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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 16.02.2009
Aktenzeichen: 11 Verg 17/08
Rechtsgebiete: GWB


Vorschriften:

GWB § 128
Setzt die Vergabekammer die Kosten für das Verfahren vor der Vergabekammer auf die sofortige Beschwerde der Kostenschuldnerin herab, so fehlt für eine dagegen gerichtete Beschwerde der obsiegenden Partei regelmäßig die erforderliche Beschwer.
Gründe:

I.

Mit Beschluss vom 29.05.2007 (69 d VK 13/2007) hatte die Vergabekammer den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin vom 2.4.2007 zurückgewiesen, die Kosten für das Verfahren vor der Vergabekammer auf 21.200 € festgesetzt und diese der Antragsstellerin auferlegt.

Gegen diesen Beschluss vom 29.05.2007 legte die Antragstellerin sofortige Beschwerde hinsichtlich der festgesetzten Kosten ein. Mit Beschluss vom 4.6.2008 (11 Verg 8/07) hat der Senat den Beschluss der Vergabekammer im Kostenpunkt aufgehoben, soweit die Vergabekammer die Verfahrenskosten auf 21.200 € festgesetzt hatte, und die Sache insoweit an die Vergabekammer zur erneuten Prüfung und Entscheidung einschließlich der Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zurückverwiesen.

Die Vergabekammer hat durch Beschluss vom 8.9.2008 in Abänderung der Ziffer 3 des Beschlusses vom 29.5.2007 die Höhe der Verfahrenskosten auf 9.300 € festgesetzt.

Sie hat dabei einen Auftragswert von 58.629.304 € zugrunde gelegt. Auf den Betrag von 10.000 € könne nicht abgestellt werden, da es zu keiner Zeit während des Verfahrens deutlich geworden sei, dass es der Antragstellerin ausschließlich um diese Summe gegangen sei. Zur Ermittlung der wirtschaftlichen Bedeutung des Gegenstandes des Nachprüfungsverfahrens sei daher von der Auftragssumme für den gesamten in Rede stehenden Auftrag auszugehen. Erst durch den Vortrag im Beschwerdeverfahren habe die Antragstellerin klar zum Ausdruck gebracht, dass es ihr vornehmlich um den Erhalt des Anspruchs auf die Auszahlung der ausgelobten Aufwandsentschädigung in Höhe von 10.000 € gegangen sei. Darin liege in gewisser Weise eine Rücknahme des ursprünglichen Antrags, die zu einer Reduzierung der Verfahrensgebühr auf die Hälfte, also 10.600 €, führe.

Von diesem Betrag seien die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens in Höhe von aufgerundet 1.300 € abzuziehen, weil diese die Antragsgegnerin zu tragen habe.

Gegen diesen Abänderungsbeschluss richtet sich die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin, mit der sie geltend macht, die Voraussetzungen für eine Halbierung der Gebühren gemäß § 128 Abs. 3 Satz 3 GWB lägen nicht vor.

Die Antragsgegnerin ist der Ansicht, sie sei durch die Entscheidung der Vergabekammer beschwert, weil diese Entscheidung von ihrem im Verfahren erklärten Rechtsschutzziel abweiche, auf der Grundlage eines Auftragswerts von 58.629.304,00 € die Kosten der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen im Verfahren vor der Vergabekammer der Antragstellerin aufzuerlegen. Die Entscheidung führe dazu, dass ihr die Kosten der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen nicht in vollem Umfang erstattet würden, da die Ansicht vertreten werde, durch eine nachträglich erklärte Rücknahme des Nachprüfungsantrags werde die Entscheidung der Vergabekammer mit Einschluss der Kostenentscheidung wirkungslos.

Die Antragsgegnerin beantragt,

1. die Entscheidung der 1. Vergabekammer des Landes Hessen beim Regierungspräsidium Darmstadt vom 8. September 2008 - Az.: 69 d - VK - 13/2007 aufzuheben,

2. die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts durch die Antragstellerin gemäß § 128 Abs. 4 GWB für notwendig zu erklären,

3. die Kosten des Verfahrens sowie die notwendigen Auslagen der Beschwerdegegnerin aufzuerlegen.

