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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 05.06.2007
Aktenzeichen: 11 U 74/06
Rechtsgebiete: GWB, VOB/A


Vorschriften:

GWB § 97 Abs. 2
VOB/A § 21
VOB/A § 25
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I.

Die Klägerin verlangt von dem beklagten Land Schadensersatz wegen Nichtberücksichtigung in einem Vergabeverfahren.

Das Land schrieb im Zuge der Baumaßnahme "A ..." in O1 u. a. das Gewerk Tischlerarbeiten 2.1 (Innenbekleidung Mehrzweckhalle) aus. Die Ausschreibung erfolgte im offenen Verfahren im Sinne der VOB/A. Innerhalb der bis zum 21.01.2003 laufenden Angebotsfrist gab die Klägerin am 17.01.2003 ein Angebot ab. Die dem Angebot beigefügten Formulare EFB-Preis 1a, 1b und 2 füllte die Klägerin nicht aus, sondern vermerkte "wird im Auftragsfall nachgereicht" bzw. "dito" (Bl. 33-35 d. A.). Das Formular "Technische Ausrüstung/Geräteliste gem. VOB/A § 8 Nr. 3 d" versah sie mit dem Vermerk "wird im Auftragsfall nachgereicht - komplette Ausrüstung vorhanden" (Bl. 102 d. A.). Wegen der weiteren Einzelheiten des Angebots wird auf Bl. 15-109 d. A. Bezug genommen. Innerhalb der Angebotsfrist gingen neben dem Angebot der Klägerin vier weitere Angebote ein, wovon eines lediglich ein Teilangebot war. Günstigste Bieterin war die B GmbH (im Folgenden: Fa B) mit einer Angebotssumme von 146.553,24 €, zweitgünstigste Bieterin war die Klägerin mit 179.731,56 €. Wegen der weiteren Angebotssummen wird auf die Zusammenstellung Bl. 9 d. A. verwiesen.

Das Land informierte die Klägerin mit Schreiben vom 20.03.2003 darüber, dass ihr Angebot nicht berücksichtigt werden solle, sondern beabsichtigt sei, den Zuschlag auf das Angebot der Firma B zu erteilen (Bl. 10/11 d. A.). Der Zuschlag wurde schließlich der Firma B erteilt.

Die Klägerin hat gemeint, bei Einhaltung der anzuwendenden vergaberechtlichen Vorschriften hätte sie den Zuschlag erhalten müssen. Das Angebot der Firma B habe dem Leistungsverzeichnis nicht entsprochen und weiche von den Anforderungen des Leistungsverzeichnisses erheblich und ersichtlich ab. Dazu hat die Klägerin behauptet, das von der Firma B angebotene Prallwandsystem habe nicht Pos. 1.1.1 des Leistungsverzeichnisses entsprochen, weil bei der Schraublattung ein Achsabstand von 365 mm gefordert gewesen sei, während das von der Firma B angebotene System einen Achsabstand von 600 mm habe. Ferner habe die unter Pos. 1.1.5 des Leistungsverzeichnisses verlangte drehbare Trennwand mit einer Breite von 16 m und einer Höhe von 3 m nichts mit der von der Firma B ausgeführten handelsüblichen Faltwand zu tun.

Die Klägerin hat behauptet, für das Land sei erkennbar gewesen, dass die Firma B ein unangemessen niedriges Angebot im Sinne von § 25 Nr. 3 VOB/A abgegeben habe.

