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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 17.01.2006
Aktenzeichen: 11 W 21/05
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 809
Der Besichtigungsanspruch nach § 809 BGB kann grundsätzlich auch im Wege der einstweiligen Verfügung geltend gemacht werden.
Gründe:

Die statthafte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde ( §§ 91 a Abs. 2, 567 Abs. 1 Nr.1, 569 ZPO ) hat in der Sache teilweise Erfolg.

Nachdem die Parteien das Eilverfahren in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, war über die Kosten unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands nach billigem Ermessen zu entscheiden ( § 91 a ZPO).

1.) Die Verfügungsklägerin hat einen Teil der Kosten zu tragen, weil ihr Antrag von Anfang an ( teilweise ) unbegründet war, soweit sie die Übergabe des Sachverständigenberichts einschließlich der von dem Sachverständigen ermittelten Dateien und /oder des Quellcodes des Programms "..." an sich verlangt hat (Antrag 1. f 2.Hs.).

a) Der Besichtigungsanspruch nach § 809 BGB kann auch im Wege der einstweiligen Verfügung geltend gemacht werden ( Palandt/Sprau, BGB, 65. Aufl. § 809, Rn. 13 m.w.N.). Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass die einstweilige Verfügung nur zur Sicherung, nicht zur Befriedigung des Hauptanspruchs führen darf. Das Gericht darf daher nicht aussprechen, dass der Antragsgegner die zu besichtigenden Datenträger dem Antragsteller persönlich zugänglich machen muss oder ein Dritter seine bei der Besichtigung gewonnenen Erkenntnisse und Feststellungen an den Antragsteller weitergeben darf. Vielmehr darf die Sicherungsverfügung nur anordnen, dass der Antragsgegner die Besichtigung der Datenträger einem vom Gericht bestimmten, zur völligen Verschwiegen verpflichteten Sachkundigen zu ermöglichen hat. Der Sachkundige hat seinen Bericht bei Gericht zu hinterlegen. Er steht dem Antragsteller grundsätzlich erst zur Einsichtnahme frei, wenn dieser einen Hauptsachetitel über den Besichtigungsanspruch aus § 809 BGB erlangt hat ( Bork, NJW 1997, 1665, 1671; wohl auch KG NJW 2001, 233).

b) Dieser Auffassung folgt der Senat. Die Vorwegnahme der Hauptsache im Eilverfahren lässt sich nicht allein mit Praktikabilitätserwägungen rechtfertigen. Es ist auch nicht ersichtlich, warum die Offenbarung der Ergebnisse der Besichtigung (erst) nach Abschluss des Berufungsverfahrens - unter Umständen erst nach Abschluss des Hauptsacheverfahrens nach § 809 BGB - dem Sinn des § 809 BGB im Eilverfahren zuwider laufen würde. Die Durchsetzung eines Besichtigungsanspruchs im Wege der Hauptsacheklage ist der Regelfall, unter besonderen Umständen kommt die vorläufige Sicherung dieses Anspruchs im Wege der einstweiligen Verfügung in Betracht. Zur vorläufigen Sicherung des Besichtigungsanspruchs, über den endgültig erst im Hauptsacheverfahren zu entscheiden ist, wird in aller Regel aber die sachkundige Besichtigung und die Hinterlegung der sachkundigen Feststellungen bei Gericht ausreichen, um die Gefahr einer nachträglichen Veränderung auszuschließen. Dann aber entspricht es dem Zweck und vorläufigen Charakter einer einstweiligen Verfügung, ( nur) diejenigen Maßnahmen anzuordnen, die eine Veränderung des bestehenden Zustands und eine dadurch bedingte Vereitelung des Rechts des Anspruchsstellers verhindern sollen ( § 935 ZPO). Auch wenn gelegentlich im Schrifttum Bedenken wegen der befürchteten Langwierigkeit des Verfahrens erhoben werden ( vgl. etwa Tilmann/Schreibauer, GRUR 2002, 1015; Brandi -Dohrn CR 1987, 835; a.A. aber die bei Bork a.a.O. Fn. 79 angeführten Nachweise ) besteht kein Anlass, bei der Durchsetzung eines Besichtigungsanspruchs im Wege der einstweiligen Verfügung andere Maßstäbe anzusetzen als bei sonstigen Eilverfahren. Dies rechtfertigt sich insbesondere nicht mit der Erwägung, der Besichtigungsanspruch sei bloßer Hilfsanspruch zum nachfolgenden Verletzungsprozess, weil daraus nicht die Zulässigkeit der Vorwegnahme der Erfüllung des Hilfsanspruchs im Wege der einstweiligen Verfügung folgt ( so aber wohl Tilmann/ Schreibauer a.a.O.).

