Entwurf einer "Duldungsvereinbarung" vom 02.09.2004 (Bl. 51 - 53 d. A.), wonach ein Anspruch der Klägerin auf Belieferung mit AGB-Anschlüssen noch bis zum 31.01.2005 bestehen sollte. In dem Entwurf der - mehrfach leicht veränderten - "Duldungsvereinbarung" vom 29.09.2004 heißt es unter anderem:

1. Vorübergehende Duldung der gewerblichen Überlassung an Dritte:

Die A ist bereit, ohne Anerkennung einer Rechtspflicht eine gewerbliche Überlassung von Endkunden-AGB-Anschlüssen (Telefondienst, nachfolgend Endkunden-AGB-Anschluss), die der Vertragspartner bei der A unmittelbar neu beauftragt und bisher zu diesem Zweck beauftragt hat, durch den Vertragspartner an Dritte zu dulden, sofern der Vertragspartner die übrigen vertraglichen Voraussetzungen für die Überlassung dieses Anschlusses erfüllt.

...

3. Gemeinsames Verständnis:

Die Vertragsparteien gehen dabei von folgenden Voraussetzungen aus:

...

- Die Vertragsparteien sind sich darüber einig, dass aufgrund der in dieser Vereinbarung geregelten Duldung eine über das Ende des Geltungszeitraums dieser Vereinbarung hinausgehende Duldung der gewerblichen Überlassung von Endkunden-AGB-Anschlüssen an Dritte nicht vom Vertragspartner verlangt werden kann. Die Vertragspartner sind sich einig, dass die in dieser Vereinbarung geregelte Duldung kein freiwilliges Angebot im Sinne von § 21 Abs. 1 Nr. 7 TKG darstellt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf Bl. 54 - 56 d. A. verwiesen.

Mit einer im Beschlusswege erlassenen einstweiligen Verfügung des Landgerichts vom 09.09.2004 wurde der Beklagten aufgegeben, der Klägerin weiterhin auf Nachfrage Endkundentelefonanschlüsse - auch zur weiteren Überlassung an Dritte - zu den Bedingungen zur Verfügung zu stellen, die auch für sonstige Endkunden der Beklagten gelten, sowie Standortverlagerungen bestehender Anschlüsse zu diesen allgemeinen Bedingungen vorzunehmen. Die Beschlussverfügung wurde durch Versäumnisurteil vom 17.12.2004 bestätigt, welches wiederum durch rechtskräftiges Urteil vom 22.04.2005 aufrechterhalten wurde (Bl. 25 - 37 d. A.). Die Beklagte nahm aufgrund der einstweiligen Verfügung ihre Lieferungen an die Klägerin wieder auf, gab jedoch die mit Abschlussschreiben vom 04.11.2004 geforderte Abschlusserklärung nicht ab.

Die Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post hat mit Einleitungsbeschluss vom 08.10.2004 (Bl. 38 - 41 d. A.) ein Missbrauchsverfahren eröffnet und der Beklagten auferlegt, zunächst bis zum Abschluss dieses Verfahrens weiterhin Telekommunikationsdiensteanbietern AGB-Leistungen entsprechend den geltenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu überlassen und die Überlassung nicht von dem Abschluss einer zusätzlichen "Duldungsvereinbarung" abhängig zu machen. Mit Beschluss der Bundesnetzagentur vom 15.11.2005 (Bl. 219 - 233 d. A.) wurde die Beklagte auf der Grundlage von § 42 TKG 2004 verpflichtet, Telekommunikationsdiensteanbietern weiterhin analoge Telefonanschlüsse und ISDN-Anschlüsse entsprechend denjenigen Bedingungen, wie sie in ihren derzeit geltenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen geregelt sind, zu den jeweils gültigen Endkunden-AGB-Preisen zu überlassen, ohne dies von dem vorherigen Abschluss einer "Duldungsvereinbarung" abhängig zu machen. Die dagegen von der Beklagten erhobene Klage wies das VG Köln durch Urteil vom 17.05.2006 (Bl. 280 - 306 d. A.) ab. Auf Revision der Beklagten hob das Bundesverwaltungsgericht das Urteil des VG Köln und den Beschluss der Bundesnetzagentur auf, da die Behörde ohne vorherige Marktdefinition und Marktabgrenzung nach §§ 10,11 TKG eine Missbrauchsverfügung nicht erlassen dürfe (Anlage BB 4).

Die Klägerin hat behauptet, derzeit seien mehrere ihrer größten Kundenverträge nur durch die Nutzung von AGB-Anschlüssen zu erfüllen, so etwa das Projekt B des Bundeslandes .... Bei diesem erbringe sie für die gesamte Verwaltung Telekommunikationsleistungen und betreibe das gesamte Behördennetz. Die Behördenstruktur eines Flächenstaates erfordere die Anbindung einer Vielzahl von auch abgelegenen Standorten. Im Rahmen aller dieser Verträge seien regelmäßig Neuanschlüsse oder Umzüge erforderlich. Könnten diese Kundenverträge nicht mehr erfüllt werden, sei ein Gesamtumsatzverlust von ca. 30 Mio. Euro zu erwarten, da die Verträge nicht mehr, wie mit den Kunden vereinbart, erfüllt werden könnten und diesen ein außerordentliches Kündigungsrecht zustünde.

Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, die Beklagte nutze ihre beträchtliche Marktmacht unter Verstoß gegen § 42 Abs. 1 TKG missbräuchlich aus, da sie ihrer Verpflichtung, ihre eigenen AGB-Produkte unabhängig vom Nutzungszweck diskriminierungsfrei auch Wettbewerbsunternehmen zu überlassen, nicht nachkomme. Darin liege eine unmittelbare unbillige Behinderung und eine Beeinträchtigung der Wettbewerbsmöglichkeiten ohne sachlichen Grund. Die Beklagte könne ihre Lieferverpflichtung auch nicht von dem Abschluss einer "Duldungsvereinbarung" abhängig machen, zumal die Forderungen der Beklagten in dem Entwurf der "Duldungsvereinbarung" inakzeptabel seien. Auch die Forderung nach dem Abschluss einer missbräuchlichen Duldungsvereinbarung bedeute eine Liefersperre. In dem Verstoß gegen § 42 Abs. 1 TKG liege zugleich eine Mitbewerberbehinderung i.S.v. §§ 3, 4 Nr. 10 UWG. Zudem verschaffe sich die Beklagte einen Vorsprung durch Rechtsbruch i.S.v. §§ 3, 4 Nr. 11 UWG. Ferner sei das Verhalten der Beklagten auch kartellrechtswidrig.

Die Klägerin hat beantragt,

der Beklagten aufzugeben, der Klägerin weiterhin auf Nachfrage Endkunden-Telefonanschlüsse (sog. AGB-Prdukte), insbesondere analoge Anschlüsse (X) und Standard-ISDN-Anschlüsse (W) - auch zur Weiterüberlassung an Dritte - zu den Bedingungen zur Verfügung zu stellen, die auch für sonstige Endkunden der Beklagten gelten, sowie Standortverlagerungen (Umzüge) bestehender Anschlüsse zu diesen allgemeinen Bedingungen vorzunehmen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat geltend gemacht, ihr Verhalten diene dazu, eine Umgehung von § 150 Abs. 5 TKG zu vermeiden. Nach der am 26.06.2006 in Kraft getretenen Neufassung des Gesetzes sei sie gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 3 TKG i.V.m. § 150 Abs. 5 TKG bis zum 30.06.2008 nur zum gebündelten Resale verpflichtet, d.h., sie müsse Anschlüsse nur in Verbindung mit Verbindungsleistungen zu Großhandelsbedingungen zur Verfügung stellen. Die Wettbewerber hätten daraufhin verstärkt ihre AGB-Produkte bestellt, um diese als Alternative zu dem entbündelten Resale zu nutzen. Damit liege faktisch ein entbündeltes Resale vor, wodurch der nach § 2 Nr. 3 TKG gewünschte Infrastrukturwettbewerb gefährdet werde.

Im Hinblick auf ihren Vorschlag zum Abschluss einer "Duldungsvereinbarung" liege auch keine Liefersperre vor. Sie könne ihre weitere Leistungserbringung vom Abschluss entsprechender Verträge abhängig machen, zumal diese kein unzumutbares Angebot enthielten und sie kraft Gesetzes nicht zur Überlassung der AGB-Produkte verpflichtet sei.

Jedenfalls sei ihr Verhalten sachlich gerechtfertigt, da es ihr unter dem Gesichtspunkt der Privatautonomie frei stehe, ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen nach ihren Vorstellungen zu gestalten, und sie ein Interesse an einer klarstellenden Vereinbarung und der Vermeidung einer Umgehung des § 150 Abs. 5 TKG habe.

Der Klägerin stehe kein Anspruch aus §§ 3, 4 Nr. 10 UWG zu, da ihre, der Beklagten, Reaktion auf die Änderung des TKG keine gezielte Behinderung darstelle und sie auch nicht in Schädigungsabsicht gehandelt habe. Mangels eines Verstoßes gegen § 42 Abs. 1 TKG ergebe sich auch kein Anspruch aus §§ 3, 4 Nr. 11 UWG.