Die Klägerin hat ferner gemeint, sie sei nicht von dem Vergabeverfahren auszuschließen gewesen, weil sie die Formblätter EFB-Preis1a, 1b und 2 nicht vorgelegt habe. Dazu hat die Klägerin behauptet, Formblätter würden in der Praxis stets erst auf Anforderung ausgefüllt, wenn einem Unternehmen der Zuschlag erteilt werden solle. Von vornherein würden die bekanntlich mit einem großen Arbeitsaufwand verbundenen Formblätter von Bietern regelmäßig nicht abgegeben. Aufgrund dieser Praxis bei Vergabeverfahren sei davon auszugehen, dass auch die anderen Bieter die genannten Formblätter nicht oder nicht vollständig vorgelegt hätten. Das Land habe deren Angebote jedoch zugelassen und in die Wertung einbezogen. Es könne ihr daher auch unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung nun nicht entgegenhalten, die Formblätter seien nicht ausgefüllt gewesen. Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, die Anforderung von Eignungsnachweisen habe auch nicht dem Informationsbedürfnis des Landes entsprochen, da das Land aus den im Vorfeld mit ihr geführten Gesprächen über die drehbare Trennwand gewusst habe, dass sie ein in Sachen Sporthallen-Innenausbau erfahrenes Unternehmen sei, und dass bei ihr eine vollständige technische Ausrüstung vorhanden sei (Bl. 170 d. A.).

Auch die Firma B habe diese Formblätter nicht mit dem Angebot eingereicht, sondern erst später nachgereicht (Bl. 380 d. A.). Das beklagte Land könne nicht einen anderen Bieter beauftragen, der die Formblätter ebenfalls nicht ausgefüllt habe, und sich ihr gegenüber darauf berufen, dass ihr Angebot nicht vollständig gewesen sei.

Die Klägerin hat gemeint, sie habe Anspruch auf Ersatz des positiven Interesses. Sie hat behauptet, unter Berücksichtigung ihrer Jahresabschlüsse für die Jahre 1999 bis 2001 habe ihr tatsächlich ermittelter durchschnittlicher Gewinn 3 % des Umsatzes und der Gemeinkostenanteil 27 % des Umsatzes betragen. Ihr Schaden belaufe sich dabei auf 30 % des Netto-Angebotspreises, mithin auf 46.482,30 €.

Die Klägerin hat beantragt,

das beklagte Land zu verurteilen, an sie 46.482,30 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit (23.02.2004) zu zahlen.

Das Land hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Land hat die Ansicht vertreten, die Klägerin hätte wegen Vorbefasstheit (§ 7 Nr. 1 S. 2, Nr. 1a VOB/A) nicht an der Ausschreibung teilnehmen dürfen und deshalb den Zuschlag auch nicht erhalten können. Die Klägerin habe die Ausschreibungsbedingungen nämlich mit gestaltet, wie sich aus dem Schriftverkehr zwischen der Klägerin und den vom ihm (dem Land) eingeschalteten Architekten ergebe (Bl. 181-225 d. A.). Es sei offensichtlich, dass im Leistungsverzeichnis ganze Textpassagen der von der Klägerin zur Verfügung gestellten Textbausteine übernommen worden seien.

Ferner hat das Land gemeint, die Klägerin sei zwingend vom Vergabeverfahren auszuschließen gewesen, da sie die oben genannten Formblätter nicht ausgefüllt habe.

Das Land hat ferner behauptet, anstelle des Zuschlags an die Klägerin wäre das Vergabeverfahren aufzuheben gewesen. Aufgrund der Kostenermittlung für die Haushaltsunterlage-Bau seien lediglich Mittel in Höhe von 95.640,-- € angesetzt gewesen. Mehr als die bezuschlagten 146.553,24 € seien nicht in Betracht gekommen. Die Firma B habe außerdem eine mit dem Leistungsverzeichnis konforme Prallwand angeboten, auf den im Leistungsverzeichnis geforderten Achsabstand der Prallwandlattung von ca. 365 mm sei es nicht angekommen. Es habe sich um eine unbeachtliche fabrikatsbezügliche Angabe der Klägerin selbst gehandelt. Bei der Trennwand habe sich erst nachträglich eine Änderung ergeben. Zum Zeitpunkt der Lieferung habe keine Möglichkeit mehr bestanden, die Faltschiebewand in die Mehrzweckhalle zu transportieren. Die Fassade habe relativ schnell geschlossen werden müssen, um mit dem Innenausbau/Trockenbau beginnen zu können. Der Firma B sei ein Transport der Faltwand in die Halle bei geschlossener Fassade wegen der Rahmenkonstruktion nicht mehr möglich gewesen. Aufgrund dessen sei der Nachtrag Nr. 2 über die tatsächlich eingebaute kleinteilige Trennwand erforderlich geworden.

Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens von Prof. Dr. Dipl.-Ing. SV1 vom 19.04.2006.

Durch das angefochtene Urteil hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass Ansprüche der Klägerin aus culpa in contrahendo nicht in Betracht kämen. Zwar habe die Beweisaufnahme ergeben, dass das Angebot der Firma B dem Leistungsverzeichnis nicht entsprochen habe. Der Sachverständige habe festgestellt, dass das von der Firma B angebotene Prallwandsystem nicht den Anforderungen des Leistungsverzeichnisses entsprochen habe. Ferner habe der Sachverständige festgestellt, dass die von der Firma B angebotene Faltwand nicht der wesentlich aufwändigeren, im Leistungsverzeichnis ausgeschriebenen mobilen Trennwand entsprochen habe. Dies führe indes nicht zu einem Schadensersatzanspruch der Klägerin. Allerdings greife der Einwand des Landes zur Vorbefasstheit der Klägerin nicht durch. Die Klägerin habe nachweislich zwar Textbausteine zur Verfügung gestellt, die teilweise nahezu ohne Änderung in das Leistungsverzeichnis übernommen worden seien. Nach § 7 Nr. 1 S. 2, Nr. 1a VOB/A dürften Sachverständige, die mitgewirkt hätten, die Vergabe, insbesondere die Verdingungsunterlagen vorzubereiten, weder unmittelbar noch mittelbar an der betreffenden Vergabe beteiligt sein. Die Klägerin sei jedoch keine Sachverständige und vorliegend auch nicht als Sachverständige tätig geworden. Sie sei im Vorfeld von dem beklagten Land nicht beauftragt und auch nicht entgeltlich tätig geworden, es habe sich lediglich um einen informellen, nicht rechtsgeschäftlichen Kontakt gehandelt. Es sei Aufgabe des öffentlichen Bauherrn, etwa erhaltene Textbausteine gegebenenfalls umzuformulieren und die Ausschreibung trotz eingeholter Vorinformationen so zu gestalten, dass sie nicht auf das kontaktierte Unternehmen zugeschnitten seien, sondern anderen Bietern auch die Möglichkeit offen hielten, die Anforderungen zu erfüllen. Sollten Textbausteine übernommen werden, so seien diese so neutral zu gestalten, dass jeder Anbieter in der Lage sei, die Leistung anzubieten. Die Klägerin habe jedoch keinen Schadensersatzanspruch, da ihr nicht zwingend der Zuschlag hätte erteilt werden müssen. Die Klägerin habe ein unvollständiges Angebot eingereicht. Entgegen Ziff. 10.6 der Besonderen Vertragsbedingungen EVM (B) BVB 214 (Bl. 132, 233 d. A.) habe die Klägerin den der Ausschreibung beiliegenden Nachweis der Leistungsfähigkeit nicht ausgefüllt. Ebenso habe sie die der Ausschreibung beigefügten Formblätter EFB-Preis 1a, 1b und 2 nicht ausgefüllt. Damit habe sie gegen die Vorgaben der § 25 Nr. 1 Abs. 1b i. V. m. § 21 Nr. 1 Abs. 1 S. 3 VOB/A verstoßen. Nach § 25 Nr. 1 Abs. 1b VOB/A würden Angebote von der Wertung ausgeschlossen, die § 21 Nr. 1 Abs. 1 und 2 VOB/A nicht entsprechen. Entgegen der Ansicht der Klägerin habe das Land Erklärungen zu den Formblättern EFB-Preis auch gefordert, da jeweils in der rechten oberen Ecke der Formblätter ausdrücklich darauf hingewiesen sei, dass das Formblatt mit dem Angebot abzugeben sei und die Nichtangabe zur Nichtberücksichtigung führen könne. Ebenso enthalte die Aufforderung zur Abgabe eines Angebotes unter Nr. 3 den Hinweis, dass mit dem Angebot ein Nachweis der Leistungsfähigkeit vorzulegen sei (Bl. 172/173 d. A.). Zum Nachweis der Leistungsfähigkeit gehörten auch Angaben über die dem Unternehmer für die Ausführung der zu vergebenden Leistung zur Verfügung stehende technische Ausrüstung. Soweit sich die Klägerin darauf berufe, es verstoße gegen das Prinzip der Gleichbehandlung aller Bieter, wenn das Land das Angebot der Firma B, welche gleichfalls die Formblätter nicht ausgefüllt habe, berücksichtige. § 97 Abs. 2 GWB, der die Gleichbehandlung aller Bieter vorsehe, sei nicht anwendbar, da vorliegend der Schwellenwert nicht erreicht sei. Im Übrigen sei nicht ausreichend dargelegt und nachgewiesen, dass die Firma B die gleichen Formblätter wie die Klägerin unausgefüllt gelassen habe. Überdies habe die Klägerin nicht ausreichend dargelegt und nachgewiesen, dass ihr ein Schaden in Höhe von 46.482,30 € entstanden sei. Wegen der Tatsachenfeststellungen und der Begründung des Landgerichts im Einzelnen wird auf das angefochtene Urteil verwiesen (Bl. 463-478 d. A.).