Diese Ansicht wird auch dem Erfordernis des Art. 50 Abs. 1 des TRIPS - Abkommens gerecht, schnelle wirksame Maßnahmen zur Verhinderung von Verletzungen des Rechts am geistigen Eigentum zu schaffen. Auf die entsprechenden Ausführungen im Urteil des KG und von Bork ( jeweils aaO.) wird verwiesen ( a.A. wohl Tilmann/Schreibauer a.a.O.).

Selbst wenn die Herausgabe zu beschleunigen wäre, könnte dies allenfalls dazu führen, dass dies am Ende des Verfügungsverfahrens zu geschehen hat ( KG a.a.O. m.w.N.). Diese bedeutsame Einschränkung hätte im Antrag aufgenommen und das besondere Interesse an einer Herausgabe vor Abschluss des Hauptsacheverfahrens dargelegt werden müssen.

Nach allem war der Antrag auf sofortige Herausgabe der sachkundigen Feststellungen zu weitgehend und unbegründet, weshalb das Landgericht ihn hätte zurückweisen müssen. Das Teilunterliegen ist im Rahmen der Entscheidung nach § 91 a ZPO zu berücksichtigen, weil die einstweilige Verfügung insoweit jedenfalls auf den Widerspruch der Verfügungsbeklagten aufzuheben gewesen wäre. Im Umfang ihres Unterliegens hat die Verfügungsklägerin die Kosten des Eilverfahrens zu tragen.

2.) Die weitergehende Beschwerde hat keinen Erfolg.

a) Der Anspruch nach § 809 BGB steht grundsätzlich auch dem Urheber oder dem aus Urheberrecht Berechtigten zu, wenn er sich vergewissern möchte, ob eine bestimmte Sache unter Verletzung des geschützten Werks hergestellt worden ist (BGH GRUR 2002, 1047 -Faxkarte). Dabei steht der Anspruch gerade auch demjenigen zu, der sich mit Hilfe der Besichtigung erst Gewissheit über das Vorliegen eines Anspruchs verschaffen will. Er besteht also auch in Fällen, in denen ungewiss ist, ob eine Rechtsverletzung überhaupt vorliegt. Voraussetzung ist dafür lediglich, dass ein gewisser Grad an Wahrscheinlichkeit besteht, der allerdings nur einen im Rahmen der Gesamtwürdigung zu berücksichtigenden Punkt darstellt. Daneben ist vor allem darauf abzustellen, ob für den Gläubiger noch andere zumutbare Möglichkeiten bestehen, die Rechtsverletzung zu beweisen und inwieweit bei der Gewährung des Besichtigungsrechts notwendig berechtigte Geheimhaltungsinteressen des Schuldners beeinträchtigt werden ( BGH a.a.O. m.w.N.). Deshalb kann nach der neueren Rechtsprechung des BGH jedenfalls generell kein erheblicher Grad der Wahrscheinlichkeit einer Rechtsverletzung verlangt werden, sondern kann auch der Verdacht einer Verletzung verbunden mit der Möglichkeit, dass das Programm in den Besitz der Antragsgegnerin gelangt ist, ausreichen, um eine ausreichende Wahrscheinlichkeit zu begründen ( BGH a.a.O. ).

b) Vor diesem Hintergrund erweist sich der Erlass der einstweiligen Verfügung - mit Ausnahme des Antrags zu 1. f 2.Hs. ) - als gerechtfertigt.

Das Landgericht hat im Ergebnis zu Recht angenommen, dass die Verfügungsklägerin die erforderliche Wahrscheinlichkeit in der Antragsschrift ausreichend dargelegt und glaubhaft gemacht hat. Gegen diese Würdigung wendet sich die Verfügungsbeklagte ohne Erfolg.

