Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 15.10.2009
Aktenzeichen: 11 Verg 3/09
Rechtsgebiete: GWB, RVG, RVG-VV


Vorschriften:

GWB § 128 Abs 3
RVG § 2 Abs 2
RVG-VV Nr. 2301
Die Vergütung des Rechtsanwalts im Nachprüfungsverfahren bemisst sich auch dann nach § 2 Abs. 2 RVG i.V.m. Nr. 2301 RVG-VV, wenn er nur kurz im vorangegangenen Vergabeverfahren tätig gewesen ist, ihm aber ein umfassender Prüfungsauftrag erteilt war.
Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Kostenfestsetzungsbeschluss der 2. Vergabekammer des Landes Hessen vom 8.7.2009 (69d VK 10/2009) dahin abgeändert, dass die von der Antragstellerin der Antragsgegnerin zu erstattenden Kosten auf 1.594,60 € festgesetzt werden.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Antragsgegnerin zu tragen.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.428,00 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin beteiligte sich an vier Vergabeverfahren der Antragsgegnerin betreffend Dienstleistungen für die Veranstaltung "Hessentag 2009".

Mit Schreiben vom 30.03.2009 rügte die Antragstellerin gegenüber der Antragsgegnerin die aus ihrer Sicht gegebenen Vergabeverfahrensverstöße. Am 31.03.2009 unterzeichneten der Bürgermeister und der erste Stadtrat eine Vollmacht "wegen der Vergabesache Container für den Hessentag" für den Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin (Anlage BF3, Bl. 35 GA). Mit Schreiben vom 31.03.2009 (Bl. 31 GA) beanstandete der Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin die Ordnungsmäßigkeit der Bevollmächtigung des Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin und teilte dieser mit, das Rügeschreiben vom 30.03.2009 könne mangels Vorlage einer ordnungsgemäßen Vollmacht nicht weiter beantwortet werden. Der Nachprüfungsantrag (Bl. 1 VKA) der Antragstellerin ist am 01.04.2009 bei der Vergabekammer eingegangen.

Nach Erledigung des Nachprüfungsverfahrens wies die 2. Vergabekammer des Landes Hessen durch Beschluss vom 13.5.2009 (Bl. 473 VKA) den Fortsetzungsfeststellungsantrag der Antragstellerin zurück, verpflichtete sie zur Erstattung der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragsgegnerin und erklärte die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragsgegnerin für notwendig.

Auf Antrag der Antragsgegnerin vom 12.06.2009 setzte die Vergabekammer durch Kostenfestsetzungsbeschluss vom 08.07.2009 (Bl. 522 VKA = Bl. 7 d.A.) die von der Antragstellerin der Antragsgegnerin zu erstattenden Kosten auf 3.022,60 € fest. Dieser Betrag enthält eine 2,1-fache Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 des Vergütungsverzeichnisses zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (VV-RVG) in Höhe von 2.681,70 €. Zur Begründung hat die Vergabekammer insoweit ausgeführt, für die Anwendung von Nr. 2301 VV-RVG sei ein Tätigwerden des Rechtsanwalts im Vorverfahren, also eine auch nach außen sichtbare Vertretung notwendig. Hierfür genüge das Schreiben vom 31.3.2009 nicht, da bereits einen Tag danach der Nachprüfungsantrag gestellt worden sei.

Gegen die Festsetzung der 2,1-fachen Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV-RVG in dem ihr am 23.07.2009 zugestellten Kostenfestsetzungsbeschluss hat die Antragstellerin mit am 4.8.2009 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz vom selben Tag sofortige Beschwerde erhoben.

Sie ist der Ansicht, es sei nur eine 1,1-fache Geschäftsgebühr nach Nr. 2301 VV-RVG in Höhe von 1.320,00 € festzusetzen, da der Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin ausweislich seines Schreibens vom 31.01.2009 bereits im Ausschreibungsverfahren tätig geworden sei.

Die Antragstellerin beantragt,

den Kostenfestsetzungsbeschluss der 2. Vergabekammer des Landes Hessen vom 08.07.2009, Az. 69 d VK 10/2009, zu Ziffer I insoweit aufzuheben, als die der Beschwerdegegnerin von der Beschwerdeführerin zu erstattenden Kosten über einen Betrag in Höhe von 1.594,60 € hinaus auf 3.022,60 € festgesetzt wurden.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag der Antragstellerin und Beschwerdeführerin auf Änderung der Kostenentscheidung der Vergabekammer zurückzuweisen.