Gegen das am 29.11.2006 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 11.12.2006 Berufung eingelegt und diese innerhalb der bis 28.02.2007 verlängerten Frist begründet.

Mit der Berufung macht die Klägerin geltend, aufgrund des vergaberechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes sei das Land gehalten gewesen, ihr (Klägerin) gegenüber ebenso zu verfahren wie hinsichtlich der Bieterin B, der der Zuschlag erteilt worden sei. Sie behauptet hierzu, dass zwischen sämtlichen Bietern und dem Land bzw. dem die Ausschreibung vornehmenden Architektenbüro Einvernehmen bestanden habe, dass bei Übermittlung der Angebote die Nachweise EFB-Preis mit den Angebotsunterlagen noch nicht vorgelegt werden sollten, sondern diese im Hinblick auf den erheblichen Aufwand für die Erstellung dieser Angebotsunterlagen erst im Submissionsverfahren auf konkrete Anforderung durch den Architekten, der dann definieren sollte, welche EFB-Preis 1a oder 1b vorgelegt werden sollte, diese hätte nachreichen sollen. Demzufolge habe die Mitarbeiterin C des Architektenbüros telefonisch bei der Bieterin B die Nachweise EFB-Preis 1a und 2 angefordert und erstmals mit Schreiben vom 18.02.2003 erhalten. Bei dem beklagten Land habe hinsichtlich der angeforderten Nachweise EFB-Preis keine Ermessensreduzierung auf Null dahingehend vorgelegen, dass unvollständige Nachweise nicht hätten nachgefordert werden dürfen. Das Land habe im Hinblick auf das ihr zuzurechnende Verhalten der Architekten vielmehr die Nachweise der EFB-Preis nicht zwingend mit der Angebotsabgabe gefordert, sondern sich insoweit wirksam ein Ausschlussermessen vorbehalten. Die Ausschreibungsstelle habe nicht eindeutig bestimmt, welche Erklärungen sie für die Wertung zwingend angefordert habe. Die Verdingungsunterlagen seien auszulegen. Es ergebe sich ein Widerspruch von Seite 1 des Angebots (Bl. 16 d. A.) zu den nicht ausgefüllten Formblättern EFB-Preis 1a und 1b, die alternativ die Ausfüllung ermöglichten. Sie (Klägerin) und alle anderen Bieter hätten sich daher nach den im Allgemeinen üblichen und an der hier abgestimmten Vorgehensweise orientiert, dass die Formblätter im Auftragsfall bzw. auf Aufforderung vorzulegen gewesen seien. Sämtliche Mitbieter hätten die Formblätter EFB-Preis 1a, 1b und 2 bei Angebotsabgabe nicht vorgelegt (Bl. 508/509 d. A.). Im Übrigen trägt die Klägerin nochmals zur Höhe ihres Schadensersatzanspruchs vor.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 8.11.2006, Geschäfts-Nr.: 2/23 O 9/05, aufzuheben und wie folgt neu zu fassen:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 46.482,30 € nebst 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus ab Rechtshängigkeit zu bezahlen.

