Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 15.08.2006
Aktenzeichen: 12 U 184/05
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 648 a
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I.

Die Klägerin behauptet restlichen Werklohn von netto € 157.169,27 und macht daraus im Wege der Teilklage einen Betrag von netto € 24.954,79 geltend.

Die Parteien schlossen am 25.06.2003 einen Werkvertrag über die Ausführung von Isolierungs- und Trockenbauarbeiten betreffend das Bauvorhaben "A." in O1. Die Beklagte hatte Sicherheit nach § 648a BGB bis zu einem Betrag von € 50.000,00 durch eine auf den 30.06.2004 befristete Bankbürgschaft geleistet. Der Vertrag wurde letztlich nicht vollständig abgewickelt, weil die Klägerin weitere Leistungen verweigerte, nachdem die Beklagte innerhalb einer ihr gesetzten Frist keine zusätzliche Sicherheit nach § 648a BGB in Höhe von weiteren € 20.000,00 geleistet hat und die Beklagte ihrerseits sodann ab 09.08.2004 die noch ausstehenden Restarbeiten, deren Umfang streitig ist, selbst ausführte.

Die Klägerin hat zuletzt auf der Grundlage ihrer Schlussrechnung vom 27.08.2004 wie folgt abgerechnet, und zwar aufgrund § 13b UStG jeweils netto:

 1. Abrechnungssumme € 293.874,18
2. Regieleistungen € 5.512,50
3. Pauschalvereinbarung € 25.000,00
4. Aufmaß und Stundenrechnungen € 729,25
5. Regieleistungen € 832,50
6. Mehraufwand für Formteile € 114.613,50
 € 440.561,93
7. abzgl. Abschlagszahlungen der Beklagten ./. € 261.364,57
8. abzgl. 5% Gewährleistungseinbehalt ./. € 22.028,09
 € 157.169,27

Die Positionen 1. bis 4. und 7. sind unstreitig.

Die Beklagte hat die Ansprüche der Klägerin zu den Positionen 5. und 6. zurückgewiesen und von der als berechtigt anerkannten Abrechnungssumme zu den

 Positionen 1.-4. € 325.115,93
abzüglich Abschlagszahlungen (Position 7.) ./. € 261.364,57
 € 63.751,36
folgende weitere Positionen zum Abzug gebracht: 
9. auf Position 3. bereits gezahlte ./. € 19.212,40
10. Ersatzvornahmekosten ./. € 35.444,08
 € 9.094,88

Nach Abzug des Gewährleistungseinbehaltes, so meint die Beklagte, stehe der Klägerin daher kein Zahlungsanspruch zu.

Mit Urteil vom 09.08.2005, worauf zur weiteren Sachdarstellung auch wegen des Sach- und Streitstandes in erster Instanz gemäß § 540 I Nr.1 ZPO Bezug genommen wird, hat das Landgericht der Klage bis auf einen Teil des Zinsanspruchs stattgegeben und dafür folgende Gründe gefunden:

Der Klägerin habe bereits in Ansehung der unstreitigen Positionen nach Abzug des Gewährleistungseinbehalts ein Vergütungsanspruch von mindestens € 47.495,56 netto, womit die nur in Höhe von € 24.954,79 erhobene Teilklage bereits begründet sei. Die weiteren Abzugspositionen der Beklagten seien unbegründet. Ein Abzug von € 19.212,40 sei nicht berechtigt, da die Beklagte diesen Betrag auf ganz konkrete Rechnungen der Klägerin gezahlt habe und sich deshalb nicht darauf berufen könne, diese Zahlungen seien auf die mit € 25.000,00 vereinbarte Pauschalvergütung anzurechnen. Ersatzvornahmekosten in Höhe von € 35.444,08 könne sie ebenfalls nicht verlangen, weil die Klägerin gemäß § 648a BGB berechtigt gewesen sei, weitere Leistungen zu verweigern.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten. Soweit das Landgericht die Verrechnung gezahlter € 19.212,40 auf die Pauschale von € 25.000,00 abgelehnt habe, seien ihm Auslegungsfehler hinsichtlich der vertraglichen Vereinbarungen unterlaufen. Das Landgericht habe es ferner verfahrensfehlerhaft als unstreitig angesehen, dass die Klägerin die erste Bürgschaft über € 50.000,00 verspätet in Anspruch genommen habe. Die Beklagte stellt nunmehr jedenfalls unstreitig, dass dies nicht der Fall war. Daher habe diese Sicherheit der Klägerin entgegen der Annahme des Landgerichts weiter zur Verfügung gestanden und es in Ansehung der Gegenrechte der Beklagten keiner weiteren Sicherheiten in Höhe von € 20.000,00 bedurft. Zudem habe das Landgericht verkannt, dass sich die Klägerin auf das Leistungsverweigerungsrecht des § 648a BGB nicht berufen könne, weil sie selbst nicht vertragstreu gewesen sei, indem sie die über € 50.000,00 gestellte Bürgschaft zu Unrecht in Anspruch genommen und dadurch den Kredit der Beklagten bei ihrer Hausbank gefährdet habe.