Nach Vernehmung der Zeugen Z1 und Z2 in der Sitzung vom 06.11.2006 (Vernehmungsniederschrift Bl. 328 - 334 d.A.) hat das Landgericht der Klage stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Klägerin ein Anspruch auf Belieferung mit Endkundenprodukten der Beklagten aus §§ 3, 4 Nr. 10, 11, 42 Abs. 1 TKG zustehe. § 42 TKG sei bereits vor Erlass einer Regulierungsverfügung nach §§ 10, 11 TKG anwendbar. Die erforderliche Feststellung der beträchtlichen Marktmacht der Beklagten werde durch die Feststellungen dazu gemäß § 150 Abs. 1 Satz 1, 1. Alternative bzw. § 150 Abs. 1 Satz 2 TKG im Rahmen der nach dem TKG a.F. ergangenen Beschlüsse der Regulierungsbehörde vom 25.06.2004 ersetzt. Die Beklagte nutze ihre Marktmacht missbräuchlich aus, indem sie die Fortsetzung der Belieferung der Klägerin mit Endkundenprodukten zunächst eingestellt und dann die Weiterbelieferung davon abhängig gemacht habe, dass die Klägerin eine "Duldungsvereinbarung" akzeptiere. Nach dem Parteivortrag und der durchgeführten Beweisaufnahme sei die Kammer davon überzeugt, dass in dem Unterlassen der Belieferung eine Behinderung bzw. Beeinträchtigung der Wettbewerbsmöglichkeiten der Klägerin liege. Das Unterlassen der Belieferung der Klägerin bzw. der Umstand, dass die Beklagte die Belieferung von der Unterzeichnung einer "Duldungsvereinbarung" abhängig mache, sei unbillig bzw. nicht durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt. Die Beklagte könne sich insbesondere nicht darauf berufen, dass ihr Verhalten dazu diene, eine Umgehung von § 150 Abs. 5 TKG zu vermeiden. Danach habe die Beklagte zwar bis zum 30.06.2008 Anschlüsse zu Großhandelsbedingungen nur in Verbindung mit Verbindungsleistungen zur Verfügung zu stellen. Vorliegend handele es sich jedoch nicht um ein sog. Resale-Produkt, sondern um ein Endkundenprodukt. Die Möglichkeit, dieses nur in Verbindung mit Verbindungsleistungen zur Verfügung zu stellen, sehe das Gesetz gerade nicht vor. Entscheidender Unterschied zwischen den Resale- und den AGB-Produkten sei, dass die Resale-Produkte gemäß § 30 Abs. 5 TKG zu einem Abschlag auf den Endnutzerpreis zur Verfügung gestellt werden müssen. Da die Klägerin für die von ihr beanspruchten AGB-Produkte jedoch den Endnutzerpreis entrichte, greife der Gesetzeszweck nicht ein. Die Beklagte könne die Belieferung auch nicht von dem Abschluss der von ihr verfassten "Duldungsvereinbarung" abhängig machen, da diese Bedingungen enthalte, die sachlich nicht gerechtfertigt seien. So sei schon die Klausel in Ziffer 1., wonach die Beklagte nur ohne Anerkennung einer Rechtspflicht bereit sei, eine gewerbliche Überlassung von Endkunden-AGB-Anschlüssen zu dulden, im Hinblick auf den bestehenden Belieferungsanspruch der Klägerin nicht gerechtfertigt. Damit könne die Berechtigung der übrigen Klauseln dahinstehen, da bereits die mangelnde sachliche Rechtfertigung einer der Klauseln dazu führe, dass sich die Behinderung bzw. Beeinträchtigung nicht als sachlich gerechtfertigt erweise, da die Klägerin nur vor die Alternative gestellt worden sei, die gesamte "Duldungsvereinbarung" zu akzeptieren oder nicht mehr beliefert zu werden. Wegen der tatsächlichen Feststellungen und der Begründung des Landgerichts im Einzelnen wird auf das angefochtene Urteil verwiesen (Bl. 364 - 374 d.A.).

Gegen das am 16.03.2007 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 13.04.2007 Berufung eingelegt und diese innerhalb der bis 09.07.2007 verlängerten Frist begründet.

Mit der Berufung rügt die Beklagte, dass das Landgericht die Zeugenaussagen fehlerhaft gewürdigt habe. Die Zeugen hätten die Behauptungen der Klägerin, die Gegenstand des Beweisbeschlusses seien, nicht bestätigt. Ferner sei die Auffassung des Landgerichts fehlerhaft, § 42 TKG sei bereits vor Erlass einer Regulierungsverfügung nach §§ 10, 11 TKG anwendbar. Ebenso sei es rechtsfehlerhaft, wenn das Landgericht die fehlende Festsstellung einer beträchtlichen Marktmacht der Beklagten durch frühere Feststellungen im Rahmen der nach dem alten TKG ergangenen Beschlüsse der Regulierungsbehörde ersetze. Insoweit verweist die Beklagte auf ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 18.04.2006 - Az.: 6 C 21.06 (Anlage BB 3 = MMR 2007, 709). Ergänzend hierzu behauptet die Beklagte, dass sie nicht die behauptete Position beträchtlicher Marktmacht einnehme. Die Wettbewerber der Beklagten auf dem Telekommunikationsmarkt hätten besonders hohe Zuwachsraten zu Lasten der Beklagten, weshalb sich die Marktgegebenheiten ständig veränderten und zu einer fortlaufenden Änderung der Marktverhältnisse führten. Gerade weil die Beklagte für lange Zeit mit besonders hohen Kundenverlusten zu kämpfen habe, wodurch sie allein in jüngster Vergangenheit etwa 2 Mio. Kunden verloren habe, davon allein im ersten Quartal 2007 über 600.000 Kunden, sei es tatsächlich und rechtlich fehlerhaft, eine angeblich bestehende marktmächtige Positionierung der Beklagten aus mittlerweile mehr als zwei Jahre alten Entscheidungen ableiten zu wollen. Zu Unrecht meine das Landgericht ferner, ein Marktmissbrauch liege darin, dass sie (die Beklagte) die Fortsetzung der Belieferung der Klägerin mit Endkundenprodukten zunächst eingestellt und dann vom Abschluss einer Duldungsvereinbarung abhängig gemacht habe. Zu der Feststellung, die Beklagte nutze ihre beträchtliche Marktmacht missbräuchlich aus, habe das Landgericht nur auf seine Beweiswürdigung verwiesen, wonach die Klägerin darauf angewiesen sei, ihren Kunden "alles aus einer Hand" zu liefern. Unabhängig davon, dass die Beweiswürdigung unrichtig vorgenommen worden sei, sei es nicht ihre Aufgabe, sicherzustellen oder die Grundlagen dafür zu schaffen, dass die Klägerin nun in einer ganz bestimmten Form am Markt auftreten könne (Anbieter einer "Lösung aus einer Hand" etc.). Das Landgericht habe § 21 Abs. 2 Nr. 2 TKG außer Betracht gelassen. Die Regulierungsbehörde könne hiernach Betreibern öffentlicher Kommunikationsnetze, die über beträchtliche Marktmacht verfügen, u.a. verpflichten, bereits gewährten Zugang zu Einrichtungen nicht nachträglich zu verweigern. Die Duldungsvereinbarung enthalte auch entgegen der Auffassung des Landgerichts in Ziffer 1. keine Klausel, die sachlich nicht gerechtfertigt sei. Zu Unrecht habe das Landgericht die Entscheidung auf §§ 3, 4 Ziff. 11 UWG gestützt. Die Bestimmung sei nicht anwendbar. § 42 TKG sei eine kartellrechtliche Norm. Wie der Bundesgerichtshof in der Entscheidung "Probeabonnement" (WRP 2006, 1113 ff. = GRUR 2006, 756) ausdrücklich bestätigt habe, seien die im GWB enthaltenen Regelungen abschließend, daneben sei keine Verfolgung unter dem Gesichtspunkt des Rechtsbruchs lauterkeitsrechtlich über § 4 Nr. 11 UWG möglich. Für das TKG als sektorspezifisches Kartellrecht könne nichts anderes gelten. Auch eine gezielte Mitbewerberbehinderung im Sinne des § 4 Nr. 10 UWG liege nicht vor. Die hierzu erforderliche umfassende Würdigung des Sachverhalts sei gerade unterblieben. Insbesondere fehle es an den erforderlichen Feststellungen, dass eine gezielte Behinderung der Klägerin im Sinne dieser Norm erfolgt sei. Weiterhin wendet sich die Beklagte noch gegen die Fassung des Klageantrages. Das Landgericht habe sie (Beklagte) gänzlich uneingeschränkt und unabhängig von den tatsächlichen Gegebenheiten einzelner nachgefragter Bestellungen verurteilt. Dies lasse sich materiell-rechtlich jedoch nicht rechtfertigen. Ob die Klägerin tatsächlich auf einzelne konkrete Bestellungen von AGB-Anschlüssen angewiesen sei, hänge immer vom konkreten Einzelfall ab. Das Landgericht habe sich dieser Einzelfallprüfung entzogen und ihr eine Verpflichtung auferlegt, die selbst dann greife, wenn die Klägerin im Einzelfall auf Bestellungen derartiger Produkte überhaupt nicht angewiesen sei und ohne Nachteil auf andere Realisierungen ausweichen könne (z. B. Bestellung eines Anschlusses der Beklagten durch den Endkunden der Klägerin und sofortige Einrichtung einer Preselection zugunsten der Klägerin). Schließlich sei die Tenorierung des Landgerichts zeitlich unbefristet und würde auch dann noch gelten, wenn eine fehlende kartellrechtsrelevante Position der Beklagten festgestellt worden sei.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landgerichts Frankfurt/M. vom 09.03.2007, Az.: 3/11 O 112/05, abzuändern und die Klage abzuweisen,