Das beklagte Land beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Das Land verteidigt das angefochtene Urteil.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivortrages wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

II.

Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

In der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg. Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Ein Bieter, dessen Angebot bei der Zuschlagsentscheidung nicht berücksichtigt worden ist, hat einen Schadensersatzanspruch auf Ersatz des positiven Interesses nur, wenn dem Bieter bei ordnungsgemäßer Durchführung des Vergabeverfahrens der Zuschlag hätte erteilt werden müssen (z. B. BGH ZfBR 2002, 612, 613; 2004, 404, 405). Demgegenüber besteht ein Anspruch auf das positive Interesse nicht, wenn das Angebot des schadenersatzbegehrenden Bieters von der Vergabe zwingend auszuschließen war (BGH NZBau 2005, 709, 710). Das Landgericht hat zutreffend entschieden, dass ein solcher Fall hier vorliegt.

Das Angebot der Klägerin war gemäß § 25 Nr. 1 Abs. 1b VOB/A i. V. m. § 21 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A auszuschließen gewesen, da die Klägerin die Formblätter EFB-Preis 1a oder 1b (je nach Kalkulationsmethode) und Preis 2 nicht ausgefüllt hatte (vgl. BGH NZBau a. a. O.). Die Vorlage dieser Formulare mit dem Angebot war von der Vergabestelle verlangt worden. Dies folgt einerseits aus der Aufzählung der Anlagen zum Angebot (Bl. 16 d. A.), die nicht anders zu verstehen ist, als dass die gekennzeichneten Anlagen ausgefüllt einzureichen sind, da sie ansonsten überflüssig wären. Daneben ergibt sich dies erst recht aus dem ausdrücklichen und unmissverständlichen Vermerk am oberen rechten Rand der Formulare. Insoweit ist der Vortrag der Klägerin, das beklagte Land habe die Ausfüllung der Formulare nicht gefordert, unzutreffend. Ohne Erfolg behauptet die Klägerin mit der Berufung, zwischen sämtlichen Bietern und dem beklagten Land bzw. dem die Ausschreibung vornehmenden Architektenbüro habe Einvernehmen bestanden, dass bei Übermittlung der Angebote die Nachweise EFB-Preis mit den Angebotsunterlagen noch nicht vorgelegt werden sollten. Dieser Vortrag ist gemäß § 531 ZPO nicht zu berücksichtigen. Er ist in der Berufungsinstanz neu und wird von dem beklagten Land bestritten (Bl. 531 d. A.). Die Voraussetzungen des § 531 Abs. 2 ZPO, unter denen allein der Vortrag zugelassen werden könnte, liegen nicht vor. Der Vortrag steht zudem in Widerspruch zu dem Vorbringen der Klägerin in erster Instanz, wonach sie die Ausfüllung aufgrund einer angeblichen Praxis, Formblätter erst auf Anforderung auszufüllen, wenn einem Unternehmen der Zuschlag erteilt werden soll, unterlassen habe. Während nämlich die Klägerin in zweiter Instanz ein "Einvernehmen", also eine zumindest stillschweigend getroffene Übereinkunft aller Beteiligten behauptet, hat sie sich in der ersten Instanz lediglich auf eine "Praxis" berufen, die der Grund dafür gewesen sein soll, dass alle Bieter die Formblätter nicht oder nicht vollständig vorgelegt hätten. Dass das Land die Ausfüllung der Formulare nicht gefordert habe, lässt sich jedoch auch nicht aufgrund des erstinstanzlichen Vortrags der Klägerin bejahen. Die von ihr dort behauptete, jedoch nicht näher dargelegte Praxis widerspräche den Angebotsunterlagen, insbesondere den eindeutigen Vermerken auf den Formblättern, die gegenüber solchen Gepflogenheiten Vorrang hätten. Selbst wenn die Vergabestelle aus der Unvollständigkeit der Angebote von Bietern nicht die von § 25 Nr. 1 Abs. 1b VOB/A vorgesehene Folge zog, war daraus nicht etwa zu entnehmen, dass die Formulare nicht auszufüllen waren.