Die Antragstellerin hat mit Schriftsatz vom 30.9.2008, eingegangen bei Gericht am selben Tag, gegen den ihr laut Empfangsbekenntnis am 15.9.2008 zugestellten (VKA 461) Beschluss der Vergabekammer ihrerseits sofortige Beschwerde eingelegt und zur Begründung im Wesentlichen vorgetragen:

Die Vergabekammer habe für die Festsetzung der Gebühren nicht den Auftragswert als Bezugsgröße zugrunde legen dürfen, weil die Erteilung des Zuschlags noch nicht Gegenstand des Verfahrens gewesen sei. Das wirtschaftliche Interesse der Antragstellerin sei zu diesem Zeitpunkt nur auf die ausgelobte Aufwandsentschädigung in Höhe von 10.000 € gerichtet gewesen. Selbst wenn man vom Bruttoauftragswert als Richtgröße ausginge, seien 5 % des Bruttoauftragswerts in analoger Anwendung von § 50 GKG zugrunde zu legen. Auch sei der Verwaltungsaufwand der Vergabekammer im niedrigsten Bereich anzusiedeln, da weder Angebotsprüfungen noch sonstige wie auch immer geartete arbeitsintensive Ermittlungstätigkeit notwendig gewesen seien, sondern nur Standardfragen zur Entscheidung anstanden. Der Entscheidung der Vergabekammer sei auch nicht zu entnehmen, ob Billigkeitserwägungen angestellt wurden. Angesichts der vorherrschenden mehr als schleppenden Zahlungsmoral der Klienten und der allgemein angespannten Konjunkturlage sei eine Reduzierung der Verfahrenskosten im Wege einer weiteren Billigkeitserwägung angezeigt. Die Kosten in der ausgeworfenen Höhe seien geeignet, die Beschwerdeführerin schwer und nachhaltig zu treffen.

Die Antragstellerin macht geltend, die zuständige Mitarbeiterin ihrer Verfahrensbevollmächtigten habe der Berechnung der Beschwerdefrist den 17.9.2008, das Zugangsdatum des per Post übersandten Beschlusses vom 8.9.2008, zugrunde gelegt und dementsprechend den 1.10.2008 als Fristablauf vermerkt. Ein etwaiges Verschulden dieser Fachkraft der Berechnung des Fristendes nicht den 15.9.2008, an dem der Beschluss per Fax zuging, zugrunde gelegt zu haben, sei der Antragstellerin nicht zuzurechnen.

Die Antragstellerin beantragt,

1. ihr Wiedereinsetzung in die versäumte Beschwerdefrist zu gewähren,

2. den Änderungsbeschluss der Vergabekammer aufzuheben, soweit als Geschäftswert der Auftragswert der Angelegenheit zugrunde gelegt wird, und die Kosten neu festzusetzen,

hilfsweise

den Änderungsbeschluss der Vergabekammer aufzuheben, soweit als Geschäftswert der Auftragswert zugrunde gelegt wird, und der Vergabekammer aufzugeben, die Verfahrenskosten unter Beachtung der Rechtsauffassung des Oberlandesgerichts neu festzusetzen,

3. die sofortige Beschwerde der Antragstellerin zurückzuweisen,

4. der Gegnerin die gesamten Kosten des Verfahrens aufzuerlegen,

5. festzustellen, dass die Hinzuziehung eines Rechtsbeistandes notwendig war.

Die Antragsgegnerin beantragt,

1. Die sofortige Anschlussbeschwerde der Anschlussbeschwerdeführerin wird zurückgewiesen.

2. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes auf Seiten der Anschlussbeschwerdegegnerin gemäß § 128 Abs. 4 GWB für notwendig zu erklären.

3. Die Kosten des Verfahrens sowie die notwendigen Auslagen der Anschlussbeschwerdeführerin aufzuerlegen.

Sie verteidigt den Abänderungsbeschluss, soweit die Vergabekammer der Gebührenfestsetzung die Auftragssumme von 58.629.304 € zu Grunde gelegt hat.

Wegen der Einzelheiten des Vortrags der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

II.

1.

Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin gegen die Neufestsetzung der von der Antragstellerin zu tragenden Gebühren für das Verfahren vor der Vergabekammer ist mangels Rechtsschutzinteresses unzulässig.

Die Antragsgegnerin ist durch den angegriffenen Änderungsbeschluss, soweit dieser die von der Antragstellerin zu zahlenden Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer herabsetzt, nicht beschwert. Dies gilt auch insoweit, als die Vergabekammer die von der Antragstellerin zu zahlenden Gebühren des Verfahrens vor der Vergabekammer um Gerichtsgebühren des Beschwerdeverfahrens vermindert hat.

Die Antragsgegnerin kann eine Beschwer auch nicht erfolgreich aus der Rechtsprechung einiger Vergabesenate herleiten, wonach bei einer Rücknahme des Nachprüfungsantrags im Beschwerdeverfahren außergerichtliche Kosten des Antragsgegners im Verfahren vor der Vergabekammer nicht erstattet werden. Die Vergabekammer ist zwar davon ausgegangen, es liege in gewisser Weise eine Rücknahme des ursprünglichen Antrags vor. Die Rechtsprechung, wonach die einen Nachprüfungsantrag zurückweisende Entscheidung der Vergabekammer durch eine nachträglich erklärte Rücknahme des Nachprüfungsantrags insgesamt und rückwirkend wirkungslos werde, betrifft jedoch nur solche Fälle, in denen die Kostenentscheidung der Vergabekammer infolge eines Rechtsmittels noch nicht bestandskräftig geworden ist. Dies ist hier jedoch der Fall, denn das Rechtsmittel der Antragstellerin richtete sich auch im ersten Beschwerdeverfahren ausschließlich gegen die Festsetzung der Gebühren der Vergabekammer. Zu dem Gegenstandswert, der für die Berechnung der im Verfahren vor der Vergabekammer entstandenen Rechtsanwaltsgebühren maßgebend ist und für den § 50 Abs. 2 GKG entsprechend herangezogen wird (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 17.01.2006, Verg 29/05), verhält sich der angegriffene Änderungsbeschluss nicht.