hilfsweise, das angefochtene Urteil aufzuheben und den Rechtsstreit an das Landgericht Frankfurt/M. zurückzuverweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil. Insbesondere ist die Klägerin der Auffassung, § 42 TKG sei bereits vor Erlass einer Regulierungsverfügung nach §§ 10, 11 TKG anwendbar. Hierzu verweist sie auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 10.02.2006 (GRUR 2007, 256 ff.). Weiterhin verweist sie darauf, dass zwischenzeitlich am 23.06.2006 eine Regulierungsverfügung der Bundesnetzagentur zu den Märkten 1 - 6 ergangen sei (Anlage B 4). Die Beklagte verfüge über eine beträchtliche Marktmacht. Durch ihre Stellung bei den AGB-Anschlüssen verhindere sie das Tätigwerden dritter Unternehmen auf anderen Märkten. Insofern handele es sich um die Ausnutzung der vertikalen Strukturen durch die Beklagte. Diese kontrolliere bei Teilnehmeranschlüssen den Markt mit einem Anteil von 95 %. Auf den bundesweiten Märkten für den Zugang zum öffentlichen Telefonnetz an festen Standorten, mit Ausnahme derjenigen Zugangsleistungen, die im Rahmen von Gesamtverträgen mit einem einzelnen Kunden und einem Jahresumsatz von mehr als einer Millionen EUR ohne USt. erbracht werden, sei die Beklagte mit einem Anteil von 90 % marktbeherrschend. Unabhängig von etwaigen Marktrückgängen - die so nicht gegeben seien - liege auf jeden Fall ein Marktanteil von weit über 40 % vor.

Wegen des Parteivortrags im Einzelnen wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

II.

A) Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

B) Das Rechtsmittel bleibt in der Sache jedoch ohne Erfolg. Das Landgericht hat die Beklagte zu Recht verurteilt, der Klägerin auf Nachfrage Endkunden-Telefonanschlüsse, insbesondere analoge und Standard-ISDN-Anschlüsse auch zur Weiterüberlassung an Dritte zu den auch für Endkunden der Beklagten geltenden Bedingungen zur Verfügung zu stellen sowie Standortverlagerungen bestehender Anschlüsse zu diesen Bedingungen vorzunehmen.

1. Die Klage ist zulässig. Der Klageantrag ist im Sinne von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO ausreichend bestimmt. Soweit die Beklagte beanstandet, nach dem Klageantrag werde sie zur Bereitstellung von AGB-Anschlüssen ohne Rücksicht darauf verpflichtet, ob die Klägerin im konkreten Fall auf die bestellten AGB-Anschlüsse angewiesen ist, betrifft dies nicht die Bestimmtheit des Antrages, sondern dessen materiell-rechtliche Begründetheit. Dasselbe gilt für die Beanstandung der Beklagten, dass sie nach dem Klageantrag zeitlich unbefristet zur Belieferung der Klägerin verpflichtet sein soll, selbst wenn sie die für die Passivlegitimation erforderliche Marktposition nicht mehr innehabe.