Dabei kann dahin stehen, ob das Landgericht den Anspruch der Verfügungsbeklagten auf rechtliches Gehör verletzt hat, weil es den Antrag der Verfügungsbeklagten auf Schriftsatznachlass abgelehnt und die Feststellungen des Sachverständigen im Rahmen der Kostenentscheidung berücksichtigt hat, ohne der Verfügungsbeklagten zuvor Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Denn eine etwaige Verweigerung des rechtlichen Gehörs wirkt sich jedenfalls im Ergebnis nicht zu Lasten der Verfügungsbeklagten aus.

aa) Das Landgericht hat die für den Antrag erforderliche "Wahrscheinlichkeit" aufgrund der von der Antragstellerin in der Antragsschrift dargelegten "hochgradigen Übereinstimmung der automatischen Abläufe und der automatischen Erstellung von Buchungsbelegen, der Verwendung nahezu identischer Bildschirmeingebermasken, Eingabefelder und Dialoge und daraus folgend dem nahezu identischen ... -Objektbezug" hergeleitet ( Beschlussumdruck S. 4 Mitte ).

Auf die Feststellungen des Sachverständigen SV1 ist das Landgericht lediglich in anderem Zusammenhang, nämlich bei der Prüfung der Begründetheit des Herausgabeanspruchs zu 1. f 2. Hs. ) eingegangen. Es hat gemeint, dieser Anspruch wäre jedenfalls deshalb begründet gewesen, weil das Gutachten zu dem Ergebnis einer Reihe von Übereinstimmungen der verglichenen Computerprogramme gekommen sei und zumindest im Fall einer solchen Feststellung durch einen unabhängigen Sachverständigen das Interesse der Verfügungsklägerin auf Erlangung der Besichtigungsergebnisse ein etwaiges Geheimhaltungsinteresse der Gegenseite überwiege.

bb) Darauf kommt es indes nicht an, weil der geltend gemachte Herausgabeanspruch - wie bereits unter 1.) dargelegt - unabhängig vom Ergebnis der sachkundigen Feststellungen von Anfang an unbegründet war, so dass der diesbezügliche Antrag hätte zurückgewiesen werden müssen. Da die Kostenentscheidung des Landgerichts insoweit schon aus diesem Grund keinen Bestand hat, kann dahin stehen, ob das Landgericht einen Herausgabeanspruch - gestützt auf die Feststellungen des Sachverständigen SV1 - unter Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör zuerkannt hat.

Nach Auffassung des Senats kommt es auf den Inhalt der sachkundigen Feststellungen darüber hinaus schon deshalb nicht an, weil die Durchsetzung des Besichtigungsanspruchs - jedenfalls im Eilverfahren - nicht der inhaltlichen Klärung etwaiger Zweifel an den Feststellungen des Sachverständigen dient. Dazu wird regelmäßig gar kein Anlass bestehen, weil die Feststellungen nicht an den Antragsteller herauszugeben sind und damit nicht Gegenstand der Erörterung zwischen den Parteien im Eilverfahren sein können.

Selbst dann, wenn man - wie das Landgericht - einen Herausgabeanspruch "am Ende des Verfügungsverfahrens" für möglich hält, kommt es für die zu treffende Kostenentscheidung nicht auf die Feststellungen des Sachverständigen, sondern allein darauf an, ob die Voraussetzungen des Besichtigungsanspruchs vorgelegen haben. Dieser hängt - wie dargelegt - nicht davon ab, ob der Hauptanspruch besteht. Auch wenn die Besichtigung zum Nachteil des Antragstellers ausgeht, hat dieser nicht die Kosten des Verfahrens nach § 809 BGB zu tragen, wenn die Voraussetzungen eines Besichtigungsanspruchs - insbesondere eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für eine Rechtsverletzung - vorgelegen haben.