Ohne Erfolg beruft sich die Klägerin ferner auf eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes (§ 97 Abs. 2 GWB), der allerdings entgegen der Ansicht des Landgerichts auch im Unterschwellenbereich gilt (vgl. §§ 2 Nr. 2 und 8 Nr. 1 VOB/A; Heiermann/Zeiss/Kullack/Blaufuß, juris-Praxiskommentar Vergaberecht, § 97 GWB Rdn. 44). Es kommt nicht darauf an - wie die Klägerin behauptet (Bl. 380, 507 d. A.) -, dass die Firma B die Formblätter EFB-Preis 1a, 1b und 2 ebenfalls nicht mit dem Angebot eingereicht habe. Dies ist aus zwei Gründen unerheblich:

Zum einen haftet der öffentliche Auftraggeber grundsätzlich dann nicht auf Ersatz des positiven Interesses, wenn der ausgeschlossene Bieter selbst ein unvollständiges Angebot vorgelegt hat. Die Haftung auf Schadensersatz beruht auf dem Schutz des Vertrauens, das der Bieter in die Einhaltung der Vergabebestimmungen setzt (BGH ZfBR 2002, 612, 614). Die Haftung entfällt demgemäß, wenn ein schutzwürdiges Vertrauen nicht gebildet werden kann (BGH NJW 1998, 3640, 3641). Das ist gerade dann der Fall, wenn der Bieter unvollständige Unterlagen einreicht (BGH NZBau 2005, 709, 710). So liegt der Fall auch hier. Die Klägerin hat es bewusst unterlassen, die Formulare EFB-Preis 1a bzw. 1b und 2 auszufüllen. Selbst wenn sie darauf spekuliert hat, dass das beklagte Land im Vergabeverfahren hieraus keine Nachteile ableiten werde, ist dieses Vertrauen jedenfalls nicht gerechtfertigt und nicht schutzwürdig. Vielmehr ging die Klägerin bewusst das Risiko ein, wegen dieser Unvollständigkeit des Angebots den Zuschlag nicht zu erhalten. Schon aus diesem Grunde wäre es ohne Belang, wenn auch die Ausschreibungsgewinnerin die Formblätter nicht ordnungsgemäß eingereicht hat.

Zum anderen hätte dies lediglich zur Folge, dass möglicherweise nicht nur das Angebot der Klägerin, sondern auch das Angebot der Firma B aus der Wertung zu nehmen gewesen wäre. Liegen nämlich die Voraussetzungen des § 25 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A vor, so hat der öffentliche Auftraggeber keine Befugnis zu einer wie auch immer gearteten großzügigen Handhabung, sondern ist gezwungen, das betreffende unvollständige Angebot aus der Wertung zu nehmen (BGH NZBau 2003, 293, 295; OLG Hamburg ZfBR 2004, 502). Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Beschluss des Bundesgerichtshofes vom 26.09.2006 (ZfBR 2007, 86, 90 f.). Der Bundesgerichtshof hat in dieser Entscheidung in einem Nachprüfungsverfahren ausgesprochen, dass die Unvollständigkeit der Angebote mehrerer Bieter dazu führt, dass alle diese Bieter vom Vergabeverfahren auszuschließen seien. Ein Bieter, der ein unvollständiges Angebot vorlegt, könne nicht unter Hinweis auf ein gleichfalls fehlerhaftes, aber nicht ausgeschlossenes Angebot eines anderen Bewerbers verlangen, dass bei dem eigenen Angebot der Ausschlusstatbestand ebenfalls unberücksichtigt bleibe ("Keine Gleichheit im Unrecht"). Dagegen könne er mit dieser Begründung eine Aufhebung der Ausschreibung erreichen. Hätte aber bei vergaberechtskonformem Vorgehen das Vergabeverfahren aufgehoben werden müssen, steht nicht fest, dass dem Kläger der Zuschlag zu erteilen war.

