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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 23.06.2009
Aktenzeichen: 11 U 71/08
Rechtsgebiete: UrhG


Vorschriften:

UrhG § 69 c
UrhG § 69 d Abs. 2
UrhG § 97 Abs. 1
Der Verkauf eines gebrauchten Computers, dessen Festplatte die vormals aufgespielte OEM-Software nicht mehr enthält und dem auch kein Datenträger mit dieser Software beigefügt ist, auf dessen Gehäuse aber noch das Echtheitszertifikat der Antragstellerin (Certificate of Authenticity, nachfolgend CoA) klebt, das vom Antragsgegner als Lizenz-Sticker bezeichnet wird, stellt keine Urheberrechtsverletzung dar und zielt auch nicht darauf ab, eine illegale Vervielfältigung der Software zu ermöglichen.
Gründe:

I.

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gem. §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.

II.

Die zulässige Berufung ist begründet.

Der Antragstellerin steht kein urheberrechtlicher Unterlassungsanspruch aus § 97 Abs. 1 i.V.m. § 69c Nr. 1 UrhG gegen den Antragsgegner zu.

Der Verkauf eines gebrauchten Computers, dessen Festplatte die vormals aufgespielte OEM-Software nicht mehr enthält und dem auch kein Datenträger mit dieser Software beigefügt ist, auf dessen Gehäuse aber noch das Echtheitszertifikat der Antragstellerin (Certificate of Authenticity, nachfolgend CoA) klebt, das vom Antragsgegner als Lizenz-Sticker bezeichnet wird, stellt keine Urheberrechtsverletzung dar und zielt auch nicht darauf ab, eine illegale Vervielfältigung der Software zu ermöglichen. Der Erwerber kann sich auf rechtmäßige Weise eine Vervielfältigung der für die Antragstellerin geschützten Programme auf die Festplatte aufspielen.

Soweit die Antragstellerin erstmals mit Schriftsatz vom 27.5.2009 bestreitet, dass auf dem PC früher eine legale Version des Programms aufgespielt war, handelt es sich um ein neues Angriffsmittel der Antragstellerin, für dessen Zulassung gemäß § 531 Abs. 2 Nrn. 1-3 ZPO Gründe weder vorgetragen noch erkennbar sind.

Eine legale Beschaffung des Betriebssystems der Antragstellerin durch den Erwerber des gebrauchten Computers kommt zunächst dadurch in Betracht, dass dieser zusätzlich eine Vollversion der Software erwirbt. Dies ist entgegen der Ansicht der Antragstellerin nicht von vornherein völlig fernliegend. Naheliegend ist zudem, dass sich der Erwerber die ursprünglich auf dem gebrauchten Computer vorhandene Software mit Hilfe einer Recovery-CD wieder beschafft. Eine solche Vervielfältigung der geschützten Software ist zulässig, denn sie findet mit der Einwilligung der Antragstellerin statt. Wäre die Software, auf die sich das CoA bezieht, noch auf der Festplatte des gebrauchten PC vorhanden gewesen oder dem Käufer auf einem anderen Datenträger zur Verfügung gestellt worden, läge darin nach der Rechtsprechung des BGH eine zulässige Weiterübertragung des Rechts zur Nutzung eines einzelnen Vervielfältigungsstücks der Software auf die Abnehmer des Antragsgegners (BGH, Urt. v. 6.7.2000, I ZR 244/97 - OEM-Version, GRUR 2001, 153).

Das von dem OEM-Hersteller auf den Rechner aufgespielte Vervielfältigungsstück des Computerprogramms ist durch Veräußerung auf dem Gebiet der Europäischen Gemeinschaften in den Verkehr gebracht worden, wodurch gem. § 69c Nr. 3 S. 2 UrhG die Erschöpfung des Verbreitungsrechts (§§ 2 Abs. 1 Nr. 1, 15 Abs. 1 Nr. 2 UrhG) der Klägerin eingetreten ist (BGH, Urt. v. 6.7.2000, I ZR 244/97 - OEM-Version, GRUR 2001, 153). Das betreffende Vervielfältigungsstück durfte daher ohne Zustimmung der Antragstellerin an den Antragsgegner und von diesem an seine Abnehmer weiterveräußert werden. Da das Nutzungsrecht an diesem Vervielfältigungsstück akzessorisch zum Verbreitungsrecht ist, konnte es nicht von der Verfügungsklägerin zurückbehalten werden und bei ihr verbleiben; § 34 UrhG regelt die zustimmungspflichtige Übertragung von Nutzungsrechten, nicht dagegen das Recht zur Nutzung einzelner Vervielfältigungsstücke der Software (vgl. Senat, Urt. v. 25.06.1996 - 11 U 4/96, NJW-RR 1997, 494).

Das streitgegenständliche Computerprogramm ist hier zwar von der Festplatte des Rechners gelöscht worden. Hierdurch sind das ursprüngliche Vervielfältigungsstück und das ihm zugeordnete Nutzungsrecht zwar endgültig untergegangen. Gerade der Wiederherstellung der Software soll aber die Vervielfältigung des Recovery-Exemplars dienen.

Zwar war der von Antragsgegner angebotene Computer von dem Hersteller A (nachfolgend A) ohne eine sog. Recovery-CD, von der das Programm wieder auf die Festplatte aufgespielt werden kann, ausgeliefert worden. Der Antragsgegner hat jedoch mit Schriftsatz vom 17.7.2008 unwidersprochen vorgetragen, dass der Erwerber des PC gegen eine geringe Aufwandsentschädigung nach Mitteilung des auf dem CoA aufgedruckten Produkt-Key und der Seriennummer des Computers von dem Hersteller A eine Recovery-CD mit dem Programm erhalte. Dies würde mit Zustimmung der Antragstellerin erfolgen.

