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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 18.08.2009
Aktenzeichen: 11 U 19/09
Rechtsgebiete: UrhG


Vorschriften:

UrhG § 13
UrhG § 17
UrhG § 97 Abs. 1
1. Dem Unterlassungsschuldner obliegt es nicht nur, keine weiteren Handlungen vorzunehmen, die eine Verletzung des Unterlassungsgebotes darstellen, sondern er muss alles ihm Zumutbare tun, um vor Abgabe des Unterlassungsversprechens angelegte Störungsquellen zu beseitigen.

2. Eine "Rückrufaktion" auf bloße Vermutung hin, dass rechtsverletzendes Material an eine bestimmte Stelle gelangt sein könnte, kann jedoch im Einzelfall unzumutbar sein.


Tenor:

Auf die Berufung der Verfügungsbeklagten wird das am 21.01.2009 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main (Az. 2/6 O 483/08) abgeändert.

Der Beschluss - einstweilige Verfügung - der 6. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 29.08.2008 (Az. 2/6 O 483/08) wird aufgehoben. Der Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Eilverfahrens hat die Verfügungsklägerin zu tragen.

Gründe:

I. Von der Darstellung des Tatbestandes wird gem. §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.

II. Die zulässige Berufung ist begründet.

Der Verfügungsklägerin steht kein Unterlassungsanspruch aus § 97 Abs. 1 i.V.m. § 13 UrhG gegen die Verfügungsbeklagte zu.

Die Verfügungsklägerin kann zwar als Urheberin der streitgegenständlichen Fotografien, die jedenfalls gem. § 72 UrhG urheberrechtlichen Schutz genießen, gem. § 13 UrhG verlangen, als Urheberin der Fotografien benannt zu werden.

Für den geltend gemachten Unterlassungsanspruch fehlt jedoch die erforderliche Wiederholungsgefahr.

Aufgrund der strafbewehrten Unterlassungserklärung der Verfügungsbeklagten vom 2.5.2008 (Bl. 8 ff. d.A.) ist die Wiederholungsgefahr entfallen. Mit der Unterlassungserklärung hat sich die Verfügungsbeklagte unter anderem verpflichtet, die streitgegenständlichen Fotografien der Verfügungsklägerin nicht ohne Hinweis auf deren Urheberschaft zu vervielfältigen und/oder zu verbreiten und/oder diese Handlungen durch Dritte vornehmen zu lassen.

Eine Unterwerfungserklärung steht der Annahme der Wiederholungsgefahr allerdings dann nicht entgegen, wenn erneut gleichartige Verstöße begangen werden (BGH, Urteil v. 9.11.1979, I ZR 24/78, GRUR 1980, 241, 242 - Rechtsschutzbedürfnis). Eine nach Abgabe einer Unterlassungserklärung erneute - auch unverschuldete - Zuwiderhandlung begründet Wiederholungsgefahr und lässt einen neuen gesetzlichen Anspruch entstehen (Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG, 27. Auflage, § 12 Rn 1.157).

Ein erneuter Verstoß der Verfügungsbeklagten gegen das Urheberbenennungsrecht der Verfügungsklägerin nach der strafbewehrten Unterlassungserklärung vom 2.5.2008 ist jedoch nicht glaubhaft gemacht.

Zwar erfolgte eine Zuwiderhandlung gegen das Urheberbenennungsrecht der Verfügungsklägerin, indem die Verfügungsbeklagte die Abreißschreibtischunterlage (Anlage Ast 2; Bl. 7 d.A.), die ohne einen Hinweis auf die Urheberschaft Fotos der Verfügungsklägerin enthält, über den Leiter ihres Ordnungsamtes öffentlich angeboten bzw. in den Verkehr gebracht hat, so dass die Fraktionssekretärin der Partei "X" sie aus dem Vorzimmer des Leiters des Ordnungsamtes mitnehmen konnte.

Die Verfügungsbeklagte hat jedoch glaubhaft gemacht, dass diese Zuwiderhandlung bereits vor Abgabe der Unterlassungserklärung erfolgte.

Die Verfügungsbeklagte hat mit der Berufungsbegründung vorgetragen (Bl. 113 d.A.) und durch Vorlage einer Versicherung an Eides statt glaubhaft gemacht (Bl. 116 d.A.), dass die Abreißschreibtischunterlage bereits im Herbst 2007 - also lange Zeit vor Abgabe der strafbewehrten Unterlassungserklärung - durch die Fraktionssekretärin der Partei "X" aus dem Vorzimmer des Leiters des Ordnungsamtes mitgenommen worden sei. Dieser neue, von der Verfügungsklägerin bestrittene Vortrag ist gemäß § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO zuzulassen, weil die Verfügungsbeklagte unwidersprochen vorgetragen hat, dass sie hiervon erst nach sehr umständlichen Befragungen Kenntnis erlangt hat.

Die Behauptung der Verfügungsklägerin, die streitgegenständliche Abreißschreibtischunterlage habe am 20.8.2009 im Dienstleistungszentrum der Stadt ... (Rathaus) im Rahmen einer Bauausschusssitzung zur Mitnahme ausgelegen, ist nicht glaubhaft gemacht. Zwar hat die Verfügungsklägerin eine entsprechende Versicherung an Eides statt des Herrn A zur Akte gereicht (Bl. 18 d.A.). Dem stehen jedoch die von der Verfügungsbeklagten zur Akte gereichten Versicherungen an Eides statt (Bl. 30-33 d.A.) entgegen.