2. Es kann letztlich offen bleiben, ob sich der Anspruch der Klägerin aus §§ 42 Abs. 1, 44 Abs. 1 TKG (so BGH GRUR 2007, 256, 259 Rn. 27) oder mangels Durchführung eines Marktdefinitions- und Marktanalyseverfahrens nach §§ 10, 11 TKG nur aus allgemeinem Kartellrecht (§§ 19 Abs. 1, 20 Abs. 1, 33 GWB) ergibt (so BVerwG, Urteil vom 18.04.2007, Rdrn. 17, 18, 22, 36 = MMR 2007, 709, 711).

a) Allerdings kann der Anspruch nicht auf § 4 Nr. 11 UWG i. V. m. §§ 19 und 20 GWB gestützt werden. Jedenfalls seit der Änderung des GWB zum 01.07.2005 enthält dieses eine abschließende Regelung der zivilrechtlichen Ansprüche, die Mitbewerber im Falle von Verstößen gegen kartellrechtliche Verbote geltend machen können (BGH GRUR 2006, 773, 774 - Probeabonnement - Rdn. 13, 14; Köhler in: Hefermehl/Köhler/ Bornkamm, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 26. Aufl., § 4 UWG Rdn. 11. 12). Die Unanwendbarkeit des § 4 Nr. 11 UWG ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes nicht auf kartellrechtliche Verstöße beschränkt, die lediglich ein Eingreifen der Kartellbehörden ermöglichen. Soweit der Bundesgerichtshof in der genannten Entscheidung (Rn. 15 - 17) darauf abgestellt hat, dass wegen der differenzierten gesetzlichen Regelung kartellrechtliche Missbrauchstatbestände, die nicht als Verbot ausgestaltet sind, mit Hilfe des Lauterkeitsrechts nicht durchgesetzt werden können, handelt es sich nur um ein zusätzliches Argument für den Vorrang der kartellrechtlichen Anspruchsgrundlagen. Das ergibt sich zwar nicht daraus, dass die vom Bundesgerichtshof zuvor (Rdn. 13, 14) gegebene Begründung sowohl auf die kartellrechtlichen Verbote zutrifft, die nach § 33 Abs. 1 GWB zivilrechtlich durchgesetzt werden können, als auch auf Missbrauchstatbestände, die lediglich ein Eingreifen der Kartellbehörden ermöglichen. Die alleinige Anwendbarkeit der kartellrechtlichen Bestimmungen folgt jedoch daraus, dass der Bundesgerichtshof die vorerwähnten Erwägungen lediglich als zusätzliches Argument aufführt ("die kartellrechtliche Regelung unterscheidet ferner ...", Rn. 15). Dasselbe gilt für Verstöße gegen § 42 TKG, da auch dort eine dem GWB entsprechende differenzierte Normierung von Missbrauchstatbeständen besteht und mit § 44 TKG eine zivilrechtliche Anspruchsgrundlage geschaffen worden ist.

b) Jedoch steht der Klägerin ein Beseitigungsanspruch gemäß § 20 Abs. 1, 33 Abs. 1 GWB zu. Die zivilrechtlichen Ansprüche des allgemeinen Kartellrechts bleiben neben solchen nach § 44 TKG anwendbar (Rugullis in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum TKG, § 44 Rdn. 39; a. A. wohl Heimann in: Beck'scher TKG-Kommentar, hrsg. von Geppert/Piepenbrock/Schütz/Schuster, 3. Aufl., § 44 Rdn. 1). Zumindest muss dies gelten, soweit die Voraussetzungen für den Missbrauchstatbestand des § 42 TKG nicht erfüllt sind (BVerwG a. a. O., Rn. 36; Gersdorf in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum TKG, § 42 Rn. 10; Heun in: Heun (Hrsg.), Handbuch Telekommunikationsrecht, 2. Aufl., G Rz. 250 f.).

Die übrigen Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 GWB liegen vor.

Die Beklagte ist Normadressat der §§ 19 Abs. 1, Abs. 4 Nr. 1, 20 Abs. 1 GWB. Sie ist auf dem räumlich und sachlich relevanten Markt marktbeherrschend. Gemäß § 19 Abs. 3 GWB wird vermutet, dass ein Unternehmen marktbeherrschend ist, wenn es einen Marktanteil von mindestens einem Drittel hat. Diese Vermutung hat im Zivilrechtsstreit allerdings keine Beweislastumkehr zur Folge, sondern lediglich eine gewisse Indizwirkung mit der Folge, dass der in Anspruch Genommene substanziiert darzulegen hat, weshalb er trotz des erheblichen Marktanteils nicht marktbeherrschend ist (Götting in: Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, Kartellrecht, Band 2 GWB, § 19 Rdn. 49; Bechtold, GWB, 4. Aufl., § 19 Rdn. 54). Räumlich relevanter Markt ist im Streitfall das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland. Sachlich relevanter Markt ist der Markt für Sprachtelefondienst (Anschlüsse, Inlands- und Auslandsanschlüsse). Nach dem Vortrag der Klägerin in der Berufung hat die Beklagte auf diesem Markt für Teilnehmeranschlüsse einen Marktanteil von 95 % bzw. von "weit über 40 %". Dies wird von der Beklagten allerdings bestritten. Daraus ist jedoch nicht zu entnehmen, die Beklagte wolle auch einen Marktanteil von 40 % leugnen. Die Beklagte hat in der Berufungsverhandlung auch bestätigt, dass sie einen Marktanteil von jedenfalls 40 % nicht bestreiten könne. Bei einem solchen Anteil sind die Voraussetzungen des § 19 Abs. 3 GWB erfüllt. Dass die Beklagte auf diesem Markt eine marktbeherrschende Stellung einnimmt, wurde im Übrigen auch in der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 10.10.2006 - Preselection (GRUR 2007, 256, 257) zugrunde gelegt und im dortigen Verfahren von der Beklagten mit der Revision nicht angegriffen. Damit liegt der Marktanteil der Beklagten jedenfalls höher als ein Drittel, so dass ihre marktbeherrschende Stellung im vorgenannten Sinne vermutet wird. Die Beklagte hat nichts Näheres dazu vorgetragen, weshalb sie trotz dieses Marktanteils keine beherrschende Stellung innehabe. Der Verweis auf viele besonders finanzkräftige Akteure, die oftmals zu den international agierenden Telekommunikationskonzernen zählen und besonders hohe Zuwachsraten zu ihren Lasten (Verlust von etwa 2 Mio. Kunden in der jüngeren Vergangenheit) hätten, genügt dafür jedenfalls nicht. Daraus folgt nicht, dass es der Beklagten an einer im Verhältnis zu ihren Wettbewerbern überragenden Marktstellung (§ 19 Abs. 2 Nr. 2 GWB) fehlt, wobei außer ihrem Marktanteil auch ihre Finanzkraft, ihr Zugang zu den Beschaffungs- und Absatzmärkten oder ihre Verflechtung mit anderen Unternehmen zu berücksichtigen sind.

