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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 28.10.2008
Aktenzeichen: 11 U 39/08(Kart)
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 529 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I.

Die Parteien schlossen am 5./8.2.2001 einen Rahmenvertrag zur Belieferung von Kunden der Klägerin mit Strom im Netz der Beklagten.

Die Klägerin meint, die Netznutzungsentgelte der Beklagten für die Jahre 2003 und 2004 seien überhöht und begehrt die gerichtliche Festsetzung des billigen Netznutzungsentgelts und Rückzahlung der Differenz zu dem gezahlten Entgelt in Höhe von 2.314,21 € an sich.

Mit dem am 1.2.2008 verkündeten Urteil hat das Landgericht die Klage wegen fehlender Aktivlegitimation der Klägerin abgewiesen, da die Netznutzungsverträge nicht zwischen ihr und der Beklagten, sondern zwischen der Beklagten und den Kunden der Klägerin geschlossen worden seien.

Gegen dieses Urteil, auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes verwiesen wird, richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie ihr Klagebegehren unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens vollumfänglich weiterverfolgt.

Wegen der Einzelheiten des Berufungsvorbringens wird auf die Berufungsbegründung vom 11.4.2008 (Band III, Bl. 1-53) sowie auf die Schriftsätze vom 30.9.2008 (Band IV, Bl. 1-40) und vom 22.10.2008 (Band IV, Bl. 84-92) jeweils nebst Anlagen Bezug genommen.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens.

Auf die Berufungserwiderung vom 10.9.2008 (Bl. 294-318 d.A.) sowie auf den Schriftsatz vom 20.10.2008 (Band IV, Bl. 57-67) jeweils nebst Anlagen wird wegen der Einzelheiten verwiesen.

Wegen des Vortrags der Parteien in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat wird auf die Niederschrift über die Verhandlung vom 28.10.2008 (Band IV, Bl. 57-67) verwiesen.

II.

Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, mithin zulässig. Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg, weil das angefochtene Urteil nicht auf einem Rechtsfehler (§ 546 ZPO) beruht und die nach § 529 Abs. 1 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine abweichende Entscheidung nicht rechtfertigen (§ 513 Abs. 1 ZPO).

Das Landgericht hat die Klage zu Recht als unbegründet abgewiesen, denn die Klägerin ist für den geltend gemachten Anspruch nicht aktivlegitimiert. Allenfalls den Endkunden der Klägerin könnte ein solcher Anspruch zustehen.

1. Die Klägerin ist nicht Vertragspartnerin eines Netzungsnutzungsvertrages mit der Beklagten, denn die Netznutzungsverträge wurden gemäß § 3 Abs. 2 des Rahmenvertrages (Band I, Bl. 83) zwischen den Endkunden der Klägerin und der Beklagten geschlossen. Die Endkunden wurden bei dem Abschluss der Netzungsnutzungsverträge jeweils durch die Klägerin als Bevollmächtigte vertreten (Band I, Bl. 129; Band II, Bl. 134).

Soweit die Klägerin meint (Band III, Bl. 5/6), aus dem Schreiben vom 5.2.2001 (Band I, Bl. 129) und aus der Einziehungsermächtigung vom 7.5.2001 (Band I, Bl. 130/131) ergebe sich, dass die Klägerin alleinige Schuldnerin der Entgelte für die Netznutzung sei, kann ihr nicht gefolgt werden.

Dem steht zunächst entgegen, dass die Klägerin im Schreiben vom 5.2.2001 ausdrücklich erklärte, den Netznutzungsvertrag in Vollmacht für ihre Kunden unterzeichnet zu haben. Auch mit Schreiben vom 28.8.2002 (Band III, Bl. 319) beantragte die Klägerin, die Netznutzung im Auftrag ihrer Kunden.

Aus dem Wunsch der Klägerin, die Rechnungen über die Netznutzungsentgelte selbst zu erhalten kann nicht geschlossen werden, dass die Klägerin Schuldnerin dieser Entgelte ist. § 12 Abs. 1 lit. a) des Rahmenvertrages ermöglicht nämlich ein Inkasso der Netznutzungsentgelte durch die Klägerin als Stromlieferantin. Ein schriftlicher Inkassovertrag war für die wirksame Vereinbarung eines Inkassos durch die Klägerin nicht erforderlich. Die Klägerin hatte ein eigenes Interesse an der Übernahme des Inkassos, weil sie ihren Kunden ein einheitliches Entgelt für die Stromlieferung und die Netznutzung berechnete. Aus diesem Grund hat die Klägerin die Einziehungsermächtigung vom 7.5.2001 auch nicht zwangsläufig für eine eigene Schuld erteilt. Da die Klägerin die Netznutzungsentgelte für ihre Kunden zahlte, kann auch aus dem Schreiben vom 14.7.2004 (Band III, Bl. 196) nicht abgeleitet werden, dass die Beklagte die Klägerin als Vertragspartnerin und Schuldnerin der Netznutzungsentgelte ansah. Schließlich überzeugt auch das Argument nicht, die von der Klägerin erklärten Vorbehalte seien nur sinnvoll, wenn die Klägerin von einer eigenen Schuld ausgegangen sei. Diese Vorbehalte könnte die Klägerin ebenso als Nebenpflicht aus dem Stromliefervertrag im Interesse ihrer Kunden erklärt haben.