Die Beklagte beantragt:

Das Urteil des Landgerichts Darmstadt, Az. 18 O 566/04, vom 09.08.2005 wird aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen

und verteidigt das angefochtene Urteil.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf die zwischen den Parteien im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die nachfolgenden Ausführungen verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg. Das angefochtene Urteil ist nicht zu beanstanden. Der Klägerin steht die geltend gemachte Forderung gemäß § 631 I BGB zu. Die von der Beklagten eingewandten Abzüge vom Werklohn sind nicht berechtigt. Weil die Teilklage betragsmäßig bereits aufgrund der unstreitigen Positionen überschritten wird, kommt es nicht darauf an, ob der Klägerin hinsichtlich ihrer streitigen Abrechnungspositionen weitere Regiekosten von € 832,50 (Position 5) und nach DIN 18421 Ziff. 4.2 eine besondere Vergütung für Mehraufwand bei Formteilen in Höhe von € 114.613,50 (Position 6) zustehen.

1) Die Frage der Abnahme spielt für die Fälligkeit des Werklohns keine Rolle mehr. Es ist unstreitig, dass die Leistungen der Klägerin nicht vollständig ausgeführt wurden und die Beklagte die Vollendung des Werks im Wege Selbstvornahme bewerkstelligt hat. Umgekehrt hat die Klägerin Schlussrechnung erteilt und damit zum Ausdruck gebracht, dass es damit sein Bewenden haben soll. Im Ergebnis liegt deshalb eine von keiner Partei angegriffene vorzeitige Vertragsbeendigung vor und sind nur noch die von der Klägerin erbrachten und in ihrer Schlussrechnung ausgewiesenen Leistungen abzurechnen. Die unstreitigen Punkte ergeben folgende abrechenbaren Positionen der Klägerin (jeweils netto gemäß § 13b UStG):

 1. unstreitige Abrechnungssumme € 293.874,18
2. unstreitige Regieleistungen € 5.512,50
3. unstreitige Pauschalvergütung € 25.000,00
4. unstreitiges Aufmaß und Stundenlohn € 729,25
Zwischensumme: € 325.115,93
7. abzgl. unstreitige Abschlagszahlungen ./. € 261.364,57
Zwischensumme: € 63.751,36
abzgl. Gewährleistungseinbehalt(5% aus € 325.115,93) ./. € 16.255,80
Vergütungsanspruch der Klägerin: € 47.495,56

Dies übersteigt bereits den mit der Teilklage geltend gemachten Betrag von € 24.954,79.

2) Die weiteren über die unstreitige Abschlagszahlung von der Beklagten hinaus vorgenommenen Abzüge sind nicht berechtigt.

a) Mit zutreffender Begründung, die sich das erkennende Gericht zu eigen macht, hat das Landgericht einen weiteren Abzug für gezahlte Beträge in Höhe von € 19.212,40 verneint. Dieser Betrag kann schon nach dem Vortrag der Beklagten nicht in der am 28.01.2004 vereinbarten Pauschalvergütung von € 25.000,00 enthalten gewesen sein. Der dort geschlossene Teilvergleich (§ 779 BGB) bezieht sich seinem Wortlaut nach auf seinerzeit streitige Kostenpositionen. Das trifft auf die von der Beklagten mit Schriftsatz vom 11.03.2005 als Anlagen B14 bis B17 selbst vorgelegten Rechnungen nicht zu. Danach war die Rechnung vom 17.12.2003 bereits am 12.01.2004 bezahlt und kann bei Abschluss des Vergleichs nicht in Streit gestanden haben. Alle weiteren Rechnungen datieren einschließlich der Zahlungszeitpunkte nach dem 28.01.2004 und waren, wie die Zahlung ohne erkennbaren Hinweis auf den Vergleich erweist, offensichtlich ebenfalls außer Streit. Die Beklagte konnte jedenfalls bis zuletzt auch in der Berufung keine plausible Erklärung dafür geben, warum sie ausdrücklich auf diese Rechnungen gezahlt hat und dies dann als Zahlung auf den Pauschalbetrag angesehen werden sollte, obgleich nach ihrer sonstigen Sachdarstellung diese Pauschale über € 25.000,00 überhaupt erst im Rahmen der Schlussrechnung einzustellen war, die wiederum zum Zeitpunkt der erfolgten Zahlungen noch gar nicht vorlag.