Die Klägerin war mit ihrem Angebot ferner auszuschließen, weil sie das Formblatt "Technische Ausrüstung/Geräte" unausgefüllt eingereicht hat. Das Land hatte die Vorlage des ausgefüllten Verzeichnisses gefordert, was sich nicht nur daraus ergab, dass es den Ausschreibungsunterlagen beigefügt war. Vielmehr war auch in Nr. 10.6 der Besonderen Vertragsbedingungen EVM (B) BVB bestimmt, dass der beiliegende Nachweis der Leistungsfähigkeit, zu dem das Formblatt gehörte, auszufüllen war (Bl. 26/27 d. A.). Es kommt dabei nicht darauf an, ob der ausschreibenden Stelle die Leistungsfähigkeit und die bei der Klägerin vorhandene technische Ausrüstung bereits bekannt waren. Abgesehen davon, dass sich schon aus dem Vortrag der Klägerin nicht ergibt, welche Kenntnisse die Vergabestelle im Einzelnen darüber hatte, soll davon unabhängig der Bieter in dem Formblatt festlegen, welche technische Ausrüstung er zum Einsatz bringen wird. Dies geht über die Berücksichtigung der bei dem Bieter vorhandenen Ausrüstung hinaus: Er kann einerseits auch Ausrüstungsgegenstände angeben, die er bis zur Auftragsausführung erst noch anschaffen wird, darf aber andererseits kein vorhandenes Ausrüstungsmaterial anführen, das er für diesen Auftrag nicht einsetzen kann (etwa wegen eines gleichzeitig auszuführenden anderweitigen Auftrages). Die Klägerin hat den Nachweis der Leistungsfähigkeit indes nur teilweise ausgefüllt und lediglich Referenzobjekte angegeben (Bl. 100-102 d. A.). Auch dieser Angebotsmangel würde nicht durch das Gleichbehandlungsgebot mit der Folge geheilt, dass der Klägerin ungeachtet der Unvollständigkeit ihres Angebots ein Schadensersatzanspruch zuzuerkennen ist. Die Klägerin hat in erster Instanz nur vage vorgebracht, es sei davon auszugehen, dass auch die anderen Bieter die genannten Formblätter nicht oder nicht vollständig vorgelegt hätten (Bl. 170 d. A.). In der Berufungsinstanz kommt sie darauf nicht mehr zurück. Sie behauptet weder, dass die Firma B, noch dass alle anderen Bieter das Formular "Technische Ausrüstung/Geräteliste gemäß VOB/A § 8 Nr. 3 d" nicht oder nur unvollständig ausgefüllt eingereicht hätten. Aber auch wenn man annehmen wollte, dass die Firma B wegen fehlender oder unvollständiger Ausfüllung dieses Nachweises oder wegen eines vergleichbaren Angebotsfehlers bei den EFB-Preis-Formularen auszuschließen gewesen wäre, hätte allenfalls die Firma B neben der Klägerin ausgeschlossen werden müssen; in jedem Fall wäre aber der Klägerin nicht zwingend der Zuschlag zu erteilen gewesen.

Im Übrigen ist bezüglich dieses Ausschlussgrundes ein berechtigtes Vertrauen der Klägerin in die Zuschlagserteilung gleichfalls zu verneinen, da sie auch insoweit ein unvollständiges, nicht zuschlagsfähiges Angebot abgegeben hat.

Die angeführten Mängel des Angebots der Klägerin sind ferner nicht deshalb unberücksichtigt zu lassen, weil das beklagte Land die Klägerin nicht aus diesen Gründen von dem Vergabeverfahren ausgeschlossen hat. Hätte ein Bieter mit seinem Angebot nach § 25 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A ausgeschlossen werden müssen, besteht ein auf das positive Interesse gerichteter Schadensersatzanspruch selbst dann nicht, wenn der beklagte Auftraggeber die Nichtberücksichtigung des Angebots nicht auf diesen Ausschlusstatbestand gestützt hat (BGH ZfBR 2002, 612; für das Nachprüfungsverfahren z. B. BGH NZBau 2003, 293, 296; Saarländisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 05.07.2006 - 1 Verg 1/06, S. 8).

Da die Berufung erfolglos bleibt, hat die Klägerin die Kosten ihres Rechtsmittels zu tragen (§ 97 ZPO).

Die Entscheidung über die vorläufig Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision ist nicht gemäß § 543 ZPO zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern.

Ende der Entscheidung

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