Auch aus dem Vortrag der Beklagten, sie habe die Netznutzung entsprechend der Verbändevereinbarung II plus gewährt, folgt nicht die Aktivlegitimation der Klägerin. Dieser Vortrag der Beklagten bezieht sich erkennbar stets nur darauf, dass die Höhe des Netznutzungsentgelts entsprechend den Anforderungen der Verbändevereinbarung II plus berechnet worden sei.

Es trifft zwar zu, dass nach Ziffer 1.1 der Verbändevereinbarung II plus (Band III, Bl. 133/134) bei Vorlage eines All-inclusive-Vertrages der Abschluss eines Netznutzungsvertrages zwischen Endkunde und Netzbetreiber entfällt. Die Verbändevereinbarung II plus stammt jedoch vom 13.12.2001, während der Rahmenvertrag zwischen den Parteien im Februar 2001 geschlossen wurde. Die Verbändevereinbarung II plus erlaubt daher keine Rückschlüsse auf die Vertragsbeziehungen zwischen den Parteien. Im Gegensatz zu dem Fall, den das LG Potsdam in seinem Teilurteil vom 15.5.2007 (Band III, Bl. 205 ff.) zu beurteilen hatte, hat die Klägerin hier auch keine Nachtragsvereinbarung mit der Beklagten geschlossen, wonach sie bei All-inclusive-Verträgen mit ihren Kunden selbst Gläubigerin des Anspruchs auf Netznutzung und Schuldnerin der Netznutzungsentgelte ist. Noch hat sie vorgetragen, von der Beklagten den Abschluss einer solchen Abänderung des Rahmenvertrages verlangt zu haben.

Durch die Vorlage der Kopie des Schreibens vom 5.9.2001 betreffend den Kunden Dr. A in der mündlichen Verhandlung ist nicht schlüssig dargetan, dass die Klägerin Vertragspartnerin der Beklagten hinsichtlich der Netznutzungsrechte war. Ohne Kenntnis des Inhalts der in dem Schreiben erwähnten Verträge kann eine von dem geschlossenen Rahmenvertrag abweichende Vertragsgestaltung auch hinsichtlich dieses Kunden nicht angenommen werden.

Von der Möglichkeit des Schuldbeitritts gemäß § 12 Abs. 1 lit. c) des Rahmenvertrages hat die Klägerin keinen Gebrauch gemacht. Dies stellt die Berufung (Band III, Bl. 26/27) ausdrücklich klar. Für eine stillschweigende Abtretung von Ansprüchen der Kunden an die Klägerin, fehlen jegliche Anhaltspunkte.

2. Auch der Ansicht der Klägerin, die von der Beklagten gewählte Vertragskonstruktion sei kartellrechts- und sittenwidrig, also nichtig, kann nicht gefolgt werden. Es kann deshalb offen bleiben, ob die Nichtigkeit des Netznutzungsvertrages mit den Endkunden überhaupt zu einer vertraglichen Netznutzung durch die Klägerin führen könnte.

Als kartellrechtswidrig einzustufen ist es, wenn ein Netzinhaber den Abschluss eines Netznutzungsvertrages davon abhängig macht, dass die Endkunden den Netznutzungsvertrag mit ihm schließen (vgl. etwa OLG Schleswig, Urt. v. 9.10.2001- 6 U Kart 38/01, RdE 2002, 75; Band III, Bl. 114). Um die Verweigerung des Netzzugangs geht es im vorliegenden Fall jedoch nicht. Die Klägerin hat ihren Anspruch auf Abschluss eines eigenen Netznutzungsvertrags mit der Beklagten ersichtlich nicht geltend gemacht. Sie hat vielmehr den Rahmenvertrag vom 5./8.2.2001 geschlossen und auf diese Weise für ihre Kunden den Netzzugang erreicht. Der Abschluss von Netznutzungsverträgen mit Endkunden ist für sich genommen nicht sittenwidrig und auch nicht kartellrechtswidrig (vgl. Bericht der Arbeitsgruppe Netznutzung Strom der Kartellbehörden des Bundes und der Länder vom 19.4.2001, Seite 53; Band I, Bl. 205). Die Klägerin hat auch nicht vorgetragen, später eine Änderung des Rahmenvertrags von der Beklagten verlangt zu haben. Sie hat in der mündlichen Verhandlung jedoch eingeräumt dass auch andere Vertragsgestaltungen, insbesondere also auch solcher bei denen Sie selbst als unmittelbarer Netznutzungsberechtigter aufgetreten wäre, offen standen.

Insbesondere der Behauptung der Beklagten S. 9/10 der Berufungserwiderung, wonach die Klägerin die Möglichkeit einer anderen Vertragsgestaltung gehabt hätte, ist die Klägerin nicht entgegen getreten. Sie kann deshalb auch nicht beanspruchen, so gestellt zu werden, als sei sie von Anfang an selbst Vertragspartnerin eines Netznutzungsvertrags mit der Beklagten gewesen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO, 26 Nr. 8 EGZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.

Ende der Entscheidung

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