Die Antragsgegnerin verteidigt die Entscheidung der 2. Vergabekammer des Landes Hessen. Ihr Verfahrensbevollmächtigter sei nur vorab mit der Prüfung beauftragt gewesen, ob das Rügeschreiben des Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin eine formelle Bedeutung hat, ohne einen Auftrag in der Vergabesache selbst erhalten zu haben. Er sei erst nach Eingang der Antragsschrift förmlich im Vergabeverfahren beauftragt worden.

Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze Bezug genommen.

II.

Die sofortige Beschwerde ist nach § 116 Abs. 1 GWB statthaft und auch im Übrigen zulässig.

Sie hat auch in der Sache Erfolg, denn die Geschäftsgebühr bemisst sich im vorliegenden Fall nach § 2 Abs. 2 RVG i. V. mit Nr. 2301 VV-RVG.

Für seine Tätigkeit im vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer verdient der Rechtsanwalt in Ermangelung eines konkreten Gebührentatbestands eine Geschäftsgebühr nach Teil 2 Abschnitt 3 VV-RVG (BGH, Beschluss vom 23.09.2008, X ZB 19/07, VergabeR 2009, 39).

Die Gebührentatbestände Nr. 2300 und Nr. 2301 RVG-VV sind dabei im Nachprüfungsverfahren in gleicher Weise anzuwenden, wie sie im verwaltungsrechtlichen Vorverfahren anzuwenden wären (BGH, wie vor).

Danach kommt hier die Gebühr nach Nr. 2301 RVG-VV zur Anwendung, weil der Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin für diese bereits im Vergabeverfahren tätig geworden ist. Die mit Schreiben vom 31.03.2009 erfolgte Erwiderung auf die Rüge der Antragstellerin stellt eine Tätigkeit im Vergabeverfahren dar.

Die Rüge der Antragstellerin zählt noch zum Vergabeverfahren und nicht schon zum Nachprüfungsverfahren (vgl. Senat, Beschluss vom 13.07.2009 - 11 Verg 1/09, zitiert nach Juris Rn. 18; Summa in: jurisPK-VergR, 2. Aufl. 2008, VT 1 zu § 128 GWB Rn 24).

Auch die Erwiderung der Antragsgegnerin vom 31.3.2009 auf das Rügeschreiben der Antragstellerin liegt zeitlich vor dem Nachprüfungsverfahren, denn der Nachprüfungsantrag wurde erst am 01.04.2009 eingereicht. Die Vollmacht der Antragsgegnerin vom 31.3.2009 war auch nicht auf das Nachprüfungsverfahren beschränkt, sondern umfassend "wegen der Vergabesache Container für den Hessentag" und damit auch für das Vergabeverfahren erteilt worden.

Der sachliche Grund dafür, dass der Rechtsanwalt für seine Tätigkeit im Widerspruchsverfahren nach Nr. 2301 VV-RVG geringer vergütet wird, liegt darin, dass er durch die - nach Nr. 2300 VV-RVG vergütete - vorangegangene Tätigkeit im Ausgangsverfahren bereits in den Fall eingearbeitet ist (OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 23.06.2008 - 2 O 114/08, zitiert nach Juris Rn. 6; VGH Mannheim, Beschl. v. 07.02.2008 - 13 S 2939/07 zitiert nach Juris Rn. 11). Der Umstand, dass sich das Schreiben vom 31.3.2009 darauf beschränkt, die dem Rügeschreiben beigefügte Vollmacht anzuzweifeln, steht der Anwendung der Nr. 2301 VV-RVG jedoch ebenso wenig entgegen, wie der Umstand, dass bereits einen Tag später das Nachprüfungsverfahren begann.

Wie der Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin im Schreiben vom 31.3.2009 selbst ausführt, hat ihm die Antragsgegnerin das Rügeschreiben der Antragstellerin vom 30.3.2009 zum Zwecke des weiteren Bearbeitens vorgelegt. Es ist deshalb - auch mit Blick auf die umfassend erteilte Vollmacht - von einem umfassenden Prüfungsauftrag auszugehen, so dass die Voraussetzungen für die Anwendung der Nr. 2301 VV-RVG trotz des zeitlich nur kurzen Tätigwerdens im Vergabeverfahren zu bejahen sind.

Der Höhe nach ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls in Anlehnung an die Ausführungen der Vergabekammer zum Gebührensatz für die Gebühr nach Nr. 2300 VV-RVG eine 1,1-fache Gebühr nach Nr. 2301 VV-RVG angemessen. Danach waren unter Berücksichtigung einer Geschäftsgebühr nach Nr. 2301 VV-RVG in Höhe von 1.320,00 € insgesamt 1.594,60 € festzusetzen.

Die Kostenentscheidung folgt aus der entsprechenden Anwendung von § 91 Abs. 1 ZPO.

Der Streitwert entspricht dem Änderungsinteresse der Beschwerdeführerin.

Ende der Entscheidung

Zurück