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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 08.05.2007
Aktenzeichen: 11 U 63/06
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 823
BGB § 1004
Zur Frage, wann die Berichterstattung das Persönlichkeitsrecht eines Straftäters verletzt, weil darin über ihn in identifizierender Weise unter Namensnennung berichtet wird.
Gründe:

I.

Der Verfügungskläger (nachfolgend Kläger) verbüßt seit 1991 eine lebenslange Freiheitsstrafe wegen Mordes an dem ... A. Die Verfügungsbeklagte (nachfolgend Beklagte) berichtete in der online-Ausgabe des ...Stadtanzeigers am 04.05.2006 unter der Überschrift "A-Mörder wollen Freiheit" unter voller Namensnennung über den Kläger und dessen Halbbruder im Hinblick auf deren mögliche vorzeitige Haftentlassung.

Nach einer Abmahnung durch den Halbbruder des Klägers entfernte die Beklagte in der im Internet abrufbaren Berichterstattung die Namen des Klägers und seines Halbbruders.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 30.05.2006 ließ der Kläger die Beklagte wegen der Veröffentlichung ebenfalls abmahnen und forderte sie zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf, die die Beklagte mit der Begründung verweigerte, infolge der redaktionellen Korrektur des Beitrags sei die Wiederholungsgefahr entfallen.

Mit Beschlussverfügung vom 01.06.2006 hat das Landgericht der Beklagten untersagt, über den Kläger im Zusammenhang mit dem Mord an A in identifizierender Weise, insbesondere wie aus der Anlage AS 1 ersichtlich, zu berichten. Auf den hiergegen von der Beklagten eingelegten Widerspruch hat das Landgericht die Beschlussverfügung mit dem angefochtenen Urteil vom 05.10.2006 bestätigt.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, die meint, die Wiederholungsgefahr sei durch die freiwillige Korrektur des streitgegenständlichen online-Beitrags vom 04.05.2006 entfallen.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des Urteils LG Frankfurt 2-03 O 356/06 vom 05.10.2006 die einstweilige Verfügung des LG Frankfurt 2-03 O 356/06 vom 01.06.2006 aufzuheben und den auf ihren Erlass gerichteten Antrag zurückzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung vom 09.11.2006 wird zurückgewiesen.

Das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 05.10.2006 wird aufrechterhalten.

Wegen der Einzelheiten des Parteivortrags wird ergänzend auf die in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

II.

Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.

Zu Recht hat das Landgericht die Beschlussverfügung vom 01.06.2006 bestätigt, weil die Wiederholungsgefahr nicht entfallen ist.

Die Parteien gehen übereinstimmend davon aus, dass die Berichterstattung in ihrer ursprünglichen Form das Persönlichkeitsrecht des Klägers verletzte, weil darin über den Kläger in identifizierender Weise unter Namensnennung berichtet wurde. Dies entspricht auch der Rechtsprechung des Senats (zuletzt Senatsurteil vom 06.02.2007, 11 U 51/06).

Die Parteien sind sich weiter darüber einig, dass die von der Beklagten gegenüber dem Halbbruder des Klägers abgegebene Unterwerfungserklärung nicht ausreicht, um die Wiederholungsgefahr auch im Verhältnis zum Kläger auszuräumen.

Die Beklagte ist vielmehr der Auffassung, die Wiederholungsgefahr sei bereits dadurch entfallen, dass sie den Artikel durch Entfernen der voll ausgeschriebenen Namen des Klägers und dessen Halbbruders korrigiert habe. Dabei stützt sie ihre Auffassung auf eine Entscheidung des OLG Köln (AfP 93, 744 ).

Dem vermag der Senat im zu entscheidenden Fall nicht zu folgen.

Die Wiederholungsgefahr ist materielle Anspruchsvoraussetzung für einen Unterlassungsanspruch. Sie ist die auf Tatsachen gegründete objektiv ernstliche Besorgnis weiterer Störungen im Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung. In der Regel begründet die vorangegangene rechtswidrige Beeinträchtigung eine tatsächliche Vermutung für die Wiederholungsgefahr (BGH NJW 04, 1035), an deren Widerlegung durch den Störer hohe Anforderungen zu stellen sind (BGH NJW 99, 356).

Das gilt grundsätzlich auch bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen durch Presseberichterstattung (Soehring, Presserecht, 3. Auflage Rn. 30.7 ff; Prinz/Peters, Medienrecht, Rn. 334 ff.). Die im Wettbewerbsrecht entwickelten Grundsätze zur Wiederholungsgefahr sind weitgehend ins Medienrecht übernommen worden.

An den Nachweis des Wegfalls der Wiederholungsgefahr sind deshalb auch hier strenge Anforderungen zu stellen. Grundsätzlich wird die Wiederholungsgefahr auch im Presserecht daher nur durch die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungsverpflichtungserklärung beseitigt. Nur ausnahmsweise ist es möglich, dass durch ein bestimmtes Verhalten des Verletzers - wie zum Beispiel eine freiwillige Korrektur - die Wiederholungsgefahr entfällt.