Soweit die Vergabekammer in der Begründung des Änderungsbeschlusses allerdings ausführt, die Antragsgegnerin habe die Kosten des ersten Beschwerdeverfahrens (11 Verg 8/07) zu tragen, ist ihr nicht zu folgen. Insofern ist vielmehr § 66 Abs. 8 GKG analog anzuwenden, mit der Folge der Gebührenfreiheit des Beschwerdeverfahrens und der Nichterstattung von Kosten (vgl. OLG Koblenz, Beschluss v. 16.02.2006 - 1 Verg 2/06, NZBau 2006, 740; Summa in: juris PK-Vergaberecht, § 128 Rn. 82). Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin war daher mit der (klarstellenden) Maßgabe zu verwerfen, dass das Beschwerdeverfahren 11 Verg 8/07 gebührenfrei ist und Kosten nicht erstattet werden.

2.

Die am 30.9.2008 bei Gericht eingegangene sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den ihr am 15.9.2008 zugestellten Beschluss der Vergabekammer ist nicht in der Frist des § 117 Abs. 1 GWB eingelegt worden.

Der Antragstellerin kann wegen der Versäumung der Beschwerdefrist keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden.

Gegen die Versäumung der Beschwerdefrist ist zwar ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand statthaft (§§ 120 Abs. 2, 73 Nr. 2 GWB, § 233 ZPO). Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist auch form- und fristgerecht gemäß §§ 234, 236 ZPO gestellt worden und damit zulässig.

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist aber unbegründet.

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann gemäß § 233 ZPO nur gewährt werden, wenn ein Beteiligter ohne Verschulden verhindert war, die versäumte Frist einzuhalten. Dabei kommt es nicht nur auf persönliches Verschulden eines Beteiligten an. Weil das Verschulden des Bevollmächtigten dem Verschulden des Beteiligten gleichsteht (§§ 120 Abs. 2, 73 Nr. 2 GWB, § 85 Abs.2 ZPO), hätte der Antragstellerin nur dann Wiedereinsetzung gewährt werden können, wenn ihre Verfahrensbevollmächtigte an der Fristversäumung kein Verschulden träfe. Dies ist indes nicht der Fall.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs darf der Rechtsanwalt zwar die Berechnung und Notierung einfacher und in seinem Büro geläufiger Fristen einer gut ausgebildeten, als zuverlässig erprobten und sorgfältig überwachten Bürokraft überlassen. Er hat jedoch durch geeignete organisatorische Maßnahmen sicherzustellen, dass die Fristen zuverlässig festgehalten und kontrolliert werden (BGH, Beschl. v. 27.09.2007 - IX ZA 14/07, AnwBl 2008, 71 m.w.N., zitiert nach Juris Rn. 9). Ob die Verfahrensbevollmächtigte hier die geeigneten organisatorischen Maßnahmen getroffen hatte, kann dahingestellt bleiben, weil sie unabhängig davon ein eigenes Verschulden trifft.

Die Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin musste wegen des Empfangsbekenntnisses, das dem per Fax übermittelten Beschluss beigefügt war, davon ausgehen, dass der Beschluss durch die Vergabekammer mit Zustellungswillen und nicht nur vorab zur Kenntnisnahme übersandt worden war. Der Rechtsanwalt darf das Empfangsbekenntnis über eine Zustellung aber erst unterzeichnen und zurückgeben, wenn in den Handakten die Rechtsmittelfrist festgehalten und vermerkt ist, dass die Frist im Fristenkalender notiert worden ist. Dieses Sorgfaltsgebot hat die Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin verletzt, als sie am 15.9.2008 das Empfangsbekenntnis unterzeichnet und zurückgegeben hat, ohne zuvor die Notierung der Rechtsmittelfrist sichergestellt zu haben (BGH, wie vor, zitiert nach Juris Rn. 10).

Als unselbständiges Anschlussrechtsmittel (BayObLGZ 2002, 336) hat die Beschwerde der Antragstellerin analog § 567 Abs. 3 Satz 2 ZPO infolge der Verwerfung der sofortigen Beschwerde der Antragsgegnerin ihre Wirkung verloren.

Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 66 Abs. 8 GKG.

Ende der Entscheidung

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