Ein Verstoß gegen die Unterlassungsverpflichtung folgt auch nicht daraus, dass die streitgegenständliche Abreißschreibtischunterlage unstreitig am 20.8.2008 und noch bis zum 5.9.2008 im Fraktionsraum der Partei "X" auf einem Schreibtisch lag.

Durch die Nutzung des Abreißblockes als Schreibtischunterlage, auf welche jedenfalls die Fraktionsmitglieder der Partei "X" zugreifen konnten, sind zwar die Voraussetzungen eines öffentlichen Angebots gem. § 17 Abs. 1 UrhG gegeben. Denn ähnlich wie bei Schulaufenthaltsräumen oder Betriebsveranstaltungen fehlt es an einer persönlichen Verbundenheit der Fraktionsmitglieder und der Abgeschlossenheit der Räumlichkeiten (Dreier/Schulze, 3. Aufl., § 15 Rn. 44).

Es begründet aber keine Zuwiderhandlung der Verfügungsbeklagten, dass der Abreißblock nach Abgabe der Unterlassungserklärung noch bis zum 5.9.2009 weiter im Fraktionsraum der Partei "X" als Schreibtischunterlage genutzt wurde.

Die Verfügungsbeklagte hat durch Vorlage einer Versicherung an Eides statt ihrer zuständigen Mitarbeiterin glaubhaft gemacht, dass sie zunächst keine Kenntnis davon hatte, dass die Schreibtischunterlage sich im Fraktionsbüro befand. Nach Zustellung der einstweiligen Verfügung vom 29.8.2008 hat sie sofort am 5.9.2008 dafür gesorgt, dass die Schreibtischunterlage aus dem Fraktionsbüro entfernt wurde.

Die Verfügungsbeklagte hat zwar nur ihre Mitarbeiter durch E-Mails vom 2.5.2008 (Bl. 39 d.A.) und 5.5.2008 (Bl. 40 d.A.) dazu aufgefordert, die Werbematerialen nicht an Dritte weiterzugeben. Sie hat nicht die Fraktionsangehörigen aufgefordert, möglicherweise bereits an diese verbreitetes Material zurückzugeben. Darin liegt jedoch keine Zuwiderhandlung.

Zwar obliegt es dem Unterlassungsschuldner nicht nur, keine weiteren Handlungen vorzunehmen, die eine Verletzung des Unterlassungsgebotes darstellen. Er muss darüber hinaus alles ihm Zumutbare tun, um die Weiterverbreitung von rechtsverletzendem Werbematerial zu verhindern (KG, Urteil v. 11.07.1986 - 5 U 1878/85, WRP 1986, 680; OLG Köln, Urteil v. 10.12.1982 - 6 U 137/82, WRP 1983, 452; OLG Hamm, Urteil v. 19.12.1989 - 4 U 187/89, NJW-RR 1990, 1197), insbesondere muss er schon vor Abgabe eines Unterlassungsversprechens angelegte Störungsquellen beseitigen.

Die Verfügungsbeklagte hatte gegenüber der Fraktion keinen Rechtsanspruch auf Rückgabe der Schreibtischunterlage. Dies allein schließt zwar nicht ohne weiteres die Pflicht aus, einen Rückruf zumindest zu versuchen. So entfällt etwa bei einem Vertriebsverbot die Verpflichtung des Schuldners, dafür zu sorgen, dass von seinen Abnehmern noch nicht abgesetzte Vertriebsstücke vom Markt genommen werden, nicht von vornherein deswegen, weil die Abnehmer als eigenständige Unternehmen nicht von ihm weisungsabhängig sind (OLG Köln, Beschluss vom 12. 3. 2008 - 6 W 21/08, GRUR-RR 2008, 365).

Entscheidend ist jedoch, dass das Werbematerial nicht für die Fraktionen bestimmt war und die Verfügungsbeklagte auch keine Kenntnis davon hatte, dass die Schreibtischunterlage in einem Fraktionsbüro benutzt wurde, das sich in einem vom Verwaltungstrakt getrennten Bauteil des Rathauses befindet. Dorthin war sie zudem bereits im Herbst 2007 verbracht worden, als noch keine Auseinandersetzung zwischen den Parteien um die streitgegenständlichen Fotos im Gange war. Eine Veranlassung, rein vorsorglich den Versuch eines Rückrufs bei den Fraktionen zu unternehmen, bestand deshalb nicht. Denn die Rechtsverletzung war bereits eingetreten und die Störungsquelle wurde unmittelbar nach Bekanntwerden beseitigt. Eine "Rückrufaktion" auf bloßen Verdacht hin, dass das rechtsverletzende Material möglicherweise auch in die Fraktionsbüros gelangt sein könnte, liefe im Ergebnis auf einen Beseitigungsanspruch hinaus und würde die Grenze des einem Unterlassungsschuldner Zumutbaren nach Auffassung des Senats überschreiten.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1 ZPO. Einer Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit bedarf es nicht, weil das Urteil kraft Gesetzes (§ 542 Abs. 2 ZPO) nicht revisibel ist.

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