b) Der Beklagten steht schließlich im Ergebnis auch kein Anspruch gemäß §§ 280 I, III, 281 I 1 BGB oder §§ 637, 634 Nr.2 BGB auf Erstattung von Ersatzvornahmekosten in Höhe von € 35.444,08 zu, weil die Klägerin gemäß § 648a I 1 BGB nach Ablauf der von ihr zum 26.07.2004 gesetzten Frist zur Stellung einer zusätzlichen Sicherheit in Höhe von € 20.000,00 berechtigt war, die weitere Ausführung zu verweigern.

Es kann dahin stehen, ob es das Landgericht unzutreffend als unstreitig angesehen hat, dass die Klägerin die befristete Höchstbetragsbürgschaft über € 50.000,00 erst nach Fristablauf am 30.06.2004 in Anspruch genommen habe und die Bürgschaft damit bereits erloschen gewesen sei, oder ob, wie die Beklagte nunmehr dem Vortrag der Klägerin in erster Instanz folgend in der Berufungsbegründung geltend macht, die Inanspruchnahme der Bürgschaft noch rechtzeitig erfolgt ist und der Klägerin dieses Sicherungsmittel an sich auch weiterhin zur Verfügung stand. Auch im letztgenannten Fall hatte die Klägerin Anspruch auf eine weitere Sicherheitsleistung nach Maßgabe des § 648a BGB in Höhe von € 20.000.00.

Der Betrag von € 63.751,36, den die Klägerin mindestens noch verlangen kann, stand zu dem Zeitpunkt, als von der Beklagten die weitere Bürgschaft verlangt wurde, bereits als voraussichtliche Vergütung fest und bringt zugleich die Höhe der nach § 648a BGB berechtigten Sicherheit zum Ausdruck, weil der darin enthaltene vereinbarte Gewährleistungseinbehalt von 5% bei der Ermittlung der zu sichernden voraussichtlichen Vergütung nicht herauszurechnen ist (Bundesgerichtshof Beschluss vom 25.11.1999, VII ZR 95/99 zu § 648 BGB, zitiert nach juris m.w.N.; Wirth u.a.-Schmidt, Darmstädter Baurechtshandbuch, 2.Aufl., Kap.2 Rn.141). Ferner war die Klägerin gemäß § 648a I 2 BGB berechtigt, auf die voraussichtliche Vergütung von € 63.751,36 für zu erwartende Nebenforderungen 10% aufzuschlagen, so dass sich der zu sichernde Betrag auf insgesamt € 70.126,50 belief. In Ansehung der vorhandenen auf € 50.000,00 beschränkten und zum 30.06.2004 befristeten ersten Bürgschaft war deshalb die Forderung der Klägerin nach einer Sicherheit über weitere € 20.000,00 selbst dann berechtigt, wenn die erste Bürgschaft nicht, wie das Landgericht angenommen hat, durch Fristablauf bereits erloschen war. Im Ergebnis hätte daher die Beklagte innerhalb der gesetzten Frist, die auch angemessen war, eine weitere Sicherheit in Höhe von € 20.000,00, mindestens aber in Höhe des € 50.000,00 übersteigenden und auch für sie erkennbaren Betrages beibringen müssen und bestand für die Klägerin erst recht keine Veranlassung, vorhandene Sicherheiten freizugeben, wie die Beklagte dies statt dessen verlangt hat.