Hätte der Ersterwerber von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht, so läge darin der gemäß § 69d Abs. 2 UrhG zulässige Erwerb einer Sicherungskopie. Dies gilt sowohl für den Fall des vorsorglichen Erwerbs einer Recovery-CD als auch für den Fall, dass der Erwerb einer Recovery-CD erforderlich ist, weil das Programm wiederhergestellt werden muss. Der Ersterwerber wäre befugt gewesen, nach Bereinigung der Festplatte das ursprüngliche Vervielfältigungsstück des Betriebssystems mit Hilfe der erworbenen Recovery-CD wiederherzustellen. Die in der Wiederherstellung liegende Vervielfältigung entspräche einer bestimmungsgemäßen Benutzung der Recovery-CD im Sinne von § 69d Abs.1 UrhG. Anschließend hätte der Ersterwerber das wiederhergestellte Vervielfältigungsstück wegen der Erschöpfung des Verbreitungsrechts mit oder ohne Computer weiterveräußern dürfen. Der Zweiterwerber des Vervielfältigungsstücks wäre als zur Verwendung Berechtigter seinerseits im Falle einer Löschung des Programms gemäß § 69d Abs. 1 UrhG zur Wiederherstellung mit Hilfe der Sicherungskopie (Recovery-CD) berechtigt. Er wäre auch gemäß § 69d Abs. 2 UrhG befugt, selbst eine Recovery-CD als Sicherungskopie zu erwerben.

Im vorliegenden Fall hat der Ersterwerber zwar von der Möglichkeit, eine Recovery-CD zu erwerben, keinen Gebrauch gemacht. Es kann aber im Ergebnis keinen Unterschied machen, ob der Ersterwerber nach Bereinigung der Festplatte eine Recovery-CD erwirbt, das Programm wiederherstellt und sodann veräußert oder ob erst der Zweiterwerber eine Recovery-CD erwirbt und das Programm wiederherstellt.

Der vorliegende Fall des Vertriebs eines gebrauchten PC mit CoA unterscheidet sich von dem Vertrieb isolierter CoA dadurch, dass hier lediglich ermöglicht wird, das ursprünglich auf dem Rechner bereits vorhandene, dem CoA zugeordnete Vervielfältigungsstück, an dem das Verbreitungsrecht der Antragstellerin erschöpft ist, durch die bestimmungsgemäße Verwendung einer Recovery-CD, die mit Hilfe des CoA erworben werden kann, zu ersetzen. Die Veräußerung isolierter CoA verletzt dagegen das ausschließlich dem Rechtsinhaber zustehende Vervielfältigungsrecht (vgl. Senat, Beschluss v. 12.05.2009, 11 W 15/09), weil sie auf rechtswidrige Vervielfältigungen Dritter durch Downloaden des Programms abzielt, indem konkrete Vervielfältigungsstücke erstmalig hergestellt werden.

Abgesehen davon bietet der Antragsgegner die CoA auch nicht "als Lizenzen" an. Der durchschnittlich informierte und verständige Erwerber nimmt nicht an, dass der auf der Hardware noch vorhandene CoA-Aufkleber eine Lizenz zur Vervielfältigung geschützter Software darstelle.

Auch der Hilfsantrag ist unbegründet.

Es ergibt sich im vorliegenden Fall daraus keine Urheberrechtsverletzung, dass das CoA im Verkaufsangebot als "Lizenz-Sticker" bezeichnet wird. Dies kann bei verständiger Würdigung ebensowenig dahingehend ausgelegt werden, dass der Antragsgegner den Erwerbern der gebrauchten Computer Lizenzrechte einräumen will. Die Bezeichnung weist vielmehr auf die Möglichkeit hin, sich das ursprünglich aufgespielte Betriebssystem im Wege der Recovery zu beschaffen. Mit Blick darauf, dass der streitbefangene CoA den Aufdruck "Proof of License" (Bl. 109 d.A.) trägt, ist die bloß beschreibende Bezeichnung des CoA als Lizenzsticker auch nicht fernliegend.

Der Antragstellerin stehen auch keine kennzeichenrechtlichen Unterlassungsansprüche gegenüber dem Antragsgegner zu. Die kennzeichenrechtlichen Befugnisse der Klägerin sind jedenfalls dadurch erschöpft, dass die mit ihrer Marke und ihrer geschäftlichen Bezeichnung versehene Software, die wiederhergestellt werden kann, mit ihrer Zustimmung in Verkehr gelangt ist (§ 24 Abs. 1 MarkenG). Gründe für einen Ausschluss der Erschöpfung nach § 24 Abs. 2 MarkenG liegen nicht vor. Es ist ferner nicht ersichtlich, dass der Antragsgegner die Marke für eine andere Ware oder Dienstleistung kennzeichenmäßig benutzt hat.

Mangels einer Urheber- und Markenrechtsverletzung stehen der Klägerin auch keine Auskunfts- und Vernichtungsansprüche zu.

Der Schriftsatz der Antragstellerin vom 17.6.2009 gab keine Veranlassung zur Wiedereröffnung der verfahrensfehlerfrei geschlossenen mündlichen Verhandlung (§§ 525, 296a, 156 ZPO). Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 91 a ZPO.

Einer Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit bedarf es nicht, weil das Urteil kraft Gesetzes (§ 542 Abs. 2 ZPO) nicht revisibel ist.

Ende der Entscheidung

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