Die Beklagte behindert die Klägerin, wenn sie sie nicht mit Endkundentelefonanschlüssen beliefert. Eine Lieferverweigerung kann grundsätzlich eine Behinderung darstellen (Schultz in: Langen/Bunte, Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, Band 1 Deutsches Kartellrecht, § 20 Rdn. 155). Das Landgericht hat zutreffend festgestellt, dass die Klägerin beim Angebot und bei der Erbringung ihrer Leistungen, nämlich dem Betrieb virtueller Unternehmensnetze, behindert wird, wenn sie nicht auf Endkundenanschlüsse zurückgreifen kann. Unabhängig davon, welche Tatsachen Gegenstand des Beweisbeschlusses des Landgerichts waren, ergibt sich aus der Aussage des Zeugen Z1 jedenfalls, dass die Klägerin auf AGB-Anschlüsse der Beklagten angewiesen ist, um ein flächendeckendes Angebot darstellen zu können. Dies ist bei Kunden, die über viele Kleinststandorte verfügen, erforderlich. Diese Kundenbeziehungen sind von der Lieferverweigerung der Beklagten betroffen, auch wenn bereits bestehende Einzelanschlüsse nicht davon berührt werden. Nach dem Wissen des Zeugen fallen bei den Kundenbeziehungen regelmäßig Neuanschlüsse und Umzüge von Anschlüssen an wie etwa im Bereich der Polizei im Bundesland .... Der Zeuge hat weiter bekundet, dass die Klägerin mit Kunden, die auf die AGB-Produkte angewiesen sind, im Geschäftsjahr 2005/2006 im Bereich der Sprachtelefondienstleistungen einen Umsatz von 27,9 Mio. Euro gemacht hat. Der Zeuge hat diese Zahlen zwar nicht selbst ermittelt, sondern sich aus dem Controlling der Klägerin kommen lassen. Es gibt aber keine Anhaltspunkte dafür, dass dem Zeugen aus dieser Abteilung der Klägerin gröblichst falsche Zahlen mitgeteilt worden sind. Ob die Zahlen genau zutreffen oder teilweise falsch sind, ist nicht entscheidend. Jedenfalls lässt sich daraus entnehmen, dass die Klägerin für wesentliche Umsätze auf die hier beanspruchten Belieferungen angewiesen ist. Bezüglich des Kunden C konnte der Zeuge angeben, dass auf einige 10.000 Telefonanschlüsse 345 AGB-Anschlüsse fallen. Der Anteil bewegt sich zwar in diesem Fall nur in der Größenordnung von etwa 1 %. Der Anteil dürfte aber bei dem Projekt B des Kunden Bundesland ... höher liegen. Auch der Zeuge Z2 hat bestätigt, dass C insoweit nicht der klassische Kunde ist und bei anderen Kunden (D, E, F) die Anteile an Einzelanschlüssen höher liegen. Bezüglich des Kunden F hat er bekundet, dass dieser eine große Vertriebsmannschaft unterhalte und die Klägerin die Heimarbeitsplätze ausgestattet habe. Beim Wechsel oder Umzug eines Vertriebsmitarbeiters würden Neuanschlüsse und Anschlussumzüge erforderlich. Der Zeuge Z2 schätzte im Fall dieses Kunden den Anteil der AGB-Anschlüsse auf etwa die Hälfte. Auch wenn die Neuanschlüsse und Anschlussverlegungen davon wiederum nur einen Bruchteil ausmachen, liegt es auf der Hand, dass sich Kunden von der Klägerin abwenden, wenn die Klägerin ihnen nicht in diesen Einzelfällen Einzelanschlüsse für Kleinststandorte beschafft. An der Glaubhaftigkeit der Aussagen bestehen keine Bedenken. Die Aussagen der Zeugen stimmen in den wesentlichen Punkten überein. Die Zeugen haben auch angegeben, inwieweit ihre eigenen Kenntnisse reichen und inwiefern sie diese von anderen Personen bezogen haben. Das Interesse der Zeugen am Ausgang des Rechtsstreits ist nicht so hoch anzusetzen, dass ihnen deshalb bereits eine bewusste Falschaussage zugunsten ihres Arbeitgebers zuzutrauen wäre. Unmittelbare Auswirkungen auf ihre berufliche Stellung hat das Prozessergebnis ersichtlich nicht. Zudem betreffen die Angaben der Zeugen Umstände, die unschwer anhand der Unterlagen der Klägerin nachgeprüft werden könnten, so dass das Risiko der Zeugen, für eine Falschaussage belangt zu werden, erheblich wäre.