Ohne Erfolg beruft sich die Beklagte weiter darauf, der Klägerin sei wegen eigener Vertragsuntreue die Geltendmachung des Leistungsverweigerungsrechts nach § 648a I 1 BGB verwehrt gewesen. Ein derartiges "ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal" wird soweit ersichtlich weder in der Rechtsprechung noch in der einschlägigen Literatur vertreten. Es wäre auch nicht mit dem Gesetzeszweck zu vereinbaren. Der Anspruch des Unternehmers auf Sicherheitsleistung nach § 648a BGB ist als solcher nicht einklagbar und kann nur über die in § 648a I 1, V BGB eingeräumten Druckmittel durchgesetzt werden (vgl. nur Palandt-Sprau BGB, 65.Aufl., § 648a Rn.5 m.w.N.). Eine Versagung der Rechte aus § 648a BGB kommt deshalb allenfalls in Fällen des groben Rechtsmissbrauchs nach § 242 BGB in Betracht, etwa wenn sich der Unternehmer hinsichtlich seiner Hauptleistungspflichten aus dem Werkvertrag grob vertragswidrig verhält und die Möglichkeiten des § 648a BGB offenkundig allein dazu missbraucht, sich seiner vertraglichen Hauptpflichten endgültig zu entziehen (vgl. Oberlandesgericht Karlsruhe Urteil vom 30.12.1999, 17 U 168/95, zitiert nach juris, dort Rn.98). Das behauptet die Beklagte nicht. Sie leitet die Pflichtverletzung der Klägerin vielmehr aus der unberechtigten Inanspruchnahme der vorhandenen Bankbürgschaft über € 50.000,00 unmittelbar vor Ablauf der Bürgschaftsfrist ab. Darin liegt aber keine Verletzung einer werkvertraglichen Hauptpflicht sondern allenfalls eine Verletzung der mit der Sicherheitsleistung regelmäßig konkludent einhergehenden Sicherungsabrede, die jedoch bereits mit Bestreiten der Hauptforderung gemäß § 648a II 2 BGB abgewehrt werden konnte und auch wurde. Das Argument einer mit Inanspruchnahme der Bürgschaft einhergehenden Kreditgefährdung der Beklagten überzeugt ebenfalls nicht. Es kann als wahr unterstellt werden, dass die Hausbank der Beklagten nach Inanspruchnahme der bis zur Höhe von € 50.000,00 geleisteten und befristeten Bürgschaft durch die Klägerin bei der Beklagten "intensiv unter Androhung der Zurückführung der Kreditlinie" Auskunft über deren Liquidität verlangt hat. Wer Sicherheit durch Bankbürgschaft leistet, muss grundsätzlich auch mit der Inanspruchnahme des Bürgen rechnen. Eine Kreditgefährdung dadurch, dass der Bürge - hier die Bank - dann Zweifel an der Liquidität des Hauptschuldners entwickelt und seine Kreditpolitik überdenkt, ist, wenn überhaupt, eine zwangsläufige Folge dieses Sicherungsmittels, und zwar unabhängig davon, ob die Inanspruchnahme des Bürgen durch den Gläubiger berechtigt ist oder nicht. Die behaupteten schädlichen Folgen des Verhaltens der Klägerin, die zudem über die Nachfragen der Hausbank der Beklagten nicht hinausgegangen sind, bewegten sich daher innerhalb des Risikos eines jeden Hauptschuldners, das mit der Sicherung von Verbindlichkeiten durch Bürgschaft stets verbunden ist. Deshalb kann aus der unberechtigten Inanspruchnahme der Bürgschaft keine gravierende Pflichtverletzung abgeleitet werden, die der Klägerin im Rahmen des § 648a BGB etwa entsprechend § 273 BGB entgegengehalten werden könnte. Es kann deshalb auch offen bleiben, ob diese Vorschrift im Rahmen des § 648a BGB überhaupt anwendbar ist.

Der Einwand der Beklagten ist schließlich auch unter dem Gesichtspunkt laufender Avalzinsen unerheblich, weil sie diese jederzeit nach Maßgabe des § 648a III 1 BGB an die Klägerin hätte weiterbelasten können.

3) Hinsichtlich der vom Landgericht zugesprochenen Zinsen enthält die Berufungsbegründung keinen Angriff.

4) Die Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 97 I, 708 Nr.10, 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen. Die Sache hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts, § 543 II ZPO.

Der Gegenstandswert des Berufungsverfahrens folgt aus § 47 I GKG in Verbindung mit dem Berufungsantrag. Die Abzugspositionen der Beklagten wirken sich nicht werterhöhend aus, weil sie als Hauptaufrechnung gegen den unstreitigen Teil der Vergütungsforderung auszulegen sind.

Ende der Entscheidung

Zurück