Der Verletzte braucht sich aber grundsätzlich nicht mit einer einfachen ungesicherten Erklärung zu begnügen. Ob und unter welchen Voraussetzungen eine redaktionelle Richtigstellung die Wiederholungsgefahr entfallen lässt, ist deshalb nicht unumstritten. So hat das OLG Hamburg die Richtigstellung selbst in Form eines Widerrufs nicht ausreichen lassen, sondern als Voraussetzung für den Wegfall der Wiederholungsgefahr noch eine strafbewehrte Unterlassungserklärung gefordert (NJW -RR, 96,90).

Die Entscheidung des OLG Köln betrifft aber ohnehin schon einen völlig anderen, nicht vergleichbaren Sachverhalt.

Zum einen erfolgte die "Korrektur" hier nicht freiwillig, sondern erst nach einer Verwarnung durch den Halbbruder des Klägers. Der entscheidende Unterschied besteht aber in der vorgenommenen "Korrektur" an sich. Während in dem Fall des OLG Köln die Korrektur in einem inhaltlichen Abrücken von der vorausgegangenen Berichterstattung bestand, geht es vorliegend um eine eher redaktionelle Änderung, nämlich ob der Name des Klägers in der Berichterstattung künftig in anonymisierender oder identifizierender Weise angeführt wird.

In dem vom OLG Köln entschiedenen Fall war zunächst eine schwarze Liste von Unternehmen veröffentlicht worden, die angeblich "dual-use" Produkte in den O1 exportierten, die einer militärischen Verwendung zugeführt werden konnten. Wenn es dann in einer überarbeiteten Fassung des Flugblatts hieß, die gegen einige Unternehmen erhobenen Vorwürfe hätten sich als falsch erwiesen, diese Firmen, (so auch die Klägerin des dortigen Rechtsstreits) seien deshalb von der schwarzen Liste gestrichen worden, handelt es sich um eine inhaltliche Richtigstellung bzw. eine Distanzierung von der früheren Behauptung.

Diese inhaltliche Distanzierung mag die Annahme rechtfertigen, die Wiederholungsgefahr sei ausgeräumt, weil es äußerst unwahrscheinlich erscheint, dass der ursprüngliche, aber ausdrücklich und freiwillig zurückgenommene Vorwurf trotz der Distanzierung und Korrektur in der späteren Berichterstattung wider besseres Wissen erneut aufgegriffen und wiederholt werden könnte.

Diese Situation ist mit dem zu entscheidenden Fall nicht vergleichbar. Eine Wiederholung der rechtsverletzenden Berichterstattung setzt hier nämlich nicht voraus, dass sich die Beklagte in Widerspruch zu ihrer früheren Berichterstattung setzen und Behauptungen wider besseres Wissen verbreiten müsste. Da die Rechtsverletzung allein auf redaktionellen Modalitäten der Berichterstattung beruhte, könnte die Beklagte jederzeit wieder zu dieser Form der Berichterstattung zurückkehren, ohne damit eine inhaltliche Aussage verbinden oder sich zu früheren Artikeln in Widerspruch setzen zu müssen. Vor diesem Hintergrund erscheint die Gefahr einer Wiederholung - und sei es infolge ungenügender redaktioneller Kontrolle oder eines bloßen Versehens - deutlich höher, als wenn die Wiederholung der inkriminierten Berichterstattung inhaltlich eine "Korrektur der Korrektur" darstellen würde.

Die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungsverpflichtungserklärung wäre deshalb zur Ausräumung der Wiederholungsgefahr notwendig gewesen, weil die Beklagte nur so ausreichend zur erforderlichen Sorgfalt und Überwachung angehalten werden kann ( so auch OLG Hamburg a.a.O.).

Mit dieser Entscheidung kommt weder ein besonderes Misstrauen der Beklagten gegenüber zum Ausdruck, noch gereicht es der Beklagten ungerechtfertigt zum Nachteil, dass die Beseitigung der rechtswidrigen Veröffentlichung keine "inhaltliche Richtigstellung" voraussetzt, also ein Widerruf nicht möglich ist. Vielmehr gilt auch im Presserecht, dass die rechtswidrige Berichterstattung die Wiederholung indiziert und die Wiederholungsgefahr begründet, die in aller Regel nur durch ein Unterlassungsverpflichtung beseitigt werden kann.

Soll ausnahmsweise schon die Korrektur einer Berichterstattung die Wiederholungsgefahr entfallen lassen, so sind daran strengere Anforderungen zu stellen. Die bloße Einstellung der rechtsverletzenden Handlung kann dafür grundsätzlich nicht ausreichen, weil andernfalls Grundsatz und Ausnahme umgekehrt würden, wozu kein Anlass besteht.

Nach allem tritt der Senat der Würdigung des Landgerichts bei, so dass es beim erstinstanzlichen Urteil verbleibt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Das Rechtsmittel der Revision findet nicht statt (§ 542 Abs. 2 ZPO).

Ende der Entscheidung

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