Darüber hinaus liegt auch eine kartellrechtsrelevante Ungleichbehandlung gegenüber der Klägerin vor. Die Beklagte behandelt diejenigen Unternehmen, die die vorgelegte Duldungserklärung nicht abgeben, in einem gleichartigen Unternehmen üblicherweise zugänglichen Geschäftsverkehr ungleich, wenn sie sie von der weiteren Belieferung mit AGB-Anschlüssen ausschließt. Unerheblich ist dabei, dass die Beklagte die Duldungserklärung von allen Nachfragern verlangt. Entscheidend ist für die hier vorzunehmende rechtliche Beurteilung vielmehr, wie sich die Beklagte zu den unterschiedlichen Reaktionen der mit dieser Forderung konfrontierten Unternehmen verhält. Da sie die Bewerber, die auf ihre Forderung eingehen, anders behandelt als diejenigen, die die Duldungsvereinbarung nicht unterzeichnen, indem sie nur erstere bei der Belieferung berücksichtigt, liegt eine Ungleichbehandlung vor (Kammergericht, ZIP 1998, 1600, 1605 - Berliner Straßenbau).

Eine Behinderung bzw. Ungleichbehandlung scheidet hier auch nicht deshalb aus, weil die Beklagte die Klägerin an sich mit den nachgefragten AGB-Produkten beliefern will, jedoch die Belieferung von der Unterzeichnung einer Duldungsvereinbarung abhängig macht. Auch in einem solchen Fall behindert das marktbeherrschende Unternehmen den Nachfrager, weil dieser die nachgefragte Belieferung nur um den Preis eines anderen Nachteils erlangen kann. So ist anerkannt, dass eine Behinderung auch dann vorliegt, wenn der Marktbeherrscher die Belieferung von der Anerkennung seiner Geschäftsbedingungen abhängig macht und diese Bedingungen ihrerseits unbillig behindert sind (Kammergericht a. a. O; Bechtold, § 20 Rn. 50). Ebenso wenig wird dadurch der Tatbestand der Ungleichbehandlung ausgeschlossen.

Es kommt deshalb in der vorliegenden Sache entscheidend darauf an, ob sich die Beklagte mit der Forderung nach Unterzeichnung der Duldungsvereinbarung unbillig verhält. Zutreffend ist zwar die Ansicht der Beklagten, dass es bei einem Anspruch auf Belieferung auf die Abwägung der gegenläufigen individuellen Interessenlage unter Berücksichtigung der Zielsetzung des GWB und des TKG ankommt. Bei einer marktbeherrschenden Stellung muss jedoch grundsätzlich von einer Lieferpflicht ausgegangen werden (Schultz, a. a. O., § 20 Rn. 158).

Das Landgericht hat eine Unbilligkeit darin gesehen, dass sich die Beklagte in der Duldungsvereinbarung unter Nr. 1 vorbehalten will, eine gewerbliche Überlassung von Endkunden-AGB-Anschlüssen durch den Vertragspartner an Dritte nur ohne Anerkennung einer Rechtspflicht zu dulden. Das erscheint zweifelhaft. Für die Klägerin bedeutet es keinen Nachteil, wenn die Beklagte sie ohne Anerkennung einer Rechtspflicht mit AGB-Anschlüssen zur gewerblichen Überlassung an Dritte beliefert. Auch wenn dieser Vorbehalt der Beklagten Gegenstand der Duldungsvereinbarung ist, handelt es sich doch nur um eine einseitige Erklärung der Beklagten. Ein Nachteil der Klägerin ist aus einem solchen Vorbehalt nicht zu erkennen. Die Beklagte begeht auch ohne Abschluss einer solchen Duldungsvereinbarung keinen Verstoß gegen § 20 GWB oder § 42 TKG, wenn sie Nachfrager ohne Anerkennung einer Rechtspflicht beliefert. Insbesondere enthält dieser Vorbehalt keine Vereinbarung, dass die Beklagte die erbrachten Leistungen jederzeit zurückfordern könnte. Dies kann aber letztlich dahinstehen. Denn jedenfalls enthält die von der Beklagten vorgelegte Duldungsvereinbarung unter Nr. 3 3. Abs. eine unbillige Bedingung. Nach dieser Klausel sind die Vertragsparteien sich darüber einig, dass aufgrund der in dieser Vereinbarung geregelten Duldung eine über das Ende des Geltungszeitraums der Vereinbarung hinausgehende Duldung der gewerblichen Überlassung von Endkunden-AGB-Anschlüssen an Dritte vom Vertragspartner nicht verlangt werden kann. Eine solche Vereinbarung ist für die Klägerin nachteilig, weil aus ihr herzuleiten ist oder jedenfalls hergeleitet werden kann, dass nach der Beendigung der Vereinbarung ein Überlassungsanspruch der Klägerin nicht mehr besteht. Dafür spricht zum einen der Wortlaut der Klausel, die eine Duldung der gewerblichen Überlassung von Endkunden-AGB-Anschlüssen an Dritten durch die Beklagte nach Ablauf der Duldungsvereinbarung generell ausschließt. Zum anderen besteht ersichtlich keine Notwendigkeit, den Wegfall einer vertraglichen Duldungspflicht nach Beendigung der Vereinbarung lediglich deklaratorisch festzuhalten. Der nahe liegende Zweck der Bestimmung kann deshalb allein darin gesehen werden, die Duldungs- und damit die Belieferungspflicht der Beklagten vertraglich zu begrenzen. Mit diesem Inhalt ist die Klausel unbillig, weil ohne sie ein Belieferungsanspruch aus §§ 20 Abs. 1, 33 GWB oder aus einer entsprechenden Entscheidung der Regulierungsbehörde gemäß § 42 Abs. 4 TKG bestehen kann. Solange § 20 Abs. 1 GWB anwendbar ist, muss schon aufgrund der marktbeherrschenden Stellung der Beklagten von einer Lieferpflicht ausgegangen werden (Schultz, a. a. O. § 20 Rn. 158). Dass die Belieferung für die Beklagte unzumutbar sei, trägt diese selbst nicht vor. Insbesondere kann sie sich auch nicht, wie das Landgericht bereits zutreffend ausgeführt hat, auf § 150 Abs. 5 TKG berufen. Danach kann zwar die Regulierungsbehörde die Beklagte bis zum 30.06.2008 nur mit der Maßgabe, dass die Anschlüsse in Verbindung mit Verbindungsleistungen zur Verfügung zu stellen sind, verpflichten, Zugang zu bestimmten von ihr angebotenen Diensten, wie sie Endnutzern angeboten werden, zu Großhandelsbedingungen zu gewähren. Die Übergangsbestimmung betrifft indes nur sog. Resale-Produkte (Müller in: Säcker (Hrsg.), Berliner Kommentar zum TKG, § 150 Rdn. 41), also solche, für die gemäß § 30 Abs. 5 TKG ein um einen Abschlag verringerter Endnutzerpreis gezahlt wird. Um den Zugang zu solchen Resale-Produkten geht es jedoch vorliegend nicht, wie das Landgericht mit Recht entschieden hat und wie zwischen den Parteien auch nicht mehr streitig ist.