Zutreffend hat das Landgericht die ausreichende Wahrscheinlichkeit für die Rechtsverletzung deshalb auch nicht aufgrund des Ergebnisses des Sachverständigengutachtens, sondern wegen der "hochgradigen Übereinstimmung der automatischen Abläufe und der automatischen Erstellung von Buchungsbelegen, der Verwendung nahezu identischer Bildschirmeingebermasken, Eingabefelder und Dialoge und daraus folgend dem nahezu identischen ... -Objektbezug" hergeleitet. Diese Indizien begründeten im Zusammenhang mit dem Umstand, dass die Verfügungsbeklagte zum Quellcode der Verfügungsklägerin als ... - Beratungshaus der A O1 Zugang hatte und das Programm auf dem System der A installierte, den Verdacht einer Rechtsverletzung. Dieser Würdigung steht nicht entgegen, dass die Verfügungsbeklagte dem Vortrag der Verfügungsklägerin entgegengetreten ist und die vorgetragenen Indizien zu widerlegen versucht hat. Sie hat sich dazu auf eine Reihe unterschiedlicher Funktionsweisen beider Programme berufen und behauptet, beide Programme würden auf einer Programmarchitektur einer ... - Standardsoftware aufsetzen.

Zu berücksichtigen ist, dass an den Grad der Wahrscheinlichkeit keine so hohen Ansprüche gestellt werden dürfen, dass die Durchsetzung des Rechtsschutzes im einstweiligen Verfügungsverfahren illusorisch würde. Das gilt insbesondere dann, wenn der Gläubiger auf den Quellcode angewiesen ist, um sich Kenntnis darüber zu verschaffen, ob und in welchem Umfang ihm zustehende Rechte verletzt worden sind und besondere Geheimhaltungsinteressen des Gegners nicht bestehen oder durch Einschaltung eines Dritten - wie hier - ausreichend berücksichtigt werden können (BGH a.a.O. ).

Die von der Verfügungsbeklagten vorgetragenen technischen Modifikationen ihres Programms erscheinen zwar nicht von vornherein ungeeignet, eine Übernahme des Softwareprogramms der Verfügungsklägerin zu widerlegen, sie schließen eine solche aber auch keineswegs zwingend aus. Eine abschließende Klärung dieser Frage mit den Mitteln des Eilverfahrens ist weder möglich noch geboten. Würde man allein aufgrund des dem Vortrag der Verfügungsklägerin entgegenstehenden Vortrags der Verfügungsbeklagten eine mutmaßliche Rechtsverletzung verneinen, wäre die Durchsetzung des Besichtigungsanspruchs im Eilverfahren praktisch nicht möglich. Es würde Sinn und Zweck eines Besichtigungsanspruchs aber ersichtlich zuwiderlaufen, wenn die Darlegung seiner Voraussetzungen erst aufgrund des Ergebnisses einer Besichtigung möglich wäre.

Vor diesem Hintergrund ist es nicht zu beanstanden, wenn das Landgericht eine ausreichende Wahrscheinlichkeit aufgrund des Vortrags der Verfügungsklägerin insbesondere in Verbindung mit der behaupteten Zugangsmöglichkeit der Verfügungsbeklagten zum Quellcode bejaht hat, zumal die weitergehenden Interessen der Verfügungsbeklagten durch Einschaltung eines Sachverständigen gewahrt sind.

Dass die Verfügungsklägerin ohne unzumutbaren Aufwand in der Lage gewesen wäre, sich den Quellcode etwa durch einen Testkauf selbst zu beschaffen, ist insbesondere im Hinblick auf ihren Vortrag im Schriftsatz vom 28.07.2005 von der Verfügungsbeklagten nicht ausreichend substantiiert und glaubhaft gemacht. Die Verfügungsbeklagte ist hierauf im Rahmen ihrer Beschwerdebegründung auch nicht mehr zurückgekommen.

3.) Die Kosten des Eilverfahrens waren unter Berücksichtigung des beiderseitigen Unterliegens verhältnismäßig zu teilen ( § 92 Abs. 1 ZPO ).

Der Senat geht davon aus, dass die ( beantragte) sofortige Herausgabe der Feststellungen des Sachverständigen für den Gläubiger gegenüber der Hinterlegung der Ergebnisse bei Gericht einen deutlichen Vorteil aufweist, so dass das Unterliegen der Verfügungsklägerin mit 1/3 zu bewerten ist.

Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens folgt aus §§ 97, 92 Abs. 1 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor ( § 574 ZPO ).

Der Beschwerdewert war nach § 3 ZPO entsprechend den entstandenen Kosten des Rechtsstreits festzusetzen.

Ende der Entscheidung

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