c) Der Antrag ist ferner nicht, wie die Beklagte meint, zu weit gefasst. Nach dem Antrag soll die Beklagte zwar zur Belieferung der Klägerin mit Endkunden-Telefonanschlüssen verpflichtet werden, ohne dass dies von der Frage abhängen soll, ob die Klägerin auf die Anschlüsse dringend angewiesen ist. Wie sich aus der Beweisaufnahme ergeben hat, benötigt die Klägerin jedoch schon für ihre derzeitigen Kunden derartige Endkunden-Telefonanschlüsse im Falle von Standortverlagerungen (Umzügen).

Der Klageantrag ist auch nicht deshalb zu weit gefasst, weil er keine zeitliche Beschränkung enthält und die Lieferverpflichtung der Beklagte nicht davon abhängig macht, ob sie noch eine marktbeherrschende Stellung einnimmt. Der spätere Wegfall der Aktiv- oder Passivlegitimation muss nicht im Klageantrag und nicht im Urteilstenor berücksichtigt werden. Solche Veränderungen, die zum Wegfall des titulierten Anspruchs führen, sind vielmehr durch Vollstreckungsgegenklage (§ 767 ZPO) geltend zu machen.

d) Ebenso sind - abgesehen von der nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts erforderlichen Marktdefinition und Marktanalyse - die Voraussetzungen des § 42 TKG gegeben. Aus den vorgenannten Gründen verfügt die Beklagte schon nach ihrem Marktanteil von zumindest 40 % (siehe oben) über eine beträchtliche Marktmacht. Nach § 11 Abs. 1 Satz 2 TKG liegt diese Voraussetzung vor, wenn ein Unternehmen allein oder gemeinsam mit anderen eine der Beherrschung gleichkommende Stellung einnimmt, das heißt eine wirtschaftlich starke Stellung innehat, die es ihm gestattet, sich in beträchtlichem Umfang unabhängig von Wettbewerbern und Endnutzer zu verhalten. Dafür spricht zudem die Regulierungsverfügung der Bundesnetzagentur vom 23.06.2006 unter II. 2. (S. 43 des Beschlusses, in der auf die Feststellung der Präsidentenkammer (§132 Abs. 4 Satz 2 TKG) verwiesen wird), der zufolge die Beklagte nach wie vor über eine beträchtliche Marktmacht für den Zugang zum öffentlichen Telefonnetz an festen Standorten und öffentliche Inlandsgespräche an festen Standorten verfügt. Diese Feststellung ist zwar für die Zivilgerichte nicht bindend, sie stellt aber ein gewichtiges Indiz dar, das hier den Vortrag der Klägerin bestätigt. Die Beklagte nutzt ihre Stellung auch missbräuchlich aus, da sie mit der Klägerin ein anderes Unternehmen unmittelbar unbillig behindert und deren Wettbewerbsmöglichkeiten ohne sachlich gerechtfertigten Grund erheblich beeinträchtigt. Auch insoweit gilt das zu § 20 Abs. 1 GWB Ausgeführte.

C) Die Beklagte hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels zu tragen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision ist nicht gemäß § 543 ZPO zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern. Insbesondere kommt es für die Entscheidung auf die unterschiedlichen Ansichten des Bundesgerichtshofes und der Bundesverwaltungsgerichts zur Anwendbarkeit des § 42 TKG nicht an.

Ende der Entscheidung

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